Die Krise der Arbeitsgesellschaft


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Arbeitsgesellschaft
2.1. Die Geschichte der Arbeit
2.2. Grundstruktur der Arbeitsgesellschaft

3. Die Krise der Arbeitsgesellschaft
3.1. Massenarbeitslosigkeit und Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
3.2. Folgen
3.3. Ursachen

4. Zukunft der Arbeitsgesellschaft

5. Fazit

Anhang

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Grundstruktur der Arbeitsgesellschaft

Abb.2: Registrierte Arbeitslose und Entwicklung der Sockelarbeitslosigkeit

Abb.3: Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit

Abb.4: Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den abhängig Beschäftigten in der BRD (1960-1990)

Abb.5: Bedürfnispyramide nach Maslow

Abb.6: Erwerbspersonen sowie geschlechtsspezifische Erwerbsquoten

Abb.7: Projektion des Erwerbspersonenpotenzials Gesamtdeutschland(1995-2040)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„In der modernen Gesellschaft sind Selbstvertrauen und sozialer Status untrennbar mit unserer Arbeit und unserem Einkommen verbunden“.

(Robert Solow, zit. n. Uchatius 2003)

Um ein Land wie Deutschland mit einem Wort zu beschreiben, wählen Sozialforscher den Begriff der Arbeitsgesellschaft. Arbeit, genauer gesagt Erwerbsarbeit, dient in der heutigen Gesellschaft als zentrales Identifikationsobjekt, mit dem man sich nach außen hin präsentieren kann und welches nach innen zum Rückgrat der Lebensführung wird. Menschen schreiben ihren Beruf in Todesanzeigen, mitunter auf Grabsteine und fragen einander beim Kennenlernen nach einer kurzen Weile: „Und, was machen Sie beruflich?“ Seit Anfang der 70er Jahre lässt sich jedoch ein tief greifender Umbruch in der Arbeitsgesellschaft beobachten. Fast fünf Millionen Menschen sind als arbeitslos registriert und es hat nicht den Anschein, dass der Strukturwandel nur von kurzer Dauer sein wird bzw. Vollbeschäftigung überhaupt noch erreicht werden kann. Es stellt sich daher die Frage, welche Ursachen und Folgen sich mit diesem Wandel verbinden lassen und ob bzw. wie die Krise der Arbeitsgesellschaft überwunden werden kann. Im Folgenden soll zunächst jedoch die historische Entwicklung und die heutige Struktur der Arbeitsgesellschaft skizziert werden, da sie zum Verständnis des gegenwärtigen Umbruchs wichtige Erkenntnisse liefern.

