Von Schweden nach Hollywood: Unterschiede zwischen En Kvinnas Ansikte und A Woman's Face


Trabajo Escrito, 2013

14 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Narrative und dramaturgische Unterschiede
1.1 Chronologie und Informationsvergabe
1.2 Dergeänderte Schluss

2 Unterschiede in der Figurenkonzeption
2.1 Die Darstellung weiblicher Charaktere
2.2 Die Darstellung männlicher Charaktere

3 Thematische und motivische Abweichungen
3.1 Musik
3.2 Spiegel
3.3 Religion
3.4 DarstellungderStaatsmacht

Fazit

Literaturverzeichnis

Filmverzeichnis

Einleitung

Basierend auf Francis des Croissets Theaterstück II était une fois produzierte Svensk Filmindustri 1938 En Kvinnas Ansikte (Ein Frauenantlitz, SE 1938). Regie führte Gustaf Molander, der mit Intermezzo (SE 1936) schon ein international beachtetes Melodram inszeniert hatte. Da Synchronisationen sich auf dem US-Markt seit der Einführung des Tonfilms nicht als massenmarkttauglich[1] etablieren konnten, hat sich das Drehen eines Remakes als erfolgreiche Alternative bewährt. Die Möglichkeit, einen auf seinem Heimatmarkt schon erfolgreichen Stoff mit heimischen Stars zu kombinieren, bietet eine für die Filmindustrie verhältnismäßig hohe wirtschaftliche Sicherheit[2] [3]. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Remake auf die kulturellen Gewohn­heiten des neuen Zielmarktes umgearbeitet werden kann.

Aus diesem Grund bekam nach Intermezzo ein weiterer Film Molanders ein Hollywood-Remake. Joan Crawford suchte nach einer Rolle für sich und fand sie in der Rolle der entstellten Kriminellen Anna Holm aus En Kvinnas Ansikte3. So drehte George Cukor für MGM auf dem gleichen Stück basierend wenige Jahre später A Woman's Face (Erpressung, USA 1941). Die Wandlung einer Frau zum Guten, charakterlich wie auch physisch, steht im Mittelpunkt der Handlung beider Filme. Die Darstellung innerer Wandlung eines weiblichen Charakters durch äußerliche Veränderung ist ein dank vielfältiger Darstellungsmöglichkeiten in Filmen immer wieder gern aufgegriffenes Motiv[4]. Variiert wird es in diesem Fall durch einen chirur­gischen Eingriff anstatt durch eine Veränderung von Garderobe oder Frisur. Weiter ist beiden Filmen gemein, dass sie häufig dem Genre des Melodrams zugeordnet werden[5], allerdings in verschiedenster Art von dessen Konventionen abweichen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, die durch den Adaptionsprozess entstandenen Unter­schiede der beiden Filme herauszuarbeiten und Begründungen für diese Änderungen zu finden. Schwerpunkt der Betrachtung werden dabei die Narration, sowie die Figurenkonzeption der beiden Filme sein.

1 Narrative und dramaturgische Unterschiede

Das Melodram ist als Genre stärker von inhaltlichen als von gestalterischen Ge­meinsamkeiten geprägt[6]. Selbst bei gleichbleibender Handlung kann ein Remake durch Änderungen der Narration und Dramaturgie eine andere Erwartungshaltung beim Rezipienten[7] aufbauen. Dies passiert in A Woman's Face, weshalb der Film der veränderten Erwartungshaltung durch einen neuen Schluss Tribut leistet.

1.1 Chronologie und Informationsvergabe

Während die Story in beiden Filmen größtenteils identisch ist, unterscheidet sich die narrative Konstruktion deutlich voneinander. En Kvinnas Ansiktes Plot folgt dem klassischen Konzept von Narrative: "a chain of events in cause-effect relationship occuring in time and space"[8]. Um dies einzuhalten, übersteigt das Wissen des Zuschauers über die aktuellen Ereignisse in mehreren Szenen das Wissen der Anna Holm (Ingrid Bergman)[9], mit dem es ansonsten über lange Zeiträume der Handlung identisch ist. A Woman's Faces Gerichtsprozessstruktur hingegen beginnt mit einem Effekt, nämlich der Information eines begangenen Mordes. Die Exposition erinnert dadurch eher an Genres wie den Film Noir oder den Detektivfilm[10].

