Gibt es sinnvolle Methoden zur Bewertung von gesellschaftlichen Zuständen in Bezug auf Wahlfreiheit (freedom of choice)?


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

17 Pages, Note: 3,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Gang der Untersuchung

2. Grundlagen
2.1. Individuelle Wohlfahrt und Wahlfreiheit
2.2. Konzeption von Wahlfreiheit
2.3. Konzeption Gerechtigkeit

3. Maße für Wahlfreiheit
3.1. Quantitative Maße
3.2. Berücksichtigung von Präferenzen
3.3. Potenzielle Präferenzen

4. Messung von Präferenzen

5. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

In der traditionellen Sichtweise werden gesellschaftliche Zustände auf Grundlage der sozialen Wohlfahrt bewertet. Dies ist die wohlfahrts-theoretische Betrachtung die zurückgeht auf den Utilitarismus des neunzehnten Jahrhunderts.[1] Als Maß für die soziale Wohlfahrt dient dabei die Befriedigung der kumulierten individuellen Präferenzen. Diese Sichtweise wird seit einiger Zeit hinterfragt. Die Bewertung eines gesellschaftlichen Zustandes muss nicht auf individuelle Präferenzen zurückgreifen. In der Literatur finden sich zunehmend Ansätze, die auf die Wahlfreiheit als Maß des gesellschaftlichen Wohls abzielen. Solche Ansätze fanden am Anfang der 80er Jahre verstärkte Beachtung im Zuge der Debatte um verschiedene Wirtschaftssysteme und den Markt als Mechanismus zur Allokation von Gütern.[2] Insbesondere eine marktorientierte, neoliberale Wirtschaftspolitik wurde mit persönlicher Wahlfreiheit in Verbindung gebracht.[3] Eine Bewertung von gesellschaftlichen Zuständen in Bezug auf individuelle Freiheit im Gegensatz zur individuellen Wohlfahrt erfordert eine völlig neue Informationsbasis.[4] Es gibt unterschiedliche Konzepte Wahlfreiheit zu betrachten und sie zu messen. Diese verschiedenen Konzepte darzustellen sowie sie kritisch zu hinterfragen, ist Ziel dieser Arbeit.

1.2. Gang der Untersuchung

Nach einer kurzen Einleitung werden unter Punkt 2 verschiedene grundlegende Konzepte dargestellt. Im Anschluss werden unter Punkt 3 verschiedene Ansätze zur Messung von Wahlfreiheit als Grundlage für die Bewertung gesellschaftlicher Zustände untersucht. Dabei werden die jeweils zugrunde liegenden Axiome dargestellt sowie mögliche Schwächen anhand von Beispielen verdeutlicht. Unter Punkt 4 wird ein Ansatz dargestellt, um potenzielle Präferenzen zu messen. Dabei wird vor allem auf Arbeiten von Arrow und Sugden zurückgegriffen. Schließlich werden unter Punkt 5 die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und die einzelnen Konzepte kritisch beleuchtet.

2. Grundlagen

2.1. Individuelle Wohlfahrt und Wahlfreiheit

Nach der wohlfahrts-theoretischen Betrachtungsweise hängt das gesellschaftliche Wohl von dem Wohl des einzelnen Individuums ab. Die individuelle Wohlfahrt wird daran gemessen, in wie weit individuelle Präferenzen befriedigt werden. Zunehmend wird jedoch hinterfragt, ob dieser Zusammenhang schlüssig ist. Es besteht ein konzeptionelles Problem. Die Aussagen der Wohlfahrts-theorie über das gesellschaftliche Wohl müssen von dem Standpunkt eines außenstehenden Beobachters getroffen werden, der die Präferenzen eines jeden Individuums kennt und daraus auf sein Wohlergehen schließt. Es kann jedoch nicht erklärt werden, wie diese Zuordnung geschieht – der außenstehende Beobachter benötigt zur Bewertung der individuellen Präferenzen eine eigene Theorie darüber, was gut ist.[5]