2. Die Arbeitsgesellschaft

2.1. Die Geschichte der Arbeit

Arbeit kann generell als die Summe aller körperlichen und geistigen Tätig­keiten des Menschen zur Herstellung von knappen, d.h. begehrten Gütern und Dienstleistungen definiert werden. Von Erwerbstätigkeit lässt sich dann sprechen, wenn diese Tätigkeiten gegen ein Entgelt erfolgen. (vgl. Rürup 1994, S. 35) Der gesell­schaftliche Stellenwert von Arbeit unterlag im geschichtlichen Verlauf starken Schwan­kungen. Zum Beispiel war das Verständnis von Arbeit zunächst sehr eingeschränkt, da als Arbeit zunächst die körperliche schwere Arbeit galt. Insbesondere in der Antike umschrieb man mit Arbeit minderwertige Tätigkeiten und wies die zur Versorgung und zur Siche­rung des Lebens notwendigen Aktivitäten Sklaven zu, da sie eines adligen und gebildeten Bürgers nicht würdig waren. Keine Arbeit, sondern als Ausdruck des guten Lebens galt die Beschäftigung mit Reden und Feiern, Sport, Kunst und Wissenschaft, Politik und Kriegsführung. Über viele Jahrhunderte blieb die in der Antike begründete Trennung zwischen „denen, die arbeiten (müssen) und „denen, die nicht arbeiten (müssen)“ der Schlüssel der sozialen Klassenbildung. (vgl. Eickelpasch 1999, S. 144) In der europäischen Stadt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gewann Arbeit dann an Aufwertung und löste sich ein Stück weit aus ihrer früher dominanten Verbindung zu Kampf, Not und Mühsaal. Zum einen war ehrbare Arbeit nun Basis genossenschaftlicher Vergesellschaftung, z.B. in Form von Zünften, und mit Freiheit und Stadtbürgerrecht positiv verknüpft, zum anderen weitete sich der Arbeitsbegriff zunehmend auch auf geistige Anstrengungen aus, z. B. auf Tätigkeiten im Kontor und in der Kanzlei. (vgl. Kocka 2001, S. 8; vgl. Bonß 1999, S. 146) Einen entscheidenden Einfluss übte die christliche Lehre aus, vor allem die sich seit dem 15. Jahrhundert überkonfessionell ausbreitende protestantische Ethik. Nach Calvin war Arbeit der Hauptzweck des Lebens und führte zur Heilsgewissheit. Arbeitsamkeit, Fleiß und geschäftlicher Erfolg waren gottgefällige Tugenden und die unternehmerische Tätigkeit wurde zur Berufsarbeit. „Die Calvinische Prädestinationslehre wurde zu der noch heute wirkmächtigen Motivationsbasis für die Entfaltung des kapitalistischen Geistes, eines Geistes, der einer ‚vita activa’ ganz eindeutig den Vorrang vor einer ‚vita contemplativa’ gibt und die Arbeit als letzte Quelle aller Werte glorifiziert“ (Rürup 1994, S. 37). Bis 1800 hatte sich ein allgemeiner Arbeitsbegriff herauskristallisiert, der die verschiedensten körperlichen und geistigen Tätigkeiten umfasste, soweit sie den Zweck erfüllten, etwas herzustellen, zu leisten oder zu erreichen. Gegenbegriffe hierzu waren z. B. Spiel, Muße oder Nichtstun. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts verengte sich dieser breite Arbeitsbegriff zum Begriff der Erwerbsarbeit, welche sich zur zentralen Säule der Gesellschaft entwickelte. Durch die Aufhebung der feudal-ständischen Ordnung konnte der Kapitalismus zum allgemeinen Prinzip des wirtschaftlichen Lebens avancieren. Bisher eingebundene Arbeitskräfte wurden freigesetzt, traten auf sich rasch ausweitenden Märkten auf und boten sich als Lohnarbeiter an. Arbeit wurde nun allgemein zum Gegenstand marktwirtschaftlicher Tauschvorgänge, wurde messbar und insgesamt zu einem relativ ausdifferenzierten Teilsystem. War die mittelalterliche Gesellschaft noch von einer Einheit von Arbeit und Leben geprägt, fielen nun die Erwerbssphäre und die Sphäre des Hauses und der Familie auseinander, da infolge der Industrialisierung und Verstädterung immer mehr Arbeitsplätze in Manufakturen, Werkstätten, Büros oder Verwaltungen entstanden. Damit wurde die Dichotomisierung zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit - bald: zwischen Arbeit und Freizeit zur weit verbreiteten Erfahrung. Erwerbsarbeit gewann im Zeitalter der Industrialisierung an sozialer, politischer und kultureller Bedeutung. Zum Beispiel zeigte sich ihre vergesellschaftende Kraft in Form von Arbeiterbewegungen oder sie diente als Basis für die Errichtung des Sozialstaates seit den 1880er Jahren. Erwerbsarbeit und soziale Sicherung wurden aufs Engste miteinander verknüpft. „Arbeit bedurfte nun kaum noch der Rechtfertigung durch anderes. Vielmehr wurde sie selbstbegründend und sinnstiftend“ (Kocka 2001, S. 9). Es gibt viele Gründe, warum sich die marktbezogene Erwerbsarbeit durchsetzte. Sie setzte sich durch, weil konkurrierende Organisations- und Sinnbildungsprinzipien, z.B. Religionen, an Kraft verloren und ein zu füllendes Vakuum entstand. Außerdem besaß sie einen überlegenen Allokations- und Distributionsmechanismus. Durch die Arbeit werden Güter produziert, das volkswirtschaftliche Einkommen, die auf dem Markt gegen andere Güter eingetauscht werden können. Darüber hinaus war Erwerbsarbeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit überlegen. Denn arbeitsbedingte Vermögens-, Status- oder Machtunterschiede wurden leichter akzeptiert als solche, die aus Geburt, Eroberung oder Zufall stammten. Außerdem konnte derjenige, der seine eigene Arbeitskraft erfolgreich unter Beweis stellte, von anderen Anerkennung erfahren, welche ihm unfreie, gebundene oder obrigkeitlich geregelte Arbeit ebenso wenig bieten konnte wie unbezahlte Arbeit im Haus oder anderswo. (vgl. Kocka 2001, S. 9 f.) Nach der Skizzierung der historischen Entwicklung der Arbeit und der Etablierung der marktbezogenen Erwerbsarbeit soll nun im Folgenden auf die heutige Grundstruktur der Arbeitsgesellschaft eingegangen werden.

