Internetgestützte Online-Diagnostik stressinduzierender Belastungsfaktoren


Mémoire (de fin d'études), 2004

185 Pages, Note: 1


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1. STRESS - THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND BETRACHTUNGEN
1.1 STRESS - BEGRIFFE UND DEFINITION
1.1.1 Belastung, Beanspruchung und Beanspruchungsfolgen
1.1.2 Definition des Stressbegriffs
1.2 STRESS - THEORETISCHE STRESSKONZEPTE UND - MODELLE
1.2.1 Stress als Reaktion - Das Adaptationssyndrom
1.2.2 Stress als Reiz - Stimulusbezogener bzw. situationsbezogener Ansatz
1.2.3 Stress als Transaktion - Transaktionaler Ansatz
1.3 DIE AKUTE STRESSREAKTION - MERKMALE UND MÖGLICHE MANIFESTATIONEN
1.4 CHRONISCHER STRESS UND PSYCHOSOMATISCHE STÖRUNGEN
1.5 STRESSOREN
1.5.1 Definition
1.5.2 Quellen für Stressoren
1.5.2.1 Life events und Daily hassles
1.5.2.2 Soziale Unterstützung und soziale Netzwerke
1.5.2.3 Arbeitsplatzbezogene Stressoren
1.5.2.4 Stressbegünstigende Persönlichkeitsmerkmale - Die Persönlichkeits-Typen A, B und C
1.6 ERFASSUNGSMETHODEN VON STRESS UND STRESSOREN

2. SELBSTHILFE, DIAGNOSTIK, BERATUNG UND THERAPIE IM INTERNET
2.1 BESONDERHEITEN DER KOMMUNIKATION IM INTERNET
2.2 FORMEN DER HILFE UND SELBSTHILFE IM INTERNET
2.2.1 Informationsportale
2.2.2 Newsgroups und Mailinglisten
2.2.3 Psychologische Tests und Selbstdiagnosen
2.2.4 Besonderheiten der Onlinediagnostik
2.2.5 Psychologische Online-Beratung und -Therapie
2.2.6 Besonderheiten der Online-Beratung und -Therapie
2.3 ZUSAMMENFASSUNG

3. INTERNETGESTÜTZTE DATENERHEBUNG ALS METHODE PSYCHOLOGISCHER FORSCHUNG
3.1 PRÄSENTATION VON UMFRAGEN UND EXPERIMENTEN IM WWW, DATENERHEBUNG UND DATENSICHERUNG
3.2 REAKTIVE UND NICHTREAKTIVE DATENERHEBUNG
3.3 ANFORDERUNGEN AN EINE GUT GESTALTETE WWW-UMFRAGE
3.4 INTERNET UND INTERNETNUTZER - GRUNDGESAMTHEIT, STICHPROBE UND DATENQUALITÄT
3.5 BESONDERHEITEN, VOR- UND NACHTEILE DER INTERNETGESTÜTZTEN DATENERHEBUNG
3.6 TEILNEHMERREKRUTIERUNG
3.7 FAZIT

4. FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN

5. UNTERSUCHUNGSMETHODEN UND UNTERSUCHUNGSABLAUF
5.1 DER STRESS CHECK-UP - EIN INTERNETFRAGEBOGEN ZUR STRESSDIAGNOSTIK
5.2 SKALEN UND ITEMAUSWAHL
5.3 GLIEDERUNG DES STRESS CHECK-UP UND BESCHREIBUNG DER SKALEN
5.3.1 Erfassung demographischer Daten
5.3.2 Diagnostik von Zeichen möglicher Überforderung - Skalen I - IV
5.3.2.1 Skala I - Verhaltensänderung bei Überforderung
5.3.2.2 Skala II - Emotionale Überforderung
5.3.2.3 Skala III - Kognitive Überforderung
5.3.2.4 Skala IV - Psychosomatische Symptome
5.3.3 Diagnostik von möglichen Quellen für Belastung - Skalen V - XIV
5.3.3.1 Skala V - Persönlichkeits-Typ A
5.3.3.2 Skala VI - Burnout als spezielle Überforderung im Beruf
5.3.3.3 Skala VII - Stressbegünstigende Komponenten der Arbeit
5.3.3.4 Skala VIII - Stressbegünstigende Faktoren im familiären Umfeld
5.3.3.5 Skala IX - Soziales Netz/ Soziale Unterstützung
5.3.3.6 Skala X - Daily hassles (Alltags-Widrigkeiten)
5.3.3.7 Skala XI - Nicht-Ereignisse
5.3.3.8 Skala XII - Erholungsunfähigkeit
5.3.3.9 Skala XIII - Selbstwirksamkeit/ Kontrollverlust
5.3.3.10 Skala XIV - Kritische Lebensereignisse (Life events)
5.4 AUFRUF DES STRESS CHECK-UP IM WWW UND MULTIMEDIALER ABLAUF
5.5 ONLINE ERGEBNISRÜCKMELDUNG AN DEN TESTANWENDER
5.5.1 Auswertungsmodi für die Skalen I - IV
5.5.2 Auswertungsmodi für die Skalen V - XIII und XIV
5.6 TECHNISCHE UMSETZUNG DER INTERNETBEFRAGUNG
5.6.1 Wahl des Internetproviders und Domain-Name
5.6.2 Programmierung der Internetseite und des Stress Check-up
5.6.3 Werbung für den Stress Check-up
5.6.4 Datensicherung und Datenaufbereitung
5.7 ONLINEFORSCHUNG UND DATENSICHERHEIT
5.8 EVALUATION DES STRESS CHECK-UP
5.9 GESTALTUNG DER INTERNETSEITE: WWW.STRESS-CHECK-UP.DE

6. ERGEBNISDARSTELLUNG
6.1 GÜTE DER SKALEN
6.1.1 Schwierigkeitsindex
6.1.2 Interne Konsistenz und Trennschärfe
6.2 DEMOGRAPHIE
6.3 HÄUFIGKEITEN VERHALTENSBEZOGENER, EMOTIONALER, KOGNITIVER UND KÖRPERLICHER BEANSPRUCHUNGSFOLGEN
6.4 ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DEMOGRAPHISCHEN CHARAKTERISTIKA UND ZEICHEN MÖGLICHER ÜBERFORDERUNG IN DEN SKALEN I - IV
6.4.1 Geschlecht
6.4.2 Altersgruppe
6.4.3 Familienstand
6.4.4 Anzahl der Kinder
6.4.5 Wohn- und Lebensumfeld
6.4.6 Höchster Bildungsabschluss
6.4.7 Derzeitige Tätigkeit
6.4.8 Herkunftsland
6.5 ZUSAMMENHANG ZWISCHEN DEMOGRAPHISCHEN CHARAKTERISTIKA UND MÖGLICHEN QUELLEN DER BELASTUNG
6.5.1 Geschlecht
6.5.2 Altersgruppe
6.5.3 Familienstand
6.5.4 Anzahl der Kinder
6.5.5 Wohn- und Lebensumfeld
6.5.6 Höchster Bildungsabschluss
6.5.7 Derzeitige Tätigkeit
6.5.8 Herkunftsland
6.6 UNTERSUCHUNG SPEZIFISCHER HYPOTHESENGELEITETER FRAGESTELLUNGEN
6.6.1 Zusammenhang von Belastungen durch Daily hassles und kritische Lebensereignisse mit Psychosomatischen Symptomen
6.6.2 Zusammenhang zwischen Emotionaler Überforderung und Psychosomatischen Symptomen
6.6.3 Zusammenhang von Belastungen durch mangelnde Soziale Unterstützung und Gesamtbelastung
6.7 EVALUATION DES STRESS CHECK-UP
6.7.1 Demographische Daten zur Evaluation
6.7.2 Ergebnisse der Evaluation

7. DISKUSSION
7.1 BEANTWORTUNG DER 1. FRAGESTELLUNG
7.2 BEANTWORTUNG DER 2. FRAGESTELLUNG
7.3 BEANTWORTUNG DER 3. FRAGESTELLUNG
7.4 BEANTWORTUNG DER 4. FRAGESTELLUNG
7.5 BEANTWORTUNG DER 5. FRAGESTELLUNG
7.6 BEANTWORTUNG DER 6. FRAGESTELLUNG

8. FAZIT/ AUSBLICK

9. LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

ANHANG ZUM ERGEBNISBERICHT - TABELLE 9 - SCHWIERIGKEITSINDICES

ANHANG ZUM ERGEBNISBERICHT - TABELLE 10 - TRENNSCHÄRFEN

DAS INFORMATIONSPORTAL WWW.STRESS-CHECK-UP.DE ITEMKATALOG ZUM STRESS CHECK-UP

INSTRUKTIONEN FÜR DEN TESTANWENDER AUF DEN WWW-FRAGEBOGENSEITEN

AUSWERTEVORSCHRIFT FÜR DIE SKALEN

„AUSWERTUNG IHRES STRESS CHECK-UP“

RÜCKMELDETEXTE SKALA

VORUNTERSUCHUNG (INTERVIEW - ONLINE)

VORUNTERSUCHUNG (INTERVIEW - ONLINE) E-MAIL BEISPIEL

VORUNTERSUCHUNG (INTERVIEW - ONLINE) E-MAIL BEISPIEL

WWW-FRAGEBOGEN „KÖRPERLICHE SYMPTOME BEI STRESS UND BELASTUNG“

EVALUATIONS-FRAGEBOGEN ZUM STRESS CHECK-UP

DATENSCHUTZVEREINBARUNG MIT DEN TEILNEHMERN DER INTERNETBEFRAGUNG

ZUSAMMENFASSUNG

Das Internet rückt zunehmend auch in das Blickfeld psychologischer Forschung, Beratung und Intervention. WWW-Befragungen stellen eine brauchbare Alternative zu traditionellen Datenerhebungsmethoden dar und sollen hier zur Anwendung kommen.