Beiden Filmen ist gemein, dass sich der qualitative POV[11] Anna nicht nähert. In En Kvinnas Ansikte lernt der Zuschauer zusammen mit Anna die Diegese kennen, was zu einer stärkeren Identifikation mit ihr führt[12]. Im Vergleich dazu ist die Informationsvergabe in A Woman's Face diffuser[13]. Das Wissen des Zuschauers übersteigt das der Anna Holm (Joan Crawford) in den Rückblenden, bleibt aber hinter dem der Anna im Gerichtssaal zurück. Dadurch entsteht Distanz zwischen Anna und dem Zuschauer und seine Position entspricht mehr dem eines Prozessbeobachters. Neben der Identifikation mit Anna wird die Spannung für den Zuschauer durch diese unterschiedlichen Arten der Informationsvergabe stark beeinflusst. Mangels Wissen über die späteren Ereignisse versucht der Zuschauer in der amerikanischen Verfilmung Schlüsse über diese anhand des Verhaltens der Charaktere zu ziehen[14]. Im Mittelpunkt steht die Frage (mangels qualitativem POV), inwiefern Annas moralische Wandlung wirklich stattgefunden hat. Durch das zusätzliche Wissen in A Woman's Face stellt sich dem Rezipienten auch von Anfang an die Frage, wie die Handlungen in einem Mord enden konnten, und ob die Anklage gegenüber Anna gerechtfertigt ist[15].

1.2 Der geänderte Schluss

Durch Annas Aufgabe ihrer Tarnung und dem damit einhergeheden Beweis ihrer Wandlung zum Guten kulminiert En Kvinnas Ansikte in der Schlittenfahrt als dramatischem Höhepunkt. A Woman's Face hat spannungstechnisch hingegen einen doppelten Höhepunkt. Die Schlittenfahrt, die auch hier Annas Wandlung zum Guten beweist, zeigt aber auch, dass sie Torsten erschossen hat. Dadurch steigert sich die Dringlichkeit der von Beginn an bestehenden Situation des Gerichtsprozesses innerhalb der Haundlung. Trotz der Tatsache, dass die Umstände nun stärker für ihre Verurteilung sprechen, kann man dank ihrer moralischen Wandlung[16] davon ausgehen, dass das Interesse des Zuschauers an ihrem Freispruch gestiegen ist. Erst durch die Entdeckung des entlastenden Briefes löst sich der Spannungsbogen auf.

2 Unterschiede in der Figurenkonzeption

Obwohl viele Figuren in beiden Filmen ähnliche Funktionen innerhalb der Handlung erfüllen, sind ihre Charakterzeichnungen teils sehr unterschiedlich angelegt. Auffällig ist hierbei das Entfernen moralischer Ambivalenzen der Charaktere in A Woman's Face. Durch die Veränderungen der Charaktere ändern sich auch die Aussagen der Filme hinsichtlich der gesellschaftlichen Rollen der beiden Geschlechter.

2.1 Die Darstellung weiblicher Charaktere

Beiden Filmen ist gemein, dass sie mit Anna Holm eine Protagonistin haben, die im Laufe des Films eine Entwicklung durchläuft. Beide nehmen aufgrund ihrer physischen Erscheinung anfangs eine Außenseiterrolle in der Gesellschaft ein.Die Anna Holm in En Kvinnas Ansiktes wird hierbei als starke, aktiv agierende Geschäftsfrau dargestellt, deren Verhalten unabhängig, aggressiv und kalkulierend ist [17]. Sie zeichnet sich somit anfänglich durch eher maskulin wahrgenommene Züge aus. Nach ihrer Operation zeigt sie sanftere, weiblichere Züge, beweist aber auch vereinzelt, dass sie ihr bisheriges Wesen nicht aufgegeben hat[18]. Am Ende der Handlung kombiniert sie beide Rollen und kann mit zurückgewonnener Weiblichkeit unabhängig leben. A Woman's Faces Anna Holm hingegen entspricht dem Typus des melodramatischen Protagonisten nach Nowell-Smith[19]. Sie wird von Beginn an als unter ihrer Außenseiterrolle und dem romantischen Desinteresse leidend dargestellt. Nach der Operationen verändert sich ihr Charakter vollständig, sie ist nun praktisch eine neue Person[20]. Ihre Rückkehr in die Gesellschaft kennzeichnet sich primär da­durch, dass sie nun von Männern begehrt und von Frauen als Konkurrentin und Ge­fahr wahrgenommen wird. Die Unabhängigkeit, die sie vor der Operation besaß, übt auf sie nun keinen Reiz mehr aus. Sie selbst beschreibt ihre Motivation:

I've always wanted to get married. I want to have a home and children. I want to go the market and cheat the grocer and fight with the landlord. I want to belong to the human race. I want to belong.

Die Werte dieser Aussage werden durch A Woman's Face weiter gestärkt, da keine glücksverheißende Alternative in anderen weiblichen Charakteren gezeigt wird. Der einzige andere unverheiratete weibliche Charakter Emma Kristiansdotter (Marjorie Main) wird als verbitterte alte Jungfer dargestellt. Auch die verheirateten weiblichen Charaktere erwecken nicht die Sympathie des Zuschauers. Annas weibliche Komplizin (Connie Gilchrist) ist den ganzen Filmverlauf über nur spöttelnd zu sehen und Fr. Segert (Osa Massen) wird in jeglicher Hinsicht als moralisch verdorben dargestellt. Diese negative Darstellung der weiblichen Charaktere steht im Gegensatz zu der durchgehend positiven Darstellung in En Kvinnas Ansikte. Der erste Grundsatz des damals in den USA gültigen Hays Code besagt:

No picture shall be produced which will lower the moral standards of those who see it. Hence the sympathy of the audience shall never be thrown to the side of crime, wrong-doing, evil or sin.[21]

Dies ist eine wahrscheinliche Erklärung für die Darstellung Fr. Segerts und der Komplizin[22]. Vom reinen Wortlaut her kann dies allerdings nicht als Erklärung für die Änderung der Haushälterin verwendet werden. Remakes anderer Filme in dieser Zeit zeigen aber vergleichbare Tendenzen[23] und lassen auch diese Änderung als Auswirkung des Hays Code erklären. Das Verbitterte ihrer Darstellung suggeriert, dass der soziale Status der unverheirateten Frau sich negativ auf deren Entwicklung im Alter auswirkt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die schwedische Produktion mit Anna Holm eine unabhängige, starke Frau in den Mittelpunkt ihrer Handlung stellt. Auch für andere weibliche Charaktere wird unabhängig von deren Lebenssituation durch­gehend versucht, Sympathie zu erwecken. Es lässt sich hier also von einer positiven, facettenreichen Darstellung weiblicher Charaktere sprechen. A Woman's Face hingegen reduziert den Handlungsanteil der weiblichen Charaktere und präsentiert diese mit Ausnahme der operierten Anna durchgehend negativ. Zusätzlich hat man es hier bedingt durch die narrative Struktur mit einer beinahe einseitig negativen Darstellung weiblicher Charaktere aus dem Blickwinkel männlicher Charaktere zu tun. Als einzige Möglichkeit des Glücklichseins für Frauen stellt der Film die klassische, konservative Rolle der Ehefrau dar.

2.2 Die Darstellung männlicher Charaktere

Im Gegensatz zur statischen Zeichnung der männlichen Charaktere in En Kvinnas Ansikte durchläuft Dr. Segert in der amerikanischen Version eine charakterliche Entwicklung. Dazu kommen die Rollenerweiterungen von Torsten Barring und Annas Komplizen sowie die narrative Struktur, die Anna fast ausschließlich aus männlichen Blickwinkeln zeigt. Daher lässt sich von einer Stärkung des männlichen Standpunktes und einer Verlagerung der Aufmerksamkeit des Zuschauers von Anna zu dem Liebesdreieck um Anna herum sprechen.

Dr. Wegerts (Anders Henrikson) Funktion in En Kvinnas Ansikte beschränkt sich auf die des Initiators von Annas Entwicklung und als beruflicher Ausweg aus ihrer Situation am Ende. In A Woman's Face initiiert Dr. Segert (Melvyn Douglas) diese Entwicklung nicht nur, sondern er kontrolliert auch Annas Verhalten in der zweiten Hälfte des Films. Gleichzeitig übernimmt er die romantischen Funktionen des gestrichenen Harald Berg (Gunnar Sjöberg), dem er auch optisch angenähert worden ist.

