Global Player - Akteure der Global Governance


Thesis (M.A.), 2003

111 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhalt

1 Einleitung

2 Globalisierung
2.1 Triebkräfte der Globalisierung
2.1.1 Allgemein- technischer Fortschritt
2.1.2 Liberalisierung und Deregulierung des Marktes
2.2 Fazit: Neue Probleme - neue Herausforderungen

3 Global Governance
3.1 Das Global Governance-Konzept
3.1.1 Entwicklung des Global Governance-Konzeptes
3.1.2 Das Global Governance-Konzept James Rosenaus
3.1.3 Das Konzept der Commission on Global Governance (CGG)
3.1.4 Das Konzept des Instituts für Entwicklung und Frieden
3.1.5 Das Konzept der Gruppe von Lissabon
3.1.6 Kategorisierung der Global Governance-Konzepte
3.2 Fazit: Neue Akteure
3.3 Warum Global Governance?
3.4 Die Global Governance Architektur

4 Global Player
4.1 Pluralität und Diversität in der Global Governance-Architektur
4.2 Nationalstaaten
4.2.1 Neudefinition staatlicher Souveränität
4.2.2 Neue Zuständigkeit der Nationalstaaten
4.3 International Governmental Organizations (IGOs)
4.3.1 IGOs in der Global Governance-Architektur
4.3.2 Supranationale Mehrebenensysteme
4.3.3 Internationale Regime
4.4 Nichtstaatliche Akteure
4.5 Non Governmental Organizations (NGOs)
4.5.1 Definition des Begriffs NGO
4.5.2 Die NGO Debatte
4.5.3 Legitimation der NGOs
4.5.4 Erfolge der NGOs
4.5.5 NGOs in der Global Governance
4.5.6 PINGOs, BINGOs, GONGOs und QUANGOs
4.6 Transnational Companies (TNCs)
4.7 Global Compact
4.8 Privatisierung der Weltpolitik?
4.9 Fazit

5 Die Weltordnungspolitik
5.1 Die Global Player der Weltwirtschaftsordnung
5.1.1 Der Nationalstaat als Akteur der Weltwirtschaftsordnung
5.1.2 IGOs als Akteure der Welthandelsordnung
5.1.2.1 Das GATT-Abkommen
5.1.2.2 Die WTO
5.1.2.3 Die Implementierung von Umwelt- und Sozialnormen in der WTO
5.1.3 IGOs als Akteure der Weltfinanzordnung und des internationalen Währungssystems
5.1.3.1 Bildung der Global Player der Weltfinanzordnung: Die Bretton Woods- Konferenz
5.1.3.2 Der IWF
5.1.3.3 Die Weltbank
5.1.4 NGOs als Akteure der Weltwirtschaftsordnung
5.2 Fazit
5.3 Die Global Player der internationalen Umweltordnung
5.3.1 Die Nationalstaaten
5.3.2 Die UNEP
5.3.3 Die GEF
5.3.4 Die CSD
5.3.5 Die internationalen Regime
5.3.6 Für und Wider einer zentralen globale Umweltorganisation
5.3.7 Die supranationalen Systeme als Akteure der internationalen Umweltpolitik
5.3.7.1 Die EU
5.3.7.2 Der Mercosur
5.3.8 Bi-regionale Kooperation gegen amerikanischen Unilateralismus
5.3.9 Die privaten Akteure
5.4 Fazit
5.5 Die Global Player der internationalen Sozialordnung
5.5.1 Der Nationalstaat als Akteur der internationalen Sozialpolitik
5.5.2 IGOs als Akteure der internationalen Sozialpolitik
5.5.2.1 ILO
5.5.2.2 FAO
5.5.3 TNCs in der internationalen Sozialordnung
5.5.4 NGOs in der internationalen Sozialordnung
5.6 Fazit
5.7 Die Global Player der internationalen Friedensordnung
5.7.1 Der Nationalstaat
5.7.2 Die Vereinten Nationen
5.8 Fazit

6 Gesamtfazit
6.1 Nationalstaaten
6.2 Supranationale Mehrebenensysteme
6.3 IGOs
6.4 TNCs
6.5 NGOs
6.6 Reformbedarf
6.6.1 Demokratisierung
6.6.2 Nord-Süd-Parität
6.7 Letzte Worte

7 Anhang
7.1 Abkürzungsverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis
7.3 Tabellenverzeichnis
7.4 Literaturverzeichnis
7.5 Internetverzeichnis

1 Einleitung

Schon seit Beginn der 80er Jahre ist zu beobachten, dass die internationalen Verflechtungen der Wirtschaft rapide zugenommen haben.

Der Welthandel expandiert stetig. Das Weltexportvolumen steigt scheinbar unaufhaltsam. Das internationale Finanzwesen wächst ununterbrochen an. Ausländische Direktinvestitionen sprengen alle bisher bekannten Dimensionen. Kapital kann global eingesetzt werden. Transnationale Unternehmen werden täglich gegründet und handeln auf dem gesamten Globus. Die Warenhäuser können uns mit Knoblauch aus China, Schuhen aus Mexiko und Kleidung aus Indien versorgen. Mc Donalds verkauft seine Big Macs und Hamburgers unter anderem in Peking, Moskau, Neu Delhi und wahrscheinlich bald auch in Bagdad. Das neue Modell „Ulysee“ des italienischen Traditions-Autoherstellers FIAT wird in 15 Ländern produziert, von denen elf außerhalb der EU liegen. Firmen wie Mercedes-Benz und die Chrysler Group fusionieren zu einer internationalen Wirtschafts-Supermacht. Andere Unternehmen oder ganze Unternehmenszweige sind keinem Staat mehr zuzuordnen.

Diese Zunahme an internationalen Verflechtungen wirft Fragen auf: Sind die Güter und Dienstleistungen, die amerikanische Firmen auf dem japanischen Markt umsetzen, ein Teil der amerikanischen Wirtschaft oder der japanischen? Sind koreanische Wertpapiere, die ein Türke in London erwirbt, ein Teil der koreanischen, der britischen oder der türkischen Wirtschaft? Jede dieser Volkswirtschaften ist nicht mehr auf eine nationale Wirtschaft zu begrenzen, sie ist ein Teil der neuen Weltwirtschaft.

Die Befreiung der globalen Wirtschaft und die „Anarchie des Marktes“ überwinden nationalstaatliche Hürden und führen ökonomische Krisen, soziale Krisen, sowie ökologische Desaster herbei. Die Wirtschaft überrennt die nationale Politik, der Markt hat sich entfesselt, und alles folgt dem Ruf der Deregulierung, Denationalisierung und der Liberalisierung.

Bei dieser schnellen wirtschaftlichen Entwicklung hinkt die politische Entwicklung hinterher. Als Folge davon fehlen auf globaler Ebene Normen, Regeln und Gesetze globalen Handelns, die sowohl Stabilität förderten als auch soziale wie ökologische Schutzmechanismen errichteten.

In den Teildisziplinen in den Bereichen Umwelt- und Sozialpolitik, aber auch in der Wirtschaft bestehen Defizite an globalen Regelungen. Die Politik muss auf globaler Ebene reorganisiert und geordnet werden, aber eine Weltregierung ist weder erwünscht noch realisierbar.

In dieses Vakuum stößt die Global Governance Diskussion. Die Vertreter der Global Governance möchten den Regulationsverlust auf nationaler Ebene durch eine globale Ordnung ersetzen. Dabei stellt Global Governance eine globale Ordnung dar und besteht aus zahlreichen Verträgen, Abkommen, Konferenzen und Institutionen. Global Governance zeigt sich jedoch nicht in einer Form von Weltregierung oder Weltstaat, sondern vornehmlich in einem Netzwerk verschiedener Organisationen und Institutionen mit unterschiedlichem politischem Status.

Zahlreiche Theoretiker sehen durch diese kooperative Zusammenarbeit zwischen Nationalstaaten, internationalen Regierungsorganisationen (IGOs), Nicht- Regierungsorganisationen (NGOs) und transnationalen Unternehmen (TNCs) die Möglichkeit der Bildung einer globalen Ordnungspolitik. Alle Akteure unabhängig von ihrem politischen Status - privat und öffentlich, national, regional oder global handelnd - werden in dieser Arbeit als „Global Player“ bezeichnet.

