Die Aufstände von Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika und die Kolonialkritik im Kaiserreich


Mémoire de Maîtrise, 2004

132 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Aufstände von Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika: Ursachen, Verlauf und Konsequenzen der Ereignisse in der Kolonie
1. Vorbemerkungen: Das Territorium Deutsch-Südwestafrikas, seine Bevölkerung und Entwicklung vor 1893
2. Ursachen: Grundzüge und Konsequenzen des „Systems Leutwein“
3. Verlauf: Die Aufstände von 1904 bis 1907 und ihre Niederschlagung
3.1. Der Herero-Aufstand
3.2. Der Nama-Aufstand
4. Konsequenzen: Die Situation von Herero und Nama nach dem Ende der Kämpfe

III. Die Kritik an Kolonisation und Kriegsführung im Kaiserreich
1. Kolonialpolitische Kompetenzen und die Möglichkeiten der Kolonialkritik
2. Die Kritik der SPD an Kolonisation und Kriegsführung
2.1. Vorbemerkungen
2.2. Erste Reaktionen: Die Kontroversen um die Stimmenthaltung im Reichstag
2.3. Die Frage nach den Ursachen des Herero-Aufstands: Der Blick auf die Akteure in der Kolonie
2.3.1. Probleme der Informationsbeschaffung
2.3.2. Das allgemeine Bild von den Kolonisten
2.3.3. Die Händler
2.3.4. Die Misshandlungen an den Afrikanern und das Gerichtswesen in der Kolonie
2.3.5. Die Mängel der Verwaltung in der Kolonie
2.3.6. Die Landfrage
2.3.7. Quintessenz: Die deutsche Kolonialpolitik und der „nationale Befreiungskampf“ der Herero
2.4. Die Kritik an der deutschen Kriegsführung gegen Herero und Nama
2.4.1. Die ethisch-moralische Argumentation
2.4.2. Die ökonomische Argumentation
3. Die Entwicklung der Zentrums-Positionen zu Kolonisation und Kriegsführung
3.1 Vorbemerkungen
3.2. Erste Reaktionen: Loyalität zu Siedlern und Regierung
3.3. Etappen der Distanzierung von der Kolonialpolitik
3.3.1. Die Entschädigungsdebatte
3.3.2. Die ersten Kritikpunkte Peter Spahns an der Kolonialverwaltung
3.3.3. Matthias Erzberger zu den Aufständen von Herero und Nama
3.3.3.1. Erzberger zur Vernichtungsstrategie des Generals von Trotha
3.3.3.2. Grundsätzliches zu Erzbergers Kampagne gegen die bisherige Kolonialpolitik
3.3.3.3. Deutsch-Südwestafrika in Erzbergers Kolonialkritik
4. Dernburg, die „Hottentotten-Wahlen“ und die Folgen

IV. Fazit

Karte von Deutsch-Südwestafrika

Quellen- und Literaturverzeichnis

Erklärung zur Magisterarbeit

I. Einleitung

Die deutsche Kolonialgeschichte, im Bewusstsein der bundesdeutschen Öffentlichkeit eigentlich kaum verankert, erfährt dieser Tage eine besondere Aufmerksamkeit in der Medienberichterstattung: Hundert Jahre sind vergangen, seitdem im Januar 1904 mit den Angriffen der Herero auf deutsche Kolonisten der längste Kolonialkrieg begann, den das Kaiserreich gegen indigene Bevölkerungsgruppen seiner Territorien in Übersee führte[1]. Über 14.000 Soldaten wurden bis Ende 1906 in das Gebiet des heutigen Namibia, der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, geschickt. Die „Vernichtung“ der gegnerischen „Stämme“[2] war dabei monatelang die erklärte Zielsetzung der deutschen Militärführung[3]. Die Herero waren nach den Gefechten am Waterberg im August 1904 militärisch geschlagen, der Großteil der Überlebenden war in die Wüste Omaheke an der Ostgrenze der Kolonie geflohen[4]. General Lothar von Trotha, der Oberbefehlshaber der deutschen Kampfverbände, verfügte die Abriegelung der Wüste, damit die Herero dort zu Tode kommen sollten. Im Oktober erließ er seine berühmt-berüchtigte Proklamation, mit der er den Angehörigen dieser Ethnie jegliches Lebensrecht innerhalb der Grenzen Deutsch-Südwestafrikas absprach. „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen“[5]. Dieser Erlass wurde zwar aus strategischen Erwägungen zwei Monate später durch kaiserliche Weisung zurückgenommen, faktisch wurde die Vernichtungsstrategie gegen die Afrikaner jedoch fortgeführt[6]. Sogenannte „Konzentrationslager“ wurden im ganzen Land errichtet, in denen Tausende Gefangene durch die katastrophalen Haftbedingungen und die Härte der zu leistenden Zwangsarbeit zu Tode kamen[7]. Im Oktober 1904 hatten auch die Nama im Süden der Kolonie den Kampf gegen die Deutschen begonnen. Gegen ihre Guerillastrategie hatten die zeitgenössisch als „Schutztruppen“ bezeichneten Militärabteilungen noch größere Probleme als zuvor gegen die Herero. Zuletzt standen einige Tausend deutsche Soldaten nur wenigen Hundert Nama gegenüber. Erst am 31. März 1907 wurde der Kriegszustand offiziell aufgehoben, wobei vereinzelte Kämpfe in den Randregionen der Kolonie noch länger andauerten. Zu „Kaisers Geburtstag“ am 27. Januar 1908 wurden die letzten überlebenden Herero und Nama aus der Kriegsgefangenschaft entlassen[8].

Auf Seiten der deutschen Truppen gab es knapp 2.350 Tote, Vermisste und Verwundete[9] ; die Gesamtkosten des Kolonialkriegs beliefen sich auf ca. 600 Millionen Mark[10]. Über die Anzahl der Opfer auf Seiten der Afrikaner lassen sich keine genauen Angaben machen, da die Schätzungen zu ihrer Bevölkerungsstärke vor dem Kolonialkrieg zum Teil erheblich auseinandergehen[11]. Doch auch unter Einbezug dieser Schwankungen ist „davon auszugehen, daß weit mehr als die Hälfte, eventuell sogar zwei Drittel der Herero, Orlam und Nama dem Krieg, der Verfolgung und der Gefangenschaft zum Opfer fielen. Je nach angenommener eingeborener Bevölkerungsstärke dürften demnach zwischen 30.000 und 75.000 Eingeborene umgekommen sein“[12]. Während die afrikanischen Gegner in ihrem Kampf gegen die Deutschen Frauen, Kinder, Missionare und Angehöriger anderer europäischer Nationalitäten weitgehend verschonten, richtete sich die deutsche Kriegsführung gegen die gesamte Herero- und Nama-Bevölkerung[13]. Die „Stammesverbände“ wurden infolge der Aufstände aufgelöst, ihr Besitz an Land und Vieh wurde enteignet. Die überlebenden Herero und Nama wurden zu nahezu rechtlosen Arbeitskräften degradiert, die umfassend kontrolliert werden und jederzeit verfügbar sein sollten[14]. Der Krieg von 1904 bis 1908 bildete damit eine tiefe Zäsur in der Entwicklung der Kolonie.