Torsten Barring (Georg Rydeberg) in En Kvinnas Ansikte ist zwar der klare Antagonist innerhalb der Handlung, seine Darstellung ist aber unauffällig. Die Narrative macht am Ende nicht einmal eindeutig klar, ob die Ereignisse der Schlittenfahrt nicht doch möglicherweise ein Unfall waren. Conrad Veidt als Torsten Barring hingegen hat beinahe dämonische Züge, er ist ein blasphemischer, großspuriger Faschist[24], und damit das Gegenstück zum gottesfürchtigen, philantropischen Dr. Segert. So ist das Ringen um Annas Charakter das Ringen zweier Männer um ihren Einfluss auf sie[25]. Weiter muss sie sich auch im Gerichtssaal durch das komplett männlich besetzte Gericht männlicher Führung beugen.

Zusammen mit den neuen Darstellungen der weiblichen Charaktere lässt sich durch diese Änderungen insgesamt von der Stärkung eines maskulinen Blickwinkels und Standpunktes in A Woman's Face sprechen. Durch seine Darstellung der Geschlechter funktioniert der Film auch als Propaganda für ein patriarchalisches System, was manchmal als eine der wichtigsten Funktionen Hollywoods[26] angesehen wird.

3 Thematische und motivische Abweichungen

Neben den bisher genannten Änderungen finden sich auch auf weiteren Ebenen des Filmes Zeugnisse des Adaptionsprozesses. Im Folgendem werden einige exemplarisch ausführlicher behandelt.

3.1 Musik

Schon durch seine begriffliche Herkunft ist das Melodram als Genre eng mit der Akzentuierung der Handlung durch Musik verbunden. En Kvinnas Ansikte folgt dieser Konvention, verwendet Musik aber nur in einzelnen ausgewählten Momenten. Die musikalische Untermalung der Credits zusammen mit dem Hintergrundbild scheint die zwei Seiten der Persönlichkeit Annas vorwegzunehmen. Die diegetische Musik während der Gespräche zwischen Anna und Torsten wirkt in ihrer Lieblichkeit als Kontrapunkt zu den sich um Mord drehenden Gesprächen. Während des Ausflugs zu den Wasserfällen akzentuiert die Musik Annas Sorge, dass ihr Schicksal in Torstens Hand liege[27]. Im Finale betont die Musik zunächst Dr. Segerts Aussage, dass die Zukunftjetzt beginne, um dann sanft auszuklingen.

A Woman's Face hingegen hat einen wesentlich umfangreicheren und komplexeren Score. Zwei Hauptthemen sind ein schon in den Credits eingeführtes Motiv für Anna, sowie ein altes Weber-Lied[28], das als Motiv für Torstens[29] Einfluss auf sie dient. Beide werden auch diegetisch verwendet und verwischen dabei elegant die Unterscheidung zwischen diegetisch und nicht-diegetisch. Beispielsweise wenn der vorher als Teil der Diegese existierende Pianospieler Annas Auftauchen aus dem Schatten mit ihrem Thema begleitet. Auch das gemeinsame Pläneschmieden der beiden wird von einer Art Medley beider Themen begleitet, wobei sich Torstens Motiv dem Gesprächsverlauf in der Tonart anpasst. Als Anna Torsten gegenüber Sorgen über Lars-Eriks Gesundheitzustand äußert, erklingt das Motiv seines Einflusses sanft und zögerlich ein letztes Mal. Von diesem Zeitpunkt an verzichtet der Film mit Ausnahme der letzten Szene auf nicht-diegetische Musik. Ungewöhnlich, da der Film bis dahin außerhalb der Gerichtssaalszenen beinahe durchgehend untermalt wurde. Man kann also von einer Akzentuierung des Finales durch den Verzicht auf Musik und die dadurch automatisch stattfindende Aufmerksamkeitsverschiebung auf die diegetischen Geräusche, insbesondere den Lärm der tosenden Wasserfälle sprechen.

