[...] Der Schwerpunkt dieser Hausarbeit liegt darin, diese beiden unterschiedlichen Antworten
zur Frage nach der Identität dieses beliebten Schwankhelden darzustellen. Dazu soll zunächst
ein kurzer Forschungsüberblick zur Frage der Historizität des „türkischen Hocas“ einleiten.
Anschliessend soll die Ansicht, dass die Figur des Nasreddin Hoca mit einem spezifisch
türkischen Kontext und einer entsprechenden Mentalität untrennbar verbunden sei,
anhand von drei Autoren vorgestellt werden, die mit unterschiedlichen Methoden versuchen,
ihre Theorie zu untermauern. Dem gegenüber stehen die Forschungen von Autoren,
die Nasreddin Hoca als eine Art Integrationsgestalt unterschiedlicher humoristischer
Kurzprosa im islamischen Orient betrachten. Auch hier soll ein Überblick der grundsätzlichen
Theorien und der verwendeten Methoden geschehen, welche die Autoren zur Stützung
ihrer Überlegungen anführen.
Als Literatur dienten mir hauptsächlich verschiedene Sammlungen von Hoca-Anekdoten,
darunter Ulrich Marzolphs „Nasreddin Hodscha - 666 wahre Geschichten“,
„Wer den Duft des Essens verkauft“, übersetzt und herausgegeben von Herbert Melzig und
„Das Wort des Esels“ von Orhan Veli Kanik, übersetzt von Yüksel Pazarkaya.
Weitere Werke bildeten „Nasreddin Hodscha und Till Eulenspiegel - Eine Studie zur
vergleichenden Schwankforschung“ von Inci Krause-Akidil und das Buch
der Erzählforscherin Alev Tekinay „Materialien zum vergleichenden Studium von
Erzählmotiven in der deutschen Dichtung des Mittelalters und den Literaturen des Orients“.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Nasreddin Hoca als historische Person: Ein Forschungsüberblick
- 3. Nasreddin Hoca mit einer „spezifisch türkischen Mentalität“
- 3.1. Pazarkaya: Identifikationsfigur des anatolischen Volkes
- 3.2. Melzig: Echter Charakter aus dem Volksmund
- 3.3. Akidil: Konkretes Erscheinungsbild im anatolischen Aksehir
- 4. Nasreddin Hoca als „Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen“
- 4.1. Der arabischen Guha
- 4.2. Die Methode der vergleichenden Erzählforschung
- 4.2.1. Tekinay: „Der fahrende Schüler aus dem Paradies“
- 4.2.2. Marzolph: „Von den Wissenden und Unwissenden“
- 5. Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die widersprüchlichen Perspektiven auf die Identität des beliebten Schwankhelden Nasreddin Hoca. Ziel ist es, die verschiedenen Ansichten darzustellen, die ihn entweder mit einem spezifisch türkischen Kontext verbinden oder ihn als Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen betrachten.
- Die Historizität von Nasreddin Hoca und die damit verbundene Frage nach seiner geographischen und zeitlichen Einordnung.
- Die Interpretation von Nasreddin Hoca als Repräsentant einer spezifisch türkischen Mentalität.
- Die Gegenposition, die Nasreddin Hoca als eine übergreifende Figur humoristischer Kurzprosa im islamischen Orient sieht.
- Die verschiedenen Forschungsmethoden, die zur Untersuchung der Identität Nasreddin Hocas angewendet werden.
- Die Analyse der Verbreitung und des Einflusses der Nasreddin-Hoca-Erzählungen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt Nasreddin Hoca als eine der beliebtesten literarischen Figuren der islamischen Welt vor. Sie beschreibt ihn als schalkhaften Weisen, der hinter das Selbstverständliche blickt und sowohl Weisheit als auch Materialismus verkörpert. Die Einleitung hebt seine weitverbreitete Popularität von Istanbul bis Peking hervor und deutet auf die zentrale Forschungsfrage nach seiner Identität hin: Ist er ein spezifisch türkischer Charakter oder eine Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen?
2. Nasreddin Hoca als historische Person: Ein Forschungsüberblick: Dieses Kapitel beleuchtet die Debatte um die Historizität Nasreddin Hocas. Es präsentiert unterschiedliche Ansichten zu seinem Lebenszeitraum und seiner geographischen Herkunft, wobei die Verbindung zu Aksehir im südlichen Zentralanatolien im Vordergrund steht. Die Forschung bezieht sich auf historische Quellen wie das Reisetagebuch von Evliya Celebi und die Arbeiten von Wissenschaftlern wie M. Fuat Köprülüzade, die verschiedene Zeitansätze und Beweise für die Existenz Nasreddin Hocas liefern. Der Forschungsüberblick legt die Grundlage für die folgenden Kapitel, die sich mit den unterschiedlichen Interpretationen seiner Identität befassen.