Im Großteil der Forschungsliteratur zum Thema wird das deutsche Vorgehen gegen die aufständischen Afrikaner als der erste von Deutschen verübte Genozid qualifiziert[15]. Auf dieser Einschätzung beruht auch die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Bank und zwei weitere Firmen, mit welcher der Herero-Chief Riruako und weitere Herero seit 2001 in den USA zwei Milliarden Dollar Entschädigung für ihre Ethnie erstreiten wollen[16]. In Anlehnung an die Prozesse um die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter wurden die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Kaiserreichs, die deutschen Unternehmen als Hauptprofiteure wegen Völkermord und Zwangsarbeit verklagt. Bundesaußenminister Joschka Fischer entschuldigte sich zwar auf der UN-Antirassismuskonferenz in Durban erstmalig für geschehenes Unrecht; eine finanzielle Entschädigung lehnt die Bundesregierung jedoch ebenso wie die beklagten Unternehmen ab[17].

Die Ereignisse in Deutsch-Südwestafrika, ihre Ursachen und Konsequenzen vor Ort können als relativ detailliert und umfassend dargestellt und erforscht gelten[18]. Gerade in den letzten Jahren hat die Anzahl der Monographien und Aufsätze zum Thema weiter zugenommen; im Zusammenhang mit den jüngst verstrichenen und demnächst anstehenden Jahrestagen ist mit weiteren Veröffentlichungen zu rechnen[19]. Die vorliegende Arbeit richtet ihren Blick auf einen Aspekt, der bisher jedoch weitgehend vernachlässigt wurde. Sie widmet sich den Diskussionen, die im Deutschen Reich über die Aufstände und deren Niederschlagung stattgefunden haben, genauer: sie fragt nach den politischen Kräften, die sich seinerzeit kritisch zur deutschen Vorgehensweise gegen Herero und Nama positioniert haben.

Im Reichstag wurde von einigen Abgeordneten scharfe Kritik an den bisherigen Methoden der Kolonisation und an der Militärstrategie gegen die afrikanischen Gegner formuliert. Insbesondere Sozialdemokraten traten über den gesamten Zeitraum des Konflikts als Ankläger der deutschen Kolonialherrschaft und Kriegsführung in Erscheinung. Die linksliberalen Parteien setzten sich zunächst ebenfalls für die Belange der indigenen Bevölkerung ein, schwenkten aber im Verlauf der Kämpfe auf Regierungslinie ein. Umgekehrt verlief die Entwicklung beim Zentrum: Die Partei des politischen Katholizismus hatte seit den 1890er Jahren die Regierung auch im Bereich der Kolonialpolitik unterstützt. Unter dem Eindruck der Ereignisse seit den Aufständen von Herero und Nama positionierte sie sich zunehmend kritischer und lehnte schließlich – zumindest was ihre Außendarstellung angeht – die bisherige Kolonialpolitik insgesamt als fehlgeleitet und kontraproduktiv ab. Der Kolonialkrieg im heutigen Namibia war nicht das einzige Problem, das seinerzeit auf Missstände der bisherigen Herrschaftspraxis in Übersee verwies: Der Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika und die Unruhen in Kamerun im gleichen Zeitraum führten allgemein zu der Wahrnehmung, dass das deutsche Kolonialreich in seiner bisher schwersten Krise steckte[20]. Zwei Mal wurde der Kolonialdirektor ausgewechselt; im Dezember 1906 wurde der Reichstag im Zusammenhang mit Kontroversen über die Kriegsführung in Deutsch-Südwestafrika aufgelöst. Bei den sogenannten „Hottentottenwahlen“ Anfang 1907 waren die Aufstände von Herero und Nama und die Kolonialpolitik insgesamt zentrale Wahlkampfthemen[21]. SPD und Zentrumspartei wurden scharf für ihre kritische Haltung zur Kriegsführung in Deutsch-Südwestafrika angegriffen, und der Wahlausgang zog wesentliche innenpolitische Kräfteverschiebungen nach sich. Die Sozialdemokraten verloren fast die Hälfte ihrer Reichstagsmandate. Das Zentrum konnte die Zahl seiner Abgeordneten zwar um fünf erhöhen, sah sich jedoch fortan von der Zusammenarbeit mit der Regierung ausgeschlossen. Die Linksliberalen waren hingegen gestärkt und lieferten seit der Wahl gemeinsam mit Nationalliberalen und Konservativen parlamentarische Mehrheiten für Reichskanzler Bülow („Bülow-Block“). Bernhard Dernburg, seit September 1906 Kolonialdirektor im Auswärtigen Amt, wurde im Mai 1907 leitender Staatssekretär des neugeschaffenen Reichskolonialamtes. Er gilt als der Reformer der deutschen Kolonialpolitik – er setzte zahlreiche Änderungen durch, die insbesondere vom Zentrum wiederholt eingefordert worden waren[22].

Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Rezeption der Aufstände von Herero und Nama und die diesbezügliche Argumentation von Seiten der SPD und der Zentrumspartei. Die linksliberalen Parteien werden außen vor gelassen – eine Analyse der Implikationen und Dimensionen ihres Positionswechsels zugunsten der Regierungspolitik würde den Rahmen der Arbeit sprengen[23]. Mit Eugen Richter verstarb 1906 eine linksliberale Führungspersönlichkeit, die als Garant einer kolonialkritischen Haltung anzusehen war. Mit den National-Sozialen um Friedrich Naumann hielten Kräfte bei den Linksliberalen Einzug, welche eine deutsche Kolonialpolitik ausdrücklich befürworteten. Die Annäherung an Bülow trug zudem einem verstärkten Verlangen nach Zusammenarbeit der liberalen Parteien Rechnung. Der kolonialpolitische Positionswechsel wirkte hier eher als Katalysator zugunsten einer innenpolitischen Zusammenarbeit mit den Nationalliberalen und der Regierung[24]. Da während des Wahlkampfes von 1906/07 insbesondere die SPD und das Zentrum für ihre kolonialkritischen Positionen angefeindet wurden, erscheint es gerechtfertigt, die folgende Darstellung und Analyse auf diese beiden Parteien zu beschränken.

