„Gute“ Rahmenlehrpläne sind eine wichtige Voraussetzung für „guten“ Unterricht. Diese Feststellung verdeutlicht, dass mit der beschleunigten Veränderung politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen durch Globalisierung und Internationalisierung die Revision der Lehrpläne zu einer permanenten Aufgabe wird. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft sowie auf die Wirtschaftspraxis zeigt, dass die bis vor kurzem gültigen Rahmenlehrpläne für berufliche Schulen stark modernisierungsbedürftig waren. Mit den von der Kultusministerkonferenz (KMK) 1996 eingeführten lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplänen wurde versucht, den neuen gesellschaftlichen Anforderungen besser gerecht zu werden.
In dieser Arbeit werden die wesentlichen Punkte der lernfeldorientierten Neustrukturierung der Lehrpläne vorgestellt. Zunächst werden die curricularen Entwicklungen der Berufsausbildung in Deutschland in den letzten Jahrezehnten dargestellt. Dazu werden die beiden sich ablösenden Ansätze der Fach- und Handlungssystematik mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert. Nachdem die Unterschiede der Umsetzung des Lernfeldkonzepts in den Bundesländern herausgearbeitet wurden, werden am Beispiel der Industriekaufleute in Bayern die inhaltlichen und strukturellen Unterschiede der alten und neuen Landeslehrpläne aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Die Entwicklung curricularer Ansätze in der Berufsausbildung in Deutschland
2.1. Historischer Rückblick
2.2. Vom Lerngebiet zum Lernfeld
2.3. Lächer- versus Handlungssystematik
3. Modelle der Implementation des Lernfeldkonzepts in den Bundesländern
4. Gegenüberstellung der neuen und alten Rahmen- und Landeslehrpläne
4.1. Änderungen in der Struktur der Rahmenlehrpläne
4.2. Änderungen in den Verbindlichkeiten der Lehrplanrichtlinien
4.3. Änderungen in den Lerninhalten am Beispiel des Landeslehrplans für Industriekaufleute in Bayern
4.3.1. Aufbau und Struktur des Landeslehrplans
4.3.2. Das Lernfeld versus das Lerngebiet „Jahresabschluss"
5. Schlussbemerkung
Anlagen
Literaturverzeichnis
1. Problemstellung
„Gute" Rahmenlehrpläne sind eine wichtige Voraussetzung für „guten" Unterricht.1 Diese Feststellung von Petersen verdeutlicht, dass mit der beschleunigten Veränderung politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen durch Globalisierung und Internationalisierung die Revision der Lehrpläne zu einer permanenten Aufgabe wird. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft sowie auf die Wirtschaftspraxis zeigt, dass die bis vor kurzem gültigen Rahmenlehrpläne für berufliche Schulen stark modernisierungsbedürftig waren. Mit den von der Kultusministerkonferenz (KMK) 1996 eingeführten lernfeldstrukturierten Rahmenlehrplänen wurde versucht, den neuen gesellschaftlichen Anforderungen besser gerecht zu werden.2
Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte der lernfeldorientierten Neustrukturierung der Lehrpläne vorgestellt. In einem einleitenden Abschnitt werden zunächst die curricula- ren Entwicklungen der Berufsausbildung in Deutschland in den letzten Jahrezehnten dargestellt. Dazu werden die beiden sich ablösenden Ansätze der Fach- und Handlungssystematik mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert. Nachdem die Unterschiede der Umsetzung des Lernfeldkonzepts in den Bundesländern herausgearbeitet wurden, werden am Beispiel der Industriekaufleute in Bayern die inhaltlichen und strukturellen Unterschiede der alten und neuen Landeslehrpläne aufgezeigt.
2. Die Entwicklung curricularer Ansätze in der Berufsausbildung in Deutschland 2.1. Historischer Rückblick
Mit Einführung der neuen Rahmenlehrpläne hat die KMK eine rege Diskussion über eine Aktualisierung und Verschlankung der beruflichen Bildung angeregt.3 Die sich momentan vollziehende Abkehr von fachsystematisch strukturierten Curricula hin zu einer stärkeren Betonung des handlungsorientierten Berufsprinzips ist jedoch keineswegs neu in der Didaktik der Berufsschule, was Abbildung 1 des Anhangs zeigt.
Die funktionalistisch-technokratischen Berufsschulcurricula der 70er bis 90er Jahre waren fachsystematisch ausgerichtet. In den Lehrplänen dieser Zeit finden sich erstmals unverbindliche, allgemein gehaltene Richtziele, deren zunehmende Konkretisierung jedoch zu einer Verwässerung der ursprünglichen Ziele führte. Die Lehrpläne entwickelten sich immer mehr zu einer bloßen Aneinanderreihung von fachlichen oder fachwissenschaftlichen Inhalten. Im Hinblick auf die Entwicklung von Kompetenzen waren die funktionalistisch- technokratischen Curricula ziel- und richtungslos.4
Die seit Beginn der 80er Jahre geltenden Rahmenlehrpläne sahen erstmals eine Gliederung in Lerngebiete vor. Da die Fächerstrukturierung einerseits und die Strukturierung durch Lerngebiete andererseits nicht miteinander kompatibel waren, wurden die Rahmenlehrpläne auf der Ebene von Landeslehrplan-Ausschüssen so umgearbeitet, dass sie den Wünschen der Bundesländer gerecht wurden. Dies hatte jedoch eine völlig unterschiedliche Entwicklung der Lehrpläne in den einzelnen Bundesländern zur Folge, was einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Rahmenlehrpläne gleichkam. Dieses Dilemma sowie die verstärkten Forderungen der Wirtschaft seit Ende der 80er Jahre, den Unterricht der Berufsschule stärker mit der beruflichen Ausbildung zu verbinden, waren Auslöser für den 1991 gefassten Beschluss der KMK, die Rahmenlehrpläne komplett zu überarbeiten.5 Es entwickelte sich immer mehr die Idee eines verstärkten fachlichen, sozialen und ökologischen Bezugs des Berufsschulunterrichts zur Arbeitswelt.
