Der Tod und die Gesellschaft: Texte in der Hardrock- und Heavy-Metal-Musik


Thesis (M.A.), 1998

110 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die musik- und kulturhistorischen Wurzeln des Heavy Rock
2.1. Von Doris Day zu den Rolling Stones
2.2. Die Radikalisierung: Hardrock und Heavy Metal

3. Vom Setzling zum Baum: die Entwicklung verschiedener Stilrichtungen

4. Heavy Rock in der Kritik
4.1. Elitäre Abgrenzung
4.2. Moralisch und religiös motivierte Kritik

5. Zur Methodik der Textmusik-Analyse
5.1. Musik und Text - organische Verbindung oder Zweckehe?
5.2. Visuelle Zeichen
5.3. Musikalische Zeichen
5.3.1. Die genretypischen Merkmale des Heavy Rock

6. Die thematischen Schwerpunkte des Heavy Rock
6.1. Rebellion
6.2. Frauen und schnelle Autos
6.3. Horror
6.4. Mystizismus
6.5. Suizid
6.6. Krieg
6.7. Manipulation und Fremdbestimmung
6.8. Liebe, Sexualität und Männlichkeit
6.8.1. Der Mann als Opfer
6.8.2. Ängste und Allmachtsphantasien
6.8.3. Androgynie
6.8.4. Romantische Liebe
6.9. Ökologie
6.10. Drogen
6.11. Moral und Religion
6.11.1. Der Glaube als Institution
6.11.2. Schuld und Sühne
6.11.3. Der Tod
6.11.4. Satanismus

7. Abschließende Betrachtung: Heavy Rock - Teufelswerk oder Religion?

8. Anhang I: Texte zur Tonband-Aufnahme

9. Anhang II: Zusätzliche Texte

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sex, Drogen, Gewalt, Teufelsanbetung, Selbstmord - die Liste dessen, was dem Heavy Rock1 seinen heutigen Ruf eingebracht hat, ist lang. Bei den meisten dieser Etiketten handelt es sich um Pauschalurteile, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben und vielmehr Ausdruck des Wunsches sind, diese Musik aus dem Leben junger Menschen zu verbannen. Obwohl das Genre mittlerweile fast dreißig Jahre alt ist, gibt es bis heute keine Musikrichtung, die den Widerspruch von Eltern, Pädagogen, Musikwissenschaft- lern, Rockkritikern und anderen, meist selbsternannten „Experten“, in dieser Weise auf sich vereint - sei es wegen der lauten, aggressiven Musik oder den oft radikalen Aussa- gen der Songtexte, die sich allen gesellschaftlichen Normen entgegenstellen.

Oft werden Heavy Metal und Hardrock als künstlerisch minderwertig, pervertiert und uninspiriert bezeichnet und, im Gegensatz zur oft sakrosankt erscheinenden „klassi- schen“ Musik, einer Untersuchung nicht für wert gehalten. Doch genau dies wirft die Frage auf, warum der Heavy Rock zum vielleicht erfolg- und einflußreichsten Musikstil der letzten Jahrzehnte werden konnte und auf seine Anhänger wie auf seine Kritiker gleichermaßen eine so starke Wirkung ausübt. Um diese Frage zu klären, werde ich in Kapitel zwei die musik- und kulturhistorischen Wurzeln des Heavy Rock sowie die Voraussetzungen für die Entstehung dieses Genres veranschaulichen. Im Mittelpunkt von Kapitel drei steht die Entwicklung des Heavy Rock von seinen Anfängen bis zur Ge- genwart, mit besonderer Berücksichtigung der zahlreichen Stilrichtungen, von denen sich viele im Laufe der Jahre zu Subgenres mit eigenen Szenen, eigener Symbolik und eige- nen Botschaften entwickelt haben.

Es ist überraschend und bezeichnend zugleich, daß bisher nur wenige brauchbare wis- senschaftliche Arbeiten über Texte und Musik des Heavy Rock veröffentlicht wurden. Die wenigen schriftlichen Zeugnisse der Auseinandersetzung mit diesem Genre sind meist von zwei Sachverhalten gekennzeichnet: Entweder werden die Texte sowie die dazugehörige Musik nicht als künstlerischer Ausdruck oder gar als Auseinandersetzung mit sozialen Verhältnissen ernst genommen, oder die entsprechenden Autoren verfolgen mit ihren Veröffentlichungen gesellschaftspolitische Ziele. In beiden Fällen sind, wie ich in Kapitel vier zeigen werde, die entsprechenden Arbeiten für eine aufschlußreiche Be- trachtung des Themas von geringem Wert. Ich werde deshalb meine langjährigen Erfah- rungen als Heavy-Rock-Musiker und Szene-Journalist besonders stark in diese Unter- suchung einfließen lassen.

Von der Literaturwissenschaft wurde nicht nur der Heavy Rock, sondern die gesamte populäre Textmusik bis heute in keiner Weise wahrgenommen, die ihrem sozialen Stel- lenwert gerecht wird, obwohl die entsprechenden Texte zweifelsfrei eine Form von mo- derner Massenlyrik sind und damit in den Forschungsbereich der Literaturwissenschaft fallen. Das bisherige Ausbleiben einer breiten Auseinandersetzung mit populärer Text- musik kann angesichts des Niedergangs der schriftlichen Lyrik nur erstaunen, denn quantitativ besitzt diese nur noch einen marginalen Anteil an den Publikationszahlen heu- tiger Literatur. Scotts Gedichtband The Lady of the Lake wurde 1810, im ersten Jahr des Erscheinens, in 20.300 Exemplaren abgesetzt. Von Byrons The Corsair wurden 1814 bereits am Tag der Veröffentlichung 10.000 Stück verkauft, und Tennysons Ge- dichtband Enoch Arden erschien 1864 in einer Erstauflage von 60.000. Im Vergleich dazu nehmen sich aktuellere Publikationszahlen geradezu winzig aus: 1973 kamen 897 Gedichtbände auf den britischen Markt, 1977 waren es insgesamt noch ganze 764 Bände - in durchschnittlichen Auflagen von 100 bis 200 Stück.2

Bedenkt man vor diesem Hintergrund, daß so mancher Musiker von einem einzigen Al- bum binnen kurzer Zeit Hunderttausende von Exemplaren verkauft, stellt sich die Frage nach dem Aufbau, den Botschaften und der Wirkung moderner Textmusik um so drin- gender. In Kapitel fünf erläutere ich deshalb zunächst die zeichentheoretischen Grundla- gen, die bei der Interpretation der Texte zur Anwendung kommen werden. Ein Grund- satz, der bisher meist mißachtet wurde, wird in dieser Arbeit eine besondere Rolle spie- len: Die Analyse der Texte vor dem Hintergrund ihrer Musik. Liedtexte sind darauf aus- gerichtet, zusammen mit Musik rezipiert zu werden, und zwischen beiden existiert eine enge Wechselwirkung: Texte helfen, die Aussagen der Musik zu lenken und sie zu inter- pretieren, können aber gleichzeitig in ihrer eigenen Bedeutung durch die Einwirkung der Musik verändert werden. Eine aussagekräftige Analyse von Texten ohne die Berück- sichtigung der dazugehörigen Musik ist daher meines Erachtens kaum möglich. Dieses Vorgehen steht allerdings vor dem Problem, daß kein zuverlässiges System für die In- terpretation musikalischer Zeichen existiert, und es wird im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich sein, ein solches zu erschaffen. Dennoch werde ich unter Einbeziehung von musikwissenschaftlichen Erkenntnissen versuchen, die Bedeutung musikalischer Gesten zu erfassen, indem ich sie vor dem Hintergrund des Diskurses, innerhalb dessen sie artikuliert werden, analysiere.

