In den USA, einem Land, daß sich selbst als sehr religiös betrachtet, spielte die
christliche Religion in der Vorkriegsdebatte über die Sklaverei eine wichtige Rolle, denn sie
wurde sowohl von den Weißen als auch von den Schwarzen zur Rechtfertigung ihrer
Positionen benutzt. Beiden Seiten war es wichtig, ihre christliche Moral zu verteidigen.
Abraham Lincoln formulierte treffend das Problem, mit dem sich die christlichen
Denominationen auseinandersetzen mußten: „Both read the same Bible and pray to the same
God; and each invokes His aid against the other. It may seem strange that any men should
dare to ask a just God’s assistance in wringing their bread from the sweat of other men’s
faces; but let us not judge not that we be not judged.”1 Die afroamerikanischen Christen
mußten sich in besonderem Maße damit auseinandersetzen, daß ihre Peiniger dieselbe Bibel
als Basis für die Sklaverei benutzten, die sie als Hoffnungsträger erkannt haben. Die
Befürworter der Sklaverei fanden sowohl im Neuen als auch im Alten Testament Argumente
für ihre Standpunkte. Im Alten Testament wurden die Passagen zitiert, die von Kains und
Hams Verfluchung sprechen, und im Neuen Testament war die Ermahnung von Paulus an die
Diener, daß sie ihren Herren gehorchen sollen, eine zentrale Belegstelle.2 Außerdem wurde
gezeigt, daß viele fromme biblische Charaktere, wie Abraham, selbst Sklaven besaßen und
daß sich Jesus nicht explizit gegen die Sklaverei ausgesprochen hat, obwohl sie zu seiner Zeit
präsent war.
Die Predigten dienten dazu, die Schwarzen von ihrer Inferiorität zu überzeugen, die
angeblich gottgewollt war. Dieser Ausschnitt zeigt, wie der Katechismus der Sklaven aussah: [...] Man sieht daran, wie die Weißen die Bibel strategisch eingesetzt haben. Sie
vermittelten den Schwarzen nur diejenigen Passagen aus der Bibel, die als Beweis für ihre
Unterdrückung dienen konnten. Sie mußten davon überzeugt werden, daß ihre Hautfarbe
etwas Negatives ist, und daß Gott sie mit der Sklaverei bestraft hat. So wie die Weißen die
Erbsünde von Adam und Eva in sich trugen, trugen die Schwarzen angeblich die zusätzliche
Erbsünde Kains oder Hams. Es mußte ihnen klargemacht werden, daß die Farbe Weiß rein ist,
die Farbe Schwarz hingegen unrein. Die meisten Schwarzen waren Analphabeten, das heißt,
daß sie die Bibel nicht selbstständig lesen konnten. [...]
1 John R. McKivigan and Mitchell Snay, eds., Religion and the Antebellum Debate over Slavery
(Athens: Univ. of Georgia Press, 1998) 1.