Welche Aspekte der deutschen Kolonisation im heutigen Namibia und des Kriegs gegen Herero und Nama wurden von Sozialdemokraten und Zentrumspolitikern aufgegriffen? Wie wurden diese dargestellt, was genau wurde daran kritisiert? Wurden die Bedeutung der Ereignisse und ihre potenziellen Folgen realistisch eingeschätzt? Wie positionierte man sich zu den unterschiedlichen Akteuren in der Kolonie? Welche politischen Ziele und Strategien wurden verfolgt, welche Mittel eingesetzt? Inwiefern konnten Erfolge erzielt werden? Gab es parteiinterne Differenzen zum Thema? Veränderten sich die Positionen und Vorgehensweisen? Inwiefern unterschieden sich die Einschätzungen und Schlussfolgerungen von SPD und Zentrum, welche Gemeinsamkeiten sind festzustellen?

Die Arbeit gliedert sich zur Klärung dieser Fragen in zwei Blöcke. Der erste Block widmet sich den Vorgängen in Deutsch-Südwestafrika. Ursachen, Verlauf und Konsequenzen des Kriegs zwischen Herero und Nama und der deutschen Kolonialmacht werden auf der Basis des aktuellen Forschungsstands umrissen; ohne diese Vorkenntnisse erscheint ein Verständnis und eine Bewertung der Kritik im Deutschen Reich unmöglich. Der zweite Block widmet sich den Möglichkeiten, den Positionen und den Auswirkungen der Kritik am deutschen Vorgehen durch SPD und Zentrum. Zunächst werden das Kompetenzgefüge bei Kolonisation und Kriegsführung und die Möglichkeiten der parlamentarischen Einflussnahme umrissen. Es folgt die detaillierte Darstellung und Analyse der Rezeption der Ereignisse durch SPD und Zentrum, der Argumente, Ziele und Strategien ihrer Kritik. Anmerkungen zu Kolonialdirektor Bernhard Dernburg, den „Hottentottenwahlen“ und ihren Folgen schließen sich an, bevor zuletzt ein Fazit der Erörterungen gezogen wird.

Die Rezeption des Kolonialkriegs durch die deutschen Parteien und die konkreten innen- und kolonialpolitischen Folgen sind bisher nicht zusammenhängend bearbeitet worden. Die Literatur zur kolonialpolitischen Haltung der Parteien im Kaiserreich ist insgesamt als dürftig zu beurteilen. Zwei Arbeiten mit klar prokolonialer Tendenz erschienen in den 1930er Jahren: „Deutsche Kolonialpolitik im Reichstag“ von Hans Spellmeyer sowie „Die deutsche Kolonialpolitik und das Zentrum“ von Hans Pehl. Zu den kolonialpolitischen Positionen der SPD legte Hans-Christoph Schröder 1968 eine Untersuchung mit dem Titel „Sozialismus und Imperialismus“ vor, die zur Information über die grundsätzliche Haltung der Sozialdemokraten sehr hilfreich ist. Die Dissertation von Maria-Theresia Schwarz zur deutschen Kolonialkritik, die 1999 erschien, widmet sich lediglich der Zeit bis zur Jahrhundertwende. Etwas mehr Literatur ist zu einzelnen Problemen und Akteuren des abgesteckten Themas verfügbar. Mehrere Autoren haben sich den prokolonialen Kräften innerhalb der SPD gewidmet[25]. Beim Zentrum war es der 1921 einem Attentat zum Opfer gefallene zeitweilige Finanzminister der Weimarer Republik, Matthias Erzberger, der als junger Reichstagsabgeordneter die Partei auf einen deutlich kolonialkritischen Kurs drängte. In den genutzten Erzberger-Biographien wird daher auch auf die kolonialpolitischen Positionen des Zentrums und deren Wandlung durch Erzberger eingegangen[26]. Karl Bachem widmet sich in seiner umfangreichen Zentrumsgeschichte ebenfalls ausführlicher diesem Thema[27]. Schließlich sind die Biographie des Kolonialdirektors Dernburg von Werner Schiefel zu erwähnen sowie zwei Arbeiten zu den Wahlen von 1907: Die Monographie „The German Elections of 1907“ von George Dunlap Crothers, die immer noch als Standardwerk genannt wird (obwohl schon 1941 erschienen), und der Aufsatz von Wolfgang Reinhardt, der speziell den Zusammenhang von Kolonialkrise und „Hottentottenwahlen“ umreißt.

Als wichtigste Quelle für den Hauptteil der Arbeit sind die Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des deutschen Reichstages hervorzuheben. Hier wurde die Kritik an der deutschen Kriegsführung und Kolonisation ausführlich und differenziert, aber auch pointiert und öffentlichkeitswirksam vorgetragen. Die Berichte verzeichnen zudem auch die Reaktionen der Abgeordneten und die Interaktion zwischen Fürsprechern und Gegnern des deutschen Kolonialengagements. Die Zentralorgane von SPD und Zentrum, der „Vorwärts“ und die „Germania“, wurden außerdem zu Rate gezogen. Bei den Sozialdemokraten waren Protokolle der Fraktionssitzungen und Parteitage zum Teil hilfreich[28]. Für das Zentrum lagen derartige Protokolle leider nicht vor, dafür jedoch einige Broschüren zur Kolonialpolitik, die von Matthias Erzberger verfasst wurden. Da er der Protagonist der Kolonialkritik des Zentrums war und rege Öffentlichkeitsarbeit für seine Interventionen und Initiativen betrieb, sind diese Schriften ebenfalls von besonderem Interesse.

Was sagt uns schließlich heute die Kritik, die im Kaiserreich vor hundert Jahren an der deutschen Kriegsführung gegen Herero und Nama formuliert wurde? Die Intention dieser Arbeit ist es keineswegs, von der zunehmenden Diskussion um deutsche Verantwortung für koloniale Gewalt und Unterdrückung abzulenken, indem auf inländische Kritiker verwiesen wird. Die Klage der Herero-Vertreter wegen Völkermord und Zwangsarbeit sowie der hundertste Jahrestag des Herero-Aufstands haben der Thematik eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit eingebracht, die zugunsten einer Aufarbeitung nur zu begrüßen ist. Dennoch erscheint es von Interesse, wie der Kolonialkrieg und dessen katastrophalen Folgen für die afrikanischen Gegner im Kaiserreich selbst diskutiert wurden. Eine Untersuchung der kolonialkritischen Positionen in diesem Zusammenhang fehlt bisher – die folgende Arbeit versucht, diese Lücke zu schließen.