Die KMK beschloss am 15.03.1991 in ihrer „Rahmenvereinbarung über die Berufsschule" eine neue Zielsetzung, die stärker auf die Fähigkeit abstellt, eine Berufsfähigkeit zu vermitteln, welche „die Fachkompetenz mit allgemeinen Fähigkeiten humaner und sozialer Art verbindet"6. Aufgrund dieser neuen Anforderungen müssen für die Lehrinhalte ganz bestimmte Handlungen aus dem Alltag ausgewählt werden, deren Ziel das Erlangen von Kompetenzen und Qualifikationen und nicht das Einüben motorischer Fertigkeiten und Routinen ist. Dafür wurde der Begriff des „Lernfelds" entwickelt. 1993 überarbeitete die
KMK die Rahmenlehrpläne und legte das Konzept „Strukturierung von Rahmenlehrplänen nach Lernfeldern" vor. Durch die Ausrichtung der Lehrpläne am Geschäfts- und Arbeitsprozess sollte die Handlungskompetenz der Auszubildenden verbessert werden. Nach der Verabschiedung des Konzepts im Juni 1996 wurden alle Rahmenlehrpläne von Berufen, deren Neuordnungsverfahren nach diesem Zeitpunkt begann, nach dem Lernfeldkonzept entwickelt.7
2.2. Vom Lerngebiet zum Lernfeld
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darst. 1· Vom Lerngebiet zum Lernfeld8
Die größte Änderung in den neuen Rahmenlehrplänen liegt zweifellos in der Strukturierung der Lernprozesse.9 Die bisherige Strukturierung nach Lerngebieten, die vorwiegend didaktisch geprägt und an den Bezugswissenschaften orientiert waren, wurde durch eine Einteilung in Lernfelder ersetzt.10 Die bislang fachsystematisch geordneten Lernzielkataloge enthielten meist sich wiederholende, auf einzelne detaillierte Inhalte bezogene Formulierungen. Lernziele für zusammenhängende Themen und komplexe Unterrichtsgestaltung waren nicht vorhanden.11 Bei einer lernfeldbezogenen Lernzielbeschreibung hingegen wird das ständige Wiederholen von Einzellernzielen vermieden. Stattdessen werden auf den Zusammenhang bezogene Ziele formuliert, die die Integration der für den gesamten Lehrplan formulierten allgemeinen und berufsbezogenen übergreifenden Lernziele in das Lernfeld ermöglichen.12
Lernfelder bestehen aus
- einer Beschreibung von Zielen für die Vermittlung von Kompetenzen und Qualifikationen,
- einem Katalog von Inhalten, die Beispielcharakter haben sowie
- einem Zeitrichtwert für den Umfang des Unterrichts im jeweiligen Lernfeld.13
Bei der Auswahl der Lernfeldinhalte ist zu beachten, dass zusammenhängende Aufgabenkomplexe der betrieblichen Praxis zu didaktisch begründeten und schulisch aufbereiteten Lernfeldern zusammengefasst werden müssen.14 Die Inhalte beschreiben ohne Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit lediglich einen Mindestumfang, der zur Erfüllung des Ausbildungsziels im Lernfeld erforderlich ist.15
2.3. Fächer- versus Handlungssystematik
Mit der Implementation des Lernfeldkonzepts durch die Umstellung der Rahmenlehrpläne von Lerngebieten auf Lernfelder hat in der curricularen Gestaltung der Berufsschule ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Handlungsorientierung, d.h. die Orientierung an realen Aufgaben und Arbeitsprozessen löst die Fächersystematik, d.h. die Orientierung an den Bezugswissenschaften ab.16
[...]
1 Vgl. Petersen, W., Leitideen, 2000, S. 217.
2 Vgl. Berger, B./Diehl, T., Theoretische Grundlagen, 2000, S. 22-23.
3 Vgl. Fischer, M./Gerds, P., Modellversuchsforschung, 2000, S. 87.
4 Vgl. Gerds, P., Lernfeldansatz, S. 5.
5 Vgl. Herrmann, G./Illerhaus, K., Lernfeldstruktur, 2000, S. 101-102.
6 Herrmann, G./Illerhaus, K., Lernfeldstruktur, 2000, S. 103.
7 Vgl. Herrmann, G./Illerhaus, K., Lernfeldstruktur, 2000, S. 102-103.
8 In Anlehnung an Middendorf, W., Umsetzung der Lernfeldorientierung, 1997, S. 522.
9 Vgl. Schopf, M., Curriculare Elemente, 2001, S. 3.
10 Vgl. Beek, H./Binstadt, P../Zoller, A., Lernfeldstrukturierte Rahmenlehrpläne, 2000, S. 51.
11 Vgl. Friese, M., Was sind Lernfelder?, 2000, S. 2.
12 Vgl. Hüster, W., Entwicklung von Rahmenlehrplänen, 1997, S. 3.
13 Vgl. Kultusministerkonferenz, Handreichungen, 2000, S. 17.
14 Vgl. Schopf, M., Curriculare Elemente, 2001, S. 3.
15 Vgl. Kultusministerkonferenz, Handreichungen, 2000, S. 16-17.
16 Vgl. Riedl, A./Schelten, A., Handlungsorientiertes Lernen, 2000, S. 155.
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