Karl Bühler ordnete in seinem Organon-Modell (1934) dem Sprachzeichen die Grundfunktionen der Darstellung, des Ausdrucks sowie des Appells zu 1 . Dies bedeutet, daß ein Sender (Sprecher, Schreiber) einem Empfänger (Hörer, Leser) etwas über einen Gegenstand oder einen Sachverhalt mitteilt. Genauso verhält es sich bei Gesetzestexten: Dem Bürger werden Gebote und Verbote mitgeteilt. Doch von wem erfolgt diese Mitteilung? Oftmals bleibt der Sender hier im Unklaren. Roland Harweg fragte zu Recht, wer den Gesetzestext eigentlich äußere 2 . Er kommt zu dem Schluß, daß der Gesetzgeber - bestehend aus den Parlamentariern (Legislative), sowie aus den den Gesetzestext entwerfenden und (...) unterzeichnenden Personen 3 der Verantwortungsträger ist.
Wenn also klar ist, wer die Gesetze schreibt, weshalb ist es dann so schwierig den Verantwortlichen in den Paragraphen selbst auszumachen? Dies liegt an den zahlreichen Passiv-Konstruktionen und der damit
verbundenen Deagentivierung in Gesetzestexten. Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich untersuchen, warum der Gesetzgeber sich hinter diesen Passivkonstruktionen versteckt. Anhand des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland 4 werde ich deutlich machen, welche Ziele man mit der Passivverwendung verfolgt und ob diese erreicht werden. Des weiteren möchte ich klären, inwiefern das Passiv in Gesetzestexten sogar überflüssig ist und vermieden werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wer schreibt die Gesetze?
- Vom Passiv zum Grundgesetz
- Passiv: Mehr als nur ein semantischer Gegensatz zum Aktiv
- Passiv ist nicht gleich Passiv
- Das Vorgangs- und Zustandspassiv
- Passiversatzformen ohne Modalkomponente
- Passiversatzformen mit Modalkomponente
- Die Funktionen des Passivs in Gesetzestexten
- Verallgemeinerung
- Fokussierung
- Modalisierung
- Sprachstil
- Die Probleme bei der Passivverwendung in Gesetzestexten
- Gesetz = Feststellung?
- Gesetz = Befehl?
- Gesetz = Empfehlung?
- Passivverwendung aus Bequemlichkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Verwendung des Passivs im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und analysiert die Gründe für die Deagentivierung in Gesetzestexten. Es wird geklärt, welche Ziele der Gesetzgeber mit der Passivverwendung verfolgt und inwiefern das Passiv in Gesetzestexten überflüssig ist und vermieden werden kann.
- Analyse der Deagentivierung in Gesetzestexten durch Passivkonstruktionen
- Untersuchung der Ziele und Effekte der Passivverwendung im Grundgesetz
- Diskussion der Überflüssigkeit des Passivs in Gesetzestexten und mögliche Alternativen
- Bewertung der Verständlichkeit von Passivkonstruktionen in Gesetzestexten
- Einordnung der Arbeit im Kontext der Rechtslinguistik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die grundlegende Problematik der Deagentivierung in Gesetzestexten durch Passivkonstruktionen vor und erläutert die Relevanz der Untersuchung im Kontext der Rechtslinguistik. Das zweite Kapitel führt in die verschiedenen Arten des Passivs ein und behandelt die Unterscheidung in modales und nichtmodales Passiv. Das dritte Kapitel beleuchtet die Funktionen des Passivs in Gesetzestexten, wobei insbesondere die Wirkung und der beabsichtigte Effekt der Passivkonstruktionen untersucht werden.
Schlüsselwörter
Deagentivierung, Passiv, Grundgesetz, Gesetzestext, Rechtslinguistik, Sprachstil, Verständlichkeit, Modalisierung, Passiversatzformen, Funktionen des Passivs.
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- Michael Münch (Autor), 2003, Die deagentivierte Verfassung, Zur Verwendung des Passivs im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25548