II. Die Aufstände von Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika: Ursachen, Verlauf und Konsequenzen der Ereignisse in der Kolonie

1. Vorbemerkungen: Das Territorium Deutsch-Südwestafrikas, seine Bevölkerung und Entwicklung vor 1893

Das Territorium, welches Ende des 19. Jahrhunderts infolge einer Reihe von Verträgen mit den Chiefs der indigenen Bevölkerungsgruppen und den anderen europäischen Kolonialmächten als Deutsch-Südwestafrika deklariert wurde[29], wird durch die Flüsse Kunene und Oranje im Norden und Süden, durch den Atlantik im Westen und die Kalahari im Osten eingegrenzt. Die Gesamtfläche beläuft sich auf etwa 835.000 Quadratkilometer – damit war die Kolonie ungefähr 1 ½ mal so groß wie das Deutsche Reich[30]. Nördlich des sogenannten „Schutzgebiets“ lag das portugiesische Angola, östlich „Britisch-Betschuanaland“ und südlich die ebenfalls britische Kapkolonie. Das mit diesen Grenzen geschaffene Land gehört „mit seinen Wüsten- und Halbwüstengebieten, seinen Dorn- und Trockensavannen sowie seiner Gewässerarmut zu den Trockengebieten Afrikas“[31]. An den Atlantik schließt sich die nahezu wasserlose Küstenwüste Namib an, die in einer Breite von 80 bis 130 Kilometern das Inland abriegelt. Das Hochplateau im Landesinneren liegt im Durchschnitt 1.700 Meter über dem Meeresspiegel und wird von zahlreichen Bergen und Gebirgszügen unterbrochen. Die Flüsse, die sogenannten „Riviere“, führen nur episodisch Wasser. Büsche, Sträucher und Gräser prägen die karge Savannenlandschaft, nur in den nördlichen Regionen ist der Niederschlag häufiger und die Vegetation üppiger. „Während an der Küste ein mildes Klima ohne allzu große Temperaturschwankungen vorherrscht, ist das Klima im Landesinneren trocken und warm bis heiß mit z. T. erheblichen tages- und jahreszeitlichen Temperaturunterschieden. So sind hier Tage mit Höchsttemperaturen von 35° C bis 40° C, gefolgt von Nächten mit Nachtfrost, keine Seltenheit. Nur im äußersten Norden und Nordosten trifft man das feuchtwarme Tropenklima an“[32].

Die Angaben zur Bevölkerung des Territoriums differieren in der Literatur zum Teil erheblich, und zwar hinsichtlich der Unterscheidung der verschiedenen Ethnien wie auch hinsichtlich der Anzahl ihrer Angehörigen. So gibt Steltzer unter Berufung auf einen Missionar an, dass es vor dem Kolonialkrieg „nicht viel mehr als“ 35.000 Herero gegeben hätte[33], während Drechsler einen anderen Missionar nennt, der für 1874 die Bevölkerungsstärke der Herero mit 90.000 bis 100.000 beziffert hatte[34]. Hierzu Krüger: „Da es vor dem Krieg keine Volkszählungen gab, die einzelnen Missionare auf ihren Stationen und in ihren Distrikten mit einer fluktuierenden Bevölkerungszahl konfrontiert waren und ohnehin nicht immer wußten, wer überhaupt zu ‚den Herero‘ zählte, kommt es zu diesen hohen Schwankungen in den Schätzungen“[35]. Die unterschiedlichen Angaben in der Forschungsliteratur stehen zum Teil auch mit der Debatte Pro und Contra Völkermord in Zusammenhang: Insbesondere Autoren, die sich dagegen aussprechen, die deutsche Kriegsführung von 1904 bis 1907/08 als Genozid zu bezeichnen, setzen die Vorkriegsbevölkerung niedrig an, womit auch die Opferzahlen auf Seiten der Afrikaner verringert werden[36]. Kaulich bezieht diese Probleme bei den Angaben ein und nennt folgende Ethnien und Bevölkerungsstärken für „die Jahre unmittelbar vor der Inbesitznahme durch das Deutsche Reich [...]: etwa 80.000 bis 100.000 Herero, etwa 98.000 Ovambo, etwa 20.000 bis 30.000 Dama, etwa 12.000 bis 20.000 Nama, etwa 7.000 Orlam, etwa 3.000 San und etwa 1.500 bis 3.000 Baster“[37]. Daraus ergibt sich, dass ungefähr 220.000 bis 260.000 Afrikaner auf einer Fläche von 835.000 Quadratkilometern lebten – diese Zahlen verdeutlichen die äußerst geringe Bevölkerungsdichte des Territoriums.

Die Ovambo, die in den nördlichen Regionen des Landes und im südlichen Angola lebten, wurden faktisch nie unter deutsche Verwaltung gestellt. Die Gebiete, die später von Deutschen besiedelt wurden, wurden im 19. Jahrhundert von Herero- und Nama- bzw. Orlam-Clans beherrscht (die Orlam werden in dieser Arbeit wie auch im Großteil der Literatur unter den Nama subsummiert). Die Herero zählen zur Sprachgruppe der Bantu. Sie lebten hauptsächlich auf der zentralen Hochebene, während die khoisansprachigen Nama (im zeitgenössischen Deutsch abwertend als „Hottentotten“ bezeichnet) die südlichen, stärker zerklüfteten Regionen kontrollierten.