Zielstellung dieser vorgelegten Arbeit war es, einen internetgestützten Test zu entwickeln, mit dem sich stressinduzierende Belastungsfaktoren erfassen lassen.

Das Ergebnis war der „Stress Check-up“. Eine Online-Test mit Ergebnisrückmeldung für den Testanwender.

Der als Forschungsversion online gegangene Stress Check-up wurde gleichzeitig zur Datenerhebung verwendet, um zu prüfen, ob sich empirisch schon belegte Aussagen aus dem Bereich der Stressforschung anhand online erhobener Daten replizieren lassen. Drittens wurde zum Stress Check-up eine Evaluation per E-Mail Befragung unter den Testanwendern durchgeführt, welche Antworten auf Fragen zur Methodik der Onlineforschung liefern sollte.

EINLEITUNG

Problemstellung und Anliegen

Die Frage, wie Menschen auf Belastung reagieren sowie die Suche nach Möglichkeiten Stress-Situationen präventiv oder therapeutisch (besser) zu begegnen, hat in der Gesundheitspsychologie an der Universität Leipzig Tradition.

So waren es die Arbeiten von Reschke und Schröder (2000), Schumacher, Reschke und Schröder (2002), Stück (2000) und Scheuch und Schröder (1990) am Leipziger Institut für Angewandte Psychologie, die mich an dieses Thema herangeführt und zu eigenen Überlegungen angeregt haben.

Reschke, Schröder und Stück legten als praktisch verwertbares Ergebnis ihrer theoretischen Arbeit Stressbewältigungs-Programme vor, die sich in den Kanon bereits bewährter Verfahren einreihten und ihn unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und unter Verwendung multimethodaler Ansätze wertvoll ergänzten. So entstand unter Reschke und Schröder (2000) das von der Techniker Krankenkasse in Auftrag gegebene Programm „Optimistisch den Stress meistern“, das sich derzeit parallel zu laufenden Trainerausbildungen und Kursangeboten in Evaluation befindet. Stück publizierte 2000 das von ihm entwickelte Entspannungsverfahren für Kinder und Jugendliche unter Verwendung von Elementen des Yoga, welches eine originelle und wirkungsvolle Verknüpfung traditioneller, dem Yoga entnommener, östlicher Techniken mit modernen Erkenntnissen der Selbstregulation und Stressbewältigung bietet.

Beide Kurse beginnen unter anderem mit einer Einschätzung der Ausgangslage in Bezug auf Stress. Sie soll den Teilnehmern eine Art „Bestandsaufnahme“ und Orientierung über die Belastungssituation mit dem Ziel der Sensibilisierung für die Kursinhalte sein. Vor allem aber soll diese Einschätzung Interesse daran wecken, Veränderungen in Gang zu setzen. An dieser Art der persönlichen Statuserhebung interessierte mich die Frage, ob es nicht auch außerhalb solcher Kurssituationen Interessenten für diese Art „Check-up“ gäbe und wie diesen ein solches Angebot nahe zu bringen wäre.

Die Idee war, einen Test zu konstruieren, der in vertretbarer Zeitdauer leicht zu verstehen und zu bearbeiten ist. Auf die im Test gegebenen Antworten hin, sollte eine Orientierung über den momentanen Grad der Belastung zurückmeldet und aufgrund einer groben Analyse möglicher stressinduzierender Ursachen Hinweise zu einer besseren Stressbewältigung gegeben werden.

Angeregt durch diese Überlegungen und mein Interesse für die Möglichkeit klinisch- psychologischer Untersuchungen über das Medium Internet, entwickelte ich folgendes Arbeitsziel:

Die Entwicklung eines online anwendbaren Tests, welcher dem Internet-Nutzer unter Auswertung seiner Antworten im Test einen Statusbericht liefert und darüber hinaus eine Empfehlung zur kurz- wie langfristigen Bewältigung der Situation rückmeldet.

Ziel dieser Arbeit

Ziel des „Stress Check-up“ ist es, einem in Bezug auf seinen Belastungs- bzw. Gesundheitszustand interessierten Laien ein Verfahren in die Hand zu geben, welches ihm eine objektive und leicht verstehbare Rückmeldung über „seinen“ aktuellen Stress bzw. Quellen der Verursachung desselben liefert.

Dabei geht es um die Ermittlung des aktuellen Belastungsgrades unter Erfassung stressrelevanter Faktoren einerseits sowie des aktuellen Ausmaßes negativer Belastungsfolgen andererseits. Betrachtet werden sollen dabei Symptome, die, vom Tag der Testung aus betrachtet, innerhalb der letzten vier Wochen auftraten oder/ und chronisch wiederkehren. Zusätzlich zur Rückmeldung des Belastungs-Status sollen allgemeine Empfehlungen zur Stressbewältigung ausgesprochen werden.

Parallel zur Entwicklung und Implementierung des „Stress Check-up“ in ein der Thematik Stress und Stressbewältigung gewidmetes Internet-Informationsangebot, soll begleitende Forschung einerseits weiteren Erkenntnisgewinn über die Zusammenhänge stressbezogener Variablen mit der Lebenssituation liefern. Hierfür werden die mit dem „Stress Check-up“ während einer gefristeten Erhebungszeit im Internet gesammelten Daten unter ausgewählten demographischen und theoriegeleiteten Fragestellungen ausgewertet. Andererseits soll der „Stress Check-up“ selbst teststatistisch auf Skalengüte untersucht und seitens der Testanwender einer Evaluation unterzogen werden, um dessen Weiterentwicklung voranzutreiben.

1. STRESS - THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND BETRACHTUNGEN

1.1 STRESS - BEGRIFFE UND DEFINITION

Stress ist sowohl in der Fach- wie in der Alltagssprache sehr präsent. Ein Phänomen von großer Aktualität, mit dem vielfältige Sichtweisen, Erfahrungen, Empfindungen und Erklärungsmodelle verknüpft werden.

Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist der Stressbegriff als solcher neutral zu betrachten. Ob Stress negativ oder positiv erlebt wird, hängt zum einen davon ab, wie die Person die den Stress auslösenden Momente und die Situation, in der sie eingebettet sind, abschätzt. Zum anderen spielen die für die Bewältigung verfügbaren Möglichkeiten und Ressourcen eine Rolle. Positiver Stress, Eu-Stress, geht mit Gefühlen der Befriedigung einher und ist, bezogen auf die Persönlichkeit, mit stärkenden Wachstums-, Lern- und Erfahrungsprozessen verbunden. Negativ erlebter Stress, Dis-Stress, wird durch belastende Situationen erzeugt, die Personen derartig beanspruchen, dass die Möglichkeiten und Ressourcen zur Bewältigung nicht ausreichen oder nicht vorhanden sind. Dis-Stress ist gekennzeichnet durch, die Person stark belastende, Situationen, gepaart mit nicht ausreichenden oder nicht vorhandenen Ressourcen zur Bewältigung. Daraus resultiert eine Überforderung, welche für die betroffene Person mit verschiedenen negativen Konsequenzen verbunden sein kann.

In diesem Teil der Arbeit soll es um negativ wirkenden Stress im Kontext von Belastung und Beanspruchung gehen. Es sollen Faktoren und Bedingungen, welche Stress auslösen können, beleuchtet werden und ein kurzer Blick auf die Möglichkeiten seiner diagnostischen Erfassung geworfen werden.

1.1.1 Belastung, Beanspruchung und Beanspruchungsfolgen

In der Verwendung der Begriffe im Zusammenhang mit Stress stellen sich mitunter Unklarheiten ein. Belastung, Beanspruchung, Beanspruchungsfolgen tauchen als Begriffe auf und werden entweder zur Beschreibung von Stress herangezogen oder aber auch direkt mit diesem, im Sinne von Stressauslösern, gleichgesetzt. Die Begrifflichkeiten sollen daher an dieser Stelle im Sinne ihrer Verwendung in dieser Arbeit erläutert und zueinander in Bezug gesetzt werden.

In Anlehnung des aus der Arbeitspsychologie stammenden Belastungs-Beanspruchungs- Konzepts von Rohmert & Rutenfranz (1983) soll unter Belastung die Gesamtheit der von außen auf den Menschen psychisch wirkenden Größen und Faktoren verstanden werden.

Wogegen unter Beanspruchungen die Auswirkungen der Belastungen auf den Menschen zu verstehen sind. (In englischensprachiger Literatur werden dafür die Begriffe strain und stress verwendet.)

Spezifiziert nach der Deutschen Industrienorm (DIN 33405, 1987) versteht man unter psychischer Belastung die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch wirken. Nach Scheuch und Schröder (1990, in Richter, 2000) gehen neben den objektiven psychischen Belastungen auch die subjektiv wahrgenommenen bzw. erlebten Leistungsvoraussetzungen und Ressourcen mit in die psychische Beanspruchung ein. Zu diesen zählen u.a. vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten oder soziale und kommunikative Kompetenzen. Gleiche Belastungen, so die Autoren weiter, wie etwa bei objektiv gleicher Aufgabenschwierigkeit, können dabei völlig unterschiedlich erlebt und bewältigt werden.

Psychische Beanspruchung (DIN 33405, 1987) meint die individuellen, zeitlich unmittelbaren und nicht langfristigen Auswirkungen der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand. Solche Beanspruchungen werden in Form von psychophysischen Beanspruchungsreaktionen sichtbar und sind, so Stück (1997), Teil eines komplexen Bewältigungsverhaltens. Bei diesen Bewältigungsversuchen und den mit ihnen verbundenen Beanspruchungsreaktionen kann es zu Beanspruchungsfolgen kommen. Sie können positiv im Sinne des oben genannten Eu- Stress oder negativ als Resultat nicht bzw. unzureichend gelungener Bewältigung sein. Dabei unterscheidet man kurz- und langfristige Folgen negativer Beanspruchung. Eine detaillierte Aufstellung findet sich dazu bei Richter (2000). Die kurzfristigen Folgen negativer Beanspruchung, von denen neben Ermüdung durch Überforderung, Monotonie durch Unterforderung, psychischer Sättigung (entspricht z.B. der Frustration), Stress nur eine ist, sollten hier nur genannt werden.