In Kapitel sechs folgt die Darstellung der Ziele und Botschaften des Heavy Rock, ge- gliedert nach ihren thematischen Schwerpunkten und anhand von Interpretationen ent- sprechender Songs.3 Da ich der musikalischen Struktur der Lieder folgen und deshalb Strophen und Refrains nacheinander analysieren werde, führe ich im Anhang noch ein- mal alle Texte in ihrer Gesamtheit auf, damit sie als geschlossene Einheiten betrachtet und parallel zur Musik, die auf einem Tonband beifügt ist, gelesen werden können. Die Nationalitäten der Musiker werden in dieser Untersuchung keine Rolle spielen, da bis auf eine verschwindend kleine Minderheit alle Heavy-Rock-Bands englischsprachige Texte verwenden und diese seit Jahrzehnten in nicht-englischsprachigen Ländern, wie auch in Deutschland, zum Alltag von Jugendlichen gehören und von ihnen als eine natür- liche Form der Dichtung rezipiert werden. Zudem sind die thematischen und ideologi- schen Unterschiede zwischen den Subgenres des Heavy Rock bei weitem größer als die Differenzen, die sich aus der nationalen Herkunft der Musiker ergeben. In meinen Inter- pretationen werde ich zeigen, daß der Heavy Rock vor allem deshalb eine so starke Wirkung auf Kritiker und Fans besitzt, weil er als Reflex auf soziale Verhältnisse tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und als eine Form der fundamentalen Kritik nicht als ein außenstehendes, der Gesellschaft entfremdetes, sondern als ein ihr innewohnendes Phänomen zu behandeln ist. Die zentrale Frage, die das Schlußkapitel beantworten soll, ist dennoch eine andere: Ist der Heavy Rock mehr als in musikalische Unterhaltung ver- packte Gesellschaftskritik, ist er ein Lebensstil oder gar ein religiöses Phänomen?

2. Die musik- und kulturhistorischen Wurzeln des Heavy Rock

2.1. Von Doris Day zu den Rolling Stones

In den 50er Jahren begann sich eine musikalische Jugendkultur zu entwickeln, die sich von der Welt der Erwachsenen, dem ursprünglichen „Mainstream“, abhob und die Vor- läuferin der Jugend-Musikkultur ist, so wie sie heute existiert: Aufgesplittert in zahlreiche Genres, höchst heterogen und komplex in ihren identitätsstiftenden Implikationen. In den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs der 50er Jahre verfügten Jugendliche erstmals wieder über genug Geld, um ihre Freizeit zu gestalten und sich Möglichkeiten zu ver- schaffen, an der wachsenden Medienpräsenz zu partizipieren. Dies bedingte die Suche nach einer eigenen Identität in Abgrenzung von der Welt der Erwachsenen, was wieder- um in die Bildung einer eigenen Subkultur mündete - ein verständliches Streben, denn die musikalischen Darbietungen einer Doris Day boten Jugendlichen kaum mehr die Möglichkeit, sich in ihnen wiederzuerkennen. Je größer jedoch der Anteil der Jugendli- chen am potentiellen Musikpublikum wurde, desto größer wurde auch die Notwendig- keit eines eigenen Bereichs der Darstellung und Identifikation.

Der Rhythm and Blues bot eine Gelegenheit zur provokativen Abgrenzung: Im scharfen Kontrast zur bisherigen Musik propagierte dieser laute Stil Erregung, Hedonismus und Sexualität - wobei besonders letzteres dazu angetan war, konservative Kreise zu scho- ckieren. Folgerichtig boykottierten die Rundfunksender die neue Musik. Erst als der Rhythm and Blues, der seinen Ursprung in der afro-amerikanischen Kultur hatte, mit „weißer“ Country- und Western-Musik vermischt, von weißen Interpreten vorgetragen und mit vergleichsweise harmlosen Texten versehen wurde, gelang ihm der Durchbruch. Die harten Rhythmen wurden indes beibehalten - ein Rezept, mit dem Musiker wie Bill Haley, Chuck Berry und Elvis Presley zu Weltruhm kamen. Besonders Elvis Presley war es, der durch den charakteristischen Gebrauch seiner Stimme und seines Hüft- schwungs sexuell provozierte und damit zum frühen Vorbild für die Live-Performance zahlreicher Heavy-Metal-Musiker wurde.

Der Rock’n’Roll, der aus Country, Rhythm and Blues und Gospel hervorging, zeichnet sich nach Altrogge und Amann vor allem durch vier Charakteristika aus:

- Authentizität: Musik und Texte sind einfach und direkt; sie behandeln Alltägliches und geben sich „bodenständig“.
- Integrität: Musiker und Rezipienten vertreten dieselben sozialen Kontexte, tragen dieselbe Kleidung und sprechen dieselbe Sprache, wobei die Musiker - tatsächlich oder nur scheinbar - die Art und Weise „vorleben“, mit der sozialen Realität fertig zu werden.
- Rebellion: Rockmusik propagiert durchweg eine Ablehnung der Mutterkultur und von dieser mehr oder minder stark differierende Werte.
- Expressivität: Lautstärke, Tempo und die Zurschaustellung von Emotionen durch physische Verausgabung auf der Bühne.

Bei der Entwicklung von Rock’n’Roll zum Heavy Rock änderte sich im Grunde nur die Art der Authentizität: Zwar beschäftigt sich der Heavy Rock nach wie vor intensiv mit alltäglichen Problemen, tut dies allerdings nicht mehr mit einfachen und direkten musikalischen und textlichen Mitteln, sondern meist mit abstrakten, Transzendenz artikulierenden Texten und zunehmend komplizierter, teilweise virtuoser Musik.

Die Rebellion hatte nicht zuletzt eine ökonomische Komponente: Die großen Musikver- lage gaben ihren Widerstand gegen die Rockmusik erst auf, als die Marktanteile der un- abhängigen Verlage rapide anstiegen. Der Einstieg der großen Labels in die Veröffentli- chung von Rock’n’Roll führte allerdings dazu, daß sich die Musik immer stärker an kommerziellen Kriterien orientieren mußte und seitdem unter einem hohen Innovations- druck steht. Dieser Innovationsdruck ist einer der Hauptgründe für die immer schneller voranschreitende Aufsplitterung in Subgenres. Dennoch liegen Altrogge und Amann mit der Behauptung falsch, daß der Innovationsdruck die eigentlichen Funktionen der Rockmusik, die Artikulierung von Rebellion und eines neuen Lebensgefühls sowie die Abgrenzung vom „Mainstream“ der Erwachsenenwelt, ersetze.4 Das Verlangen nach immer Neuem bestimmt von jeher die populäre Musik, hat aber der Artikulation ihrer sozialen Botschaften nie geschadet: Wird eine Band oder ein Subgenre vom kommer- ziellen „Mainstream“ allzu sehr vereinnahmt, was besonders im Heavy Rock immer wieder geschieht, wachsen neue Stilrichtungen nach, welche die Radikalität der alten aufnehmen oder diese sogar noch verstärken. Die Beispiele hierfür sind zahlreich: Bands wie Metallica, Iron Maiden oder die Scorpions, die vor 15 bis 20 Jahren als radikal galten, produzieren heute Hit-Singles. Jüngere Musiker gehen in ihren Aussagen dagegen oft noch weiter, als es die oben erwähnten Bands je taten.