In der Global Governance-Diskussion haben sich Konzepte geformt, deren wichtigste die von James Rosenau, der Commission on Global Governance, der Gruppe von Lissabon und des Instituts für Entwicklung und Frieden sind. Alle Theoretiker sehen nur in einer Kooperation aller Akteure eine Chance zur Erhaltung und zum Schutze der global public goods und zur Vermeidung der global public bads.

Angesichts eines solchen Konzeptes, dessen Ziel eine globale Ordnung ist, ergeben sich zahlreiche Fragen: Inwiefern ist eine globale politische Ordnung überhaupt notwendig? Wie lässt sie sich legitimieren? Welche strukturellen Probleme wirft sie auf? Wie lässt sich ein solches Konzept realisieren? Welche Aufgaben und Rollen können die Akteure der Global Governance übernehmen?

Global Governance als eine Regulation der global-politischen Verhältnisse geht von den zugedachten Akteuren, den Global Player aus. Daher werden zunächst die verschiedenen theoretischen Konzepte vorgelegt. Dann werden die für die Global Governance zuständigen Akteure gegliedert nach den verschiedenen politischen Bereichen vorgestellt, und es wird anhand der zuvor erörterten Konzepte analysiert, ob sie zur Ausübung spezifischer Aufgaben und Funktionen geeignet sind und inwieweit sie gewillt sind, ihren Kompetenzbereich mit anderen Organisationen zu teilen.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei bei den Akteuren. Daher können angrenzende Themen, wie das breite Feld der Entwicklungspolitik und das Feld der Good Governance, im Sinne von guten politischen Rahmenbedingungen, Rechtsstaatlichkeit und einem verantwortungsvollen Umgang des Staates mit politischer Macht und öffentlichen Ressourcen, nicht einbezogen werden.

Als Basis möchte ich beim Auslöser der ganzen Diskussion beginnen: Der Globalisierung.

2 Globalisierung

„Vor drei Jahren hatte die Hälfte der Deutschen den Begriff Globalisierung noch nie gehört. Heute kennt ihn praktisch jeder. Keine politische Debatte, keine Rede zur Zukunft der Gesellschaft, keine wirtschaftliche Analyse kommt ohne dieses Wort aus. “

(Johannes Rau in der „Berliner Rede“, 2002 )

Das Wort Globalisierung hat eine lange Karriere hinter sich. Erstmals in den frühen sechziger Jahren, genauer gesagt 1962, beschrieb die britische Zeitschrift The Spectator Globalisierung als „a staggering concept“. In den akademischen Sprachgebrauch wurde das Wort erst in den frühen achtziger Jahren übernommen. Schließlich erlangte es in der jüngsten Vergangenheit ungeahnte Popularität.

Heute ist Globalisierung zu dem Schlagwort unserer Zeit geworden. Kaum eine politische Diskussion findet statt, ohne dass mit dem Hinweis auf Globalisierung bestimmte Entwicklungen oder Notwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft erklärt werden. Es ist ein Schlagwort, das eine enorme Medienwirksamkeit besitzt, wie die folgende Grafik zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Karriere des Wortes „Globalisierung“ (Enquete Kommission 2002: S. 49)

Global - isierung zerlegt sich sprachlich in den bedeutungstragenden Wortstamm global, der inhaltlich mit dem Adjektiv „weltweit“ oder „allgemein“ umschrieben werden kann, und das Suffix - isierung, das im Gegensatz zum Suffix - tät (wie etwa in Globalität) keinen Zustand, sondern einen Prozess bezeichnet.

Im allgemeinen wird unter Globalisierung die wirtschaftliche Ausdehnung auf dem Globus verstanden. Als Strukturmerkmale gelten dabei (1) die Expansion des Welthandels und (2) ein Anstieg der Weltdirektinvestitionen. Darüber hinaus stellt die (3) ,, Bedeutungszunahme von transnationalen Unternehmen (TNCs)“ ein weiteres Merkmal der Globalisierung dar (vgl. Burchardt 1996: S. 741). Viertes Merkmal ,, ist das Wachstum des internationalen Finanzwesens und die hohe Dynamik von Finanztransaktionen“ (vgl. Burchardt 1996: S. 741). Auch wenn Kritiker die Strukturmerkmale relativieren (vgl. Parnreiter/ Novy 1999: S. 19f, Burchardt 1996: S. 744) und damit das Neue an der Globalisierung in Frage stellen (vgl. Nuscheler 2000b: S. 472), so ist doch eine wirtschaftliche Entstaatlichung unbezweifelbar.

Mit Globalisierung wird aber auch oftmals der Verlust von Kompetenzen des Nationalstaats bezeichnet, wie es der ehemalige UN-Generalsekretär Butros Butros-Ghali etwa sieht:

Die politischen Führer besitzen in vielen Bereichen nicht mehr die wirkliche Souveränität der Entscheidung. Sie haben aber die Vorstellung, dass sie die zentralen Fragen noch selbst regeln könnten. Ich sage, sie haben nur die Illusion, die Einbildung, dass es so sei.“ (vgl. Martin/ Schumann 1996: S. 255)

Vielfach wird daher statt Globalisierung der Begriff Denationalisierung verwendet. Michael Zürn definiert Denationalisierung als die Zunahme der Intensität und der Reichweite von grenzüberschreitenden Interaktionen durch

1. den Austausch oder die gemeinsame Produktion von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften (Wirtschaft),
2. Bedrohungen, Unruhen und Kriegsrisiken (Sicherheit),
3. Umweltschadstoffen und -risiken (Umwelt),
4. kulturelle Zeichen und Produkte (Kultur und Kommunikation) sowie
5. durch grenzüberschreitende Reisen und Personenwanderungen (Mobilität) (vgl. Zürn 1998: S. 125).

Diese Definition veranschaulicht sehr gut, dass es nicht allein um rein ökonomische Aspekte geht, wie man angesichts öffentlicher Debatten (etwa der Standortfrage) häufig annehmen könnte. Andere Bereiche müssen ebenso betrachtet werden.

Für die folgende Bearbeitung wird unter Globalisierung eine Entgrenzung der Welt, als eine Ausweitung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge über die Grenzen des Nationalstaates hinaus verstanden, wobei die Internationalisierung der Wirtschaft als Wegbereiter diente.

2.1 Triebkräfte der Globalisierung

Die Globalisierung wird von verschiedenen Faktoren, vor allem durch einen allgemeinen technischen Fortschritt und eine sukzessive Liberalisierung und Deregulierung des Marktes angetrieben.

2.1.1 Allgemein- technischer Fortschritt

Der allgemein-technische Fortschritt ist insbesondere im Bereich der Transport-, Informations- und Kommunikationstechnik ein wesentlicher Bestimmungsgrund der zunehmenden weltwirtschaftlichen Integration.

Seit über hundert Jahren führen Fortschritte in der Transporttechnik zu stetig fallenden Kosten von See- und Luftfracht. Allein in den letzten zwanzig Jahren sind die Luftfrachtkosten real um über 40 Prozent und die Seefrachtkosten um 70 Prozent gefallen (vgl. Altvater/ Mahnkopf 1997: S. 217ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Entwicklung der Transport- und Telekommunikationskosten im 20. Jahrhundert

(Straubhaar 1996: S. 222)

Vor der industriellen Revolution war Fernhandel begrenzt auf Produkte mit einem hohen Wert-Gewicht-Verhältnis. Es wurde vorwiegend mit Edelmetallen, Edelsteinen und Gewürzen gehandelt, da sie bei geringem Gewicht einen hohen Wert besitzen. Bereits im 19. Jahrhundert führten verbesserte neue Transportmittel wie Eisenbahn und leistungsfähige Containerschiffe sowie neue Transportwege wie der Panama- oder der Suezkanal zu stark reduzierten Transportkosten. Diese Tendenz langfristig fallender Kosten setzte sich im 20. Jahrhundert mit der Erfindung des Automobils, dem Beginn der zivilen Luftfahrt und dem Bau von Öl- und Gaspipelines fort.