2.2. Grundstruktur der Arbeitsgesellschaft

In der modernen Industriegesellschaft prägt die Arbeitssphäre die übrige Lebenswelt. Dabei lässt sich die Dichotomisierung (s. o.) zwischen Erwerbsarbeit und Eigenarbeit folgendermaßen illustrieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Grundstruktur der Arbeitsgesellschaft (Quelle: Eickelpasch 1999, S. 147)

Im Zentrum der Vergesellschaftung steht die bezahlte und abhängige Tätigkeit, die ein unpersönliches, formales und funktionales Gesicht besitzt. Im Vergleich dazu erscheint die Eigenarbeit als Privatvergnügen, das für den Einzelnen wichtig sein mag, aber nicht seinen sozialen Status nach außen hin determiniert. Erwerbsarbeit und Eigenarbeit stehen in einem abhängigen Verhältnis zueinander. Zum Beispiel bietet der Urlaub Zeit zur Regeneration der Arbeitskräfte, auf der anderen Seite definiert z. B. ein Arbeitszeitplan erst die frei zur Verfügung stehenden Stunden. Gerade in Bezug auf Arbeitslosigkeit wird deutlich, wie sehr abhängige Erwerbsarbeit den Alltag prägt und Eigenarbeit eine komplementäre Funktion zuteil wird. (vgl. Kühnlein / Bohle 2002, S. 102 ff.) Denn in vielen Arbeitslosen ist ein Gefühl von Sinnleere und von Unausgefülltsein vorhanden, obwohl ihnen das zur Verfügung steht, was für viele arbeitende Menschen so kostbar erscheint: freie Zeit. (vgl. Zuleger 1985, S. 49 ff.) Ein weiteres Merkmal der Arbeitsgesellschaft ist die unterstellte Normalbiographie. Sie beruht zum einen auf der Annahme einer zeitlich stabilen und lebenslangen Erwerbsarbeit, die nach der Schule mit einer beruflichen Ausbildung beginnt, an die sich eine oder mehrere Vollerwerbstätigkeiten anschließen, sowie einer immer festeren Verankerung in der Stammbelegschaft und einem stetigen Aufstieg in der Lohnhierarchie. (Vgl. Bonß 1999, S. 149; vgl. Eickelpasch 1999, S. 149) Zwar hat dieses Modell hat nie für alle gegolten (vgl. Kocka 2001, S. 9; vgl. Bonß 1999, S. 150) und dennoch wird dieses Erwerbsbiographie als Ideal dargestellt, z.B. bei der Berechnung der Rentenansprüche. Darüber hinaus impliziert das Normalarbeitsverhältnis eine Art traditionelles Familienmodell, in dem der Mann Vollzeit erwerbstätig ist und die Frau die Familien-Eigenarbeit verrichtet. Denn die Normalarbeitskarriere kann nur dann problemlos durchlaufen werden, wenn sich z.B. außerhalb der Erwerbsarbeit jemand um die Familienarbeit kümmert, also für die Leistungen, die nicht als Arbeit anerkannt werden, aber trotzdem erledigt werden müssen. Spürbar wird dieses Familienmodell auch in tarifvertraglichen, steuerlichen Privilegien oder in sozialversicherungsrechtlichen Strukturen von der Krankenversicherung bis hin zur Altersrente. (vgl. Bonß 1999, S. 151)

Es kann festgestellt werden, dass sich die moderne Arbeitsgesellschaft in den letzten zwei Jahrhunderten durchgesetzt und etabliert hat. Sie hat sich dabei weitgehend von ihren religiösen Wurzeln gelöst: „Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, - wir müssen es sein“ (Weber 1920, S. 203). Heute reduziert sich das Arbeitsverständnis in erster Linie auf die marktbezogene Erwerbsarbeit, welche die strukturbestimmende, gesellschaftsgliedernde Kategorie darstellt, zentrale Voraussetzung sozialer Anerkennung ist und den zeitlichen Rhythmus des Alltags wie auch den Lebenslauf bestimmt. Diese Erkenntnisse sind grundlegend für das Verständnis, wenn nun im Folgenden die Krise der Arbeitsgesellschaft erläutert wird.