Herero und Nama wurden von den Kolonisten unterschiedliche „rassische“ Merkmale zugeschrieben. In ihrem sozialen Gefüge zeigten sie zahlreiche Gemeinsamkeiten: Beide Ethnien werden als halbnomadische Viehzüchtergesellschaften beschrieben[38]. Sie lebten in Gruppen von einigen Hundert Menschen, die um einen Kern wohlhabender und angesehener Großfamilien organisiert waren. Die Oberhäupter dieser Familien bzw. Clans wurden in der Sprache der Kolonisten als „Großleute“ bezeichnet, die Gruppen insgesamt als „Stämme“. Von den Clans wurde die männliche Führungspersönlichkeit aus ihrer Mitte bestimmt, der Chief (bzw. „Häuptling“ genannt). Individuelle und familiäre Macht bemaß sich dabei nach der Größe der Herden und der Fähigkeit, Gefolgschaft zu rekrutieren. Die Gemeinwesen lebten hauptsächlich von der Groß- und Kleinviehzucht, daneben von der Jagd und dem Sammeln von Knollen, Wurzeln und Zwiebeln. Die Weidegründe und damit auch die Dörfer wurden aufgrund der dürftigen Vegetation saisonal gewechselt. Einen fixierten Grenzbegriff gab es nicht, auch Privatbesitz an Boden war unbekannt. Die Nutzungsrechte für das Weideland lagen bei der gesamten Gruppe und verschoben sich mit wechselnden Machtverhältnissen. Über die Grenze zur Kapkolonie wurde außerdem Handel betrieben. Einige größere Nama- bzw. Orlam-Gruppen waren seit dem späten 18. Jahrhundert vor dem zunehmenden Besiedlungsdruck in der Kapkolonie Richtung Norden in das Gebiet des späteren Deutsch-Südwestafrika ausgewichen. „Ausgerüstet mit Pferden und Waffen, zu großen Teilen christianisiert und vertraut mit europäischen Waren, Sprachen und Denkweisen waren die Orlam eine typische Erscheinung der südafrikanischen Kolonial- und Grenzgesellschaft, der frontier. Nachkommen der früher das Kap beherrschenden Khoikhoi clans, entlaufene und freigelassene Sklaven, ‚Mischlinge‘, die weder in der ‚weißen‘ noch in der afrikanischen Gesellschaft assimiliert wurden, Grenzgänger, Vertriebene und Abenteurer bildeten neue sozio-politische Einheiten, deren wirtschaftliche Grundlage Jagd, Handel, Viehzucht und eine Tribut- und Raubökonomie waren“[39].

Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren auch immer häufiger europäische Forscher, Jäger und Händler aus dem Süden über den Oranje vorgedrungen[40]. Kurz nach der Jahrhundertwende und verstärkt seit den 1840er Jahren gründeten Missionare Stationen im Gebiet der späteren deutschen Kolonie[41]. Insbesondere die Rheinische Missionsgesellschaft mit Hauptsitz in Barmen wurde hier aktiv; später bekam die protestantische Gesellschaft von der deutschen Verwaltung das Monopol auf die Missionierung der indigenen Bevölkerung zugesichert. Die Missionsstationen entwickelten sich zu neuartigen Zentren des gesellschaftlichen Lebens der Afrikaner[42]: Kinder und Jugendliche aus wohlhabenden Herero- und Nama-Familien wurden von den Missionaren unterrichtet, an den Stationen wurde Handel betrieben, und schnell fungierten die europäischen Geistlichen auch als Diplomaten zwischen den konkurrierenden Gruppen (freilich wesentlich von eigenen situationsbedingten Interessen geleitet). Mit der zunehmenden Verbreitung von Pferden und Gewehren wurden die Beutezüge im Verlauf des 19. Jahrhunderts häufiger, die Konflikte verschärften sich, die ökonomische und politische Macht wurde stärker zentralisiert. Die Herero konnten seit der Jahrhundertmitte riesige Rinderherden aufbauen, welche eben diese ökonomische und politische Macht symbolisierten und auch in religiösen Zusammenhängen eine wesentliche Rolle spielten. „Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ‚Nama‘ und ‚Herero‘, ein zentraler Topos der Geschichtsschreibung, beruhten weniger auf ethnischen Konflikten als auf Raubzügen und Vergeltungsschlägen jeweils unterschiedlicher Bündnisse“[43].

Das Deutsche Reich, welches 1884 mit der Bismarck’schen „Schutzerklärung“ für einen Teil des späteren Territoriums in die Reihe der europäischen Kolonialmächte aufgerückt war, war anfangs personell kaum präsent[44]. Nachdem das Interesse der deutschen Wirtschaft an einem Engagement in dem Gebiet äußerst verhalten geblieben war und Bismarcks Konzept des „regierenden Kaufmanns“ damit scheiterte, wurden zwar drei Beamte in die Kolonie geschickt, denen 1889 zum militärischen Schutz 21 Soldaten zur Seite gestellt wurden. Doch auch nachdem dieser Truppenverband auf 200 Soldaten aufgestockt worden war, konnte die neue Kolonialmacht kaum Einfluss auf die Machtverhältnisse und Konflikte zwischen den Herero- und Nama-Gruppen ausüben. „Der erste Gouverneur von Südwestafrika, Theodor Leutwein, schrieb zur Bedeutung der ersten ‚Schutzverträge‘, daß die chiefs ‚einen Teil ihrer Regierungsgewalt an uns abgaben und dafür das Versprechen des Schutzes erhielten. Aber diejenigen, die im Namen des Reiches diesen Schutz versprachen, hatten hierzu nicht die geringste Macht‘. Bis 1893 bestand die ‚Schutzherrschaft‘ praktisch nur nominell, wie Leutwein weiter schrieb, und hatte wenig Auswirkungen auf die tagespolitischen Ereignisse“[45].

2. Ursachen: Grundzüge und Konsequenzen des „Systems Leutwein“

Major Leutwein[46] schaffte es als deutscher Landeshauptmann und Gouverneur, die Spannungen unter den Stammesverbänden auch mit knapp bemessenen Mitteln zugunsten der deutschen Kolonialinteressen auszunutzen und über einen längeren Zeitraum zu kontrollieren. Bei seiner Ankunft im Schutzgebiet am 1. Januar 1894 hatte er mittlerweile 340 Soldaten zur Verfügung, die in den Jahren bis zum Herero-Aufstand auf ca. 750 Mann aufgestockt wurden[47]. Sein Ziel war die Herbeiführung eines tragfähigen Landfriedens und die Durchsetzung eines staatlichen Gewaltmonopols der deutschen Kolonialmacht[48]. „Kriegerische Streitigkeiten, Fehden und Viehraubzüge konnten in dem zu errichtenden modernen Staat nicht geduldet werden, denn nur durch innere Stabilität konnte das Land für Siedler und Investoren interessant werden, die wiederum für die wirtschaftliche Entwicklung des Schutzgebietes benötigt wurden“[49]. Folgende Eckpunkte charakterisieren die Strategie, die Leutwein bis 1904 gegenüber den Herero und Nama erfolgreich verfolgte[50]:

- Bei Übergriffen von Afrikanern auf deutsche Staatsangehörige und indigene Bündnispartner des Reichs begab er sich mit Truppenkontingenten und Kanonen zur betreffenden Gruppe und führte mit Hilfe des militärischen Drohpotenzials Verhandlungen mit den Chiefs und Clan-Oberhäuptern. Ziel war der Abschluss eines Vertrages über die Anerkennung der deutschen Oberhoheit: „Kein Landverkauf ohne Zustimmung des Kaisers, Schutz und Bewegungsfreiheit für Reichsangehörige, Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung“[51]. Bei Streitfällen sollten in Zukunft deutsche Kolonialbeamte vermitteln.