Eine Möglichkeit dieses Problem zu umgehen besteht darin, das soziale Wohl außer Acht zu lassen und stattdessen Fairness und Gerechtigkeit zu betrachten. Dazu bedarf es einer Theorie, die das Wohl eines Individuums anhand der Möglichkeiten bemisst, die ihm offen stehen und nicht nur anhand dessen, was er tatsächlich auswählt.[6]

2.2. Konzeption von Wahlfreiheit

Im Hinblick auf die Bewertung gesellschaftlicher Zustände erscheint es sinnvoll, Wahlfreiheit zu betrachten als die Möglichkeiten, die einem Individuum offen stehen. Sen spricht dabei von effektiver Freiheit.[7] Im Gegensatz dazu lässt sich auch die negative Freiheit im Sinne von Einschränkungen durch Andere betrachten. So hat beispielsweise ein Bergsteiger, der in eine Felsspalte gefallen ist und sich nicht bewegen kann, ein hohes Maß an Freiheit in dem Sinne, dass seine Handlungen nicht durch Andere eingeschränkt sind. Die Möglichkeiten, die ihm offen stehen, sind jedoch sehr beschränkt.

Weiterhin soll Wahlfreiheit unter dem Aspekt betrachtet werden, dass sie dazu beiträgt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Arrow beschreibt dies mit Freiheit als Autonomie(freedom as autonomy).[8] Im Gegensatz dazu lässt sich der Nutzen der Wahlfreiheit auch in der Ausübung von Entscheidungen im Sinne einer Mentalen Übung sehen (freedom as exercise).

2.3. Konzeption Gerechtigkeit

Werden gesellschaftliche Zustände auf der Grundlage von Wahlfreiheit bewertet, so entsteht dabei auch ein eigenes Konzept von Gerechtigkeit. Aus wohlfahrts-theoretischer Sicht erscheint es sinnvoll, Vermögen umzuverteilen und dadurch die Wohlfahrt zu erhöhen. Da die Wohlfahrt jedoch von den individuellen Präferenzen abhängt, entsteht das Problem des teuren Geschmacks, das heißt, dass die Ansprüche eines Individuums von den eigenen Präferenzen abhängen. Beispielsweise trägt es zur Wohlfahrt bei, wenn eine Person mit einer starken Vorliebe für Schokolade diese auch erhält. Der Anspruch auf Schokolade erwächst dabei aus der eigenen Präferenz. Versucht man Gerechtigkeit auf Grundlage von Wahlfreiheit an Stelle von Wohlfahrt zu bemessen, so könnten aus den individuellen Präferenzen keine Ansprüche abgeleitet werden. Stattdessen würde Gerechtigkeit in Bezug auf Möglichkeiten betrachtet.

3. Maße für Wahlfreiheit

3.1. Quantitative Maße

Der Versuch, die gesellschaftlichen Zustände anhand der individuellen Freiheit anstatt der individuellen Wohlfahrt zu messen verlangt auch nach einer veränderten Informationsgrundlage.[9] Seit Anfang der siebziger Jahre finden sich in der Literatur Ansätze die Wahlfreiheit als Teil der Wohlfahrt beschreiben unabhängig davon, welches Ergebnis tatsächlichen gewählt wird.[10] Der Freiheit wird ein intrinsischer Wert zugeschrieben.[11] Je selbstbestimmter jemand sein Leben führen kann, umso mehr Sinn erhält sein Leben.[12]