Neben infrastrukturellen Innovationen vollzog sich in den vergangenen Jahrzehnten eine digitale Revolution. Innerhalb kürzester Zeit - jedoch ähnlich tiefgreifend - verlief die Entwicklung in der Informations- und Kommunikationsindustrie. Oft werden die Möglichkeiten der digitalen Informations-Technologien (IT) als ,,Rettung aus den Zwängen der Industriegesellschaft“ bezeichnet (vgl. Klotz 1999: S. 1).

Die realen Kosten eines transatlantischen Telefongespräches sind von 1930 bis 1999 um das siebenhundertfache gesunken. Innovationen wie Faxapparate, Mobiltelephone oder zuletzt das Internet erweiterten das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten bei stetig sinkenden Kommunikationskosten. Waren 1988 weltweit 100.000 Computer an das Internet angeschlossen, so waren es 1998 bereits 36 Millionen. Die jährlichen Verkaufszahlen von Computern haben inzwischen die 50 Millionen-Marke, die Zahl der weltweiten Telefonanschlüsse hat die Milliarden-Marke überschritten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Entwicklung der Anzahl der Internet- Anschlüsse weltweit

(http://www.bundestag.de/gremien/welt/glob_end/n1.html )

In jüngster Vergangenheit setzten vor allem drei technische Innovationen eine Wende in Gang: Erstens die Erfindung des Mikroprozessors (Chip) im Jahre 1971, zweitens die Realisierung einer grafischen, benutzerfreundlichen Software, die ermöglichte, dass der Computer zu einem Massenprodukt wurde und drittens die Perfektionierung von Netzwerktechniken, die eine übergreifende Verknüpfung von digitalen Systemen aller Art ermöglichen. In direkter Verbindung mit der Kommunikationstechnik konnte der Siegeszug des Internets und seines World Wide Web beginnen.

Das Vorranschreiten der Globalisierung hängt dabei vom Entwicklungsstand des jeweiligen Landes ab. In diesem Zusammenhang spricht man von einer „digital divided world“, das heißt, dass es eine zweigeteilte Staatenwelt gibt: Staaten, die über einen Zugang zu diesen Technologien verfügen, und Staaten, denen der Zugang bisher nicht gelang. Bei jenen Staaten, die keinen Zugang zu diesen Technologien entwickeln konnten, oder bei denen der technologische Stand dem der gut entwickelten Staaten deutlich hinterherhinkt, kann die Globalisierung nur eingeschränkt voranschreiten.

Mit den fortgeschrittenen Möglichkeiten der Datenverarbeitung und –übertragung wurde der Handel nahezu revolutioniert. Man bezeichnet diese Entwicklung als ,,Informatisierung“ (vgl. Nora/ Minc 1979, Klotz 1999: S. 1), das heißt als zunehmende Ersetzung materieller Güterströme durch Datenströme.

Die Innovationen und Fortschritte in der Informationstechnologie haben zum einen eine Intensivierung des internationalen Wettbewerbs bereits gehandelter Güter zur Folge, zum anderen ermöglichen sie einen Handel mit Gütern, die vormals aufgrund hoher Transportkosten oder mangelnder Transportfähigkeit nicht international handelbar waren. Auch nicht oder nur schwer handelbare Güter wie beispielsweise Dienstleistungen können global gehandelt werden. Darüber hinaus werden die Transaktionskosten durch Fortschritte in der Informations- und Kommunikationsindustrie gesenkt, die Markttransparenz wird erhöht und Markteintritte werden erleichtert. Standortfaktoren verlieren an Bedeutung, wodurch Unternehmen nicht mehr an bestehende Standorte gebunden sind.

Abschließend ist festzuhalten, dass durch den Fortschritt der Technologie die Kosten für Transport und Kommunikation rapide gesunken sind und so der globale Handel initiiert und zu einen intensiven Netz ausgebaut wurde.

2.1.2 Liberalisierung und Deregulierung des Marktes

Eine global agierende Wirtschaft und ein internationaler Markt konnten sich besonders durch die sukzessive Handelsliberalisierung während der Nachkriegsjahrzehnte entwickeln. Die Handelsliberalisierung vollzog sich in mehreren Etappen: Zunächst wurden bei den GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) -Verhandlungen weitreichende Zollreduktionen ausgehandelt. Die durchschnittlichen Zollsätze in den Industrieländern sind von hohen zweistelligen Raten in der Nachkriegszeit auf momentan weniger als vier Prozent gefallen. Die weltweiten Exporte wuchsen nach dem Zweiten Weltkrieg stärker als das globale Bruttosozialprodukt. Es stiegen sowohl die Weltproduktion mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 3,7 Prozent zwischen 1947 und 1997, als auch die Handelsströme mit durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr. Dies bedeutet eine Versechsfachung des Weltsozialproduktes und eine Versiebzehnfachung des Welthandels. Inzwischen wird mehr als ein Fünftel des globalen Bruttosozialprodukts durch zwischenstaatlichen Handel erwirtschaftet. Gleichzeitig führten viele Staaten währungspolitische Reformen durch, um ihre Währung zu stabilisieren und als Zahlungsmittel im globalen Handel zu etablieren. Man ermöglichte sich auf diese Weise die Teilnahme am Welthandel. Waren 1950 lediglich zehn Währungen in der Welt voll konvertibel, so haben sich inzwischen über 140 Staaten zur Einhaltung von Artikel VIII des Internationalen Währungsfonds verpflichtet, der freie Währungskonvertibilität fordert. Freie Währungskonvertibilität bedeutet, dass diese Währungen jederzeit legal und zu variierenden Marktpreisen getauscht werden. Darüber hinaus haben viele Staaten in zahlreichen Wirtschaftssektoren (Telekommunikation, Bau, Ingenieurdienste, Transporte) bestehende Marktregulierungen abgeschafft und somit die rechtliche Basis für ausländische Direktinvestitionen in diesen Branchen geschaffen. Auch auf den Kapitalmärkten wurden vor allem während der 80er Jahre Zugangsbeschränkungen und Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben und eine weitgehende Deregulierung des Finanzsektors wurde durchgesetzt. Dieser Liberalisierungsprozess war jedoch keineswegs auf die Industrieländer beschränkt. Die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer haben ihre Entwicklungs- und Außenhandelsstrategie geändert und ehemalige Leitbilder einer staatsgelenkten Industrialisierung und Importsubstitution zugunsten einer markt- und wettbewerbsorientierten Wirtschaftspolitik aufgegeben. Zwischen 1986 und 1994 haben 31 Entwicklungsländer das GATT-Abkommen unterschrieben. Institutionell verankert wurde der Prozess der Handelsliberalisierung im Jahr 1995 mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization), die auf den Prinzipien der Nichtdiskriminierung, Multilateralität und fortschreitenden Liberalisierung aufbaut und inzwischen 135 Mitglieder zählt. Im Laufe ihrer Entwicklung wurde die WTO mit immer weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet und ist heute eine Organisation, die zur Schlichtung von internationalen Handelskonflikten fähig und bevollmächtigt ist.

2.2 Fazit: Neue Probleme - neue Herausforderungen

Die Globalisierung schreitet schnell und unaufhaltsam voran. Mit ihr verbinden sich Probleme, die kontrolliert und gelöst werden müssen.

„[...] aufgrund der gestiegenen Interdependenz zwischen Staaten – verursacht durch die zunehmend grenzüberschreitenden Auswirkungen v.a. wirtschaftlichen Handels – [können] viele Probleme nicht mehr im nationalen Alleingang gelöst werden.“ (Enquete Kommission 2002: S. 416).

Globale Probleme stellen neue Herausforderungen an die Politik, die zur Lösung dieser Probleme auf globale Zusammenarbeit zwischen den Nationalstaaten und anderen international tätigen Organisationen bauen muss.

3 Global Governance

„Der Versuch, Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung zu finden, heißt Global Governance. Was noch wie ein neues Schlagwort klingen mag, ist nichts anderes als die Suche nach einer neuen Weltordnungspolitik und nach Auswegen aus der ´Globalisierungsfalle´“ (Club of Rome)

Es ist ein kein leichtes Unterfangen, eine allgemein gültige Definition von Global Governance zu finden. Wie der Begriff der Globalisierung hat auch der Begriff der Global Governance Schlagwort-Charakter und wird in der Literatur wie auch in der Politik inhaltlich unterschiedlich gebraucht.