- Er zögerte nicht, seine militärischen Mittel auch einzusetzen, wenn der Streitfall seines Erachtens eine Bestrafung erforderlich machte, die Herero- oder Nama-Verbände nicht zu Verhandlungen bereit waren, sich den Forderungen widersetzten oder vertragsbrüchig wurden. An den Feldzügen beteiligte er bald auch Hilfstruppen der indigenen Bündnispartner. Das Ziel blieben jedoch anschließende Verhandlungen und eine Vertragslösung.
- Bei Vertragsbrüchen setzte Leutwein zudem Gerichte ein, deren Vorsitz er selbst oder ein anderer Kolonialbeamter übernahm. Auch hier wurden mit den Deutschen verbündete Clan-Oberhäupter teilweise als Richter einbezogen. Die Gerichte verhandelten den Sachverhalt öffentlich und sprachen ein Urteil über Strafen und Kompensationen: Sie verhängten mitunter Todesstrafen für die Verantwortlichen, verfügten Freiheitsstrafen, Entwaffnungen, Gebietsabtretungen oder die Pfändung von Rindern.
- Zur Absicherung der Machtverhältnisse wurden deutsche Militärstationen an den Hauptsitzen verbündeter und unterworfener Herero- und Nama-Gruppen errichtet. Auch finanzielle Zuwendungen wurden, wenn auch selten, zur Bindung an die deutsche Oberhoheit eingesetzt.

Diese Maßnahmen Leutweins führten zunehmend zur Erosion der sozioökonomischen Grundlagen der Herero- und Nama-Gesellschaft. Sein Herrschaftssystem richtete sich auf die Kollaboration der Chiefs – wer sich seinen Forderungen nicht beugte, wurde militärisch oder „juristisch“ vor den Augen seiner Gefolgschaft gedemütigt. Bei seinen Maßnahmen achtete er „jedoch stets darauf, dass diese auf einer Rechtsgrundlage fußten und nicht als Willkürakte oder bloße Anwendung des Rechts des Stärkeren verstanden wurden“[52], setzte er doch auf die langsame Gewöhnung der indigenen Bevölkerung an die neuen Machtverhältnisse. Die Beziehungen Leutweins zu den Chiefs waren teils von beiderseitig durchaus ehrlichem Respekt geprägt, es kam vereinzelt auch zu Ersuchen nach seiner „Schutzherrschaft“[53]. Mit dem Nama-Chief Hendrik Witbooi und dem Herero-Chief Samuel Maherero hatte Leutwein mächtige Bündnispartner gewinnen können, die seine Politik über Jahre stützten. Das Einbeziehen der mit den Deutschen verbündeten Herero- und Nama-Gruppen in die Feldzüge und Gerichtsverfahren gegen Widerständige, mit denen diese ihre Loyalität (auch zum eigenen Vorteil) zu untermauern hatten, nutzte die Fraktionierung der afrikanischen Gesellschaft und vertiefte sie weiter („divide et impera“).

Die Herero waren von den Maßnahmen des Landeshauptmanns und Gouverneurs stärker betroffen, da ihr Lebensraum im zentralen Hochland zuerst zum Siedlungsgebiet der deutschen Siedler umstrukturiert wurde. Leutwein griff massiv in interne Angelegenheiten der Herero ein, indem er beispielsweise Samuel Maherero in einem Erbfolgestreit gewaltsam als „Oberhäuptling“ durchsetzte und nach einem späteren Konflikt dessen Konkurrenten zum Tode verurteilen ließ[54]. Samuel Maherero, „der keineswegs nur eine Marionette in den Händen des deutschen Gouverneurs war, sondern diesen zu seinen eigenen Zwecken zu instrumentalisieren suchte“[55], profitierte über Jahre von den Leutwein’schen Maßnahmen: Bei der Fixierung von Grenzverläufen zulasten anderer Herero-Chiefs, an denen Maherero mitwirkte, wurden nicht nur immer größere Gebiete zur Besiedelung durch deutsche Farmer geschaffen, sondern befördert durch Leutwein auch an ihn abgetreten. Die Erlöse durch die Pfändung von Rindern der Herero-Gruppen, die vertragliche Vereinbarungen (wie die neu vereinbarten Grenzlinien) missachtet hatten, kamen ebenfalls nicht nur der Kolonialverwaltung, sondern bis zur Hälfte Samuel Maherero zugute. „Nun erhielten Land-, Eigentums- und Abgrenzungsfragen eine entschieden neue, rechtlich fixierte und abgesicherte Qualität, deren Missachtung durch Eingeborene von der staatlichen Exekutive ‚legal‘ geahndet werden musste“[56], die jedoch klar den traditionellen Rechtsauffassungen der Herero widersprach. Für den Bau der Eisenbahn vom Hafen Swakopmund zur „Hauptstadt“ Windhuk und die zu Jahrhundertwende projektierte Bahn der „Otavi Minen- und Eisenbahngesellschaft“ gingen große Landstriche in deutschen Besitz über. Reservate wurden geplant, deren anvisierte Lokalisation den Interessen deutscher Siedler, nicht denen der Herero Rechnung trug – die Reservatsplanungen führten den Chiefs vor Augen, dass die bisherigen Landesabtretungen nur der Beginn immer ausgreifenderer Enteignungen darstellen sollten[57]. Ihre für die Rinderzucht unabdingbare Mobilität wurde immer weiter eingeschränkt. Umsiedlungen infolge der neu festgelegten Grenzen hatten „in den nun überbevölkerten Gebieten eine allgemeine Verarmung zur Folge. Durch die Beschränkungen der traditionellen Einnahmequellen der Häuptlinge waren diese nicht mehr in der Lage, die Verarmung auszugleichen und ihr Patronagesystem aufrechtzuerhalten. Die Loyalität ihrer Klientel nahm ab und führte zu enormen Spannungen innerhalb der traditionellen Gesellschaften“[58].

