Probleme beim Schreibenlernen bei sehbehinderten Menschen


Dossier / Travail, 2001

17 Pages, Note: Gut


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Schriftspracherwerb im Allgemeinen
2.1. Die Teilbereiche des Spracherwerbs
2.2. Die Situation des Kindes vor dem Schriftspracherwerb
2.3. Methoden des Schriftspracherwerbs (nach BRÜGELMANN)
2.3.1. Die ganzheitliche (analytische) Methode
2.3.2. Die einzelheitliche (synthetische) Methode
2.3.3. Der Spracherfahrungssatz

3. Sehbehinderungen
3.1. Definition der Grade
3.2. Visus und Sehvermögen
3.3. Die häufigsten Sehbehinderungen
3.3.1. Asthenopische Beschwerden
3.3.2. Augenzittern
3.3.3. Blendempfindlichkeit und Lichtscheu
3.3.4. Farbsinnstörung
3.3.5. Gesichtsfeldausfälle
3.3.6. Grauer Star
3.3.7. Gründer Star
3.3.8. Hornhauttrübungen oder –narben
3.3.9. Kurzsichtigkeit
3.3.10. Makulaerkrankungen
3.3.11. Netzhautablösung
3.3.12. Schielen
3.3.13. Sehnerverkrankungen
3.3.14. Weitsichtigkeit

4. Die verschiedenen Probleme für sehbehinderte Menschen

5. Schlussbetrachtung

5. Literatur

6. Anhang
6.1. Seheindrücke aus der Sicht von Menschen mit Sehbehinderungen
6.2. Schriftbildauszüge von zwei sehbehinderten Schülern

1. Einleitung

In dieser Arbeit werde ich versuchen, verschiedene Probleme aufzeigen, die speziell bei Menschen mit einem oder mehreren visuellen Defiziten entstehen, wenn es darum geht das Schreiben zu erlernen. Ausgehen möchte ich dabei von allgemeinen Theorien zum Prozess des Schriftspracherwerbs, da das Schreibenlernen unweigerlich ein Teil des Schriftspracherwerbs ist. Dazu erläutere ich ganz kurz die Bedeutung vom Lesen und Schreiben als Teile des Schriftspracherwerbs und gehe weiter auf die dem Prozess des Schriftspracherwerbs vorgeschaltete kindliche Situation ein. Die Modelle zum Schriftspracherwerbsprozess möchte ich hier nicht weiter erörtern. Aber die Methoden des Schriftspracherwerbs nach HANS BRÜGELMANN sind meiner Meinung nach doch nennenswert, wobei ich hier keine Beurteilung zu den genannten Parten abgeben möchte, da dies das Thema der Arbeit sprengen würde.

Anschließend wäre es etwas zu abrupt, wenn ich gleich auf die Probleme des Schreibenlernens bei sehbehinderten Menschen eingehen würde, weil es für viele Menschen nur schwer verständlich ist, wie sehbehinderte Menschen sehen und was eine Sehbehinderung überhaupt ist. Daher möchte ich zuvor noch in einem weiteren Kapitel relativ kurz die drei klassischen Klassifizierungen von sehbehinderten Menschen, eine Erläuterung zum Begriff des Visus’ und dann eine sehr kurze Beschreibung der häufigsten Sehbehinderungen aufzeigen.

2. Der Schriftspracherwerb im Allgemeinen

Wenn man die heutige Entwicklung beobachtet, so ist es auffällig, dass immer größere Defizite in den einzelnen Bereichen (Schule, Arbeitsplätze, Universitäten) die Lese- und Schreibfähigkeit betreffend beklagt werden.

Das Lesen- und Schreibenkönnen entwickelt sich jedoch nicht von alleine. Es muss vielmehr in einem längeren Prozess unter bestimmten Bedingungen erworben und auch gepflegt werden. Viele Schriftspracherwerbsforscher beschäftigen sich genau mit diesen Bedingungen, unter denen der Erwerb von Lese- und Schreibfähigkeit möglich ist. Dies ist deshalb wichtig, weil diese Fähigkeiten für viele Menschen einen Schlüsselfaktor für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung innerhalb der Gesellschaft darstellen.

2.1. Die Teilbereiche des Spracherwerbs

Zum ersten wird das Lesen als Teil des Schriftspracherwerbs gesehen. Hier unterscheidet man in zwei Dimensionen. Die semantische Dimension: Sie beinhaltet die Erfassung des Sinnes vom Geschriebenen. Und die technische Dimension: Sie meint die Wahrnehmung von optischen Mustern, die gleichzeitig in einen akustischen Zusammenhang gestellt werde.