2.2. Die Radikalisierung: Hardrock und Heavy Metal

Am Übergang der 60er zu den 70er Jahren bildete der Heavy Rock die Speerspitze der musikalischen wie textlichen Radikalisierung: Der Schlagzeugtakt ist bis heute gekenn- zeichnet von der Betonung der Hauptzählzeiten, die Gitarren werden mit einem hohen Verzerrungsgrad gespielt, und der Gesang ist sowohl nach „unten“ durch grollende, brüllende Laute als auch nach „oben“ durch Falsettgesang5 in neue Gebiete vorgesto- ßen. In textlicher Hinsicht zeichnete sich der Heavy Metal durch eine Verstärkung der Kritik an sozialen Zuständen aus, die verstärkt wurde durch die Benutzung radikaler E- lemente wie Okkultismus und Satanismus. In dieser Hinsicht prägten besonders Led Zeppelin und Black Sabbath die spätere Entwicklung des Genres: Sie mischten den harten Klängen ihrer Musik Mystizismus bei, indem sie das Übernatürliche, keltische Legenden und fernöstliche Kulturelemente einfließen ließen. Black Sabbath betonte das Okkulte besonders stark und erhielt durch den verzweifelt wimmernden Gesang von Ozzy Osbourne den Anstrich des, wie Walser es treffend formuliert, „gothic horror“.6

Nicht nur in Großbritannien erlebte der Heavy Rock einen Boom, sondern auch in den USA: Allein die Gruppe Kiss veröffentlichte zwischen 1974 und 1984 19 Alben, von denen 17 mit Gold und 13 mit Platin ausgezeichnet wurden - und das praktisch ohne Unterstützung von Radiosendern, die den Heavy Rock weitgehend boykottierten. In den 80er Jahren erreichte der Heavy Rock seine größten Erfolge: Im Windschatten von Black Sabbath und Led Zeppelin traten Bands wie Judas Priest und Iron Maiden die „New Wave of British Heavy Metal“ los: Die Lieder wurden kürzer, die Produktion ausgereifter, die spielerischen Standards stiegen.

Es gibt kaum einen Begriff für ein musikalisches Genre, der dessen Inhalte, seine musi- kalischen und textlichen Botschaften so genau trifft wie „Heavy Metal“. Sowohl in der Szene als auch in einschlägigen Magazinen herrscht weitgehende Einigkeit darüber, wo der Begriff „Heavy Metal“ zum ersten Mal im Zusammenhang mit Musik auftauchte: Die Band Steppenwolf besang in ihrem Hit „Born to be Wild“ (1968) den „heavy metal thunder“ des schnellen Lebens. Der Inhalt des Liedes sowie der aus ihm resultierende Begriff stifteten einen Teil der Programmatik des Heavy Metal: grenzenlose persönliche Freiheit als ein Fluchtweg aus einer Gesellschaft voller Restriktionen. „Heavy Metal“ er- öffnet großen Raum für Interpretationen: Der Begriff bezeichnet hochgiftige Substanzen und impliziert Gewicht und Härte. Die Bands identifizieren sich durch ihre Namen mit Waffen oder Folterinstrumenten (Iron Maiden, Artillery, Whiplash, Battery), dem Weltuntergang (Armageddon, Apocalyptica), Blasphemie (Bad Religion, Black Sab- bath, Judas Priest, Sinner, Deicide, God Dethroned), kriegerischer Massenvernich- tung (Agent Orange, Anthrax, Gamma Ray 7 , Napalm Death, Annihilator), mytholo- gischen Figuren (Morgana Lefay 8, Tiamat 9 ), gefährlichen Tieren (Pantera, Scorpions, Ratt), elektrischer oder mechanischer Kraft (AC/DC, Tesla, Motörhead, Machine Head, Nine Inch Nails, Hammerfall) oder mit unangenehmen Menschen (Mötley Crüe, Twisted Sister, Alice Cooper, Marylin Manson). Darüber hinaus thematisieren zahlreiche Bandnamen den Tod (Cemetery, Christian Death, Crematory, Dark Funeral, Carcass, Dearly Beheaded, Grave Digger, Six Feet Under), beziehen sich auf das Genre selbst (Metallica, Metal Church, Loudness) oder heben sich durch Namen ab, die in krassem Gegensatz zu den Implikationen der bisher aufgeführten Beispiele stehen: Cinderella, Pretty Maids oder Kiss.

Im Unterschied zu den meisten Heavy-Metal-Bands sind Hardrock-Gruppen stark auf melodiöse Klänge bedacht und vermeiden allzu harte Rhythmen und aggressiven Ge- sang. Die Texte sind weniger abstrakt als im Heavy Metal, gehen nur selten über profa- ne Themen hinaus und wollen durch die Thematisierung von Sex- und Drogen- Eskapaden oberflächlich provozieren, ohne die sozialkritische Tiefe des Heavy Metal zu erreichen. Heavy-Metal-Bands legen wie ihre Fans großen Wert darauf, sich von der Hard- und vor allem Glam-Rock-Szene abzugrenzen. Die Anhänger des Heavy Metal, der im Gegensatz zum Hardrock weitgehend im Underground blieb, betrachten sich als die „echten“ Fans und die Anhänger der kommerzielleren Hardrock-Bands als „Poser“, die sich das „harte“ Image des rebellischen, gegen Konventionen verstoßenden Heavy Metal zulegen wollen, sich aber nicht wirklich mit den Botschaften der Musik identifizie- ren. Es gibt keine Band, die sich dieses Themas intensiver angenommen und bezeich- nendere Texte geschrieben hat als Manowar. Die erste und zweite Strophe von „Kings of Metal“ (Kings of Metal, 1988) untermalen mit einem bombastischen Midtempo- Rhythmus folgenden Text:

We don’t attract wimps ‘cause we’re too loud Just true metal people that’s Manowar’s crowd [...] True metal people wanna rock not pose Wearin’ jeans and leather, not cracker jack clothes Im Schatten der „Hauptlager“ Heavy Metal und Hardrock entstand eine Fülle von Sub- genres, die bis heute immer zahlreicher werden. Die Grenzen zwischen ihnen sind selbst für Insider schwer nachzuvollziehen, was auch für Konzertveranstalter gilt, wie das Bei- spiel des „Monsters of Rock“-Festival von 1988 belegt. In der Zeit der größten Popula- rität des Heavy Rock ließen die Veranstalter Van Halen, die Scorpions, Dokken, Kingdom Come und Metallica miteinander auftreten - und sorgten für einen Reinfall. Jede einzelne dieser Bands hätte zu jener Zeit eine große Konzerthalle, wenn nicht gar ein Stadion füllen können. In ihrer Mischung aber konnten sie keine Zuschauermassen anziehen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ein Großteil der Fans einer Thrashmetal- Band, die Metallica 1988 noch war, haben für den eher simplen Hardrock der Scorpi- ons und die mitunter verträumten Klänge von Kingdom Come nichts übrig. Die Identi- täten, die die Fans aus der Musik „ihrer“ Bands beziehen, hätten zwischen Metallica und Kingdom Come unterschiedlicher nicht sein können: Auf der einen Seite die Tee- nager in zerrissenen Jeans, Patronengurten und Nieten-Armbändern, die in „ihrer Mu- sik“ ein Gegenstück zur Welt der Erwachsenen finden und gesellschaftskritische Texte wie „Disposable Heroes“ oder „Ride The Lightning“ Wort für Wort mitsingen; auf der anderen Seite die in der Regel älteren Fans eines musikalisch vergleichsweise zurückhal- tenden Hardrocks mit Texten, die kaum sozialkritisch genannt werden können.

Wird eine Band dem „Underground“ zugerechnet, bedeutet dies, daß sie keiner breite- ren Öffentlichkeit bekannt ist und sich ihr kommerzieller Erfolg, so er denn überhaupt vorhanden ist, in engen Grenzen hält. Dennoch ist der „Underground“ ein positiv besetz- ter Begriff: Die ihm angehörenden Bands gelten in der Radikalität ihrer Aussagen als „unverfälscht“ und können, da sie als unabhängig betrachtet werden, die Wahrheit über den Zustand der Welt äußern, ohne sich dem Druck von Plattenfirmen oder Radiosen- dern beugen zu müssen. Kommerzieller Erfolg wird dagegen von vielen Heavy-Metal- Fans nicht immer gern gesehen. Dies mag kaum verwundern, denn die Musik wurde immer stärker vom Mainstream vereinnahmt: Fernsehsender unterlegen bis heute Trailer für Motorsport- und Kampfsport-Sendungen mit Heavy Metal, so mancher Hollywood- Film besitzt einen regelrechten Heavy-Metal-Soundtrack, und selbst Elektronikkonzerte wie Grundig werben mit Heavy Metal (in diesem Fall mit Musik von Fear Factory) für neue Fernseher. Von den Fans wird dies nicht selten als Korrumpierung des „wahren“ Heavy Rock angesehen, als eine Entfernung von seinem ursprünglichen Hauptziel, die Gesellschaft zu kritisieren, gegen sie zu rebellieren und sie durch die Verwirklichung al- ternativer Ideale zu transzendieren.