3. Die Krise der Arbeitsgesellschaft

3.1. Massenarbeitslosigkeit und Erosion des Normalarbeitsverhältnisses

Die Zahl der Arbeitslosen ist seit Anfang der 70er Jahre von 0,15 Mio. (1970, Westdeutschland) auf 3,85 Mio. (2001, Gesamtdeutschland gestiegen und liegt aktuell bei 4,6 Mio. (Stand Januar 2004). Wie Abb. 2 illustriert, erhöhte sich die Arbeitslosigkeit sprunghaft in Rezessionen, wie 1973, 1980 bis 1982, 1993 und 1996. In den darauf folgenden Aufschwungphasen stagnierte sie auf hohem Niveau und sank nur leicht ab. Damit hat sich die Arbeitslosigkeit über die Konjunktur immer weiter verfestigt, d.h. die Sockelarbeitslosigkeit ist immer weiter gestiegen, und Wachstum und Beschäftigung haben sich voneinander gelöst. (vgl. Hinrichs / Giebel-Felten 2002, S. 5 ff. vgl. Abb. 3 im Anhang).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Registrierte Arbeitslose und Entwicklung der Sockelarbeitslosigkeit (Quelle: Hinrichs / Giebel-Felten 2002, S. 5)

Neben der Anzahl der registrierten Arbeitslosen deutet auch die Zunahme neuer Beschäftigungsformen, z. B. in Form von Teilzeitarbeit (vgl. Abb. 4 im Anhang), Kurzarbeit oder Zeitarbeit auf eine Erosion des Normalarbeitsverhältnisses hin: „Schon in den achtziger Jahren war bei einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren nur noch rund ein Drittel der Erwerbstätigen dauerhaft vollzeitbe­schäftigt. Die überwiegende Mehrheit pendelte demgegenüber zwischen unbefristeter Vollzeitbeschäftigung und anderen Arbeitsformen oder zwischen Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Wiederbeschäftigung“ (Bonß 2001, S. 77). Allerdings lässt sich kaum eine Abwertung des Ideals stabiler Lohnarbeitsverhältnisse konstatieren, „denn das gesellschaftlich akzeptierte Konsumniveau und insbesondere das soziale Sicherungssystem sind nach wie vor in hohem Maße am Modell einer stabilen Vollzeitbeschäftigung orientiert. Eine zureichende Rente beispielsweise ist nur nach 40 Jahren Vollbeschäftigung (…) gegeben. Auch der Unterhalt einer Familie läßt sich mit einem Teilzeitgehalt kaum bewerkstelligen, weshalb die Idee des Normalarbeitsverhältnisses in den Köpfen der Beschäftigten nach wie vor tief verankert ist, und hier insbesondere bei den Männern“ (Ebenda). Es entsteht somit ein Paradoxon: Auf der einen Seite kommt es immer stärker „zu einer Abspaltung eines Vollbeschäftigungs- von einem System der flexiblen, pluralen, individualisierten Unterbeschäftigung“ (Beck 1986, S. 152), auf der anderen Seite ist das Ideal des Normalarbeitsverhältnisses nach wie vor sowohl in den Menschen als auch in den staatlichen Institutionen verankert. Nur über die Normalarbeit ist eine erwerbsarbeitsbezogene Reproduktion und Absicherung der Individuen möglich. (vgl. Bonß 2002, S. 83)

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Krise der Arbeitsgesellschaft
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Soziologie)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V24399
ISBN (eBook)
9783638272858
Dateigröße
869 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krise, Arbeitsgesellschaft
Arbeit zitieren
Simon Pietschmann (Autor:in), 2004, Die Krise der Arbeitsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24399

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