Leutweins Politik gegenüber den Führern der indigenen Gruppen war damit durchaus ambivalent: Einerseits beließ er sie formal in ihrer angestammten Stellung und gründete sein Herrschaftssystem auf Zusammenarbeit mit ihnen, andererseits untergrub er ihre Machtbasis. Verschärft wurde diese Entwicklung durch die große Rinderpest von 1897, durch die der Großteil des Viehbestandes der Herero verendete[59]. Durch Rinderkadaver verseuchte Brunnen verursachten Epidemien, an denen Tausende Herero zu Tode kamen; der Verlust der gesellschaftlich in vielfältiger Hinsicht so wesentlichen Rinderherden bewirkte eine „kulturelle Krise“ der Herero[60]. Es folgte eine Dürrephase von 1899 bis 1902. „Das die traditionellen Eliten stützende Wirtschafts- und Patronagesystem brach vollends zusammen“[61]. Die Herero waren erstmals zunehmend gezwungen, bei den Deutschen Lohnarbeit anzunehmen.

Der weiße Bevölkerungsanteil hatte sich in den 10 Jahren vor dem Beginn der Aufstände durch Anwerbemaßnahmen des Staates und der Koloniallobby stetig weiterentwickelt: Waren 1893 nur 1.150 Europäer in der Kolonie gemeldet, erhöhte sich ihre Anzahl bis 1896 auf 2.025, zum Jahrhundertwechsel auf 3.388 und zum Anfang des Jahres 1903 auf 4.682[62]. Diese Werte erscheinen im Vergleich zur Größe der einheimischen Bevölkerung gering, doch handelte es sich um eine „Führungsschicht“: „Der einzelne Farmer oder Schutztruppler hatte in diesem Gebiet, das trotz der ‚eingeborenen‘ Bevölkerung als ‚Neuland‘ betrachtet wurde, einen relativ großen Wirkungsraum“[63]. Der Zustrom deutscher Auswanderer, die sich in der Kolonie „eine neue Existenz aufbauen“ wollten, führte abseits der Landfrage zur Ausweitung und Intensivierung von Konfliktbereichen mit Herero und Nama. Da diese für den Aufstandsentschluss der Herero und die kolonialkritischen Argumente in den Diskussionen über die Ereignisse ab 1904 eine große Rolle spielen, sollen die wesentlichen Problemkreise abschließend kurz angerissen werden[64].

Mit der Zunahme des deutschen Bevölkerungsanteils in der Kolonie gab es immer mehr Neuankömmlinge, die durch Handelsgeschäfte das nötige Kapital und den Viehbestand erwirtschaften wollten, der zum Aufbau einer Farm notwendig war. Den Afrikanern wurden Waren zu möglichst hohen Preisen und auf Kredit angeboten und aufgedrängt, die später überwiegend mit Rindern zu bezahlen waren. Es sammelten sich immense Außenstände an, die von den Händlern oftmals eigenmächtig und gewaltsam eingetrieben wurden. Leutwein versuchte, diesem „Händlerunwesen“ durch das Verbot von Kreditgeschäften entgegenzuwirken, konnte jedoch nur eine Verjährungsfrist von einem Jahr durchsetzen. Diese Regelung verschärfte die Problematik weiter, versuchten doch die Gläubiger jetzt umso vehementer, ihre Schulden vor Ablauf der Frist auch eigenmächtig auszugleichen[65]. Sozialdarwinistische Prägungen bei einem zunehmenden Anteil der Siedlerschaft führten allgemein zu einem Anstieg von Übergriffen auf Afrikaner. Die Prügelstrafe war weit verbreitet, auch Angehörige führender Clans wurden misshandelt. Sexueller Missbrauch von Herero- und Nama-Frauen durch männliche Kolonisten nahm außerdem zu. Wenn derartige Vorkommnisse von deutschen Gerichten verhandelt wurden, kam es häufig zu milden Urteilen gegenüber den eigenen Landsleuten, wohingegen die Vergehen von „Negern“ und „Hottentotten“ (wozu auch der Widerstand gegen Übergriffe zählen konnte) mit drakonischen Strafen geahndet wurden.

Innerhalb von nur 10 Jahren seit der Ankunft Leutweins hatten sich damit die Lebensbedingungen insbesondere der Herero fundamental verändert. Die Einschränkungen von Mobilität und Lebensraum, die Reservatspläne, die Enteignung der durch die Rinderpest schon drastisch dezimierten Viehbestände, die gewaltsamen Übergriffe, die Unterwerfung unter ein fremdes, parteiisches Rechtssystem – diese sich extensivierenden und intensivierenden Entwicklungstendenzen summierten sich zu einem Bedrohungspotenzial, das nach Einschätzung der Chiefs und Clan-Führer nur noch durch eine gewaltsame Vertreibung der Deutschen zu beseitigen war[66].

3. Verlauf: Die Aufstände von 1904 bis 1907 und ihre Niederschlagung

3.1. Der Herero-Aufstand

Der Aufstand zahlreicher Herero-Gruppen unter der Führung von Samuel Maherero begann am 12. Januar 1904[67]. Leutwein befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem Großteil der Kolonialarmee und ihrer indigenen Hilfstruppen mehr als 20 Tagesmärsche entfernt im Süden der Kolonie, um einen Konflikt mit den Bondelzwart-Nama zu beenden[68]. Im Siedlungsgebiet der Herero waren zum militärischen Schutz der Deutschen lediglich eine Feldkompanie, eine kleine „Schutztruppen“-Abteilung sowie zuvor eingezogene Reservisten verblieben[69]. In einer Überraschungsoffensive töteten die Aufständischen über 100 deutsche Männer, plünderten Farmen, Handels- und Militärstationen, steckten sie in Brand und trieben die erbeuteten Rinderherden mit sich. Frauen und Kinder, außerdem Missionare, Briten und Buren wurden bis auf wenige Ausnahmen verschont - die Erhebung richtete sich gezielt gegen die deutsche Kolonialmacht, gegen Farmer, Händler, Beamte und Soldaten. Die Angegriffenen zeigten sich trotz z. T. erfolgter Warnungen überrascht. Sie flüchteten in befestigte Militärstützpunke und Siedlungen, alarmierten Berlin und den Gouverneur. Ihre befestigten Rückzugsräume wurden von den Herero belagert, während der gesamten Dauer des Konflikts jedoch aus nicht ersichtlichen Gründen nie gestürmt. Stattdessen wurde die Schmalspurbahn von Swakopmund nach Windhuk an mehreren Stellen zerstört und Telegraphenverbindungen gekappt, um Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten der Gegner einzuschränken. Nach wenigen Tagen hatten die Herero das gesamte Aufstandsgebiet unter ihrer Kontrolle.