Zum zweiten wird das Schreiben als Teil des Schriftspracherwerbs gesehen. Während beim Lesen enkodiert (entschlüsselt) wird, wird hier kodiert. Gedanken oder Gehörtes werden hier unter Berücksichtigung bestimmter graphischer Merkmale oder in Bezug auf erlernte Rechtschreibregeln in schriftsprachliche Zeichen verschlüsselt.

2.2. Die Situation des Kindes vor dem Schriftspracherwerb

Nach BETHLEHEM hat die Sprache bei Kindern anfangs Symbolcharakter ersten Grades, denn sie dient dazu, die Wirklichkeit und Gedanken spontan auszudrücken. Erst später bekommt die Sprache für das Kind Symbolcharakter zweiten Grades. Dies geschieht, wenn ein Kind die Bedeutung z.B. von Straßenschildern erfasst und versteht. Es versteht nun also Symbolaussagen, die stellvertretend (in zweiter Ordnung) für die Sprache eingesetzt wurden sind.

Es gibt viele Faktoren, die beim Schriftspracherwerbsprozess entscheidend beeinflussen und über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Beim Schriftspracherwerb ist es nicht nur notwendig, die Schriftbilder wahrzunehmen, sondern sie müssen auch differenziert und gemerkt werden. Ferner spielt die Vorstellungskraft über äußere Erscheinungsformen und die Merkfähigkeit eine wichtige Rolle für die Vorbereitung auf den Prozess des Schriftspracherwerbs. Ebenso ist eine genügende Konzentrationsfähigkeit wie auch ein gewisses Maß an feinmotorischen Fähigkeiten nötig.

2.3. Methoden des Schriftspracherwerbs (nach BRÜGELMANN)

2.3.1. Die ganzheitliche (analytische) Methode

Die Ganzheitsmethode ist im wesentlichen optisch ausgeprägt und hat zwei wesentliche Schwerpunktbereiche. Der eine geht davon aus, dass die Wahrnehmung ganzer Gestalten für den Lesebeginn als grundlegend zu sehen ist. (Man beginnt ganze Wörter und nicht einzelne Buchstaben zu lesen.) Der andere sieht die Sinneserfassung als Schlüssel zum Lesenlernen. (Sie beginnen mit ganzen Sätzen und nutzen Symbole, um den Mangel an Schriftkenntnissen zu überwinden.)

2.3.2. Die einzelheitliche (synthetische) Methode

Einzelheitsmethoden sind im Wesentlichen akustisch ausgerichtet. Zur besseren Einsicht werden sie aber durch optische, sprech- und schreibmotorische Maßnahmen (Gliederungen) unterstützt.

Stufe der Lautgewinnung: Laute werden aus sinnvollen Wörtern herausgefiltert und mit anderen Lautverbindungen dargeboten;

Stufe der Festigung: Vorführung der Verknüpfung von Laut und Buchstaben (-gruppen);

Stufe der Lautverschmelzung: Anleitung, Laute in flüssigen und übergangslosen Form zu erlesen;

Stufe des Wortlesens: Rasche Erfassung von Buchstabengruppen (Wörtern) in Texten.

2.3.3. Der Spracherfahrungssatz

Der Spracherfahrungsansatz ist im Gegensatz zu anderen Methoden nicht lernzielorientiert auf die Lese- und Schreibfähigkeit ausgerichtet. Vielmehr versteht er sich als eine systematische Methode, die sich aus der Beobachtung heraus entwickelt und die es dem Kind erlauben soll, sich auf der Basis seiner eigenen individuellen Voraussetzungen mit der Schriftsprache vertraut zu machen. Gerade im Kontrast zur Einheitsfibel kann man hier die Chance einer Auffächerung, die einen individuellen Zugang zur Schrift ermöglicht, sehen.

Dieser Ansatz von drei als wesentlich herausgestellten Leitideen getragen: „Zum einen soll den Kindern die Bedeutung von Schrift als Träger sozialer Handlungen nahegebracht werden, die es ermöglicht Informationen zu erhalten oder an andere weiterzugeben. Zur Verdeutlichung soll Schrift die Grundlage vieler Aktivitäten innerhalb des Klassenzimmers sein und durch die Vermittlung von Ursache - Wirkungszusammenhängen für die Kinder erfahrbar werden. Ferner sollen Kinder erkennen, dass Schrift und Sprache in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen, was ihnen letztendlich durch die gegenständliche Manipulation von Schriftzeichen bewusst gemacht werden soll.“[1]