Die detaillierte Auseinandersetzung mit Stress findet in den folgenden Kapiteln statt.

1.1.2 Definition des Stressbegriffs

Stress als Begriff wurde erstmals von Cannon 1914 (vgl. auch 1929, 1932) in seiner Arbeit zu Reaktionen auf Alarmsituationen und dem „Fight-or-Flight-Verhalten“ in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht. Große Verbreitung fand diese ursprünglich aus dem technisch-physikalischen Bereich stammende Bezeichnung jedoch erst in den 30er- Jahren durch die Arbeiten Hans Selye’s (1976, 1981).

Stand der Dinge ist, dass in Bezug auf Definition und theoretische Konzeptualisierung bis heute noch keine allgemeingültige Aussage getroffen wurde (vgl. Laux, 1983; Schumacher et al., 2002). So gibt es, je nach Zugangsweg und Sichtweise auf die Thematik, heute mehr als 200 verschiedene Definitionen und Erklärungsansätze (Seefeldt, 2002).

Die am häufigsten, neben denen von Selye (1976), Lazarus (1966) oder Lazarus & Launier (1981), in aktuellen Publikationen zitierten Stressdefinitionen finden sich bei Janke (1976), Hacker & Richter (1980), Ulich (1983) und Greif (1991). Allen Definitionen ist im Kern gemein, dass es sich bei Stress um eine notwendige psychologische und physiologische Zusatzleistung des Menschen handelt, mit der er versucht, bedrohliche Problemlagen zu bewältigen (Schröder, 1996).

In dieser Arbeit soll die Stressdefinition von Schröder (1996; sowie in Reschke & Schröder, 2000) Verwendung finden. Sie basiert auf transaktionalen Vorstellungen nach denen Stress nicht nur durch Stressoren oder Situationen bei einer Person ausgelöst werden können, sondern auch darauf, dass sich der Mensch wiederum selbst bewertend und aktiv mit den auf ihn einwirkenden Belastungen auseinandersetzt. Die dabei wirkenden Stressoren werden nach Ulich (1998) als Faktoren definiert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Stress auslösen können. Stress aus transaktionaler Sicht ist demnach eine zweckmäßige Zusatzregulation bzw. Alarmreaktion, die in kritischen Belastungssituationen eintritt, wenn Grundbedürfnisse auf physischer und psychischer Ebene bedroht sind und damit existenzielle Konsequenzen möglich werden. Diese ist verbunden mit dem Gefühl, ...

... bestimmte Situationen nicht unter Kontrolle zu haben (situationsbezogener Kontrollverlust)
... sich selbst nicht unter Kontrolle zu haben (mangelnde Selbstkontrolle)
... sich nicht entwickeln zu können
... auf sich selbst gestellt zu sein und keine Hilfe erwarten zu können (mangelnde soziale Integration, unzureichende soziale Unterstützung, Befürchtung von Isolation)

1.2 STRESS - THEORETISCHE STRESSKONZEPTE UND -MODELLE

1.2.1 Stress als Reaktion - Das Adaptationssyndrom

In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde von Hans Selye (1976, 1981) das von ihm entwickelte biologische Stressmodell, das Allgemeine Adaptationssyndrom, publiziert. Dieses Stresskonzept stellte eine Weiterentwicklung des Modells der „Notfallreaktion“ Cannons dar. Selye beschreibt Stress als eine komplexe unspezifische Reaktion des menschlichen Organismus auf Anforderungen und Belastungen aus der Umwelt, die eine Störung des dynamischen Gleichgewichts des Organismus bewirken.

Dabei handelt sich dabei um eine körperliche Anpassungsreaktion, die, unabhängig von der Art des Auslösers, in drei Phasen abläuft:

1. Phase der Alarmreaktion
2. Die Anpassungs- bzw. Widerstandsphase
3. Phase der Erschöpfung

Die erste Phase entspricht der normalen akuten Stressreaktion und dient der Mobilisierung von Energie- und Handlungsreserven. In der zweiten Phase erfolgt eine Anpassung (Adaptation) mit Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen wiederkehrenden oder chronischen Stress. Die dritte ist die Reparationsphase oder Erschöpfungsphase. Bei chronisch einwirkendem Stress ohne ausreichende Erholungsphasen können in der Phase der Erschöpfung aufgrund einer negativen Verschiebung des homöostatischen Gleichgewichts und bei entsprechender Disposition, organischen Erkrankungen (Anpassungsstörungen) die Folge sein.

Ein weiteres reaktionsbezogenes, den verschiedenen Stressebenen besser gerecht werdendes Modell, ist das Schwellenmodell von Cofer und Appley (1964). Es ist nicht rein biologisch orientiert, sondern bezieht auch Verhaltensaspekte mit ein. Stress definiert sich nach Cofer und Appley als der Zustand eines Organismus, der dann eintritt, wenn das Individuum erkannt hat, dass sein Wohlbefinden oder seine Integrität in Gefahr ist und dass es alle verfügbare Energie zu seinem Selbstschutz und seiner Selbstverteidigung aufwenden muss.

1.2.2 Stress als Reiz - Stimulusbezogener bzw. situationsbezogener Ansatz

Die auf den Stimulus gerichtete Sichtweise betrachtet aus der Umwelt eines Individuums kommende Anforderungen als schädigenden Reiz.

Ein solches, auch als situationsbezogen bezeichnetes Stressmodell, wird im Life-event- Konzept diskutiert. Werden im Life-event-Konzept vor allem größere einschneidende Lebensereignisse und ihre psychophysischen Auswirkungen betrachtet, finden bei Lazarus und seinen Mitarbeitern (vgl. Kanner et al., 1981; Lazarus, 1984 zitiert in Krohne, 1997) relativ kleine, alltägliche Belastungen, die so genannten „Daily hassles“ Beachtung. In Kapitel 1.3 „Stressoren“ wird näher auf Life events, Daily hassles und deren Auswirkungen auf das Wohlbefinden eingegangen.

1.2.3 Stress als Transaktion - Transaktionaler Ansatz

In den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde von Lazarus und seine Mitarbeitern (Lazarus & Launier, 1981) ein kognitives Stresskonzept vorgestellt, das Stress aus einer neuen Perspektive beschreibt. Stress wird nun nicht mehr nur als bloße Reaktion oder Ergebnis situativer Einflüsse gesehen. Vielmehr versteht Lazarus unter Stress einen transaktionalen Prozess, der einsetzt, wenn Umgebungsanforderungen, interne Anforderungen oder beide zusammen von einer Person deren Bewältigung verlangen. Er ist gekennzeichnet durch Wechselwirkungen zwischen den an eine Person gestellten Anforderungen und der Art seines Verhaltens im Umgang mit ihnen. Innerhalb der Transaktion wirken nicht nur die Anforderungen auf das Verhalten einer Person; vielmehr ist es ihr auch gegeben, diese Anforderungen selbst tätig zu beeinflussen.

Ob Stress ausgelöst wird und es einer Bewältigung (Coping) bedarf oder nicht, ist Ergebnis mehrerer Bewertungsprozesse, die von Lazarus folgendermaßen kategorisiert werden:

Primäre Bewertung (primary appraisal)

In dieser ersten Bewertung wird eine Anforderung danach beurteilt, ob sie irrelevant, angenehm-positiv oder stressbezogen ist. Ist die Anforderung stressbezogen, wird sie danach eingeschätzt, ob es sich dabei um Schaden oder Verlust, eine Herausforderung oder eine Bedrohung handelt.

Sekundäre Bewertung (secondary appraisal)

In der zweiten Bewertung werden insgesamt die Bewältigungsmöglichkeiten auf Personenseite eingeschätzt. Die Prüfung bezieht sich dabei auf das Vorhandensein und das Ausmaß von zur Bewältigung zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und Ressourcen. Ressourcen können intellektueller, körperlicher, materieller oder sozialer Art sein.

Neubewertung (reappraisal)

Die dritte Bewertung erfolgt nach unternommenen Bewältigungsversuchen und ist einer bilanzierenden Analyse gleichzusetzen. Es handelt sich um eine Neubewertung der Gesamtsituation. Deren Ergebnisse können unter anderem ein Erfahrungsgewinn für zukünftige ähnliche Situationen und deren Bewältigung oder aber auch die Ausbildung von Bewertungstendenzen sein. Eine solche Bewertungstendenz wäre z.B., neue Situationen generell als Bedrohung aufzufassen.

In der Auseinandersetzung der Person mit der Anforderung kommen bestimmte Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien) zum Einsatz. Zwei Arten, das problemorientierte und das innerpsychische/ emotionszentrierte Coping, werden unterschieden. Problemorientiertes Coping ist aufgabenbezogen und beinhaltet die zwei Möglichkeiten: sich entweder der Anforderung zu stellen und eine Veränderung der Situation zu bewirken oder aber auszuweichen, zu flüchten. Emotionszentriertes Coping beschreibt eine innerpsychische, gedankliche Auseinandersetzung mit der Anforderung in der Art, dass der Bedrohungsaspekt dieser Anforderung durch Mechanismen der psychischen Abwehr zu verdrängen gesucht wird (z.B. Rationalisierung, Verleugnung).

Die Bedeutsamkeit dieses Stresskonzepts resultiert nach Feldmann (1983) daraus, dass es als erstes explizit die subjektive Bedeutsamkeit und Wertigkeit belastender Ereignisse berücksichtigt, und daraus, dass über die Bewertungsprozesse nun definiert ist, welche Stärke von Anforderungen eine Stressreaktion auslöst.