3. Vom Setzling zum Baum: die Entwicklung verschiedener Stilrichtungen

Die großen Erfolge des Heavy Rock in den 80er Jahren bedingten ein starkes Anwachsen der Szene, was wiederum deren Aufsplitterung in eine große Zahl von Subgenres nach sich zog. Ein „Stammbaum“ kann die Entwicklung der verschiedenen Subgenres nachzeichnen, wobei aber anzumerken ist, daß es sich hierbei nur um ein grobes Raster der Hauptströmungen handelt. Ein völliges Durchdringen der Stilrichtungen und der dazugehörigen Szenen wäre unmöglich, da niemand mit allen Umfeldern, die zudem einem ständigen Wandel unterworfen sind, zugleich vertraut sein kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusätzlich zu den hier genannten gibt es eine große Anzahl weiterer Subgenres, deren graphische Darstellung aber schon deshalb problematisch wäre, weil ihre Grenzen mit zunehmender Aufsplitterung immer stärker verschwimmen und dann die Zuordnung einer Band zu einem bestimmten Subgenre beliebig werden würde.

Der „Stammbaum“ beschreibt zudem nicht die chronologische Entwicklung des Heavy Rock, sondern orientiert sich an textlichen und musikalischen Merkmalen. Während Glam- und Sleaze-Rock ihre regelüberschreitenden Botschaften oft an oberflächlich provokativen Darstellungen und einem androgynen Erscheinungsbild aufhängen, definie- ren sich Black-, Doom- und Death-Metal-Bands eher über eine, verglichen mit dem ur- sprünglichen Heavy Metal, Radikalisierung textlicher Inhalte unter besonderer Betonung des Okkulten. Speed- und Thrashmetal zeichnen sich dagegen weniger durch spezifi- sche textliche Ideologien als durch die Radikalisierung der Musik, die immer schneller, brachialer und sperriger wurde. Zwar werden auch die Texte im Vergleich zur Urform des Heavy Rock kämpferischer und in ihren Aussagen radikaler, sind aber - im Gegen- satz zum Doom-, Death- und Black Metal - keiner bestimmten Ideologie verpflichtet. Der Unterschied zwischen Speed- und Thrashmetal liegt lediglich darin, daß der Speedmetal meist komplexere Songstrukturen aufweist und im Allgemeinen melodiöser ist. Der Thrashmetal ist dagegen einfacher gehalten, verläßt sich weitgehend auf schnelle Stakkato-Rhythmen, sogenannte „Blastbeats“, und greift weniger oft auf eingängige Melodien zurück.

Auch Progressiv-Rock und Crossover sind eher musikalische als ideologische Kategorien: Der Progressiv-Rock definiert sich vor allem über eine Betonung des musikalischtechnischen Anspruchs: Er verwendet äußerst komplexe Songstrukturen, verzwickte Rhythmen und spektakuläre Instrumentalsoli. Der Crossover versteht sich hingegen als eine experimentelle Spielart, die verschiedene Hardrock- und Heavy-Metal-Stile in sich vereint und sie mit Elementen aus Jazz, Fusion, Funk und Blues mischt.

4. Heavy Rock in der Kritik

4.1. Elitäre Abgrenzung

Heavy Metal Rock: Spielweise der Rockmusik, die musikalisch de facto mit dem Hard Rock identisch ist, sich diesem gegenüber jedoch durch noch größere Lautstärken und einen bru- talen Kult der Männlichkeit auszeichnet. Äußeres Erscheinungsbild mit schwarzer, eisenbe- schlagener Lederbekleidung, die mit Gewaltmetaphern durchsetzte Sprache der Songtexte und der metallische Sound in überdimensionaler Lautheit konstituieren hier eine Ästhetik der Gewalt, die die Rockmusik zu einer monströsen Horrorshow werden läßt oder mit einem makabren Okkultismus durchzieht. Dahinter steht jedoch nicht nur ein auf Krawall und ma- kaber-dramatische Sensation angelegtes Promotionskonzept, sondern nicht minder auch die in Aggressivität umgeschlagene Frustration insbesondere der sozial unterprivilegierten Teils der westeuropäischen und US-amerikanischen Jugend mit einem gefährlichen Hang zum Rechtsradikalismus.10

Diese Definition ist nur ein Beispiel dessen, was in vielen Musik-Lexika über den Heavy Rock zu lesen ist. Dieser Artikel dokumentiert weniger den Ist-Zustand des Genres als vielmehr die Ignoranz des Verfassers, der Heavy Metal und Hardrock musikalisch in einen Topf wirft, ihre Inhalte auf Gewalt, Männlichkeitskult und Okkultismus reduziert und das Genre fälschlicherweise in „sozial unterprivilegierte“ Schichten verlegt, was den unlauteren Versuch darstellt, den Heavy Rock durch Abgrenzung von einer elitären „Hochkultur“ als minderwertig erscheinen zu lassen.

Obendrein sagt der Autor dem Heavy Rock einen Hang zum Rechtsradikalismus nach, den es in diesem Genre nie gegeben hat. In den seltenen Fällen, in denen Rechtsradika- lismus überhaupt eine Rolle spielt, wird er heftig angegriffen: In Songs wie „Nigger“ von Clawfinger (Deaf, Dumb, Blind, 1993), „Heresy“ von Pantera (Cowboys from Hell, 1990), „Keep it in the Family“ von Anthrax (Persistence of Time, 1990) oder „No Friend of Mine“ von Metal Church (Hanging in the Balance, 1993) kommt die schar- fe Ablehnung rassistischen und faschistischen Gedankenguts zum Ausdruck.

Solcherlei Kritik basiert oft auf einem elitären Standpunkt und fußt - wie in obigem Zitat erkennbar - auf der irrigen Annahme, daß sich die Fangemeinde des Heavy Rock größ- tenteils aus „sozial unterprivilegierten Schichten“ rekrutiere. Dieser Fehler unterläuft selbst Forschern, die sich um eine objektive Betrachtung bemühen. So gelingt es Alt- mann und Altrogge durchaus, die Entwicklung des Heavy Rock schlüssig nachzuzeichnen, doch wenn sie sich dem Genre nähern, ersetzen auch sie Wissen durch Klischees, indem sie den Heavy Rock zu einem Phänomen unterer Gesellschaftsschichten machen und ihn, vollkommen falsch, „abseits der Metropolen“ lokalisieren.

Die Trennung zwischen populärer und „ernster“ Musik verläuft entlang willkürlicher Grenzen. Jedes Genre, welches das Etikett „klassisch“ verliehen bekommt, wie zum Beispiel der Jazz, wird ganz oder teilweise seiner historischen Bedeutung beraubt: Seine Urheber und seine Entstehungsgeschichte werden einem Verklärungsprozeß unterwor- fen. Die wertende Unterscheidung zwischen „guter“ und „minderwertiger“ Musik ist, wie Faulstich herausstellt, eher „ein Problem derer, die sich zum (wie auch immer verstande- nen) Höheren, Besseren dazurechnen: sei es, daß sie diese Position erreichen, sei es, daß sie sie halten wollen.“11

Dabei gibt es zwischen dem Heavy Rock und der klassischen Musik bedeutungsvolle Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel die Suche nach Inspiration in irrationalem Denken, Alkohol- und Drogenexzessen, was sowohl Rockmusikern als auch mehreren Kompo- nisten des 19. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.12 So machte Hector Berlioz keinen Hehl aus seiner Opiumsucht und verherrlicht in seiner Symphonie Fantastique aus dem Jahr 1830 Drogen, Gewalt und Satanismus. Auch der Einfluß, den die klassi- sche Musik auf ihre Hörer ausübt, müßte den Kritikern des Heavy Rock bekannt sein: Die Gewalt in Beethovens dritter Symphonie (Es-Dur op. 55, „ Eroica “ , 1804) wirkt ebenso eindrucksvoll wie die Vehemenz von Wagners Werken, die diese mit dem Hea- vy Rock verbindet.