3.2 Spiegel

Spiegel sind ein häufiges Motiv in Filmen, um Aussagen über die Selbst- oder Fremdwahmehmung eines Charakters zu machen[30]. So finden sich auch in En Kvinnas Ansikte in Schlüsselmomenten von Annas Charakterentwicklung[31] Spiegel. A Woman's Face übernimmt zwar die Zerstörung eines Spiegels durch Anna, aber der Zusammenhang zur Entwicklung ihres Charakters wurde nicht übernommen. In En Kvinnas Ansikte wird die Zerstörung wie eine kontrollierte, aggressive Aktion dargestellt, mit der sie den Gefühlen, die sie auf Mrs. Wegert projiziiert[32], Ausdruck verleiht. In A Woman's Face wirkt die Zerstörung eher komisch. Medusenhaft scheint sie das eigene Antlitz nicht zu ertragen und zerstört den Spiegel. Weitere Spiegel innerhalb des Films scheinen nur noch dekorativen Nutzen zu haben sowie der Selbstbetrachtung der operierten Anna zu dienen.

3.3 Religion

Bis auf einen umgangssprachlichen Ausruf von "Defend yourself, for God's sake"[33] spielt Religion in En Kvinnas Ansikte keine Rolle. In A Woman's Face hingegen wird Religion als im Leben der Charaktere durchgehend präsent dargestellt. Die unheil­volle Verbindung von Annas mit Torsten sieht sich selbst als im Namen des Teufels[34] an. Auch wird der innere Konflikt Dr. Segerts, ob er Anna vertrauen kann zu einem Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft stilisiert[35]. Seine Entscheidung, ihr zu vertrauen[36], belohnt der Film mit der Erwiderung seiner Liebe durch Anna. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Film alle Charaktere, die ihren Glauben ernst nehmen, als moralisch makellos darstellt und während Anna in ihrer Selbstaufopferung verschont wird, muss Torsten für seine Blasphemie bezahlen.

3.4 Darstellung der Staatsmacht

Anna und ihre Komplizen amüsieren sich in En Kvinnas Ansikte mehrmals über Drohungen ihrer Opfer, die Polizei einzuschalten. Im Rahmen der Handlung wird keine der kriminellen Handlungen der Charaktere durch den Staat bestraft. Das dritte Grundprinzip des Hays Code besagt: "Law, natural or human, shall not be ridiculed, nor shall sympathy be created for its violation."[37]. Diese Elemente mussten somit für den amerikanischen Markt geändert werden. Anstatt einzelne Dialogzeilen zu ändern, wurde die Darstellung der Staatsmacht geändert. Durch die narrative Struktur des Gerichtsprozess ist sie durchgehend präsent und aktiv. Außerdem erkennen ihre Repräsentanten im Laufe des Prozesses verlässlich, ob Zeugen von der Wahrheit abweichen. Statt der nicht präsenten Staatsmacht aus En Kvinnas Ansikte hat man es in A Woman's Face mit einem höchst wirkungsvollem Apparat zu tun.

Fazit

Trotz grundsätzlich gleicher Handlung unterscheiden sich beide Filme stark voneinander. Am auffälligsten sind die Veränderungen der narrativen Struktur, der Informationsvergabe und der Figurenkonzeption. Durch diese Änderungen erhält A Woman's Face einen verlängerten doppelten dramatischen Höhepunkt, einen anderen Blickwinkel des Rezipienten auf die Ereignisse und eine neue Darstellung der Geschlechterrrollen. Weitere motivische und thematische Abweichungen anderer Ebenen des Films unterstützen diese Punkte.