Die Gültigkeit des von Lazarus beschriebenen Stresskonzepts wird durch empirische wie theoretische Überprüfungen von Jerusalem (1990) gestützt.

1.3 DIE AKUTE STRESSREAKTION - MERKMALE UND MÖGLICHE MANIFESTATIONEN

Wie vorangestellt beschrieben, ist Stress eine Reaktion auf Anforderungen, die in ihrer Entstehung durch die kognitive Bewertung moderierender Variablen, nämlich Stressor und Ressourcen, hervorgerufen werden kann (vgl. Zimbardo, 1999).

Nach Reschke und Schröder (2000) werden Mechanismen der Mobilisierung und Zusatzregulation in Gang gesetzt, die als akute Stressreaktion bezeichnet werden und sich in körperlichen und psychologischen Reaktionen (Stresssignalen) zeigen und manifestieren können (vgl. Europäische Kommission, 2001).

Sie sollen auf Basis der hier genannten Quellen nachfolgend näher skizziert werden:

A - Emotionale Reaktionen und Manifestationen

Innere Unruhe, Unsicherheiten, Ärger, Gefühle der Hoffnungs- und Hilflosigkeit, Angst und Depression können in Stresssituationen vorkommen. Ein langes und wiederholtes Einwirken von Belastungen kann, bei dafür vulnerablen Personen, zu einer dazuerhaften Beeinflussung ihrer emotionalen Reaktionen führen. Ängste und Depressionen z.B. können sich vertiefen und in eine manifeste psychische Erkrankung münden.

Schröder (1992) fasst die Ergebnisse jahrelanger Forschungsbemühungen zu psychosozialen Determinanten körperlich manifester Erkrankungen so zusammen, dass es letztendlich negative Gefühlszustände sind, die krank machen, wenn sie häufig auftreten, lang anhalten und intensiv sind. Dementsprechend kommt der gelingenden Emotionsregulation innerhalb der Stressbewältigung eine wichtige Rolle zu (Reschke und Schröder, 2000).

B - Kognitive Reaktionen und Manifestationen

Stresskognitionen und Problemgedanken können als so genannte „innere Antreiber“ fungieren. Nach eigener Definition handelt es sich dabei um Einstellungen und Regeln, die sich als Handlungsvorsätze geistig verfestigt haben und Stress auslösen bzw. verstärken können.

Beispiele für typische Stresskognitionen:

„Niemand darf merken, wie es mir geht!“ „Ich muss die Kontrolle behalten!“

„Was man anpackt, muss man auch meistern!“ „Ich schaffe es nicht!“

„Wenn ich versage, wird man mich weniger schätzen!“

Zudem wirkt sich Stress auf das kognitive Leistungsvermögen aus. Das Vermögen sich konzentrieren zu können, sich zu erinnern, Neues zu lernen oder kreative Leistungen erbringen zu können, ist eingeschränkt. Folge davon kann eine erhöhte Fehlerrate oder die Zunahme von motorischen Fehlhandlungen sein. Das Unfallrisiko steigt (vgl. dazu Semmer, 1994).

C - Verhaltensbezogene Reaktionen und Manifestationen

Schnelleres Gehen, lauteres Sprechen, verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen zu wollen, sind einige von vielen Anzeichen, die eine Person kennzeichnen, die unter Stress steht. Auch sind Veränderungen im Sozialverhalten nicht ungewöhnlich. Es kommt eher zu Konflikten und Aggressionen gegenüber anderen. Dauerhafter Stress kann unter Umständen zu Abkapselungstendenzen und (selbstgewollter) Isolierung führen. Eine andere Ebene als die eben beschriebene intra- und interpersonale betrifft die des Gesundheitsverhaltens.

Nach Hahlweg (zitiert in Wagner-Link, 2001) ist Stress nicht nur an der Verursachung etlicher Krankheiten direkt beteiligt, sondern wirkt sich auch indirekt aus. So verhalten sich Menschen unter chronischen Belastungen oft gesundheitsschädigend. Dies findet z.B. darin seinen Ausdruck, dass sie mehr Alkohol trinken oder rauchen, ungesünder essen und häufig zu Beruhigungs-, Schmerz- oder Schlafmitteln greifen.

D - Körperliche Reaktionen und Manifestationen

Die akute und natürliche Stressreaktion entspricht der Phase der Alarmreaktion nach dem Selye’schen Stressmodell. Sie dient der schnellen Bereitstellung von Energie um auf „Kampf oder Flucht“ vorbereitet zu sein. Vermittelt über die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin kommt es dabei zu einer Erhöhung von Puls- und Atemfrequenz, was eine erhöhte Blutsauerstoffsättigung bewirkt. Die Muskulatur wird stärker durchblutet und angespannt.

Gleichzeitig wird der Stoffwechsel in der Richtung aktiviert, dass Zucker- und Fettreserven in schnell verfügbare Energie umgewandelt werden können.

Diese Reaktionen sind prinzipiell nicht schädlich, wenn dem Individuum nach einer Belastung eine Erholung möglich ist. Wiederholte Belastungen mit zu geringen Erholungsphasen, können die Auftretenswahrscheinlichkeit psychosomatischer Symptome erhöhen. Bei unausgesetzter Überforderung in Folge von chronischem Stress sind manifeste Schädigungen, wie sie unter Abschnitt 1.4 beschrieben werden, nicht auszuschließen.

Engel und Hurrelmann (1989), die sich intensiv mit Untersuchungen von Belastungen und Belastungsfolgen im Kinder- und Jugendbereich beschäftigten, stellten eine Rangfolge von vierzehn psychosomatischen Stresssymptomen auf. Angeführt wird die Liste der Auftretenshäufigkeit von Kopfschmerzen und Unruhe.

Für den Bereich der Erwachsenen konnten die Ergebnisse Engel und Hurrelmanns durch eigene Untersuchungen (Hartig, 2004a) an einer Stichprobe von N = 889 Internetnutzern weitgehend repliziert werden. In der Stichprobe der mit einem WWWFragebogen befragten Internetnutzer wurden Nervosität, Müdigkeit, Verspannungen und Kopfschmerzen als die am häufigsten im Zusammenhang mit erlebter Belastung auftretenden körperlichen Symptome genannt (siehe Abb.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Körperliche Symptome bei Stress und Belastung (Internetbefragung; N = 889; Hartig, 2004a)

Eckdaten zur Untersuchung: „Körperliche Symptome bei Stress und Belastung“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.4 CHRONISCHER STRESS UND PSYCHOSOMATISCHE STÖRUNGEN

Lang andauernder Stress bzw. Phasen der Daueraktivierung führen potentiell zu körperlichen und seelischen Schädigungen bzw. Einschränkungen.

Nach Uexküll (1979) entstehen auf dem Boden von Stressreaktionen etwa ein Drittel der Krankheiten heutiger Industriestaaten. So wird dem Stress eine maßgebliche Beteiligung an der Entstehung von Herzinfarkt, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Erschöpfungssyndromen, dem Burnout-Syndrom, Magen- und Darmleiden, Neurosen, Angstkrankheiten und Krebs zugeschrieben (ILO, 1996).

Stress als „Mittler“ zwischen den Polen Gesundheit und Krankheit und die dazu gehörigen Transformationsglieder werden bei Reschke & Schröder (2002) ausführlich dargestellt.

Psychosomatische Störungen

Bei Feldmann (1983) werden zwei Typen von Körperstörungen, an deren Entstehung psychische Faktoren mitwirken, genannt. Konversionsstörungen und psychosomatische Krankheiten.

Erstere sind nicht mit einer Organschädigung verbunden. Auslöser können Konflikte sein, die sich direkt in Körperstörungen (z.B. Lähmungen) umsetzen. Diese Störungen sind rein funktionell und lassen nach, wenn die Konfliktbewältigung gelingt.

Nicht so bei psychosomatischen Erkrankungen. Sie sind komplexer als Konversionsstörungen und anfänglich funktionelle Symptomatiken können sich schließlich in manifesten Erkrankungen mit Schädigungen an inneren Organsystemen oder der Haut bemerkbar machen. So verweist Stangier (1999) darauf, dass chronischer Stress körperliche Reaktionen auslösen und zu einer Exazerbation oder Verstärkung von Symptomatiken führen kann. Von großer Bedeutung sei, etwa bei Hautkrankheiten die Auslösung von Juckreiz und Entzündungsreaktionen der Haut.

Allerdings, führt Feldmann weiter aus, ist zu beachten, dass die Verursachung psychosomatischer Erkrankungen multifaktoriell bedingt ist und neben Stress als Verursacher auch eine organische Disposition für Erkrankungen dieser Art vorliegen muss. Ungeklärt ist bislang in dem Zusammenhang, wann psychische Belastungen tatsächlich organische Symptomatiken auslösen, welchen Mechanismen die Organwahl folgt und wieso in diesem Bereich keine Habituation erfolgt, so dass wiederkehrende Reize die Tendenz zur Chronifizierung erhöhen.

1.5 STRESSOREN

1.5.1 Definition

Ulichs (1998) oben im Text gegebene Stressoren-Definition wird von Krohne (1997) erweitert, in dem er sie näher charakterisiert. Demnach ist allen Stressoren gemein, dass es sich aus der Sicht des Individuums um Ereignisse von erheblichem Gewicht handelt. Hinzu kommen situative Merkmale und formale Parameter, wie die des Grades verhaltensmäßiger Beeinflussbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit eines Stressors. Ferner der Informationsgrad über Situationen und die Vorhersagbarkeit oder Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob das Ereignis eintreten wird. Andere formale Parameter von Stressoren beziehen sich auf den Inhalt, die zeitliche Nähe und die Dauer eines zu erwartenden Ereignisses.