2 Eph. 6:5.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Protestautoren Maria Stewart und David Walker
- Maria Stewart
- Lebenslauf Maria W. Stewart
- Restaurierung des Selbstwertgefühls
- Rechtfertigung für die öffentliche Arbeit der Frauen
- Moral heben
- Gott bestraft Sklaverei und Hypokrisie
- Gott verlangt den Einsatz der Christen
- Ziele des Afroamerikanischen Christentums im Werk von Stewart
- Kritik
- David Walker
- Lebenslauf David Walker
- Walkers Verständnis vom Christentum
- Walkers Erklärung und seine Lösung für das Problem der Sklaverei
- Walkers Kritik an die eigene Rasse
- Emazipatorische Schritte
- Kritik am Rekolonialisierungsplan
- Gerechtfertigter Mord an Weiße
- Zusammenhalt der schwarzen Rasse
- Bildung
- Vergleich Walker- Stewart
- Maria Stewart
- Nat Turner: der Racheengel Gottes
- Lebenslauf Nat Turner
- Turners Verständnis vom Christentum
- Unterschied Walker- Turner
- Die Assimilationisten: Jupiter Hammon und Philis Wheatley
- Jupiter Hammon
- Lebenslauf Hammon
- Wie Hammon das Christentum versteht
- Krieg als Strafe Gottes
- Religion und Sklaverei
- Hammons Vorstellung eines moralischen Lebens
- Hammons Einstellung zur Fluch-Argumentation
- Hierarchien im Himmel
- Hammons Beziehung zu Menschen seiner Rasse
- Zusammenhang zwischen Bildung und Religion
- Ansätze von Protest
- Hammons Predigt im Vergleich zu Whitefield
- Schlußbemerkungen
- Phillis Wheatley
- Lebenslauf Phillis Wheatley
- Wie Phillis Wheatley das Christentum sieht
- Phillis Wheatleys Beziehung zu ihrer Hautfarbe
- Protestansätze
- Phillis Wheatleys Verdienst
- Widrigkeiten mit denen Phillis konfrontiert war
- Auswirkungen des neoklassischen Stils
- Jupiter Hammon
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht die Rolle des afroamerikanischen Christentums im Kontext der Sklaverei in den USA vor dem Bürgerkrieg. Sie analysiert, wie verschiedene afroamerikanische Persönlichkeiten das Christentum interpretierten und für ihre jeweiligen Ziele einsetzten, zwischen Protest gegen die Sklaverei und Anpassung an die bestehende Ordnung balancierend.
- Die unterschiedlichen Interpretationen des christlichen Glaubens durch afroamerikanische Protagonisten.
- Die Strategien des Widerstands gegen die Sklaverei im Kontext des religiösen Glaubens.
- Die Rolle der Religion in der Rechtfertigung und Kritik der Sklaverei.
- Der Vergleich zwischen Protest und Assimilation innerhalb der afroamerikanischen christlichen Gemeinden.
- Die Bedeutung von Bildung und Selbstfindung im Kampf gegen Unterdrückung.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt den zentralen Konflikt zwischen der christlichen Religion und der Sklaverei in den USA vor dem Bürgerkrieg. Sowohl weiße als auch schwarze Christen nutzten die Bibel zur Rechtfertigung ihrer Positionen, was zu einer komplexen Auseinandersetzung führte. Die Arbeit untersucht, wie afroamerikanische Christen mit der Verwendung der Bibel durch ihre Peiniger umgingen, die dieselben heiligen Schriften als Grundlage für die Sklaverei interpretierten.
Die Protestautoren Maria Stewart und David Walker: Dieses Kapitel vergleicht die Ansichten und Strategien von Maria Stewart und David Walker, zwei bedeutenden afroamerikanischen Aktivisten. Stewart konzentrierte sich auf die moralische und religiöse Erneuerung der Schwarzen Gemeinschaft, indem sie die Selbstachtung und den Glauben an Gottes Gerechtigkeit förderte. Walker hingegen vertrat eine radikalere Position, die Gewalt als legitimes Mittel zur Befreiung nicht ausschloss und die christliche Hypokrisie der weißen Gesellschaft scharf kritisierte. Beide nutzten jedoch die Bibel, um ihre jeweiligen Argumente zu stützen, wenngleich auf unterschiedliche Weise.
Nat Turner: der Racheengel Gottes: Dieses Kapitel analysiert den Aufstand von Nat Turner unter dem Aspekt seines religiösen Verständnisses. Turners Überzeugung, von Gott auserwählt zu sein, um Rache für die Leiden seines Volkes zu üben, wird detailliert untersucht. Der Kontext seiner Tat wird beleuchtet, inklusive der sozialen und religiösen Bedingungen, die zu seiner radikalen Handlung führten. Seine Interpretation des Christentums wird im Hinblick auf seine Handlungen und deren Folgen analysiert.
Die Assimilationisten: Jupiter Hammon und Phillis Wheatley: Im Gegensatz zu den Protestautoren werden hier die Ansichten von Jupiter Hammon und Phillis Wheatley dargestellt, die einen eher assimilierenden Weg wählten. Sie betonten die Bedeutung von Gehorsam und christlicher Tugend als Mittel zur Erreichung der Erlösung. Die Arbeit beleuchtet jedoch auch subtile Formen des Protestes in ihren Schriften und die Herausforderungen, die sie trotz ihrer Anpassungsstrategie durchmachten.