Governance bezeichnet, im Unterschied zu government, dem Regieren durch Regierungen, lediglich das Vorhandensein von Regelungen, nicht aber das Vorhandensein fest definierter Handlungsträger. Demnach steht governance für ein Regieren ohne Regierung (vgl. Mürle 1998: S. 4). Als deutschsprachiges Gegenstück von governance kann der Begriff Steuerung oder Ordnung angesehen werden. Daher wird in der deutschen Sprache Global Governance mit den Termini Weltordnungspolitik[1] (vgl. Messner/ Nuscheler 1996a: S. 19, 1997: S. 339) oder internationale Strukturpolitik gleichgesetzt, welche zunächst den Grundcharakter der Global Governance verdeutlichen. Demnach stellt Global Governance die Steuerung und Regulierung der durch den Globalisierungsprozess entstandenen negativen Transformationen durch Staaten und andere Organisationen dar. Dabei darf Regulierung jedoch nicht als ein aufgesetztes und diktiertes Gesetzeswerk von Statuten und Deklarationen verstanden werden, sondern eher als eine Zusammensetzung von formellen und informellen Regelungen (vgl. Mürle 1998: S. 5).

Im Folgenden werden einige Definitionen führender Forschungsinstitute und Organisationen aufgelistet, um die Breite der Definitionsmöglichkeit von Global Governance zu veranschaulichen.

Die Commission in Global Governance (CGG) definiert den Begriff folgendermaßen:

„Governance is the sum of the many ways individuals and institutions, public and private, manage their common affairs. It is a continuing process through which conflicting or diverse interests may be accommodated and co-operative action may be taken. It includes formal institutions and regimes empowered to enforce compliance, as well as informal arrangements that people and institutions either have agreed to or perceive to be in their interest.” (CGG 1995: S. 2 )

Club of Rome:

„We can use the term to denote the command mechanisms of a social system and its actions that endeavor to provide security, prosperity, coherence, order and continuity to the system. [...] Taken broadly, the concept of governance should not be restricted to the national and international systems but should be used in relation to regional, provincial and local governments as well as to other social systems such as education and the military, to private enterprises and even to the microcosm of the family.” (King/ Schneider 1991: S. 181)

James Rosenau:

„Global governance is conceived to include systems of rule at all levels of human activity - from the family to the international organization - in which the pursuit of goals through the exercise of control has transnational repercussions. ” (Rosenau 1995: S. 13)

Die OECD:

„Global Governance can be loosely defined as the process by which we collectively manage and govern resources, issues, conflicts and values in a world that is increasingly a 'global neighborhood' [...].” (OECD 1996)

Das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) versteht Global Governance als:

„Netzwerkbildungen von der lokalen bis zur globalen Ebene, die auf gemeinsamen Problemlösungsorientierungen, fairem Interessenausgleich sowie einem tragfähigen Kanon von gemeinsamen Normen und Werten als Grundlage stabiler institutioneller Strukturen zur Bearbeitung von Problemen und Konflikten basieren“. (Messner/ Nuscheler 1997b: S. 36)

Auf seine Grundbedeutung reduziert bezeichnet Global Governance den Prozess der politischen Begleitung der Globalisierung. Grunderkenntnis besteht dabei darin, dass sich bei der Globalisierung der Probleme auch die Politik globalisieren muss (vgl. Nuscheler 2000b: S. 474). Dies bezieht sich nicht nur auf die Zusammenarbeit zwischen den Staaten, um etwa weltweite Steuersenkungswettläufe, Lohn-, Sozial-, Subventions- und Umweltdumping zu verhindern, sondern auch auf die Entwicklung eines neuen Politikmodells, bei dem staatliche und nicht-staatliche Akteure auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten. Somit meint Global Governance erstens die Neudefinition staatlicher Souveränität, zweitens die Verrechtlichung der Internationalen Beziehungen, drittens die Erweiterung des Kreises der Akteure über die Staaten hinaus und viertens ein neues Verständnis von Außenpolitik, bei dem ein normatives, am Gemeinwohl aller orientiertes Verständnis vorherrscht und das gemeinsame Überlebensinteresse der Menschheit in den Vordergrund rückt (vgl. Messner/ Nuscheler 1996a: S. 34).

3.1 Das Global Governance-Konzept

Wie diese politische Regulierung und Steuerung aussehen könnte, konnte bislang nicht im Konsens geklärt werden. Verschiedene Konzepte haben sich gebildet, bei denen jeweils andere Organisationen und Institutionen zu den Hauptakteuren der künftigen Weltordnungspolitik erklärt werden und die deutliche Unterschiede in der Struktur einer Global Governance-Architektur aufweisen.

Im Folgendem bedarf es daher einer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen inhaltlichen Positionen der wichtigsten Global Governance-Konzepte. Auf das Konzept des Club of Rome sowie auf die Konzepte der United Nations University (UNU), Altvater/ Mahnkopfs (1997), der OECD (1996), des Centre for the Study of Global Governance der London School of Economics (LSE) und des Research Centre for Global Governance (RCGG) wird nicht eingegangen, da sie sich bei der weiteren Analyse der Global Governance-Akteure nicht von den hier vorgestellten Konzepte unterscheiden (zur weiteren Unterscheidung der Konzepte vgl. Mürle 1998).

3.1.1 Entwicklung des Global Governance-Konzeptes

Das Global Governance-Konzept wurde insbesondere durch die großen UN-Konferenzen zwischen 1992 und 1997 geprägt (vgl. Messner/ Nuscheler 1996b: S. 160ff.).[2] Man stellte fest, dass es nur sehr wenige global agierende Institutionen und global gültige Gesetze gab (vgl. Brunnengräber 1998: S. 73ff.). Deshalb sollten die bestehenden Institutionen und Regeln durch neue ersetzt und ergänzt werden. Dabei wurde deutlich, dass diese neuen Regeln nicht im Alleingang der Nationalstaaten formuliert werden können. Internationale Regierungsorganisationen (IGOs) und private Akteure sollten an der Gestaltung der Globalisierung beteiligt werden. Dabei stellte die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) einen entscheidenden Wendepunkt in der Weltpolitik dar. In dieser Konferenz, die 1992 in Rio de Janeiro tagte, wurden erstmals private Akteure in politische Prozesse einbezogen (vgl. Hummel 2001: S. 22). Private international tätige Unternehmen wurden im Business Council on Sustainable Development (BCSD) zusammengeschlossen und berieten zusammen mit NGOs über ökologische, wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. Spätestens seit diesem Gipfel haben die Nationalstaaten als alleinige Akteure der Weltpolitik ausgedient.

Ausgereifte Visionen zum Zusammenspiel von Nationalstaat und privaten Akteuren blieben jedoch aus. Dieses Vakuum füllt nun der Global Governance-Diskurs aus.

Der Begriff Global Governance ist seit der Konferenz von Rio de Janeiro vielfach diskutiert worden, im Folgenden sollen daher die wichtigsten Global Governance-Ansätze mit ihren Vertretern vorgestellt werden. An erster Stelle ist James Rosenau zu nennen, der den Begriff der Governance zwar nicht als erster in die internationale Diskussion einbrachte[3], dessen gemeinsam mit Ernst-Otto Czempiel 1992 herausgegebener Sammelband „Governance without Government: Order and Change in World Politics” jedoch zu einem zentralen Referenzpunkt aller Veröffentlichungen zum Thema wurde.

3.1.2 Das Global Governance-Konzept James Rosenaus

Rosenau ist der bekannteste Vertreter eines zeitdiagnostischen und empirisch-analytischen

Konzeptes von Global Governance. Ihm geht es vor allem um die politikwissenschaftlich-analytische Unterscheidung von „Government”, das auf formeller, gesetzlich definierter und mit exekutiver Gewalt ausgestatteter Autorität beruht, und „Governance”, die als „system of rule” anzusehen ist (Rosenau/ Czempiel 1992: S. 4ff.). Diesem Gesetzessystem fehlt jedoch die kontrollierende exekutive Gewalt. Er definiert daher:

„Global Governance bezieht sich auf mehr als auf die formalen Institutionen und Organisationen, durch die das Management der internationalen Beziehungen aufrechterhalten wird, oder auch nicht [...] Global Governance bedeutet Ordnungssysteme (systems of rule) auf allen Ebenen menschlichen Handelns einzubeziehen – von der Familie bis zur internationalen Organisation – bei denen die Verfolgung von Zielen durch die Ausübung von Kontrolle transnationale Auswirkungen hat.” (Rosenau 1995: S. 13).