Die zeitliche Wirkung von Stressoren und die damit verbundene Dauer einer Stressreaktion nennt Frankenhaeuser (1978, in Kallus, 1995) in ihrem „Verschleißmodell“ als entscheidend in Hinblick für ein Schädigungspotential. Da am Ende einer Belastung die Reaktionen auf diese nicht unmittelbar abklingen sondern Nachwirkungen haben („unwinding“), ist besonders bei einer raschen Folge von Belastungen mit einer Kumulation von Beanspruchung und damit verbunden mit einem größeren Gefährdungspotential für den Organismus zu rechnen.

Neben formalen Aspekten von Stressoren können inhaltliche Unterscheidungen vorgenommen werden. Janke (1976) bietet eine Gliederung an, die hier modifiziert wiedergegeben werden soll:

Struktur von Stressoren

- Äußere Stressoren (Reizarmut oder Reizüberflutung, Schmerzreize, objektive bzw. subjektive Gefahrensituationen)
- Bedingungen, die zur Einschränkung eigener Bedürfnisse führen (Mangel/ Verlust/ Entzug)
- Leistungsstressoren
- Soziale Stressoren
- Weitere Stressoren wie Konflikte oder Ungewissheit

1.5.2 Quellen für Stressoren

Im Folgenden werden für eine Auswahl von Themen Ursachen und Quellen für die Entstehung von Stress und daraus resultierende Folgen diskutiert.

Die hier ausgewählten Bereiche können nicht nur stressauslösend wirken, sondern genauso in positiver Richtung als Ressource zur Verfügung stehen. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit in der Erfassung stressinduzierenden Faktoren liegt, werden die nachfolgenden Themen bevorzugt aus diesem Blickwinkel betrachtet.

1.5.2.1 Life events und Daily hassles

Kritische Lebensereignisse (change events, major life events, stressfull live events), wie sie ausführlich bei Filipp (1981) thematisiert werden, stellen in ihrer Struktur komplexe Stressoren dar, deren Ursprung endogen wie exogen sein kann und die das bislang aufgebaute Personen-Umwelt-Passungsgefüge bedrohen (Filipp, in Schwarzer et al., 2002). Sie beziehen sich auf alle möglichen Lebensbereiche - u.a. Katastrophen, historische Veränderungen (gesellschaftliche, politische Umbrüche, Krieg), Entwicklungs- bzw. Reifungskrisen oder Lebenskrisen (Heirat, Pensionierung, Krankheit und Tod von Familienmitgliedern). Schumacher et al. (2002) sehen diese Ereignisse aus salutogenetischer Perspektive und beschreiben sie als potentiell doppelwertig positiv, negativ und ambivalent und begründen dies damit, dass Stressoren in Form bedeutsamer Lebensereignisse sowohl gesundheitsfördernd als auch die Bewältigungsprozesse beeinträchtigend sein können. Dies sei jedoch unter anderem abhängig von der subjektiven Bedeutsamkeit des Ereignisses, der Fähigkeit zur kompetenten Neuorientierung und dazu nötiger Ressourcen.

Lazarus (zitiert in Krohne, 1997) kritisiert, dass sich bislang nur schwache Zusammenhänge zwischen Messungen zu kritischen Lebensereignissen und dem erhobenen Gesundheitsstatus finden lassen konnten. Auch meinte er, dass es nicht die Lebensereignisse selbst seien, welche die Individuen beanspruchten oder überforderten, sondern die subjektive Repräsentation derselben. Eine größere Relevanz und engere Verbundenheit mit Kriterien des Gesundheitsstatus sollen nach Lazarus hingegen „Daily hassles“ besitzen (vgl. Kanner et al., 1981; Lazarus, 1984; beide zitiert in Krohne, 1997). Dies sind irritierende, frustrierende oder entnervende Vorkommnisse, die allgemein als kleine alltägliche Missgeschicke, Behinderungen und Ärgernisse aufzufassen sind. Für eine davon betroffene Person werden diese Alltagswidrigkeiten, dann zum „Hassle“, wenn sie entsprechend negativ empfunden und bewertet werden sowie subjektive Relevanz besitzen. In diesem Fall werden sie zu „zentralen Hassles“.

Nach Gruen et al. (1988, zitiert in Krohne, 1997) macht das Ausmaß des Auftretens „zentraler

Hassles“ eine Vorhersage des Gesundheitszustands gut möglich. Gestützt wird diese Aussage durch Arbeiten Monroe’s (1983, zitiert bei Semmer, 1994). Er untersuchte psychosomatische Symptome im Zusammenhang mit „Life events“ und „Daily hassles“. Darin zeigte sich, dass „Daily hassles“ das Auftreten von Symptomen signifikant vorhersagten. Keine Vorhersagekraft hatten „Daily uplifts“ (positives Pendant zu „hassles“). Ebenfalls nicht signifikant waren „Life events“, wenn „Hassles“ kontrolliert wurden.

1.5.2.2 Soziale Unterstützung und soziale Netzwerke

Mit sozialer Unterstützung wird nach Becker und Hurrelmann (beide 1990, zitiert in Seefeldt 2002) ein Prozess gemeint, bei dem ein Hilfsbedürftiger Unterstützung erhält, um seinen Zustand zu verändern oder dessen Ertragen zu erleichtern.

Der Mensch ist ein soziales Wesen und schöpft einen guten Teil seines Wohlbefindens aus der Eingebundenheit in ein Netz von anderen Menschen, innerhalb dessen er Aufmerksamkeit, Anerkennung und ein Gefühl der Zugehörigkeit erfährt. Im Bedarfsfall wird ihm hier auch konkrete Hilfe und Unterstützung zuteil. Ist eine solche Einbindung als Ressource nur unzureichend vorhanden, geht dem Individuum ein bedeutender Stresspuffer verloren (vgl. dazu Europäische Kommission, 2000). Reschke und Schröder (2000) stützen diese Aussage. Nach ihnen kommt der sozialen Unterstützung die Rolle eines Schutzfaktors, einer umweltseitigen stabilisierenden Ressource bei der Stressbewältigung zu.

Soziale Unterstützung kann emotional, informationell, materiell oder instrumentell sein. Der quantitative Erhalt sozialer Unterstützung hängt nach Leppin und Schwarzer (1997) eng mit Netzwerkindikatoren zusammen.

Nach Laireiter (zitiert in Schwarzer, 2002) werden soziale Netzwerke auf vier Dimensionen beschrieben:

Struktur (Größe, Vernetzung, Dichte etc.)

Relation - Interaktion (Art, Dauer, Frequenz der Einzelbeziehungen etc.) Inhalt - Funktion (Kontakt, Unterstützung, Belastung)

Evaluation (Zufriedenheit etc.)

In der Theorie von Lazarus (1991, 1993, zitiert in Schwarzer, 1997) handelt es sich bei sozialem Rückhalt um eine Ressource, die stressreichen Anforderungen gegenübergestellt wird. Sie stellt bei der Einschätzung von Stress das Gegengewicht zu den Belastungen dar.

Der sozialen Unterstützung wird auch innerhalb des Bewältigungsprozesses eine Bedeutung beigemessen. Jemanden um Hilfe bitten, gilt als eine Haupt-Coping-Strategie. Die Nichtverfügbarkeit bzw. die Nicht-Mehr-Verfügbarkeit der Ressource stellt eine schwere Beeinträchtigung sowohl bei der Bewertung der Stresssituation als auch in den darauf folgenden Phasen der Stressbewältigung und -verarbeitung dar. Explizit formulieren dies Holahahn & Moos (1981, zitiert in Zimbardo, 1999). Aufgrund ihrer Untersuchungen resümieren sie, dass eine Abnahme sozialer Unterstützung im familiären und Arbeitsumfeld mit einer potentiellen Zunahme psychischer Störungen in Verbindung gebracht werden kann.

1.5.2.3 Arbeitsplatzbezogene Stressoren

Einen großen Teil ihres Lebens verbringen Menschen in der Regel mit Erwerbsarbeit und sind in dieser nicht selten einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt. Siegrist (2002) führt das unter anderem auf die gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge zunehmender Globalisierung zurück, die sozioökonomische Veränderungen im Gefolge haben, die vermehrt auch Stresserfahrungen verursachen. Folge sind psychomentale Belastungen und Beanspruchungen, die Unfall- und Fehlerrisiken erhöhen oder z.B. in Dienstleistungsberufen zur Häufung von Burnout-Symptomen führen.

In einer forsa-Umfrage an 1000 Befragten zur Häufigkeit arbeitsbedingter Stressoren von 1997 (in BAuA, 2002) werden auf Seiten der Arbeitnehmer u.a. Zeit- und Termindruck (50%), zu viel Arbeit (39%), Doppelbelastung im Haushalt und Beruf (29%), Angst vor Arbeitsplatzverlust (25%), Probleme mit Vorgesetzten (20%) und Probleme mit Kollegen (16%) genannt.

Stressoren im Arbeitsbereich lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten ordnen. Sie können handlungsbezogen sein, wenn sie sich aus während der Arbeit ablaufenden Handlungen innerhalb des Arbeitsprozesses ableiten lassen. Sie sind tätigkeitsbezogen, wenn sie sich auf die Arbeit allgemein beziehen. In seiner Untersuchung zur Arbeitssituation führt Siegrist (1980, zitiert in Zapotoczky, 1982) acht Komponenten an, die, wenn sie häufig als Quelle der Belastung zur Wirkung kommen, an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sein können:

- Ausprägung des Zeitdrucks
- Ausmaß der Kontrolle über die eigene Arbeit
- Störbarkeit des Arbeitsablaufs
- Ausmaß der geforderten Konzentration
- Verantwortung und Fehlerbewusstsein

- Über- bzw. Unterforderung
- Enge bzw. Weite des Dispositionsspielraumes
- Eindeutigkeit in der Definition der gestellten Arbeitsaufgabe

Neben dieser Aufstellung, welche die eingenommene Sichtweise auf Stress am Arbeitsplatz innerhalb dieser Arbeit bestimmt, gibt es, je nach Schwerpunktsetzung, weitere mehr oder weniger differenzierte Aufstellungen (vgl. dazu Kasl, 1991; Semmer & Mohr, 2001, die in ihrer Aufstellung stressrelevanter Aspekte neben Stressoren auch Ressourcen (z.B. Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten) mit aufführen.