Wie verschwommen die Grenzen zwischen „hoher“ und „populärer“ Kultur sein können, beweist die immer größer werdende Zahl von Heavy-Rock-Bands, die ihre Musik mit klassischen Elementen verbinden. Die Songs der amerikanischen Progressiv-Rock- Formation Dream Theater sind oftmals nach klassischen Vorbildern strukturiert und dementsprechend lang, zum Teil über 20 Minuten, weisen äußerst komplexe Strukturen auf und sind geprägt vom technischen Können der Musiker. Andere Bands - und dies geschieht nicht nur im Bereich der Rock-, sondern immer öfter auch in der Popmusik - tun sich mit Sinfonieorchestern zusammen und kreieren so eine Mischung aus klassischer und populärer Musik. Während sich dies bislang auf Studioaufnahmen beschränkte, brach die deutsche Band Rage erstmalig mit dieser Tradition, indem sie als erste Heavy- Rock-Band live mit einem Orchester zusammen spielte. Eine Sondererscheinung ist die finnische Band Apocalyptica, die sich bereits durch ihren Namen mit Metallica identifi- ziert: Das erste Album der Band, ... Plays Metallica By Four Cellos (1996), ist eine Sammlung von Metallica- Songs, gespielt von vier Cellisten der finnischen Sibelius- Akademie.

Auch zahlreiche Songtexte weisen eine Substanz auf, die nicht zum Proletarierimage passen mag, das dem Heavy Rock immer wieder angedichtet wird. So gibt es mehrere Beispiele für die Adaption literarischer Vorlagen: Iron Maiden veröffentlichte auf dem Album Powerslave einen 13minütigen Song mit dem Titel „The Rime of the Ancient Mariner“, der aus dem gleichnamigen Gedicht von Samuel Taylor Coleridge zitiert und es eindrucksvoll schafft, die Stimmung von bestimmten Passagen des Gedichts zu ver- mitteln. Der Titel des 1991 veröffentlichten Albums Twilight of the Gods von Bathory geht auf ein Nietzsche-Zitat zurück, daß auf der Rückseite der CD abgedruckt ist13, die deutsche Band Frantic zitiert in „A Deathlike Sleep“ (As Dawn Came, 1993) Rainer Maria Rilkes Gedicht „Der Panther“ und untermalt dessen dritte Strophe mit der auf ei- nem Cello eingespielten Melodie aus Bedrich Friedrich Smetanas sinfonischer Dichtung „Die Moldau“. Annihilator greift mit „Ligeia“ Edgar Allan Poes gleichnamige Erzählung auf, während der Titel des Albums (Alice in Hell, 1989) eine Anspielung auf Lewis Ca- rolls „Alice’s Adventures in Wonderland“ ist. Metal Church ließ sich für den Song „Of Unsound Mind“ (Blessing in Disguise, 1989) von Poes „The Tell-Tale Heart“ inspirie- ren, und auch der Name der Band Nevermore geht auf Edgar Allan Poe, diesmal auf das Gedicht „The Raven“, zurück. Für eine Anzahl von Heavy-Rock-Texten sind die Werke von Howard Philipp Lovecraft verantwortlich: Metallica behandelt in dem In- strumentalstück „The Call of Ktulu“ (Ride the Lightning, 1984) und in „The Thing That Should Not Be“ (Master of Puppets, 1985) Lovecrafts Erzählung „The Call of Cthul- hu“, wobei der Text von „The Thing That Should Not Be“ so verklausuliert ist, daß er überhaupt erst dann verständlich wird, wenn der Rezipient um den literarischen Hinter- grund weiß. Die schwedische Band In Flames spielt in „Behind Space“ (Lunar Strain, 1994) mit Zeilen wie „Call me by my astral name“, „Through twisted ruins of uncomple- ted dreams“, „Breeding fear through wordless tongue“ sowie „Confront the faceless wrath“ ebenfalls auf Lovecrafts Figur des Cthulhu an, während die deutsche Progres- sivmetal-Band Payne ’ s Gray Lovecrafts „The dream-quest of unknown Kadath“ gleich ein ganzes Konzeptalbum14 widmet.

Diese Beispiele belegen, daß der Heavy Rock mitnichten die „Musik des Proletariats“ ist, sondern ein breites soziales Spektrum abzudecken versucht: Gemäß dem Grundsatz der Integrität (siehe Seite 8) rekrutieren sich die Musiker traditionell aus den gleichen sozialen Schichten wie ihre Fans, und selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würden sie kaum Texte veröffentlichen, die vom Publikum nicht verstanden und deshalb nicht funk- tionieren würden.

4.2. Moralisch und religiös motivierte Kritik

Ein Großteil der Kritik am Heavy Rock zeichnet sich dadurch aus, daß er von Emotio- nen bestimmt ist und nur selten wissenschaftlichen Wert hat. So hat meines Wissens bis- her kein Autor eine umfassende Abhandlung über Heavy-Rock-Texte verfaßt, die zum besseren Verständnis dieses Themas hilfreich gewesen wäre. Robert Walser stellt eine Ausnahme dar: Er liefert eine genaue und stichhaltige Analyse des Heavy-Metal-Genres, geht aber nur am Rande auf Songtexte ein und wählt statt dessen einen stark musikwissenschaftlichen Ansatz. Daneben gibt es eine Reihe von Schriften, die sich in das Mäntelchen der Wissenschaft hüllen und gegen Rockmusik polemisieren, dabei oft religiös motiviert sind und den Aspekt des Okkulten bei weitem überschätzen.

Ein Beispiel für Kritik dieser Art ist John Rockwells Abhandlung Trommelfeuer 15, die sich in erster Linie durch die Forderung nach Zensur von Songtexten hervortut, ohne je- doch Vorschläge für brauchbare Beurteilungskriterien zu liefern. So bleibt einer der we- nigen haltbaren Gedanken, daß die Erforschung der Wirkung von Rockmusik-Texten ein wissenschaftliches Vakuum ist. Ansonsten ergeht sich Rockwell darin, die westliche Welt und ihre Traditionen in den Rang eines perfekten Zustandes zu heben, der durch die Existenz der Rockmusik gefährdet ist. Er behauptet nicht nur, daß „die Texte der Rockmusik für verschiedene, erdrutschartige Veränderungen und Umschwünge inner- halb unserer westlichen Gesellschaft verantwortlich sind“, sondern versteigt sich zu ab- surden Thesen:

Ohne zu übertreiben können wir feststellen, daß die Texte der Rockmusik, die ih- re Befehle in das Unterbewußtsein der Heranwachsenden hineingeben, schon so ziemlich jede negative Entwicklung der vergangenen Jahre mitbestimmt haben.16