3. Sehbehinderungen

3.1. Definition der Grade

Der Begriff Sehbehinderung umfasst ein weites Feld. Um diesen Begriff etwas klassifizieren zu können hat man die Sehbehinderungen in drei verschiedene Grade eingeteilt. In verschiedenen Literaturen findet man hier unterschiedliche Einteilungsgrenzen. Die am weitesten verbreitete Aufgliederung der genaueren pädagogischen Definition ist die folgende Unterteilung in die drei Gruppen:[2]

1. Menschen mit einer Herabsetzung des Sehvermögens (Visus) auf weniger als 1/3 (0,33) bis 1/10 (0,1) der Norm nennt man sehbehindert.
2. Menschen mit einer Herabsetzung des Sehvermögens (Visus) auf weniger als 1/20 (0,5) bis 1/50 (0,2) der Norm nennt man hochgradig sehbehindert.
3. Personen, ,,die kein Sehvermögen haben oder in ihrem Seh­vermögen so stark beeinträchtigt sind, dass sie sich ... in ihren wichtigsten Lebensvollzügen verhalten müssen wie Kinder und Jugendliche ohne Sehvermögen ... das ist in der Regel der Fall, wenn die Sehschärfe 1/5O nicht übersteigt“ nennt man blind.

(vgl. Empfehlungen der KMK 1980)

3.2. Visus und Sehvermögen

Nachdem ich nun die Gliederung aller Sehbehinderten in diese drei Untergruppen erläutert habe muss es trotzdem noch nicht für jedermann verständlich sein, was das jetzt eigentlich bedeutet. Eine weitere Problemfrage zum besseren Verständnis ist nämlich, was der Visus, also das Sehvermögen, meint. Wer sich nicht mit dem Feld der Sehbehinderungen beschäftigt oder durch Zufall etwas davon gehört hat, der weiß nicht, was es bedeutet, wenn ich sage, dass ich zehn Prozent sehe. Der Ottonormalverbraucher wird sich fragen, wovon ich zehn Prozent sehe. Von der Fläche eines Bildes? Von der Schärfe? Von der Entfernung? etc. Doch hier muss auch schon gesagt werden, dass der im Volksmund verwendete Terminus Prozent bei einer Visusangabe nichts oder nicht viel zu suchen hat. Zwar findet man auch Literatur, in denen der Visus mit Hilfe von Prozentangaben erklärt wird, doch wer genauer nachforscht, wird herausfinden, dass das nicht unbedingt zulässig ist. Zur Angabe eines Visus’ verwendet man eigentlich nur einen Bruch – wobei es egal ist, oder zumindest von der Zahl abhängt, ob man einen gemeinen oder einen dezimalen Bruch verwendet. Ich dürfte also nicht sagen, dass ich einen Visus von zehn Prozent habe, sondern, dass ich einen Visus von 0,1 oder 1/10 habe.

Jetzt habe ich die Art der Angabe hoffentlich deutlich genug erklärt. Doch was der Visus von 0,1 oder 1/10 nun bedeutet möchte ich jetzt noch versuchen zu erläutern. Also, man spricht von einem Visus von 0,1, wenn man „nur“ in der Lage ist, auf einen Meter Entfernung das zu sehen, was ein Normalsichtiger – man könnte auch sagen Vollsehender. Es gibt keine einheitliche Bezeichnung dafür - auf zehn Meter Entfernung erkennen kann. Oder wenn man in einem Abstand von zehn Metern sieht, was ein Normalsichtiger bei einer Entfernung von einhundert Metern erkennt. Aus der Visusangabe 0,1 ist dies nicht so deutlich ablesbar. Daher wird häufiger die Bezeichnung 1/10 oder 10/100 verwendet, weil man hier auch durch mathematisches Erweitern und Kürzen des gemeinen Bruches die eben genannte Beschreibung auf jede Entfernung anpassen kann. So kann ich mit einem Visus von 1/10 sagen, dass ich auf zwei Meter sehe, was ein Normalsichtiger auf zwanzig Meter sieht, denn ein Zehntel ist ja das Gleiche wie zwei Zwanzigstel – 1/10 = 2/20.