1.5.2.4 Stressbegünstigende Persönlichkeitsmerkmale - Die Persönlichkeits-Typen A, B und C

Die amerikanische Kardiologen Friedmann & Rosemann (1975) ermittelten in Laufe ihrer Studien zum Zusammenhang von Lebensstilen und deren Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen verschieden Persönlichkeitstypen. Nach ihnen unterscheidet man den Persönlichkeits-Typ A, B und C.

Besonders Stress-gefährdet ist der Typ A, dessen Verhalten durch ein starkes Leistungs- und Erfolgsstreben, den Hang zum Perfektionismus, verstärktes Konkurrenzdenken sowie durch das Verfolgen von parallelen Aufgaben und Verpflichtungen gekennzeichnet ist. Das Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber ist nicht selten von Ungeduld bis hin zu aggressiven Tendenzen geprägt. In der Kommunikation neigt er zu einer forcierten Gesprächsführung mit kurzen Sätzen und ungeduldigem Unter- oder Abbrechen der Rede des Gesprächspartners. Häufig beendet er angefangene Gedanken des Kommunikationspartners selbst, um das Gespräch in seinem Sinne voranzutreiben. Die nahezu ständige Anspannung (Kampfbereitschaft) bedingt eine Unfähigkeit, sich ausreichend entspannen zu können.

Nach Bayer (2002) und Vester (1978) ist die Typ-A-Persönlichkeit aufgrund ihrer Leistungsorientiertheit in der Arbeitswelt sehr begehrt. Vorwiegend berufstätige Männer sind unter diesem Persönlichkeitstypus zu finden. Zunehmend sei der Typ A auch unter Studenten und Schülern verbreitet und das Aufweichen der Rollenstereotype in den industrialisierten Gesellschaftsformen führe wohl künftig auch zu einem Anstieg der Zahl von Frauen, die diesem Persönlichkeits-Typ zuzurechnen sind.

Bayer sieht in dem Typ-A-Verhalten nichts generell Negatives, sondern betrachtet es vielmehr als eine Anpassung an unsere heutige komplexe und an Anforderungen reiche Umwelt.

Negativ ist jedoch, dass durch die Typ-A-Verhaltensweisen eine vermehrte Ausschüttung von Adrenalin angeregt wird, was zu einer übermäßig häufigen Anspannung führen und Mitverursacher der unter 1.4 („Chronischer Stress und psychosomatische Störungen“) beschriebenen Langzeitschädigungen sein kann.

Typ-A-Personen haben aufgrund ihres Verhaltens, das sie häufiger als andere in Stress bringen soll, ein zweifach größeres Herzinfarktrisiko und eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit für Gefäßerkrankungen (vgl. Myrtek, 2002). Der Typ B ist durch ein Mehr an innerer Ruhe und Entspanntheit gekennzeichnet und stellt das Pendant zum Typ A dar. Der Typ C, auch „Cortisol-Typ“ genannt, reagiert unter Belastung eher passiv und verunsichert, physiologisch mit einer vermehrten Cortisolausscheidung und neigt bei schweren Schicksalsschlägen eher zu Depression und Hilflosigkeit. Der bei diesen Personen unter lang anhaltender oder chronischer Belastung erhöhte Cortisolspiegel wirkt sich hemmend auf das Immunsystem aus und es zeigt sich eine stärkere Anfälligkeit für Erkrankungen, die mit einem geschwächten Immunsystem in Verbindung zu bringen sind (vgl. Schedlowski, 1994; Ruppert, 1996).

1.6 ERFASSUNGSMETHODEN VON STRESS UND STRESSOREN

Da Stress ein dynamisches Geschehen mit mehreren Systemkomponenten darstellt, das auf verschiedenen Ebenen und nach unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten abläuft, ist es nach (Seefeldt, 2000) nicht möglich, ein einziges, alle Aspekte erfassendes, Verfahren zur Messung von Stress zu entwickeln.

Für die Art und Weisen, mit der Stress erfasst werden kann, nennt er sieben Möglichkeiten, die hier verkürzt wiedergegeben werden sollen:

- Erfassung von Selbstauskünften „Gestresster“ mittels teil- oder vollstandardisierter Fragebögen
- Fremdbeobachtung durch geschulte Beobachter (Schwierig hierbei sind die Nichteindeutigkeit und die seitens des Beobachters subjektiv beeinflusste Messung.)
- Belastungsexperimente, wie Reiz-Reaktions-Messung oder Konzentrationsmessung
- Messung physiologischer Parameter wie Blutdruck, Pulsfrequenz oder Hautleitwiderstand
- Kontrolle biochemischer Parameter wie z.B. Messung des Katecholaminspiegels im Harn, Blutanalyse
- „Mikrovibrationsmessung“ der Muskeln, EEG-Analysen
- Anwendung psychometrischer Skalen - Testverfahren

Die angeführten Methoden erfassen Stress auf der Befindens-, der Verhaltens-, der physiologischen und der biochemischen Ebene und decken das Spektrum des Machbaren ab. Cohen, Kessler & Gordon (1995) schlagen vor, die verschieden Komponenten des Stressprozesses zu erheben. Darin eingeschlossen sind das Erfassen von Stressoren, die subjektive Einschätzung derselben verbunden mit einer Einschätzung der subjektiv erlebten Gesamtbelastung, die emotionale und die biologische Stressreaktion.

Weber (2002) unterscheidet drei Arten von Stressoren. Die kritischen Lebensereignisse (Life events), Stressoren des Alltags (Daily hassles) und chronisch stressbesetzte Lebensbedingungen. Die Erfassung erfolgt meist mit Checklistenverfahren, psychometrischen Tests oder strukturierten Interviews. Auch Tagebuchaufzeichnungen können in die Analyse einbezogen werden.

Stellvertretend für die Vielzahl anwendbarer Verfahren in der Diagnostik von Belastungen und deren Verarbeitung, sei für die Erfassung der kritischen Lebensereignisse die „Social Readjustment Rating Scale“ von Holmes & Rahe (1967) vorgestellt, mit der so genannte „life change units“ für 43 verschiedene Ereignisse erfasst werden. Alltagsereignisse können u.a. mit der Ereignischeckliste von Schmidt-Atzert (1989) erfasst werden. Zur Diagnostik von chronischem Stress steht das „Trierer Inventar zur Erfassung von chronischem Stress“ von Schulz, P., Schlotz, W., & Becker, P. (2004) zur Verfügung. Die Bewältigung von Stress wird bevorzugt mit dem Stressverarbeitungsfragebogen von Janke (1985) gemessen.

Umfassende Darstellungen von Verfahren zur Diagnostik von Stress, Belastung, deren Verarbeitung, zur psychosomatischen Befundung oder der Erfassung sozialer Ressourcen finden sich bei Brickenkamp (1997), Stieglitz, Baumann & Freyberger (2001) sowie Ahrens (1997).

Parallel zu den vorstehend, überwiegend klinisch angesiedelten Verfahren, sind in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Arbeitspsychologie die verschiedensten Verfahren zur Erfassung von Stress im Arbeitsumfeld entwickelt worden. So können z.B., dem Stimuluskonzept folgend, objektive Arbeitsbelastungen durch psychologische Arbeitsanalysen erfasst werden. (vgl. dazu Semmer, 1984; Greif, Bamberg & Semmer, 1991).

Zur Qualität der zur Verfügung stehenden Verfahren äußert sich Weber mit besonderem Blick auf die Checklistenverfahren kritisch. Nachteilig sei, dass sie für spezifische Stichproben oft nicht repräsentativ seien und im Falle der „Ereignis-Diagnostik“ die Belastungen, die durch Nicht-Ereignisse (z.B. ungewollte Kinderlosigkeit) verursacht wird, nicht erfasst werden. Auch ergeben sich in Bezug auf Ereignisse mitunter Interpretationsprobleme. So kann die Trennung eines Paares ein stressauslösendes Ereignis oder die Folge von die Beziehung stressenden Ereignissen sein. Positiv sind, wenn es um die angemessene Erfassung von Stressoren geht, die Bemühungen Wagner-Links (1996) einzuschätzen. Die von ihr aus transaktionaler Sichtweise entwickelte Stressorenanalyse erfasst nicht nur Art und Häufigkeit des Auftretens von Stressoren sondern auch deren subjektiv erlebte Komplexität, Intensivität und Wertigkeit aus der Sicht des Betroffenen.

Der Stand der Weiterentwicklung ist mit Schröder (2002) derzeit wie folgt zu bilanzieren:

Psychodiagnostische Fortschritte, so meint er, gäbe es seit den 90er-Jahren nur wenige und führt dies vor allem auf konzeptionell bedingte Erkenntnisgrenzen zurück. Meist handele es sich bei neuen Testverfahren lediglich um die Perfektionierung von bereits existierenden Fragebogenverfahren.

2. SELBSTHILFE, DIAGNOSTIK, BERATUNG UND THERAPIE IM INTERNET

Immer mehr Menschen wissen mittlerweile die Möglichkeiten des Internets zu nutzen und zu schätzen. Das Internet ist zu einem wichtigen Weg der Informationsvermittlung und -gewinnung geworden. Verstärkt werden auch Informationen und Rat zu medizinischen und/ oder psychologischen Themen über das Medium Internet recherchiert. Das wachsende Interesse für das Internet als Quelle für Gesundheitsinformationen belegt eine Eurobarometer- Umfrage der Europäischen Kommission1. Demnach nutzen 23 Prozent der EU-Bürger das Internet, um zuverlässige Informationen über Gesundheitsfragen zu erhalten (in Deutschland 24 Prozent der Bürger). Dieses Ergebnis zeigt deutlich auf, dass es einen Bedarf an OnlineGesundheitsinformationen gibt.