Rockwell betrachtet die Rockmusik nicht als ein Resultat gesellschaftlicher Fehlentwick- lungen, sondern als deren Ursache. Die Annahme, Rockmusik allein könnte Jugendliche in den Selbstmord treiben oder zur Prostitution bewegen, ist blanker Zynismus und ver- schleiert die tatsächlichen Gründe für solche Probleme. So stellen auch Altrogge und Amann fest, daß nicht die Medien antisoziales Verhalten verursachen, sondern es allen- falls verstärken, und dies auch nur dann, wenn das individuelle soziale Umfeld einer Per- son die nötigen Voraussetzungen dafür bietet.17 In die gleiche Richtung zielt Ilse Kögler mit der Aussage, daß Musik die Stimmungslage verstärkt, aber nichts erzeugen kann, „wofür der Hörer bzw. die Hörerin nicht disponiert“ ist.18 Die Texte der Rockmusik werden bei Rockwell auf sexuelle Ausbeutung, Okkultismus und Blasphemie reduziert. Er beruft sich auf „Dokumente, Statistiken und fachbezogene Daten“, ohne diese, ge- schweige denn deren Quellen, in seinem Buch zu nennen. Daher verwundert es kaum, wenn Rockwell das Durchschnittsalter der Heavy-Rock-Fans auf sechs Jahre (sic!) beziffert und diese Annahme damit begründet, daß Platten von Kiss und Alice Cooper zusammen mit Spielzeug verkauft werden, anstatt sich zu fragen, wie ernst die „satani- schen“ Botschaften dieser Musiker angesichts solcher Marketingstrategien gemeint sein können. Kögler beweist in ihrer Abhandlung mehr Einsicht in die Materie, indem sie be- tont, daß die meisten Musiker ihre „satanischen“ Aussagen nur als Werbegag verstan- den wissen wollen oder sie jedenfalls nicht wörtlich meinen.19 Daß Heavy-Rock-Fans durchaus in der Lage sind, zwischen werbewirksamen Image-Kampagnen und der Wirklichkeit zu unterscheiden, belegen Leserbriefe in Szene-Zeitschriften. Rock Hard- Leser Markus Metz schreibt folgendes über Manowar, die den Männlichkeitskult mit Geschichten von aufrechten Kriegern und willigen Frauen bis zur Groteske treiben:

Es fragt sich, wie man Manowar ernst nehmen soll. Ich frage mich: Wer WILL Manowar ernst nehmen? Die sind nun mal saukomisch, und das wissen sie selbst auch.20

Eine besondere Gefahr der Musik sieht Rockwell in der Tatsache, daß die meisten Konsumenten nicht in der Lage seien, Musik „richtig“ wahrzunehmen. Er verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des „24-Spur-Sinns“, die Fähigkeit, Musik differen- ziert zu hören und ihre verschiedenen Ebenen zu erkennen. Rockwell liegt richtig mit den Feststellungen, daß es jahrelanger Übung bedarf, diese Fähigkeit zu entwickeln, daß Nichtmusiker oberflächlicher „hören“ als Musiker und musikalische Strukturen seltener durchschauen. Er schreibt der „Manipulation“ in der Rockmusik eine besonders große Gefahr zu, die sich zwangsläufig bis zur „Massengehirnwäsche“ steigere. Die seiner Meinung nach „unkritischen“ Jugendlichen hält Rockwell für besonders gefährdet, ohne zu beachten, da jede Form von Rebellion - und Beispiele für diese nennt Rockwell in großer Zahl - immer auch Kritik an herrschenden Zuständen ist.

Rockwells Fehler liegt darin, nicht zu realisieren, daß die Manipulation des Adressaten ein Kernelement jeder Form von Kommunikation ist und im Alltag als etwas völlig nor- males akzeptiert wird. Bereits Kinder lernen zu lügen, um Spielkameraden und Erwach- sene in ihrem Sinne zu beeinflussen, und auch das „Überzeugen“ oder „Überreden“ des Gesprächspartners basiert auf Manipulation. Noch deutlicher tritt dieser Sachverhalt am Beispiel der politischen Rede hervor: Nur die wenigsten ihrer Zuhörer dürften in der La- ge sein, den gedanklichen Aufbau, die Argumentationsführung und die rhetorischen Fi- guren zu erkennen und kritisch einzuordnen. Das gleiche gilt für geschriebene Texte, die - sei es in einer Boulevardzeitung oder in einem Politmagazin - den Leser lenken und beeinflussen.

Um die These der Manipulation zu untermauern, ist mitunter jedes Mittel recht, wie zum Beispiel die Unterstellung einer unterbewußten Beeinflussung des Hörers mit Hilfe von rückwärts aufgenommenen Texten, dem sogenannten „backward masking“. Bis heute gibt es keinen Beweis, daß jemals eine Rockband absichtlich rückwärts eingespielte Botschaften unter ihre Songs gemischt hat. Das wohl spektakulärste Ereignis in diesem Zusammenhang war der Prozeß gegen die englische Band Judas Priest im Jahr 1990. Fünf Jahre zuvor hatten Ray Belknap (18) und Jay Vance (20) gemeinsam einen Selbstmordversuch mit einer Schrotflinte unternommen. Belknap starb sofort; Vance überlebte und wurde drei Jahre lang chirurgisch behandelt, eher er 1988 an einer Über- dosis Drogen starb. Beide waren Judas-Priest -Fans, und die Anklage behauptete, daß unterschwellige Botschaften auf dem Album Stained Class (1978) der Auslöser für den Selbstmordversuch der Männer gewesen seien. Unter anderem glaubten die Vertreter der Anklage, Botschaften wie „do it“, try suicide“, „suicide is in“ und „sing my evil spirit“ herauszuhören, wenn die Platte rückwärts läuft. Während seiner Verteidigung führte Ju- das Priest -Sänger Rob Halford dem Gericht vor, was er auf dem Stained Class - Album an unterschwelligen Botschaften fand: Als er die Passage „strategic force / they will not“ aus dem Lied „Invader“ rückwärts spielte, war ein undeutliches „It’s so fishy, personally I’ll owe it“ zu hören. Als Halford die Stelle „They won’t take our love away“ aus demselben Lied rückwärts spielte, kam dabei „Hey look, Ma, my chair’s broken“ heraus. Judas Priest wurden auch deshalb von allen Anklagepunkten freigesprochen, weil die persönlichen Vorgeschichten von Vance und Belknap, gekennzeichnet von schweren familiären Problemen, eine Suizidgefahr auch ohne den Einfluß von Musik nahelegten.21

Ein weiteres Beispiel für religiös motivierte Kritik ist Günther Klempnauers Aufsatz „Rockmusiker auf Teufel komm raus“.22 Im Unterschied zu Rockwell gesteht Klemp- nauer zu, daß Musiker, die das Böse und - da sie dem christlich-abendländischen Kul- turkreis angehören - den Teufel thematisieren, diesen nicht notwendigerweise auch gut- heißen oder gar anbeten müssen. Klempnauer differenziert zwischen zwei Motiven der Thematisierung des Bösen: Manche Musiker äus-serten dadurch Sozialkritik, andere legten sich aus „werbepsychologischen Gründen“ ein „satanisches“ Image zu. Dann aber behauptet Rockwell, für viele Heavy-Metal-Bands sei die Rockmusik zum „dämoni- schen Selbstzweck“ geworden, der bis zum „totalen musikalischen Zusammenbruch er- barmungslos vorangetrieben“ werden müsse.23 Was Klempnauer sich darunter vorstellt, läßt er mit einer Bemerkung über die Live-Konzerte von Metallica durchblicken:

Ihre Songs wie „Kill them all“24 (Tötet sie alle) fahren den Fans so in die Knochen, daß einige von ihnen in Schüttellähmung verfallen und minutenlang geistig völlig wegtreten.25

Abgesehen von ihrem für Insider immensen Unterhaltungswert trägt solch grober Unfug lediglich zur Entstehung von Vorurteilen bei. Indem Klempnauer medizinische Katego- rien („Schüttellähmung“, „geistig wegtreten“) benutzt, suggeriert er neben der von ihm propagierten psychologischen Gefahr auch die Möglichkeit gesundheitlicher Negativfol- gen. In einem weiteren Kapitel mahnt er Mitleid mit den „jungen Rebellen“ an und führt ihre „zur Schau gestellte Gefährlichkeit“ auf ein „abgrundtiefes Unwertgefühl“ zurück. Er sieht im Heavy Rock nicht nur eine Rebellion gegen „das bestehende Gesellschaftssys- tem und seine Gesetze“, sondern auch gegen „Kirche und Gott“. Um Letzteres zu be- weisen, zitiert Klempnauer ausgerechnet ein Interview mit AC/DC -Gitarrist Duck Wal- ter, in welchem dieser sich gegen den US-amerikanischen „Televangelismus“ stellt und diesen als „Blasphemie“ bezeichnet. Abgesehen von der Tatsache, daß der Vorwurf der Blasphemie den Glauben an Gott voraussetzt, stellt sich Klempnauer auf die Seite der „Televangelisten“, wenn er Kritik an ihnen als „Rebellion gegen Kirche und Gott“ be- zeichnet.