Rosenau formuliert eine sehr offene Definition, da es seiner Meinung nach falsch ist, ausschließlich formale Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene in die Regelungssysteme einer Governance einzubeziehen. Dies ist auch der Grund dafür, warum er die Herausbildung einer Weltordnung, verstanden als Garant von Stabilität und Kohärenz, als unwahrscheinlich betrachtet. Am wahrscheinlichsten verdichten sich seiner Ansicht nach die Governance-Strukturen in einem evolutionären, d.h. nicht politisch gesteuerten Prozess der Selbstorganisation, also „bottom up” (Rosenau 1995: S. 17). Rosenaus Konzept gibt im Gegensatz zu den Konzepten der Commission on Global Governance (CGG) und dem Konzept des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) keine Handlungsanleitung für die politische Gestaltung, sondern ist eine analytische Darstellung von realen Veränderungsprozessen im internationalen System und beinhaltet die Auflistung von möglichen Akteuren und Prozessen. Dazu zählt Rosenau neben den bestehenden Staaten, internationalen Regimen und Institutionen unterschiedliche private Akteure wie NGOs, Transnationale Konzerne (TNCs), soziale Bewegungen, Netzwerke (crossborder coalitions), Städte und Mikroregionen und sogar transnationale kriminelle Vereinigungen (Rosenau 1995: S. 20ff.).

3.1.3 Das Konzept der Commission on Global Governance (CGG)

Die Commission on Global Governance wurde auf Initiative von Willy Brandt gegründet (vgl. Mürle 1998: S. 8). Er hatte 1990 u.a. Mitglieder der Palme-Kommission (Independent Commission on Disarmament and Security Issues), der Brundtland-Kommission (International Commission on Environment and Development) und der Nord-Süd-Kommission nach Königswinter eingeladen. Sie sollten nach dem Ende der Blockkonfrontation und im Hinblick auf neue globale Probleme Visionen zur Regierbarkeit der Welt erarbeiten. Nach ersten Ergebnissen wurde 1991 die Commission on Global Governance formell eingerichtet. Die Ergebnisse dieser unter dem Dach der UN arbeitenden Kommission wurden 1995 in dem Bericht „Our Global Neighbourhood” (Commission on Global Governance 1995[4] ) zusammengefasst. In diesem Bericht erklärt die CGG, dass die bestehenden Institutionen unzureichend und überfordert sind, um die im Zeitalter der Globalisierung entstandenen Probleme zwischen und in den Staaten zu bewältigen (vgl. Nuscheler 2000b: S. 475). Aus dieser Situationsbeschreibung leitet die CGG die Notwendigkeit weitreichender Reformen des internationalen Systems und darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für die Errichtung von Global Governance-Strukturen ab und fordert:

„Kein Staat kann Fortschritte machen und Unsicherheit und Not andernorts unbeachtet lassen. Wir müssen unsere globale Nachbarschaft miteinander teilen und sie stärken, so dass sie für alle unsere Nachbarn lebenswert zu werden verspricht” (SEF 1995: S. 12).

Diesem Konzept zufolge sollen Staaten und Regierungen die wichtigsten öffentlichen Institutionen zur Behandlung von Fragen bleiben, die die Welt als Ganzes betreffen. Es geht den Mitgliedern der CGG – da sie Demokratiedefizite befürchten – ausdrücklich nicht um die Herstellung einer Weltregierung oder eines Weltföderalismus. Vielmehr plädieren sie für eine möglichst vielfältige, vernetzte Kooperation der Institutionen zur Problemlösung: Internationale Fragen und Probleme sollten unter Mithilfe von NGOs, Bürgerbewegungen, multinationalen Konzernen und globalen Massenmedien gemeinsam diskutiert und gelöst werden (vgl. Mürle 1998: S. 10). Dementsprechend offen ist auch in diesem Ansatz die Interpretation von Governance:

„Ordnungspolitik bzw. Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Handeln initiiert werden kann. Der Begriff umfasst sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als eigene Interessen angesehen werden.” (SEF 1995: S. 4).

Dieses vage, teils auf Vorstellungen von „checks and balances” aufbauende Verständnis von Global Governance wird auch in den vier darauffolgenden Kapiteln des Berichts kaum näher konkretisiert.

Neben zahlreichen „policy”-orientierten Vorschlägen zur Gestaltung der Global Governance setzt sich die CGG auch mit den dazu nötigen Akteuren und Strukturen (polity) auseinander. Bei der Herstellung eines normativ begründeten Gleichgewichts in der Weltpolitik wird der Zivilgesellschaft eine spezifische Rolle als Kontroll- und Überwachungsinstanz neben Markt und Staat zugewiesen (SEF 1995: S. 281ff.). Das „Entstehen einer globalen Zivilgesellschaft” ist für die CGG „Ausdruck der gewachsenen Fähigkeit und Bereitschaft der Menschen, ihr Leben selbst zu gestalten” (SEF 1995: S. 369).

Ebensowenig wie Rosenau stellt die CGG die Rolle der Nationalstaaten als Hauptakteure der neuen Ordnungspolitik in Frage, sie stellt lediglich fest, diese müssten „jedoch mit anderen zusammenarbeiten”. Diese Rolle als maßgebliche Instanz teilen die Staaten mit den Vereinten Nationen:

„Wir sind zu der festen Überzeugung gelangt, dass die Vereinten Nationen innerhalb einer Weltordnungspolitik weiterhin eine zentrale Rolle spielen müssen [...] Sie können [...] als zentraler Mechanismus dienen, in dessen Rahmen die Staaten sich gegenseitig unter Einbeziehung anderer Teile der Gesellschaft zur multilateralen Behandlung globaler Angelegenheiten verpflichten.” (SEF 1995: S. 8).

Abgeleitet aus diesem Bekenntnis der CGG zur Dominanz von Staaten und zum UN-System

in einer Global Governance wird die Notwendigkeit einer politischen Führung betont:

„Die Welt braucht Führer, die durch Visionen gestärkt sind, die von Ethos getragen sind und die den politischen Mut haben, auch über die nächste Wahl hinauszudenken. Welche Dimensionen eine Weltordnungspolitik auch immer hat, wie stark ihr Instrumentarium auch erneuert und erweitert sein mag, welche Werte auch immer ihr Inhalt verleihen, ihre Qualität hängt letzten Endes von der politischen Führung ab” (SEF 1995: S. 388).

Führung ist in der CGG-Konzeption nicht nur ein Prozess, der auf höchster nationaler und internationaler Ebene angesiedelt ist, sondern ein Prozess, der alle Ebenen von Bürgerbewegungen über transnationale Unternehmen bis zu den Medien betrifft (SEF 1995: S. 391).

Kritisch einzuwenden ist hierbei allerdings, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen besonders vage formuliert sind und dass die Vermeidung der Benennung von Krisenursachen und vor allem von deren Verursachern den „Eindruck eines harmonischen Weltbildes” entstehen lässt (Mürle 1998: S. 11). Dies ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei dem Kommissionsbericht um ein von vielen Beteiligten ausgehandeltes Kompromisspapier handelt, bei dem die Notwendigkeit deutlich herauszulesen ist, die Interessen der Partner nicht zu verletzen. Zwangsläufig ist der Ansatz der CGG daher von der Vorstellung geprägt, dass die Problembearbeitung durch die Verknüpfung der unterschiedlichen Interessenlagen und in einem dynamischen und komplexen Prozess interaktiver Entscheidungsfindung möglichst konfliktlos erfolgen kann, wenn sich die Idee eines globalen Ethos durchsetzt. Dieses globale Ethos, das auf universelle Werte wie Achtung vor dem Leben, Freiheit, Gerechtigkeit, gegenseitige Achtung, Hilfsbereitschaft und Integrität aufbaut und darüber hinaus nicht weiter bestimmt wird (SEF 1995: S. 56ff.), ist im CGG-Bericht die entscheidende Legitimation von Global Governance. Global Governance soll demzufolge ein politisches Projekt zur Umsetzung des globalen Ethos sein.