Die Wahlfreiheit im Sinne der Möglichkeiten, die einem Individuum offen stehen, kann auf verschiedene Weise gemessen werden. Der einfachste Weg ist das Kardinalitäts-Kriterium wonach die Wahlfreiheit als eindimensionale Funktion der Handlungsalternativen betrachtet wird, also die reine Quantität der Möglichkeiten gemessen wird. Um für einen solchen Ansatz Axiome aufzustellen, ist es zunächst notwendig, eine Notation einzuführen. A; B; C und D sollen jeweils Bündel von Wahlmöglichkeiten beschreiben sowie x; y; und z einzelne Optionen daraus. Allgemein bezeichnet Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten die Beziehung ‚bietet mindestens so viel Wahlfreiheit wie’, definiert über Bündel von Möglichkeiten. Daraus lassen sich die Beziehungen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten‚ bietet mehr Wahlfreiheit als’ und ~, bietet genau so viel Wahlfreiheit wie’ ableiten.[13] Für das Kardinalitäts-Kriterium lassen sich folgende Axiome aufstellen.[14]

A 1. Strikte Monotonie

Für alle Bündel an Möglichkeiten A; B gilt: wenn B eine strikte Untermenge von A ist, so gilt AAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenB.

A 2. Unabhängigkeit

Für alle Bündel an Möglichkeiten A; B und alle Optionen x mit x Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten A; B gilt: AAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenB ↔ A Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten{x}Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenB Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten{x}.

A 3. Keine Wahlmöglichkeit

Für alle Optionen x; y gilt: {x} ~ {y}.

Der Ansatz beschreibt, dass die Wahlfreiheit zunimmt, je mehr Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Die eingeschränkte Aussagekraft des Kardinalitäts-Kriteriums ist dabei eine Folge des Unabhängigkeitsaxioms. Werden die verschiedenen Wahlmöglichkeiten unabhängig von einander betrachtet, so stiftet z.B. die Wahl zwischen drei gleichen Flaschen Mineralwasser die gleiche Wahlfreiheit, wie die Wahl zwischen Mineralwasser, Bier und Wein. Dies kann intuitiv nicht richtig sein. Ein Ansatz, der die Wahlfreiheit messen will, darf Wahlmöglichkeiten nicht additiv behandeln, sondern muss der Diversität von Wahlmöglichkeiten Rechnung tragen.

Ein weitergehender Ansatz geht davon aus, dass sich Handlungsalternativen in einem n-dimensionalen Raum abbilden lassen. Demnach ließen sich formerhaltende Transformationen durchführen, ohne das sich das Verhältnis zweier Wahlmöglichkeiten in Bezug auf ihre Wahlfreiheit ändert.

[...]


[1] Vgl. Sugden (1998), S. 307.

[2] Vgl. Pattanaik/ Xu (1990), S. 383.

[3] Vgl. Dowding (1992), S. 301.

[4] Vgl. Sen (1991), S. 15.

[5] Vgl. Sugden (1998), S. 308 f.

[6] Vgl. Sugden (1998), S. 310.

[7] Vgl. Sen (1992), S. 42.

[8] Vgl. Arrow (1995), S. 11.

[9] Vgl. Sen (1991), S. 15.

[10] Vgl. Sen (1970), S. 152.

[11] Vgl. Arrow (1995), S. 11.

[12] Vgl. Nozick (1988), S. 48 ff.

[13] Vgl. Varian (1995), S. 32.

[14] Vgl. Patternaik/ Xu (1990), S. 386.

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Gibt es sinnvolle Methoden zur Bewertung von gesellschaftlichen Zuständen in Bezug auf Wahlfreiheit (freedom of choice)?
Université
University of Hamburg  (Institut für Allokation und Wettbewerb)
Note
3,0
Auteur
Année
2004
Pages
17
N° de catalogue
V23547
ISBN (ebook)
9783638266512
Taille d'un fichier
816 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gibt, Methoden, Bewertung, Zuständen, Bezug, Wahlfreiheit
Citation du texte
Stefan Lösch (Auteur), 2004, Gibt es sinnvolle Methoden zur Bewertung von gesellschaftlichen Zuständen in Bezug auf Wahlfreiheit (freedom of choice)?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23547

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