Jetzt sollte es klar sein, was eine diverse Visusangabe meint. Doch nun kommt noch ein kleiner inhaltlicher Nachschub, der einerseits jedem logisch erscheinen wird, aber andererseits auch etwas verwirrend sein wird. Es ist bekannt, dass es nicht nur eine Form der Sehbehinderung gibt. Es gibt also viele verschiedene Ausprägungen des visuellen Defizits, die alle zu nennen wohl so ziemlich unmöglich ist, zumindest im Rahmen dieser Arbeit. Einige wichtige Arten der Sehschädigung möchte ich im nächsten Teil dieses Kapitels dann aber doch noch nennen und anschaulich erläutern. Doch was ich jetzt nur sagen möchte ist, dass zwei Menschen, die den gleichen Visus haben nicht gleich zwangsläufig das gleiche Sehvermögen haben oder die gleichen Seheindrücke vermittelt bekommen. So kann eine Person, die am Grünen Star (siehe 3.3.8.) erkrankt ist noch einen Visus von mehr als ein Drittel oder sogar mehr als die Hälfte haben und trotzdem als blind bezeichnet werden. In der Definition aus 3.1. steht auch geschrieben, Blindheit „ist in der Regel der Fall, wenn die Sehschärfe 1/5O nicht übersteigt“. Doch im Fall des Grünen Stars können die Gesichtsfeldausfälle so gravierend sein, dass das in der Definition genannte Verhalten bei diesen Personen eben z.T. auch bei einem Visus von mehr als 1/2 bis 1/3 auftritt. Das sollte nur noch einmal deutlich machen, dass der Visus nicht einzig und allein Ausdruck für die gesamte Sehstärke und verantwortlich für die mögliche Eingliederung in eine der genannten drei Gruppen von Sehbehinderten ist.

3.3. Die häufigsten Sehbehinderungen

In diesem Teil des Kapitels möchte ich versuchen einmal die wichtigsten Sehbehinderungen und mögliche Folgen davon aufzuführen, um das Verständnis für die Komplexität dieses Themas zu wecken, zu fundamentieren oder zu erweitern. Wie schon erwähnt, möchte ich versuchen, dies so anschaulich wie möglich zu gestalten. Dazu werde ich bei einigen Sehbehinderungen – man könnte sie auch Augenkrankheiten nennen – Fotos einfügen, die zeigen sollen, wie ein Mensch mit der entsprechenden Sehbehinderung ungefähr sehen könnte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass man mit einer Kamera das Sehen mit beiden Augen nicht nachahmen kann. Außerdem umfasst der Bildausschnitt nur einen kleinen Teil des Gesichtsfeldes. In der nebenstehenden Abbildung ist ein Gesichtsfeld dargestellt, wobei das Rechteck A eben diesen Ausschnitt des Gesichtsfeldes zeigt, den die von uns verwendeten Fotografien einnehmen. Ich gehe dabei von Bild 1 (siehe Anhang) aus, das zeigt, wie ein normalsichtiger Mensch die aufgezeigte bzw. fotografierte Szene sehen würde. Im normalen Fall sagt man, dass weniger als 2% scharf wahrgenommen und zum äußeren Rand des Gesichtsfeldes hin die Seheindrücke unschärfer werden - im äußeren Bereich können nur Bewegungen wahrgenommen werden (oder ruhende Gegenstände durch Bewegen des Kopfes). Den durch ein fotografisches Bild vermittelbaren Eindruck, des umfassen­d scharf gesehenen Bereichs, gewinnt der Mensch, indem er durch Augenbewegungen das Sehfeld abtastet und die scharfen Seheindrücke nacheinander zusammenfügt. Dieses Bild, das allen Veranschaulichungen zugrunde liegen soll, kann also von den menschlichen Augen nur in einem sehr kleinen Ausschnitt scharf wahrgenommen werden. Das Foto ist also ein Bild, das bei normalem Sehvermögen durch Zusammensetzen vieler scharfer Seheindrücke entstehen kann.[3]

[...]


[1] Zitat aus /12./

[2] Aus /20./ (Seite 4)

[3] Aus /2./ (Seite 17 – 34)

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Probleme beim Schreibenlernen bei sehbehinderten Menschen
Université
Martin Luther University  (Rehabilitationspädagogik)
Cours
Sprach-, Sprech-, Stimmstörungen im Überblick
Note
Gut
Auteur
Année
2001
Pages
17
N° de catalogue
V24596
ISBN (ebook)
9783638274357
Taille d'un fichier
1277 KB
Langue
allemand
Annotations
In dieser Arbeit versuche ich ausgehend von den Theorien des Schriftspracherwerbs die Probleme des Schreiben-Lernens bei Sehbehinderten aufzuzeigen und zu erläutern. Eine sehr straff gefasste Arbeit, die eigentlich noch ausbaubedürftig ist. Dichter Text, einzeiliger Zeilenabstand.
Mots clés
Probleme, Schreibenlernen, Menschen, Sprach-, Sprech-, Stimmstörungen
Citation du texte
Thomas Schrowe (Auteur), 2001, Probleme beim Schreibenlernen bei sehbehinderten Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24596

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