Einige der durchgeführten Änderungen[38] kann man mit ziemlicher Sicherheit auf den damals gültigen Hays Code zurückführen. Andere müssen als freie Entscheidung der Verantwortlichen gesehen werden. Manche der Änderungen scheinen dabei Anpassungen an gestalterische Konventionen des klassischen Hollywood zu sein, wie zum Beispiel der wesentlich umfangreichere Score mit Nutzung von Motiven und Underscoring. Andere Anpassungen gehen wohl auf gesellschaftlichen Konventionen des Zielmarktes zurück. Da die Änderungen ein Tribut an den Zielmarkt sind, liegt es nahe, sie auf dessen Erwartungen zurückzuführen. Darauf aufbauend kann man sagen, dass der nordamerikanische Zielmarkt (oder zumindest die Vorstellungen der Produzenten von diesem) im Vergleich zum Schwedischen wesentlich puritaner und konservativer ist. Als Beispiele kann man hier die Darstellung von Religion und die Reduzierung des positiven Frauenbildes auf das der klassisch-konservativen Ehefrau nennen. Diese Darstellung geht weit über die Notwendigkeiten[39] des Hays Code hinaus und präsentiert sich dabei hinsichtlich des Frauenbildes als Rückschritt im Vergleich zu nur wenig älteren Filmen, wie beispielsweise auch Cukors eigenen Screwball-Komödien[40].

Zusammenfassend lässt sich A Woman's Face vielleicht nicht als typisches Melodram, aber als typischer Hollywood-Film seiner Zeit bezeichnen. En Kvinnas Ansikte hingegen ist ideologisch moderner, kann aber mit der produktionstechnischen Qualität der MGM Produktion nicht mithalten.

Literaturverzeichnis

Basinger, Jeanine: A Woman's View. How Hollywood Spoke to Women 1930-1960. New York 1993.

Bordwell, David: Narration in the Fiction Film. Wisconsin 1985.

Bordwell, David; Staiger, Janet; Thompson, Kristin: The Classical Hollywood Cinema: Film Style & Mode ofProduction to 1960. London 2006.

Bordwell, David; Thompson, Kristin: Film Art: An Introduction 7. Edition. Boston 2004.

Borstnar, Nils; Pabst, Eckhard; Wulff, HansJürgen: Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft 2. Auflage, Konstanz 2008.

Carey, Gary: Cukor & Co. The Films of George Cukor and His Collaborators. New York 1971.

Clum, John M.: "He's all man": learning masculinity, gayness and love from american movies. New York 2002.

Forslund, Bengt: The Melodramas of Gustaf Molander. In: Mariah Larsson; Anders Marklund (Hrsg.): Swedish Film. An Introduction and Reader. Lund 2010, S. 109­118.

Katholisches Institutfür Medieninformation (Hrsg.): Lexikon des internationalen Films, D-F. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1995.

Kühle, Sandra; Bauer, Matthias: Remake. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films 2. Auflage. Stuttgart 2007, S. 586-590.

Lahn, Silke; Meister, Jan Christoph: Einführung in die Erzähltextanalyse. Stuttgart 2008.

Lange-Fuchs, Hauke: Original & Remake. Remakes skandinavischer Filme. Lübeck 2004.

Lasalle, Mick: Complicated Women. Sex and Power in Pre-Code Hollywood. New York 2000.

Moltby, Richard: The Production Code and the Hays Office. In: Tino Balio (Hrsg.): History of the American Cinema. Grand Design. New York, 1993, S. 37-72.

Nowell-Smith, Geoffrey: Minelli and Melodrama. In: Christine Gledhill (Hrsg.): Home is Where the Heart Is. Studies in Melodrama and the Woman's Film. London, 1987, S. 70-74.

Soila, Tytti: The Cinema of Scandinavia. London 2005.

Vossen, Ursula: Melodram. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films 2. Auflage. Stuttgart 2007, S. 435-438.

Filmverzeichnis

A Woman's Face / Erpressung. Regie: George Cukor. USA 1941 Verwendete DVD Ausgabe: The Joan Crawford Collection, Voi. 2 (NTSC, Region 1, Warner Home Video 2008)

En Kvinnas Ansikte / Ein Frauenantlitz. Regie: GustafMolander, SE 1938 Verwendete DVD Ausgabe: En Kvinnas Ansikte (NTSC, Region 1, Kino International 2011)

Holiday / Holiday - Die Schwester der Braut. Regie George Cukor, USA 1938

Intermezzo. Regie: GustafMolander, SE 1936

The Philadelphia Story / Die Nacht vor der Hochzeit. Regie: George Cukor, USA 1940

[...]


[1] Vgl. Lange-Fuchs 2004, S. 15.

[2] Vgl. Kühle / Bauer 2007, S. 587.

[3] Vgl. Carey, 1971S. 89.

[4] Z.B. nutzen die ersten Hauptrollen Audrey Hepburns in Hollywood dies fast durchgehend.