3.1.4 Das Konzept des Instituts für Entwicklung und Frieden

Die Global Governance-Konzeption des INEF baut auf der Arbeit der CGG auf (vgl. Mürle 1998: S. 24ff.). Sie verwendet zahlreiche ähnliche Argumentationsfiguren und Begrifflichkeiten. Während jedoch von der CGG die Notwendigkeit der aufgeklärten politischen Führung besonders betont wird, steht in den Publikationen von Messner und Nuscheler (Messner/ Nuscheler 1996a, 1997) die Neugestaltung von Staatlichkeit im Vordergrund. Das INEF-Konzept versucht stärker als der CGG-Bericht, den Begriff der Global Governance einzugrenzen. Global Governance sei nicht mit Global Government zu verwechseln, weil eine Weltregierung weder realistisch noch erstrebenswert sei (Messner/ Nuscheler 1996a: S. 19). Auch eine Gleichsetzung von Global Governance mit dem Begriff Weltinnenpolitik, der von Willy Brandt als Vorsitzendem der Nord-Süd-Kommission während der siebziger Jahre verwendet wurde, erscheint dem INEF problematisch, da hierfür ein Weltstaat vorhanden sein muss. Als unproblematisch wird schließlich der in der deutschen Übersetzung des CGG-Berichts verwendete Terminus Weltordnungspolitik bezeichnet. Global Governance muss zufolge des INEF-Konzeptes aber deutlich vom strategischen Konzept der Neuen Weltordnung des US-Präsidenten Bush (Senior) unterschieden werden (vgl. Messner/ Nuscheler 1997a: S. 347). Global Governance bedeutet nach diesem Konzept weder die Gleichschaltung von Wirtschafts- und Politikmodellen noch eine hierarchische Steuerung der Weltgesellschaft noch die Summe der Aktivitäten von Nationalstaaten, sondern das Zusammenwirken von Akteuren und Aktivitäten von der lokalen bis zur globalen Ebene (Messner/ Nuscheler 1996a: S. 20). Aus diesem Verständnis heben Messner und Nuscheler drei zentrale Merkmale hervor:

Erstens bedeutete Global Governance

die Neudefinition von Souveränität, die – verstanden als selbstbestimmte Herrschaftsgewalt nach innen und außen – durch die Globalisierungsprozesse unterminiert wird. Das eigentlich Neue am Projekt von Global Governance ist die Akzeptanz geteilter Souveränitäten durch Übertragung von Handlungskompetenzen auf lokale, regionale, und globale Organisationen zur Lösung von Problemen, die die Nationalstaaten nicht mehr im Alleingang lösen können” (Messner/ Nuscheler 1996a: S. 20).

Zweitens bedeutete Global Governance die

Verdichtung der internationalen Zusammenarbeit durch internationale Regime mit verbindlichen Kooperationsregeln, die auf Verrechtlichung der internationalen Kooperation abzielen” (Messner/ Nuscheler 1996a: S. 20, vgl. auch Holtz 1998: S. 1).

Drittens impliziert - nach Messner und Nuscheler - Global Governance ein „Bewusstsein gemeinsamer Überlebensinteressen und steht für eine Interessen- und Außenpolitik, die sich normativ an einem Weltgemeinwohl orientiert.” Globale Interdependenzen begründeten einen „Imperativ zur internationalen Kooperation”, der die Ratio und Ethik einseitiger nationalstaatlicher Macht und Interessenpolitik zur Mehrung eigener Vorteile in Frage stelle (vgl. Messner/ Nuscheler 1996a: S. 21).

In der Absicht, die Governance-Konzeption der CGG zu präzisieren, entwerfen Messner und Nuscheler eine „Global Governance-Architektur”, die aus sechs Ebenen besteht (Messner/ Nuscheler 1997a: S. 345ff.):

1. Nationalstaaten
2. Internationalen Regimen
3. Regionalen Integrationsprojekten
4. UN-Organisationen
5. Zivilgesellschaften
6. Lokaler Politik

Der Nationalstaat bleibt in dieser die polity-Dimension von Global Governance abbildenden Architektur „die entscheidende Instanz, die Gemeinwohlinteressen wahrzunehmen” hat (vgl. Messner/ Nuscheler 1997a: S. 339). Der Nationalstaat muss „aus aufgeklärtem Eigeninteresse nach einem Ordnungsmodell suchen, das ihm Handlungskompetenz zurückzugewinnen verspricht” (Messner/ Nuscheler 1997a: S. 339). In diesem Prozess verändert sich seine Rolle. Der Staat muss traditionelle Aufgaben abgeben, um seine Steuerungsfähigkeit zu stärken. Er wird zum „Interdependenzmanager“, der zwischen sich überlagernden Politikfeldern wie Wirtschaft und Umwelt und gesellschaftlichen Akteuren und Interessen vermittelt (vgl. Messner 1998c: S. 5). Darüber hinaus behält der Staat die Funktion einer übergeordneten Kontrollinstanz, gewährt die Umsetzung international vereinbarter Maßnahmen und leistet zunehmend Koordinationsaufgaben innerhalb des internationalen Systems (Messner/ Nuscheler 1997a: S. 346ff.).

Es wird also die Vision eines Staates entworfen, der in der Lage ist, nach innen destruktive Wirkungen globaler Verhältnisse abzuwehren und nach außen Problemlösungskapazitäten zu entwickeln. Dabei ist es unausweichlich, Handlungskompetenzen an lokale und globale Organisationen sowie auf nichtstaatliche Akteure abzutreten. In dieser Konzeption werden Konturen einer Netzwerkgesellschaft deutlich, in der auch nichtstaatliche Institutionen und Privatunternehmen für die Entwicklung des Gemeinwesens Verantwortung übernehmen müssen (vgl. Messner 1995, 1998a).

In den Ausführungen des INEF zu den internationalen Institutionen und politikspezifische Regimen ist auffällig, dass das bestehende UN-System kritisch analysiert wird (vgl. Messner/ Nuscheler 1997a: S. 351). Das UN-System müsse in seiner Handlungsfähigkeit durch Reformen gestärkt und finanziell gesichert werden. Als besonders bedeutende Bausteine der Global Governance-Architektur werden im INEF-Konzept demgegenüber die internationalen politikspezifische Regime genannt, in denen sich Staaten durch vertragliche Vereinbarungen zur Lösung von Problemen verpflichten (Messner/ Nuscheler 1997a: S. 351).

Die Betonung der transformierten Rolle von Staatlichkeit in einer Global Governance wird indirekt deutlich in der Einschätzung der Zivilgesellschaft. Sie wird bei Messner und Nuscheler (1997a: S. 349ff.) zur „Korrekturinstanz”, die gegenüber „staatlichen Steuerungsansprüchen Kontroll- und Korrektivfunktionen wahrnehmen” soll. Zivilgesellschaftliche Akteure leisten einen „produktiven Beitrag zur politischen Steuerung” und tragen zur Herausbildung einer internationalen Öffentlichkeit bei (Messner/ Nuscheler 1997a: S. 349ff.).

Dabei soll Global Governance auf „fünf tragfähigen Säulen” stehen (vgl. Messner 1998a: S. 329ff.), nämlich:

1. einer Welthandelsordnung, die Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards beinhalten soll,
2. einer internationalen Wettbewerbsordnung, die den Interessen schwacher wie starker Volkswirtschaften Rechnung trägt,
3. einer Weltwährungs- und Finanzordnung, die Wechselkurse stabilisiert, kurzfristige Kapitalspekulationen begrenzt, Bankenaufsicht gewährleistet und für bessere Datentransparenz sorgt,
4. einer Weltsozialordnung, die durch einen internationalen Lastenausgleich die Risiken zu verringern versucht, die aus wachsendem Wohlstandsgefälle und der Marginalisierung ganzer Weltregionen resultieren,
5. einer Weltumweltordnung zur Stärkung der Wirksamkeit globaler Umweltpolitik.

Erklärtes Ziel dieser Ordnungen soll es sein, einen Rahmen zu bilden, damit die Märkte „ihre produktiven Kräfte entfalten [...] können und diese in den Dienst einer sozialen und ökologisch verträglichen Entwicklung” stellen (vgl. Messner 1999: S. 1).

Diese Zielformulierung kann der politisch-strategischen Variante von Global Governance zugerechnet werden, die vor allem die Transformation von staatlicher Politik sowie die Entwicklung sozialdemokratisch orientierter Gegenkonzepte zum Neoliberalismus zum Ziel hat.