Recherche-Ergebnisse zu medizinischen und psychologischen Fragen lassen sich nach Döring (2000b) inhaltlich folgendermaßen grob gliedern:

I Informationsmaterialien

A) Informationen für Psychotherapeuten

B) Informationen für Patienten

C) Selbsthilfe-Materialien

II Kommunikationsszenarien

A) Selbsthilfegruppen (v.a. in Mailinglisten, Newsgroups, seltener in Chat-Foren)

B) Beratung (v. a. E-Mail, sehr selten Chat-, Audio- und Video-Kontakte)

C) Therapie (v. a. E-Mail, sehr selten Chat-, Audio- und Video-Kontakte)

In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Formen internetverfügbarer Hilfe und Selbsthilfe und deren Besonderheiten in Abgrenzung zu traditionellen Erhebungs-, Diagnostik-, Beratungs- und Therapieverfahren vorgestellt. Dabei wird sich hier hauptsächlich auf Angebote zu psychologischen Fragen im Internet beschränkt. Im Vorfeld werden jedoch zunächst Besonderheiten der computervermittelten netzbasierten Kommunikation erläutert, die die Basis für die verschiedenen Angebote bildet.

2.1 BESONDERHEITEN DER KOMMUNIKATION IM INTERNET

In Abgrenzung von der „natürlichen“ Grundform zwischenmenschlicher Kommunikation - der Face-to-Face-Kommunikation (FTF) - ist die Netzkommunikation (computer-mediated communication: CMC) „als eine nach technischen Kriterien abgrenzbare Form medial vermittelter Telekommunikation zu verstehen“, bei der zum Internet gehörende „vernetzte Computer als Kommunikationsmedien fungieren“ (Döring, 2000a, S. 346). CMC wird dabei von den Kommunikationspartnern anders als die FTF-Kommunikation erlebt und kann diese keinesfalls ersetzen. Die Differenzen zwischen beiden Kommunikationsarten resultieren dabei sowohl aus den technischen Möglichkeiten der CMC als auch aus den medienbezogenen sozialen Fertigkeiten und Erfahrungen der Kommunikationspartner. Im Folgenden werden neun sich gegenseitig ergänzende und mit unterschiedlichem Gültigkeitsbereich zu sehende Theorien (vgl. Tabelle 1) vorgestellt, die sich mit den Besonderheiten computervermittelter Kommunikation als Kommunikationsmodus auseinander setzen (vgl. Döring, 2000a).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Kernaussagen der neun wichtigsten CMC-Theorien (nach Döring, 2000a)

2.2 FORMEN DER HILFE UND SELBSTHILFE IM INTERNET

2.2.1 Informationsportale

Eine wesentliche und weit verbreitete Form, Wissen und Informationen zu den verschiedensten Gebieten im Internet bereitzustellen, sind so genannte Informationsportale. Immer häufiger wird dieser Weg von Hilfesuchenden genutzt, um Auskunft und Rat zu medizinischen und psychologischen Themen zu erhalten. Die Anzahl der Portale, die sich medizinischen Aspekten widmen, überwiegt zum momentanen Zeitpunkt das Angebot an psychologisch ausgerichteten Portalen bei weitem (Beispiele siehe Tabelle 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Informations- und Beratungsangebote zu psychologischen Themen

Zur Informationsrecherche geben Ratsuchende das interessierende Schlüsselwort in eine Suchmaschine ein (z.B. www.google.de) und erhalten eine große Auswahl an Links zu Internetseiten, die das entsprechende Suchwort enthalten.

Aus der Vielzahl der Angebote die passendsten und seriösesten auszuwählen, stellt eine Herausforderung für den Suchenden dar. Zumeist sind die Seiten nach der Zugriffshäufigkeit geordnet. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen sich die Reihenfolge der aufgelisteten Links nach der Größe der finanziellen Zuwendung richtet, die der Anbieter der Suchmaschine zukommen ließ (z.B. http://de.altavista.com). Für eine zielgerichtete Suche ist es entscheidend, die gewünschten Wissensgebiete über die Suchworte möglichst genau einzugrenzen.

Informationsportale im Internet bieten Ratsuchenden einige Vorteile. Sie können sich hier umfassend, tageszeitunabhängig und ohne Zeitdruck über verschiedene Krankheitsbilder und Störungen oder auch über Therapiemöglichkeiten informieren. Einige Anbieter von Informationsportalen bieten Ratsuchenden neben dem Pool an Wissen zusätzlich die Möglichkeit, sich zu einer Problemlage mit anderen Betroffenen innerhalb eines Forums (siehe Abs. 2.2.2) auszutauschen oder sich mit Experten per E-Mail direkt in Verbindung zu setzen (z.B. http://www.netdoktor.de). All diese Möglichkeiten eröffnen Hilfesuchenden mehr Kompetenz, Selbstständigkeit und Mündigkeit. Durch den diskreten und bequemen Zugangsweg können Informationsportale auch Schwellenängste vermindern. Auch können so eventuell vorhandene Skepsis bzw. diffuse Befürchtungen gegenüber psychotherapeutischen Behandlungen abgebaut werden. Hilfesuchende können nach ausreichender Informationsrecherche auch die von einigen Seiten angebotene Therapievermittlung in Anspruch nehmen (z.B. http://www.psychotherapiesuche.de). Diese sollen dabei helfen neben der passenden Therapieart geeignete Experten für die Behandlung einer Störung vor Ort zu finden. Dies wiederum kann sich positiv auf das Inanspruchnahmeverhalten von Beratung bzw. Therapie auswirken.

Die freie Zugänglichkeit zu den Informationen birgt jedoch auch Gefahren. Neben den seriösen geprüften und fundierten Angeboten gibt es eine Reihe von Anbietern, die dem Ratsuchenden Kompetenz allenfalls vorgaukeln. So kann z.B. eine falsche Selbstdiagnose, mit der der Ratsuchende allein gelassen wird, verheerende Auswirkungen haben. Hilfesuchende sollten deshalb stets darauf hingewiesen werden, dass die Informationen und Ratschläge im Internet keinesfalls ärztlichen oder psychologischen Rat sowie eine individuelle Beratung und Diagnostik ersetzen können, sondern lediglich eine erste Orientierung geben und bisherige Informationswege ergänzen sollen und können.

2.2.2 Newsgroups und Mailinglisten

Einen ganz eigenständigen Weg, Information und Kommunikation im Internet zu verknüpfen, bieten Newsgroups2 und Mailinglisten3. Im Unterschied zu Informationsportalen stellen Newsgroups keinen effizienten Informationsservice, sondern eher Plattformen für soziale Begegnungen und Beziehungen dar.

Moderne E-Mail-Programme mit Newsreader (z.B. Netscape Messenger, MS Outlook Express) unterstützen heutzutage die Suche nach einer öffentlichen Newsgroup zu einem interessierenden Thema. Die Anzahl der Newsgroups mit Selbsthilfe- und Beratungsangeboten zu medizinischen und psychologischen Aspekten, unter denen Ratsuchende wählen können, entwickelte sich in den letzten Jahren enorm (eine Auswahl in Tabelle 3). Überwiegend finden sich hier Selbsthilfe-Newsgroups, bei denen der Erfahrungs- Austausch unter Betroffenen im Vordergrund steht. Mittlerweile gibt es jedoch auch eine ganze Reihe moderierter Groups, bei denen die zur Group gesendeten Postings (Nachrichten in einer Newsgroup) zuvor selektiert und teilweise von professioneller Seite aus beantwortet werden. Aus den gesendeten Postings und den darauf erwiderten Antworten entstehen so genannte Threads (Diskussionspfade), die von allen Teilnehmern gelesen werden können. Es gibt also sowohl aktiv mitwirkende als auch passiv beobachtende Mitglieder. Trotzdem besteht jederzeit die Möglichkeit, dem Autor einer Nachricht persönlich per E-Mail zu antworten ohne dass die Öffentlichkeit mitlesen kann.

Mailinglisten umfassen im Unterschied zu Newsgroups einen kleineren Teilnehmerkreis eingetragener Mitglieder, deren Nachrichten von außen nicht einsehbar sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Auswahl an Newsgroups und Mailinglisten zu medizinischen und psychologischen Aspekten (Zugriff: 19.02.2004)

Newsgroups und Mailinglisten können den Nutzern helfen, trotz der räumlichen Entkoppelung soziale Kontakte und Aktivitäten zu entwickeln. Erste Evaluationsstudien zeigen, dass Mailinglisten z.B. für Menschen, die unter Depression leiden, eine hilfreiche Plattform für Online-Selbsthilfe bieten können (siehe zusammenfassend King & Moreggi, 1998). Weiterhin können sie das Informationsspektrum erweitern und durch die Möglichkeit, die eigene Anonymität zu wahren, die Selbstoffenbarung erleichtern.

Die Nutzung von Newsgroups bringt jedoch auch spezifische Probleme mit sich. Persönliche und belastende Themen, die normalerweise einen geschützten, privaten Raum erfordern, werden hier einer anonymen Öffentlichkeit anvertraut. Gefahren gehen hier von z.B. von einem unerwarteten Rückfluss der Informationen in das nahe Umfeld aus. Ebenso fraglich ist, welche Wirkung die unterschiedlichen, z. T. auch unseriösen und fehlerhaften Informationen auf Hilfesuchende haben. Allerdings bleiben falsche Informationen von der Gruppe meist nicht unbemerkt und werden entsprechend kommentiert.