[5] Vgl. Forslund 2010, S. 109 für En Kvinnas Ansikte, vgl. Katholisches Institut für Medieninformation 1995, S. 1417 für AWoman's Face.

[6] Vgl. Vossen2007,S.435.

[7] Das Konzept des Rezipienten / Zuschauers innerhalb dieses Kapitels orientiert sich an der Idee dass sein Verständnis der Narrative unabhängig von seiner emotionalen Reaktion betrachtet werden kann. Vgl. Bordwell 1985, S. 30.

[8] Vgl. Bordwell 2004, S. 69.

[9] Z.B. durch das Gespräch Torsten Barrings (Georg Rydeberg) mit seinem Gläubiger.

[10] Vgl. Bordwell 2004, S.73.

[11] Vgl. Borstnar 2008, S. 177.

[12] Vgl. Lahn / Meister 2008, S. 164.

[13] Im Sinne davon, dass das Wissen des Zuschauers weniger dem einen der Charaktere angepasst ist.

[14] Vgl. Bordwell 2006, S. 28ff.

[15] Vgl. Bordwell 1985, S. 34: "... people seek causal connections among events, both in anticipation and in retrospect."

[16] Wird durch ihr Geständnis während der Schlittenfahrt für den Zuschauer dargestellt.

[17] Vgl. Soila2005, S. 71.

[18] Z.B. Bei dem Versuch ihrer früheren Komplizen, sie zu erpressen.

[19] Vgl. Nowell-Smith 1987, S. 72.

[20] Vgl. Basinger 1993, S. 149.

[21] Vgl. Moltby 1993, S. 48.

[22] Vgl. Lasalle 2000, S. 9.

[23] Vgl. Lasalle 2000, S. 203ff.

[24] "What others have done in other countries, I can do here." sagt er zu Anna.

[25] Vgl. Soila 2005, S. 76.

[26] Vgl. Clum 2002, S. 23. "One ofHollywood's most important functions has been to market conventional patriarchal heterosexuality expressed through marriage as the only means to true happiness.

[27] "Yet my future may be in his hands" wird durch einen musikalischen Stimmungswechsel betont.

[28] "An old weaving song. " Torsten im Gespräch zu Anna.

[29] Eine alternative Interpretationsmöglichkeit wäre auch als ein Motiv für Torsten. Dies erscheint aber aufgrund des Fehlens in seinen Szenen am Anfang und Ende des Filmes unwahrscheinlicher.

[30] Vgl. Borstnar 2008, S. 184.

[31] Vgl. Soila2005, S. 71.

[32] Als Sinnbild der körperlich attraktiven Frau, die vom Leben begünstigt wird.

[33] Harald Berg im Krankenhaus zu Anna Holm.

[34] "You mightjust be some kindly deity's answer to my prayer." - "The devil's answer if you don't mind" Torsten und die nicht operierte Anna im Dialog.

[35] "I'm a scientist, not a clergyman" sagt er zu ihr, als er ihr seine Zweifel an ihrer Wandlung äußert.

[36] Das englische "faith" in seinen Bedeutungen beides abdeckend.

[37] Vgl. Moltby 1993, S. 48

[38] Die Darstellung Fr. Segerts und der Staatsmacht.

[39] Zumindest die schriftlich explizit verankerten.

[40] Z.B. The Philadelphia Story (Die Nacht vor der Hochzeit, USA 1940) oder Holiday (Holiday - Die Schwester der Braut, USA 1938)

Final del extracto de 14 páginas

Detalles

Título
Von Schweden nach Hollywood: Unterschiede zwischen En Kvinnas Ansikte und A Woman's Face
Universidad
Johannes Gutenberg University Mainz  (Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft)
Curso
Nationale Kinematographien - Schwedisches Kino
Autor
Año
2013
Páginas
14
No. de catálogo
V233662
ISBN (Ebook)
9783656506584
Tamaño de fichero
405 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
schweden, hollywood, unterschiede, kvinnas, ansikte, woman, face
Citar trabajo
Claudius Stemmler (Autor), 2013, Von Schweden nach Hollywood: Unterschiede zwischen En Kvinnas Ansikte und A Woman's Face, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233662

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