3.1.5 Das Konzept der Gruppe von Lissabon

Die Gruppe von Lissabon wurde von Riccardo Petrella von der Universität von Leuwen (Belgien) koordiniert. Ihre Veröffentlichung über die „Grenzen des Wettbewerbs”, die 1997 erschienen, ist eine kollektive Arbeit einer Gruppe von Politikern und Wissenschaftlern Westeuropas, Japans und Nordamerikas. In dieser Veröffentlichung wird der Begriff Global Governance nicht verwendet. Dennoch wird ein Konzept entwickelt, das als eine Fortsetzung der Global Governance-Debatte gesehen werden kann.

Ähnlich wie zuvor schon das INEF unternimmt auch die Gruppe von Lissabon eine Eingrenzung der Länder, die Formen von Global Governance initiieren könnten. Als Global Governance-fähige Staaten werden Nord-Amerika, Japan und die Länder der Europäischen Union verstanden, die unter dem Begriff Triade zusammengefasst werden. Diese Triade soll sich nach dem Konzept der Gruppe von Lissabon in einer „pax triadica“ verbünden, die durch die sieben führenden Wirtschaftsnationen (G7) reguliert werden soll.

Daraus erklärt sich auch die Beschränkung der Mitglieder der Gruppe von Lissabon auf Personen aus Westeuropa, Japan und Nordamerika, da die Gruppe „auf die Verantwortlichkeit und die Fähigkeit der mächtigsten und einflussreichsten Länder der Welt für die Lösung gegenwärtiger und zukünftiger globaler Probleme hinweisen” will (Gruppe von Lissabon 1997: S. 27). Als problematisch wird im Konzept die tiefe Kluft zwischen wirtschaftlicher Globalisierung und der abnehmenden Fähigkeit von Nationalstaaten, Probleme zu bewältigen, herausgestellt. Ein Ausweg wird in neuen kooperativen Formen der Politik gesehen:

„[Die Veröffentlichung] Grenzen des Wettbewerbs schlägt als Antwort auf gegenwärtige und zukünftige Probleme ein System kooperativer globaler Steuerung vor. Nur durch eine Verknüpfung der vielen sozioökonomischen Netzwerke auf verschiedenen Ebenen und ihre Ausrichtung auf gemeinsame Ziele kann man realistischerweise hoffen, dass soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Effizienz, ökologische Nachhaltigkeit und politische Demokratie erreichbar sind und dass die Gefahr einer (ökonomischen, religiösen, politischen oder ethnischen) globalen Implosion vermieden wird” (Gruppe von Lissabon 1997: S. 23).

Die internationale Kooperation, die anstelle der aggressiven Wettbewerbsideologie treten soll, wird somit zu einer Überlebensfrage der Menschheit erklärt. Der Marktmechanismus sei zwar

unverzichtbar, aber im globalen Raum entfesselt (vgl. auch Bryan/ Farrell 1997), das heißt ohne einschränkende Normen zur Selbstregulierung entfaltet er eine zerstörerische Potenz. Um den Wettbewerb wieder menschlicher zu gestalten, soll ein „globaler Vertrag” geschlossen werden, der nach der Auffassung der Gruppe vier Abkommen umfassen sollte (vgl. Gruppe von Lissabon 1997: S. 169ff, Nuscheler 2000b: S. 486):

1. einen Grundbedürfnisvertrag, der die Grundversorgung aller Menschen mit Nahrung, Wasser, Wohnung zum Gegenstand hat,
2. einen Kulturvertrag, der Toleranz und Dialog zwischen Kulturen und Religionen regeln soll,
3. einen Demokratievertrag, der die Elemente einer globalen Steuerung enthält, und
4. einen Erdvertrag, in dem die Prinzipien ökologisch nachhaltigen Umgangs mit der Natur festgehalten sind.

Ein globaler Vertrag soll ein Werkzeug „einer effektiven globalen Steuerung” sein (Gruppe von Lissabon 1997: S. 175). Die Gruppe spricht von der „Errichtung einer Weltordnung jenseits des Nationalstaates und des nationalen Kapitalismus” (Gruppe von Lissabon 1997: S. 175). Die nationalstaatlichen Regierungen handeln nur unter dem Druck von drei Gruppen von Akteuren, die die „gesellschaftlichen Motoren” für die Unterzeichnung der vier vorgeschlagenen Verträge seien:

1. der globalen Zivilgesellschaft (einschließlich der Gewerkschaften),
2. der aufgeklärten Eliten aus Industrie, Wissenschaft, Regierungen, Medien, Stiftungen und schließlich
3. der Städte bzw. der gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen, die sich mit Stadtplanung und – entwicklung befassen (vgl. Gruppe von Lissabon 1997: S. 190).

Um eine Demokratisierung des internationalen Systems zu fördern, sollen sich die NGOs der Wahrung der Menschenrechte, dem Schutz der Minderheiten, der Überwachung von Wahlen, der wirtschaftlichen Beratung und dem Austausch von interessierten Akademikern und Intellektuellen widmen (vgl. Gruppe von Lissabon 1997: S. 165).

Die Konzeption der globalen Steuerung, wie sie die Gruppe von Lissabon erstellt hat, kann einer emphatischen Variante von Global Governance zugeordnet werden. Ähnlich wie bei der Commission on Global Governance werden vor allem appellative Formulierungen verwendet, die die Notwendigkeit von Dialog und Toleranz, von kooperativen Verhandlungsstrategien und gemeinsamen Werten der Weltgesellschaft betonen. Konkrete Umsetzungsmechanismen und – institutionen der globalen Steuerung werden hingegen noch weniger benannt, als dies im Konzept der CGG geschieht.

3.1.6 Kategorisierung der Global Governance-Konzepte

Die vorgestellten Varianten des Global Governance-Konzeptes werden in der Literatur in drei Kategorien zusammengefasst (vgl. Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock/ Wahl 2000: S. 21-22, Mürle 1998: S.6):

Die empirisch-analytische Verwendung des Terminus Global Governance wie bei James Rosenau (Jahr: S. 28-30) ist vor allem daran orientiert, ein begriffliches Instrumentarium zu bilden, das der Realitätsbeschreibung für die Politikformen jenseits des Nationalstaates besser gerecht wird als bisherige Ansätze (vgl. Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock/ Wahl 2000: S. 28-30). Dazu zählt vor allem die Analyse der internationalen Beziehungen zwischen den nationalstaatlichen Akteuren und Regierungen. Vernachlässigt werden dabei andere wichtige Akteure wie z.B. Transnationale Unternehmen (TNCs) und vor allem NGOs. Rosenau ist daran interessiert, mit dem Begriff Governance Konstellationen wissenschaftlich zu beschreiben, in denen ohne Rückgriff auf hierarchische Steuerungsmittel (Government) politische Regulierungen ermöglicht werden (vgl. Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock/ Wahl 2000: S. 30).

Das emphatische Konzept von Global Governance gibt Orientierungshilfen für die politische Gestaltung einer neuen Realität. Der Ansatz der Gruppe von Lissabon gilt als ein solches Konzept (vgl. Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock/ Wahl 2000: S. 38-40), das die führenden Wirtschaftsmächte dazu bewegen möchte, sich der globalen Krise anzunehmen. Akteure der globalen Zivilgesellschaft, aufgeklärte Eliten der Machtzentralen und die Städte sollen Druck auf die Regierungen ausüben, damit weltweit der globale Vertrag geschlossen werden kann. Eine bedeutende Stellung erhalten in diesem Konzept die global agierenden NGOs und ihre transnationalen Netzwerke. Nach Ansicht der Vertreter dieses Konzeptes bilden die transnationalen Netzwerke der NGOs neue globale Demokratieformen und bieten innovative Problemlösungskonzepte. Konkrete Umsetzungsmechanismen werden bei diesem Ansatz allerdings nicht benannt.