Weiterhin bemerkt Klempnauer, daß Rockmusik zuweilen „pseudoreligiöse Züge“ an- nehme26, allerdings nur in Verbindung mit Drogen. Dennoch kann man der Rockmusik, insbesondere dem Heavy Metal, durchaus religiöse Attribute zusprechen, auch ohne daß Drogen im Spiel sind, wie ich im Schlußkapitel noch zeigen werde. Natürlich ver- sucht Klempnauer, seine Ausführungen zu legitimieren, indem er sich selbst in den Rang eines „Experten“ hebt: Er gibt vor, Interviews mit Rockstars geführt zu haben, zitiert a- ber ausschließlich aus zweiter Hand, nämlich aus Szene-Zeitschriften. Wie schon Rock- well, wirft sich auch Klempnauer in die Pose des Amateurpsychologen und beschwört den Mythos der unterschwelligen Beeinflussung:

Wenn dann Rockmusiker mit der Gesinnung des „Zauberer Simon“ in selbstsüch- tiger und dämonischer Weise auf ihre Fans „einhämmern“ und sich mit ihnen ge- fühlsmäßig „verschmelzen“, erfolgt eine unheimliche Manipulation bis tief ins Un- terbewußtsein, das ja unser Denken und Handeln weitgehend bestimmt.27

Ebenso greift Klempnauer den im Heavy Rock vorhandenen Hedonismus auf: Er brandmarkt Fellatio als „fehlgeleiteten Sex“ und versteigt sich zu der Aussage, daß „schwarze Messen, in denen der Teufel angebetet wird, fast immer in Sexorgien en- den“28, was wiederum die Frage aufwirft, woher Klempnauer dieses Wissen beziehen mag. Zwar begeht er nicht den Fehler Rockwells, die Rockmusik als Ursache sozialer Fehlentwicklungen zu sehen, doch er beweist, daß er den Heavy Rock nur in seinen ei- genen Kategorien, nämlich denen einer strengen christlichen Moraltheologie, zu betrach- ten in der Lage ist. Anstatt das Studium dieser Musik als einen Weg zu begreifen, etwas über junge Menschen und das, was sie bewegt, zu erfahren, „verteufeln“ religiös moti- vierte Kritiker den Heavy Rock und verhindern damit eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit diesem Phänomen.

5. Zur Methodik der Textmusik-Analyse

5.1. Musik und Text - organische Verbindung oder Zweckehe?

Der gesungene Text ist zentraler Bestandteil eines jeden Liedes im Bereich der populä- ren Textmusik. Nicht umsonst wird der Sänger einer Band auch als „Frontmann“ be- zeichnet - weil er sowohl visuell (auf der Bühne oder in Videoclips) als auch akustisch im Vordergrund steht. Ein Lied aus dem Bereich der Textmusik - und abgesehen von einigen wenigen Instrumentalstücken gehört der Heavy Rock geschlossen zu diesen Be- reich - läßt sich nur als Ganzes verstehen, wenn der Text zusammen mit der Musik rezi- piert wird. Die textlichen Aussagen, die Art ihres Vortrags, die Klangfarbe und der Rhythmus der Musik tragen zur Schaffung eines Diskurses bei, der sich durch eine komplizierte Struktur sowie zahlreiche Schattierungen auszeichnet und alles andere als monolithisch ist. Die Rezeption von Hardrock- und Heavy-Metal-Musik wird damit zu einer sozialen und kulturellen Tätigkeit, der man analytisch nur dann gerecht wird, wenn man die Texte vor ihrem musikalischen Hintergrund betrachtet und sie nicht von diesem isoliert.

Allerdings besitzt auch die gedruckte Version eines Liedtextes einen großen Stellenwert. Ich verwende in dieser Arbeit ausschließlich die Texte, die in den CD-Beiheften zu fin- den sind, und dies nicht obwohl, sondern gerade weil sie nicht immer exakt der gesun- genen Version entsprechen. Hin und wieder kommt es aus musikalischen Gründen vor, daß Worte, die in der gedruckten Version auftauchen, nicht gesungen oder teilweise verschluckt werden. In anderen Fällen werden ganze Strophen und Refrains oder auch nur Teile von Textzeilen mehrmals gesungen, ohne daß dies in der gedruckten Version auftaucht. In solchen Fällen geschieht dies meist, weil der gedruckte Text eine lyrische Einheit darstellt, die in ihrem Stellenwert der gesungenen Version als zumindest gleich- wertig anzusehen ist. Die Tatsache, daß die große Mehrheit von Heavy-Rock-Bands ihre Texte in ihren CD-Beiheften abdruckt, ist ein sicheres Indiz für zweierlei Sachver- halt: Erstens wollen die Musiker damit sicherstellen, daß ihre Textbotschaften die Fans erreichen; zweitens ist es offenbar ihre Intention, daß die Texte auch in einer von der ge- sungenen Version divergierenden Form rezipiert werden, da die Drucktexte fast nie um eine exakte Wiedergabe der gesungenen Worte bemüht sind.

Nach Götz Großklaus29 zerfällt der „Text“ der Botschaft eines Liedes in extraverbale Zeichen (rhythmisch-melodisch, ästhetisch-musikalisch) und verbale Zeichen (syntak- tisch-grammatisch-lexematisch, ästhetisch-literarisch). Wie sehr sich die Aussagen ver- baler und extraverbaler Zeichen decken, hängt nicht unwesentlich von den Fähigkeiten der beteiligten Musiker ab und kann entscheidend zur Wirkung des Liedes und folglich zu dessen kommerziellem Erfolg beitragen. Erst wenn die Stimmungen, die von der Mu- sik transportiert werden, zu den Texten passen, indem sie von diesen kanalisiert, mit tie- ferer Bedeutung gefüllt und dadurch erläutert werden, kann ein Lied zu einer erfolgrei- chen Einheit verschmelzen.

5.2. Visuelle Zeichen

Ein Musikstück erhält seine ganze Bedeutung nicht nur durch Musik und Text, sondern auch durch seine visuelle Darstellung. Videoclips und - ganz besonders im Heavy Rock

- die Bühnenpräsentation spielen wichtige Rollen: Sie können darüber entscheiden, welches Image ein Künstler oder eine Band erhält, was wiederum den Hintergrund der Textrezeption verändern kann. So verdankt der Sänger Alice Cooper einen Großteil seines Erfolgs nicht zuletzt seiner provokativen, vor Theaterblut triefenden HorrorBühnenshow, während seine Musik im Vergleich zu den radikaleren Heavy-Rock- Subgenres in ihrer Aggressivität eher harmlos wirkt.

Ein anderes Beispiel für die enge Korrespondenz zwischen der visueller Erscheinung und Textbotschaften ist die Band Biohazard, die sich in ihren Songs auf die Darstellung der Lebensumstände in den unteren Gesellschaftsschichten konzentrieren. In Interviews ge- ben sich die Musiker betont bodenständig und unterstreichen wiederholt, daß sie ohne ihren Erfolg im Ghetto geblieben und auf die schiefe Bahn geraten wären. Auf der Bühne gibt sich Biohazard ebenso „volksnah“: Im Gegensatz zu den meisten anderen Rock- bands fehlt oft jegliche Absperrung, so daß die Fans auf die Bühne klettern können, dort einige Momente neben den Musikern stehen und manchmal kurze Passagen mitsingen, um dann wieder ins Publikum zurückzuspringen, von dem sie (meistens) aufgefangen werden - ein Sport, der auch „Stagediving“ genannt wird. Nicht selten ist die Bühne am Ende von Biohazard- Konzerten mit Fans überfüllt, die den Musikern die Hände schüt- teln. Im Gegensatz zu Alice Cooper verzichtet Biohazard auf jegliche Effekthascherei: Pyrotechnische Effekte fehlen ebenso wie nietenbeschlagene Lederkleidung oder schril- les Make-up - die Musiker bleiben ihren textlichen Aussagen in ihrem äußeren Erschei- nungsbild (zerrissene Shorts, verschwitzte T-Shirts) ebenso treu wie Alice Cooper, der mit Horror-Bühneneinlagen und bizarren Kostümen seine Textbotschaften unterstützt.