Schlüsselwörter
Afroamerikanisches Christentum, Sklaverei, Protest, Assimilation, Maria Stewart, David Walker, Nat Turner, Jupiter Hammon, Phillis Wheatley, Bibelinterpretation, Widerstand, Moral, Gerechtigkeit, Gottvertrauen, Bildung.
Häufig gestellte Fragen zu: Afroamerikanisches Christentum und Sklaverei in den USA
Was ist der Gegenstand dieser wissenschaftlichen Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Rolle des afroamerikanischen Christentums im Kontext der Sklaverei in den USA vor dem Bürgerkrieg. Sie analysiert, wie verschiedene afroamerikanische Persönlichkeiten den christlichen Glauben interpretierten und für ihre Ziele einsetzten – zwischen Protest gegen die Sklaverei und Anpassung an die bestehende Ordnung.
Welche afroamerikanischen Persönlichkeiten werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf Maria Stewart, David Walker, Nat Turner, Jupiter Hammon und Phillis Wheatley. Diese Persönlichkeiten repräsentieren unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Sklaverei und dem christlichen Glauben.
Wie werden die unterschiedlichen Strategien der afroamerikanischen Christen dargestellt?
Die Arbeit unterscheidet zwischen Protest und Assimilation. Maria Stewart und David Walker werden als Protestautoren dargestellt, die offen gegen die Sklaverei kämpften, während Jupiter Hammon und Phillis Wheatley eher assimilierend waren und Gehorsam und christliche Tugend betonten. Nat Turner repräsentiert eine radikale Form des Protestes durch Gewalt.
Wie wird die Rolle der Bibelinterpretation dargestellt?
Die Arbeit zeigt, wie sowohl weiße als auch schwarze Christen die Bibel zur Rechtfertigung ihrer Positionen nutzten. Sie analysiert, wie afroamerikanische Christen mit der von ihren Peinigern verwendeten Bibelinterpretation umgingen und wie sie selbst die Bibel für ihre jeweiligen Argumente einsetzten.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt die unterschiedlichen Interpretationen des christlichen Glaubens, Strategien des Widerstands gegen die Sklaverei, die Rolle der Religion in der Rechtfertigung und Kritik der Sklaverei, den Vergleich zwischen Protest und Assimilation, sowie die Bedeutung von Bildung und Selbstfindung im Kampf gegen Unterdrückung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel über Maria Stewart und David Walker, Nat Turner, Jupiter Hammon und Phillis Wheatley sowie eine Zusammenfassung. Jedes Kapitel analysiert die jeweilige Persönlichkeit im Kontext ihres religiösen Verständnisses und ihrer Strategie im Umgang mit der Sklaverei.
Wie werden Maria Stewart und David Walker verglichen?
Stewart fokussierte sich auf moralische und religiöse Erneuerung, während Walker eine radikalere Position vertrat, die Gewalt nicht ausschloss. Beide nutzten jedoch die Bibel zur Stützung ihrer Argumente.
Wie wird Nat Turners Aufstand im Kontext seines religiösen Verständnisses analysiert?
Turners Überzeugung, von Gott auserwählt zu sein, um Rache zu üben, wird detailliert untersucht, zusammen mit den sozialen und religiösen Bedingungen, die zu seinem Handeln führten.
Wie werden Jupiter Hammon und Phillis Wheatley dargestellt?
Im Gegensatz zu den Protestautoren werden Hammon und Wheatley als Assimilationisten dargestellt, die Gehorsam und christliche Tugend betonten. Die Arbeit beleuchtet jedoch auch subtile Formen des Protestes in ihren Schriften.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren diese Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Afroamerikanisches Christentum, Sklaverei, Protest, Assimilation, Maria Stewart, David Walker, Nat Turner, Jupiter Hammon, Phillis Wheatley, Bibelinterpretation, Widerstand, Moral, Gerechtigkeit, Gottvertrauen, Bildung.
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- Claudia Gerhardt (Author), 2003, Afroamerikanisches Christentum zwischen Protest und Assimilation - Studien zu Texten vor dem Bürgerkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24724