Messner und Nuscheler repräsentieren das dritte, nämlich das politisch-strategische Konzept von Global Governance (vgl. Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock/ Wahl 2000: S. 34-38). Diese Version ist handlungs- und problemorientiert und bietet realistische Kriterien für eine politische Regulierung der Globalisierung. Messner und Nuscheler betonen, dass Politik dringend auch auf einer globalen Ebene stattfinden müsse, was eine Global Governance-Architektur mit unterschiedlichen Akteuren erfordere (vgl. Messner/ Nuscheler 1997a: S. 345ff., Brandt/ Brunnengräber/ Schrader/ Stock /Wahl 1999: S. 35). Der Nationalstaat bleibt in dieser Architektur aber die entscheidende Instanz (vgl. Messner 1998b: S. 22). Besonders in den jüngeren Veröffentlichungen ist dabei Messners Ansatz staatszentrierter angelegt als der Ansatz Nuschelers.

Im Folgenden sollen die in den emphatisch und politisch-strategischen Konzepten entworfenen Vorstellungen und Ideen und die Aufgaben und Rollen der Akteuren analysiert und kritisch bewertet werden.

Die Auswahl dieser beiden Konzepte hat zwei Gründe: Zum einen sind diese beiden Konzepte im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs weitaus stärker wahrgenommen worden als das empirisch-analytische Konzept. Zum anderen dienen diese Konzepte ausdrücklich der Beeinflussung und Beratung von Akteuren und Politikern, etwa in den Bereichen internationaler Umweltpolitik, globaler Sozialpolitik, Weltfriedenspolitik oder globaler Steuerung der Weltökonomie. Mit den Konzepten werden nicht nur Leitbilder und Visionen formuliert, sondern zum Teil konkrete Handlungsanweisungen gegeben. Aufgrund der explizit politikberatenden Funktion lohnt eine Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen besonders. Die Konzepte lassen sich jedoch nicht immer eindeutig einer der genannten Kategorien zuordnen. Oft treten Mischformen auf, in denen unterschiedliche Akzentuierungen vorgenommen werden.

3.2 Fazit: Neue Akteure

Die großen Gemeinsamkeiten der oben dargestellten Vorstellungen von Global Governance sind evident. Sie bestehen erstens in einem ähnlichen analytischen Zugang zu den Weltproblemen und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit einer neuen globalen Ordnungspolitik und zweitens in einer verstärkten Akzentuierung neuer Akteure. Darüber hinaus legitimieren die vorgestellten Ansätze Global Governance durch eine Weltethik oder ein globales Ethos /vgl. Nuscheler 2000a: S. 29):

Erstens: Die genannten Global Governance-Konzepte bekräftigen die These, dass durch den Neoliberalismus zu stark auf die Selbstregulierung der Märkte gesetzt worden ist und die notwendige politische Gestaltung des Weltmarktes dabei vernachlässigt wurde (Defizitthese). Als Konsequenz daraus wird die Schlussfolgerung gezogen, dass neue politische Regulationsformen erforderlich seien. Die Konzepttheoretiker von Global Governance sind sich also darüber einig, dass die globale Ordnungspolitik in eine modernisierte, effizientere Politik transformiert werden muss, die den sich globalisierenden Kapitalismus zähmt. Grundsätzlich wird dem kapitalistischen Markt eine positive Rolle zugesprochen, er soll jedoch in regulierende politische und gesellschaftliche Prozesse „eingebettet” werden.

Zweitens: Die neue globale Ordnungs- bzw. Strukturpolitik soll einerseits durch die Reform und Neuschaffung internationaler und globaler Institutionen realisiert werden. Sie soll andererseits aber auch mit der Rückverlagerung von Verantwortlichkeiten und Entscheidungen an den lokalen Ort verknüpft werden. Dies setzt einerseits ein neues Zusammenspiel der bisherigen Akteure der Weltpolitik voraus, andererseits müssen neue Akteure der Zivilgesellschaft gestärkt und unterstützt werden. In den vorgestellten Konzepten der Global Governance bleibt der Nationalstaat der Fixpunkt politischer Regulierung. Indem er aber Kompetenzen und Aufgaben an globale, regionale und lokale sowie zivilgesellschaftliche Akteure abgibt, wird seine Handlungsfähigkeit durch Entlastung einerseits und durch Konzentration auf eingegrenzte Politikfelder andererseits wieder gestärkt. Eine herausragende Rolle in diesen Konzepten spielen die NGOs und ihre transnationalen Netze, denen Potenziale zur Problemerkennung und –lösung zugesprochen werden, die über die Möglichkeiten staatlich verfasster Politik hinausgehen.

3.3 Warum Global Governance?

An dieser Stelle muss geklärt werden, warum eine Ordnung in Form von Global Governance nötig ist: Aufgrund der stetig wachsenden Globalisierung durch die Zunahme supranationalen Handels vor allem der Wirtschaft geraten die Nationalstaaten in eine wechselseitige Abhängigkeit. Auswirkungen solchen Handels und daraus entstehende Probleme betreffen meist mehrere Nationen, ganze Regionen oder sogar die gesamte Welt. Dieses supranationale Agieren führt zu globalen Problemen, wie beispielsweise der Verschmutzung der Atmosphäre durch erhöhte industrielle CO2- Emissionen, die eindeutig grenzüberschreitend alle Nationen betrifft und daher nicht mehr im nationalen Alleingang gelöst werden kann. Zur künftigen Bekämpfung der internationalen Probleme wurde von dem United Nations Environment Programme (UNDP) ein Katalog an international zu schützenden „globalen öffentlichen Gütern“ erstellt (vgl. Enquete Kommission 2002: S. 416, Messner 1998c: S. 7, Messner 2000a: s. 271, Kaul/ Grunberg/ Stern 1999, http://www.undp.org/globalpublicgoods/).

Zu diesen global public goods zählt die UNDP das globale Klima, die biologische Vielfalt, internationalen Frieden und Sicherheit, wirtschaftliche und finanzielle Stabilität, sowie soziale Mindeststandards. Daneben gibt die UNPD eine Reihe von public bads bekannt, die die öffentlichen Güter bedrohen. Diese public bads resultieren überwiegend aus der Ungleichheit der globalen Verhältnisse. Messner (1998c: S. 7, 2000a S. 271) ernennt die global public bads zu „Global commons-Problemen“, das heißt zu Problemen, die die Weltgemeinschaft als Ganzes betreffen.

[...]


[1] Die deutsche Übersetzung der Global Governance mit dem Begriff der „Weltordnungspolitik“ findet auch im angelsächsischen Raum Anwendung, wo der deutsche Begriff mit world regulatory policy übersetzt wird.

[2] (1) UNCED - UN-Conference on Environment and Development, Rio de Janeiro 1992; (2) WCHR – World Conference on Human Rights, Wien 1993; (3) ICPD - International Conference on Population and Development, Kairo 1994; (4) WSSD - World Summit for Social Development, Kopenhagen 1995; (5) WCW - World Conference on Women, Peking 1995; (6) Habitat II - Conference on Human Settlements, Istanbul 1996; (7) WFS - World Food Summit, Rom 1996; (8) UNGASS – UN General Assembly Special Session.

[3] Vorher verwendeten das Governance-Konzept z.B. Ruggie (1975), Cleveland (1988) Myers (1988) oder Sand (1990).

[4] Die deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel „Nachbarn in Einer Welt” und wurde von der Stiftung Entwicklung und Frieden herausgegeben (SEF 1995). Die SEF war 1986 ebenfalls auf Initiative von Willy Brandt gegründet worden.

Excerpt out of 111 pages

Details

Title
Global Player - Akteure der Global Governance
College
University of Bonn  (Philosophische Fakultät Bonn)
Grade
1,7
Author
Year
2003
Pages
111
Catalog Number
V24272
ISBN (eBook)
9783638271851
File size
2261 KB
Language
German
Notes
In den Teildisziplinen in den Bereichen Umwelt- und Sozialpolitik, aber auch in der Wirtschaft bestehen Defizite an globalen Regelungen. Die Politik muss auf globaler Ebene reorganisiert und geordnet werden, aber eine Weltregierung ist weder erwünscht noch realisierbar. In dieses Vakuum stößt die Global Governance Diskussion. Die Vertreter der Global Governance möchten den Regulationsverlust auf nationaler Ebene durch eine globale Ordnung ersetzen.
Keywords
Global, Player, Akteure, Global, Governance
Quote paper
Luca Bonsignore (Author), 2003, Global Player - Akteure der Global Governance, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24272

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Title: Global Player - Akteure der Global Governance



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