3. Nasreddin Hoca mit einer „spezifisch türkischen Mentalität“: Dieses Kapitel präsentiert die Sichtweise, die Nasreddin Hoca untrennbar mit einem türkischen Kontext verbindet. Anhand der Arbeiten von Pazarkaya, Melzig und Akidil wird diese These mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen untermauert. Pazarkaya sieht ihn als Identifikationsfigur des anatolischen Volkes, Melzig als authentischen Charakter aus dem Volksmund, und Akidil betont sein konkretes Erscheinungsbild in Aksehir. Das Kapitel beleuchtet die Argumente für eine enge Verknüpfung der Figur mit der türkischen Kultur und Identität, die jedoch im folgenden Kapitel in Frage gestellt wird.
4. Nasreddin Hoca als „Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen“: Im Gegensatz zum vorherigen Kapitel wird hier die Ansicht vertreten, dass Nasreddin Hoca eine übergreifende Figur humoristischer Kurzprosa im islamischen Orient darstellt. Die Kapitel analysiert die Arbeiten von Forschern, die diese These unterstützen. Die Methode der vergleichenden Erzählforschung wird diskutiert, wobei die Beiträge von Tekinay und Marzolph im Detail betrachtet werden. Diese Perspektive relativiert die enge Verknüpfung mit der türkischen Kultur und betont stattdessen seinen kosmopolitischen Charakter und seine Rolle als Integrationsfigur unterschiedlicher Erzähltraditionen im islamischen Raum.
Schlüsselwörter
Nasreddin Hoca, Schwankheld, Volksnarr, islamischer Orient, türkische Identität, Erzähltraditionen, vergleichende Erzählforschung, Historizität, Humor, Anekdoten, Aksehir, Anatolien.
Häufig gestellte Fragen zu: Identität des Nasreddin Hoca
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die widersprüchlichen Perspektiven auf die Identität des Nasreddin Hoca. Es wird die Frage beleuchtet, ob er primär als spezifisch türkischer Charakter oder als Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen zu verstehen ist.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel zur Historizität Nasreddin Hocas, ein Kapitel zu seiner Interpretation als Repräsentant einer spezifisch türkischen Mentalität, ein Kapitel, das ihn als Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen darstellt, und ein Schlusswort.
Welche Perspektiven auf die Identität des Nasreddin Hoca werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht zwei gegensätzliche Perspektiven: Die Sichtweise, die Nasreddin Hoca eng mit der türkischen Kultur und Identität verbindet, und die Gegenposition, die ihn als übergreifende Figur humoristischer Kurzprosa im gesamten islamischen Raum sieht.
Welche Wissenschaftler und ihre Arbeiten werden in der Studie zitiert?
Die Arbeit bezieht sich auf verschiedene Wissenschaftler, darunter M. Fuat Köprülüzade (bezüglich der Historizität), Pazarkaya, Melzig und Akidil (zur türkischen Identität), sowie Tekinay und Marzolph (zur Integrationsfigur im islamischen Kontext). Die Arbeiten von Evliya Celebi werden ebenfalls als historische Quelle herangezogen.
Welche Methoden werden zur Untersuchung der Identität des Nasreddin Hoca angewendet?
Die Arbeit verwendet eine vergleichende Erzählforschung, um die verschiedenen Interpretationen und Erzähltraditionen zu analysieren und zu vergleichen. Sie stützt sich auf die Auswertung historischer Quellen und die Interpretation unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze.
Welche Schlüsselthemen werden in der Arbeit behandelt?
Die Schlüsselthemen umfassen die Historizität Nasreddin Hocas, seine geographische und zeitliche Einordnung, seine Interpretation als Repräsentant einer spezifisch türkischen Mentalität, seine Rolle als Integrationsfigur islamischer Erzähltraditionen, die verschiedenen Forschungsmethoden und die Analyse der Verbreitung seiner Erzählungen.
Wo wird die geographische Einordnung Nasreddin Hocas diskutiert?
Die geographische Einordnung wird hauptsächlich im Kapitel zur Historizität diskutiert, wobei Aksehir im südlichen Zentralanatolien als wichtiger Bezugspunkt hervorgehoben wird.
Welche Rolle spielt der Humor in der Arbeit?
Der Humor des Nasreddin Hoca ist ein zentrales Element der Arbeit. Er wird als wichtiges Merkmal seiner Geschichten und seiner Popularität betrachtet und spielt eine Rolle bei der Interpretation seiner Identität.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die Identität Nasreddin Hocas komplex und vielschichtig ist, und dass beide Perspektiven (spezifisch türkisch und Integrationsfigur im islamischen Kontext) wertvolle Beiträge zum Verständnis seiner Figur liefern.
- Arbeit zitieren
- Ann-Katrin Gässlein (Autor:in), 2003, Der Volksnarr und Schwankheld Nasreddin Hoca. Zur Identitätsfrage eines beliebten Protagonisten humoristischer Kurzprosa im islamischen Orient, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23376