2.2.3 Psychologische Tests und Selbstdiagnosen

Das Angebot an psychologischen Fragebögen und Tests im Internet ist auf eine unüberschaubare Menge angewachsen, die ganz unterschiedliche Themenschwerpunkte abdecken. Deren Qualität weist jedoch eine große Variationsbreite auf. So findet sich neben seriösen, fachlich fundierten Online-Tests hauptsächlich auch eine Vielzahl unseriöser, weniger erst zu nehmender und allenfalls als pseudopsychologisch zu bezeichnende Angebote (eine Auswahl in Tabelle 4). Unterscheiden lassen sich hier auch kostenlose und kostenpflichtige Online-Diagnostika.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Auswahl an Angeboten psychologischer Online-Diagnostik

Nutzer haben insbesondere im Zusammenhang mit Selbsthilfe- und Selbstheilungsprozessen ein verstärktes Interesse, die von ihnen wahrgenommenen Probleme näher zu bestimmen und zu verstehen. Online-Diagnostika, in Form elektronischer Fragebögen und Tests können hier helfen, Ratsuchenden Klärung über ihren Zustand zu ermöglichen und sie auf Informationsmaterialen zur Selbsthilfe aufmerksam zu machen (vgl. Döring, 2000b). Aber auch die netzbasierte Beratung und Therapie (siehe Kapitel 2.2.5) kann den Wunsch nach professioneller Diagnostik über das WWW mit sich bringen.

Bislang wurden den Klienten im Rahmen von Online-Therapie hauptsächlich FragebogenVorlagen zum Ausdrucken, handschriftlichem Ausfüllen und Einsenden an den Therapeuten angeboten. Diese Angebote wurden jedoch aufgrund ihrer Aufwendigkeit, der Aufgabe der Anonymität und der entstehenden Zeitverzögerung nur ungern wahrgenommen.

Neuere Entwicklungen gestatten ein Ausfüllen von Online-Fragebögen oder Tests im Browser, die die Daten dann an den entsprechenden Server senden, dort speichern und/ oder eine automatische Ergebnis-Auswertung generieren. Rückmeldungen werden häufig über einen Zahlenwert oder eine kurze verbale Einschätzung der Ergebnisse gegeben. Aufgrund ethischer Fragen sowie um den Nutzern eine auf alle Eventualitäten passende Auswertung zu ermöglichen, sind diese Feedbacks zumeist sehr kurz und allgemein verfasst. Eine besondere Problematik ergibt sich aus der Tatsache, dass Testteilnehmer mit den Ergebnissen alleingelassen werden und die sich daraus ergebene Wirkung nicht abschätzbar ist. Die Verbreitung unseriöser Online-Diagnostika kann sowohl den Hilfesuchenden als auch dem öffentlichen Bild der Psychologie schaden (vgl. Döring, 2000b).

Online-Diagnostika mit Ergebnis-Auswertung haben jedoch einen entscheidenden Vorteil: sie geben Klienten unmittelbar nach der Eingabe ihrer Antworten ein entsprechendes Feedback und helfen zudem, deren Ressourcen (Zeit und Mühe) zu sparen.

2.2.4 Besonderheiten der Online-Diagnostik

Die Besonderheiten der Online-Diagnostik stehen in engem Zusammenhang mit den unter Abschnitt 2.1 beschriebenen Merkmalen computergestützter Kommunikation und den unter Abschnitt 3.5 angeführten Vor- und Nachteilen von Online-Erhebungen. Forschenden bieten Online-Fragebögen bzw. -Tests eine gute Möglichkeit der Datensammlung. Die Veröffentlichung (z.B. in Portalen) ist eher unproblematisch anzusehen, die Kosten halten sich in akzeptablen Grenzen, die Datenspeicherung und -auswertung erfolgt im Idealfall automatisch und die Datenerhebung kann in relativ kurzer Zeit abgeschlossen werden.

Online-Diagnostik bietet auch den Vorteil erhöhter Objektivität, i. S. der Unabhängigkeit des Testergebnis von der Person des Testenden. Schwierigkeiten ergeben sich hier jedoch u. a. durch die Beschaffenheit der Stichprobe (siehe Kapitel 3.4 und 3.5).

Für Klienten, die einen Online-Anschluss besitzen, bestehen unbestrittene Vorzüge der Online-Diagnostik in der unproblematischen und schnellen Zugriffsmöglichkeit, in der ständigen, orts- und zeitunabhängigen, Verfügbarkeit sowie in der Möglichkeit einer unmittelbaren Ergebnis-Rückmeldung. Klienten nehmen freiwillig an Online-Diagnostik- Angeboten teil.

Dieser Fakt und die Möglichkeit einer anonymen Teilnahme könnten Ursache für eine besonders hohe Offenheit sein. Diese Konstellation begünstigt aber auch eine unseriöse Nutzung netzbasierter Diagnostik.

Im Kontext von Online-Beratung und -Therapie stellt das Fehlen ergänzender Informationen über den Klienten ein weiteres Problem dar. Im Gegensatz zur klinischen Praxis, bei der sich eine Diagnose aus dem Eindruck, den der Therapeut während des Kontaktes mit dem Klienten gewinnt, und den Ergebnissen psychologischer Testverfahren zusammensetzt, fließt bei der Internetdiagnostik meist nur das Ergebnis der online erhobenen Informationen Diagnostik in das Urteil ein. Aus diesem Grund sollten seriöse Ergebnis-Auswertungen und psychologische Diagnosen äußerst vorsichtig und eher allgemein formuliert werden. Eine Online-Diagnostik erreicht in keinem Fall den Stellenwert einer psychologischen Diagnostik mit persönlichem Kontakt zwischen Klienten und Therapeuten, sondern kann nur eine (erste) Orientierung bieten. Sie kann auch eine individuelle Beratung oder Therapie nicht ersetzen (vgl. Döring, 2000b).

Trotz der Nachteile besteht ein großes Interesse an online-verfügbaren psychologischen Tests und Fragebögen, die Interessierten völlig neue Perspektiven eröffnen (vgl. Janssen, 1998).

2.2.5 Psychologische Online-Beratung und -Therapie

Döring (2000b, S. 530) sieht das Herstellen einer formellen Situation, „in der sich eine Beziehung zwischen Ratsuchendem und professionellem Berater konstituiert und die Möglichkeit besteht, gemeinsam Problemsituation und Lösungsvarianten zu explorieren“, als Voraussetzung, um von psychologischer Beratung im Internet sprechen zu können. Während Angebote netzbasierter Beratung inzwischen in vielfältiger Form zu finden sind, existiert Online-Therapie im Sinne eines wissenschaftlich begründeten und evaluierten Vorgehens, in Deutschland bisher nicht. Allerdings gibt es unterschiedliche Versuche, diese zu entwickeln und anzubieten.

In der Tabelle 5 finden sich einige ausgewählte Beispiele psychologischer Online-Beratung und -Therapie.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Auswahl deutschsprachiger psychologischer Beratungs- und Therapieangebote (Stand: 19.02.2004)

Ratsuchende, die sich auf die Suche nach psychologischer Online-Beratung oder -Therapie machen, erhalten bei Recherchen eine Vielzahl von Angeboten und Links, die beträchtliche Unterschiede in Bezug auf die Form des Angebotes, sowie in Bezug auf die Ausbildung und das zu Grunde liegende theoretische Fundament der Online-Berater bzw. -Therapeuten aufweisen.

Aktuell lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: einerseits kostenlose Angebote freier Träger, gemeinnütziger Einrichtungen, Vereine oder Verbände, die große Zugriffshäufigkeit aufweisen, und andererseits kostenpflichtige Angebote professioneller (aber auch unprofessioneller) Berater und Therapeuten, privater Online-Praxen, die momentan noch relativ wenig nachgefragt werden.

Im Kontext von psychologischer Beratung und Therapie wird Ratsuchenden am häufigsten der Austausch per E-Mail-Kontakt (elektronischer Post) angeboten.

[...]


1 http://heise.de/newsticker/data/anw-17.04.03-001 (kein konkreter Autor genannt)

2 Themenorientierte Diskussionsforen. Eine Art Pinnwand im Internet.

3 Bietet einer Vielzahl von Nutzern die Möglichkeit miteinander zu diskutieren. Es können auch Newsletter zu bestimmten Themenkomplexen versendet werden. Dazu schickt ein Server-Programm Kopien erhaltener Mails automatisch an jedes eingetragene Mitglied.

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Résumé des informations

Titre
Internetgestützte Online-Diagnostik stressinduzierender Belastungsfaktoren
Université
University of Leipzig  (Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie)
Note
1
Auteur
Année
2004
Pages
185
N° de catalogue
V25116
ISBN (ebook)
9783638278409
ISBN (Livre)
9783638702058
Taille d'un fichier
2752 KB
Langue
allemand
Annotations
Untertitel der Arbeit: Diagnostik mit dem 'Stress Check-up' - Ein interaktiver WWW-Fragebogen mit Rückmeldung. Zusammenfassung: Das Internet rückt zunehmend auch in das Blickfeld psychologischer Forschung, Beratung und Intervention. WWW-Befragungen stellen eine brauchbare Alternative zu traditionellen Datenerhebungsmethoden dar und sollen hier zur Anwendung kommen.
Mots clés
Internetgestützte, Online-Diagnostik, Belastungsfaktoren, Stress, Burnout, Stressbewältigung, Psychodiagnostik, Psychologischer Test, Testvervahren, Psychotest, Onlinediagnostik, Webbefragung, Onlinebefragung, Onlinefragebogen, Fragebogenkonstruktion, Testkonstruktion, Psychosomatik, Psychologie, Resilienz, Belastungsforschung, Erschöpfung
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Dipl. Psychologe Jörg Hartig (Auteur), 2004, Internetgestützte Online-Diagnostik stressinduzierender Belastungsfaktoren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25116

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Titre: Internetgestützte Online-Diagnostik stressinduzierender Belastungsfaktoren



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