5.3. Musikalische Zeichen

Die Bedeutung der Musik wird bei der Analyse von Songtexten oft unterschätzt und deshalb nur am Rande oder überhaupt nicht untersucht. Zum einen mag dies daran lie- gen, daß bis heute keine Methode zur genauen Bedeutungsbestimmung musikalischer Zeichen existiert - was nicht selten dazu führt, daß der Einfluß der Musik auf ihre Rezi- pienten mystifiziert wird. In anderen Fällen wird die Vernachlässigung der Analyse von musikalischen Details damit begründet, daß die meisten Hörer die Strukturen der Musik nicht bewußt wahrnehmen. Wie falsch dieser Ansatz ist, bringt Robert Walser treffend auf den Punkt:

To argue that critical scrutiny of the details of rock music is inappropriate because people don’t hear that way is like arguing that we can’t analyse the syntax of language because people don’t know that they’re using gerunds and participles.30

[...]


1 Zur Benutzung der Begriffe: Ich werde, wie der Titel meiner Arbeit bereits impliziert, Hardrock und Heavy Metal als zwei eigene Musikstile behandeln. Da jedoch beide Stilarten die gleichen Wurzeln haben und die Grenzen zwischen ihnen stellenweise verschwimmen, werde ich sie zusammenfassend als „Heavy Rock“ bezeichnen.

2 Zahlen nach Faulstich, Werner. Rock - Pop - Beat - Folk: Grundlagen der Textmusik -Analyse. Tübingen: Narr 1978. Faulstich nennt folgende Quellen: Richard D. Altick: The English Common Reader. A Social History of the Mass Reading Public 1800-1900. Chicago, 1957, 1967, S. 386f; The Bookseller v. 29. 12. 1973, S. 2958, und v. 24. und 31. 12. 1977, S. 3261.

3 Bei der Nennung eines Songtitels folgen diesem der Name und das Erscheinungsjahr des Albums, auf dem er veröffentlicht wurde.

4 Altrogge, Michael /Amann, Rolf. Videoclips - die geheimen Verführer der Jugend? : Ein Gu tach- ten zur Struktur, Nutzung und Bewertung von Heavy-Metal-Videoclips. Berlin: Vistas 1991. S.17.

5 „Falsettstimme“ bezeichnet ein Register der männlichen Stimmlage, bei dem die Kopfstimme durch die Resonanz des Brustraumes verstärkt wird, im Umfang zwischen der weiblichen Altimme und dem Sopran. In mittelalterlicher Renaissance- und Barockmusik wird die männliche Falsettstimme auch als Kontratenor bezeichnet.

6 Walser, Robert. Running with the Devil: Power, Gender and Madness in Heavy Metal Music. Hanover: Wesleyan University Press 1993. S. 10.

7 Die radioaktive Strahlung, die nach der Explosion einer Atombombe entsteht, zerfällt in

Alpha-, Beta- und Gammastrahlung. Letzte ist die „härteste“ Strahlung und hat den gleichen Effekt wie Röntgenstrahlen.

8 In der Artussage ist Morgana Lefay die Halbschwester von Artus, die zusammen mit diesem einen Sohn, Mordred, zeugt. Mordred bemächtigt sich während Artus’ Feldzug gegen das Römische Reich Artus’ Frau und seines La ndes.

9 In der babylonischen Religion ist Tiamat die wilde und zerstörerische Gottheit des Chaos. Im Schöpfungsgedicht Enuma Elish wird Tiamat durch den göttlichen König Marduk vernichtet, der daraufhin die Führung über alle Götter und das gesamte Universum erlangt.

10 Ziegenrücker, Wieland / Wicke, Peter. Sachlexikon der Popularmusik. Mainz, München: Schott/Pieper 1989. S. 170f.

11 Faulstich, Werner. Rock - Pop - Beat - Folk: Grundlagen der Textmusik -Analyse. Tübingen: Narr 1978. S. 19.

12 Nach Ostwald, Peter F.: Schumann: The Inner Voices of a Musical Genius. Boston: Northeas tern University Press, S. 191. Zitat bei Walser, S. 140.

13 Siehe Anhang.

14 Ein Konzeptalbum zeichnet sich dadurch aus, daß die Lieder textlich eine Einheit formen und episodenhaft eine Geschichte erzählen. Oft sind die Songs auf Konzeptalben auch musikalisch, etwa durch wiederkehrende Melodien, miteinander verbunden. Daneben gibt es Alben, auf denen nur eine bestimmte Anzahl von Liedern eine Einheit bilden.

15 Rockwell, John. Trommelfeuer. Rocktexte und ihre Wirkungen. Asslar: Gerth 1990.

16 Rockwell, S. 11.

17 Altrogge/Amann, S. 8.

18 Kögler, Ilse. Die Sehnsucht nach mehr: Rockmusik, Jugend und Religion; Informationen und Deutungen. Graz: Styria 1994. S. 244.

19 Kögler, S. 217.

20 Rock Hard Nr. 133, 6/1998, S. 93.

21 Für Näheres zum Judas Priest- Prozeß siehe Walser, S. 145 ff.

22 In: Klempnauer, Günther. Ich will raus. Jugend und Rockmusik der 50er bis 80er Jahre. Wuppertal: Brockhaus 1986. S. 135-167.

23 Klempnauer, S. 139.

24 Der Titel lautet richtig „Kill’em All“.

25 Klempnauer, S. 141.

26 Klempnauer, S. 143.

27 Klempnauer, S. 153.

28 Klempnauer, S. 155.

29 Großklaus, Götz. „Das Lied als Ware. Untersuchungen zur Produktion und Rezeption sogenannter Triviallyrik am Beispiel des Schlagers.“ A. Kaes/B. Zimmermann (Hrsg.). Literatur für Viele. Göttingen 1975, S. 43-58, 46f. Zitat bei Faulstich, S. 61.

30 Walser, S. 30.

Excerpt out of 110 pages

Details

Title
Der Tod und die Gesellschaft: Texte in der Hardrock- und Heavy-Metal-Musik
College
Ruhr-University of Bochum  (Englisches Seminar)
Grade
1,7
Author
Year
1998
Pages
110
Catalog Number
V25061
ISBN (eBook)
9783638277945
ISBN (Book)
9783656563730
File size
698 KB
Language
German
Notes
Aus dem Gutachten: "Aus zwei Gründen war das Thema dieser Arbeit ungewöhnlich - und ungewöhnlich schwierig. Erstens ging es darum, die zugleich einschlägigen und repräsentativen Texte zu finden, was eingehende Kenntnisse über die Hardrock- und Heavy-Metal-Szene erforderte. Zweitens gewinnen diese Lyrics ihre spezifische Bedeutung erst im Zusammenspiel mit der Musik (und häufig auch mit einem ganz bestimmten Respons eines Publikums). Der Vf. hat diese beiden Herausforderungen souverän gemeistert.
Keywords
Gesellschaft, Texte, Hardrock-, Heavy-Metal-Musik
Quote paper
Markus Becker (Author), 1998, Der Tod und die Gesellschaft: Texte in der Hardrock- und Heavy-Metal-Musik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25061

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Title: Der Tod und die Gesellschaft: Texte in der Hardrock- und Heavy-Metal-Musik



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