Von Mitte Januar bis Anfang Februar konnten die Siedlungen von einer Truppenabteilung, die auf ihrem Weg nach Süden umgekehrt war, zwar wieder befreit werden. Die Lage blieb jedoch kritisch. Soweit möglich, konzentrierte man sich auf die notdürftige Reparatur der Eisenbahn, ferner auf die Instandsetzung der Telegraphenverbindungen und die Sicherung der Ortschaften. Bevor man eine Gegenoffensive startete, sollten der Gouverneur und militärische Verstärkung abgewartet werden.

Leutwein erreichte Swakopmund am 11. Februar. Innerhalb von 14 Tagen hatte er einen Friedensvertrag mit den Bondelzwarts geschlossen und sich auf dem Seeweg zurück Richtung Norden begeben. Truppensendungen aus Deutschland hatte er zunächst nicht für notwendig erachtet, sie waren trotzdem in Berlin umgehend vorbereitet worden. Gemäß seiner bisherigen Strategie wollte Leutwein zunächst politische Lösungsansätze eruieren, zumal der Aufstand von seinem bisher loyalsten Verbündeten geleitet wurde[70]. Im Aufstandsgebiet eingetroffen suchte er brieflich Kontakt zu Samuel Maherero, um Aufschlüsse über dessen Aufenthaltsort und Beweggründe zu gewinnen und eventuell in Verhandlungen einzutreten. Diese Initiative wurde von einem Farmer nach Deutschland gemeldet, woraufhin aus Berlin umgehend Verhandlungen ohne ausdrückliche kaiserliche Genehmigung untersagt wurden. Die Stellung Leutweins war bereits zu diesem Zeitpunkt geschwächt: Seine bisherige Herrschaftspraxis gegenüber den afrikanischen Eliten wurde von fanatisierten Siedlern und der Koloniallobby als Nachgiebigkeit und „Negerfreundlichkeit“ denunziert, ihm wurde eine Teilverantwortlichkeit für die Aufstände zugeschoben[71].

Zu Beginn des Aufstands standen geschätzte 7.000 bis 8.000 Herero-Kämpfer gegen 750 Schutztruppensoldaten, mit den Truppenverstärkungen in der ersten Februarhälfte kamen ca. 950 Soldaten auf deutscher Seite hinzu[72]. Die Aufständischen erhielten in den ersten Wochen weiteren Zulauf bisher unentschlossener Herero-Gruppen[73]. Die Bemühungen Mahereros um Bündnisse abseits der Herero waren hingegen kaum erfolgreich[74]: Lediglich ein Ovambo-Führer entschied sich zu einem begrenzten Angriff auf ein Fort im Norden des Landes, der jedoch auf eigene Machterweiterung und nicht auf Unterstützung der Herero abzielte. Hermanus van Wijk, Chief der im Süden der Kolonie siedelnden Rehobother Baster, leitete ein Hilfsersuchen Mahereros zur Information an die Deutschen weiter und unterstützte die Kolonialmacht mit Hilfstruppen. Auch Hendrik Witbooi beließ seine vertraglich zugesicherten Kontingente bei der „Schutztruppe“.

Bis März 1904 konzentrierte Leutwein sich auf die Reorganisation der Truppen, schickte Erkundungstrupps aus und ersuchte die Missionare um Mitteilung ihrer Beobachtungen und Erkenntnisse. Die Herero waren mit ihren gesamten Gemeinwesen, mit Frauen, Kindern, Wagen und Rinderherden unterwegs. Zudem vereinigten sich die einzelnen Gruppen zu Verbänden von z. T. mehreren Tausend Menschen. Ihre Kämpfer mieden bisher offene Feldschlachten und griffen stattdessen gezielt und erfolgreich kleinere Patrouillen aus dem Hinterhalt an. Bis April hielten sich die Verluste auf beiden Seiten ungefähr die Waage[75]. Das deutsche Militär hatte mit Geschützen und Maschinengewehren zwar neueste Waffentechnik zur Verfügung, war jedoch den Herero anfänglich numerisch und dauerhaft in bezug auf die Landeskenntnisse klar unterlegen. Insbesondere die Truppenverstärkungen aus Deutschland waren den klimatischen Bedingungen nicht gewachsen: Der Wassermangel sollte über den gesamten Zeitraum der Konflikte ein schwerwiegendes Problem für die deutschen Truppen darstellen, außerdem die mangelhafte Infrastruktur: „Nirgends auf dem Hochplateau gab es Straßen, die diesen Namen verdienten. Soweit Pfade tatsächlich vorhanden waren, konnte man sie als solche häufig kaum erkennen, weil sie durch tiefen Sand führten“[76]. Weite Distanzen ohne größere Siedlungen auf der Strecke mussten mit Trecks überwunden werden, deren Wagen von 20 bis 40 Ochsen gezogen wurden. Die Nachschubwege waren nur schwer zu sichern.

Die Versuche, mit den neu aufgestellten Kampfverbänden wieder in die Offensive gelangen, blieben erfolglos[77]. Nicht nur in Gefechten waren unerwartet hohe Verluste zu verzeichnen, die Truppen wurden durch Krankheiten weiter dezimiert. Leutwein beschloss, größere Angriffsbewegungen bis auf weiteres zu unterlassen und die im März angeforderte weitere Verstärkung aus Deutschland abzuwarten. Nach deren Eintreffen wollte er die sich im Nordosten der Kolonie am Waterberg sammelnden Herero einkesseln und zur Aufgabe zwingen. „Leutwein rechnete damit, dass die Herero nach einer entscheidenden militärischen Niederlage [...] ein Unterwerfungsangebot des noch immer im Ansehen stehenden Gouverneurs annehmen würden, um die Vernichtung ihrer Herden und die Zerstreuung der Stammesangehörigen zu vermeiden“[78]. Aufgrund der ausbleibenden Erfolgsmeldungen wurde im Mai in Berlin jedoch entschieden, Leutwein die Leitung der militärischen Operationen zu entziehen[79]. General Lothar von Trotha wurde als neuer Oberbefehlshaber in die Kolonie entsandt. Leutwein blieb zwar als Gouverneur verantwortlich für die Zivilverwaltung, „war jedoch faktisch entmachtet, da nahezu alle Belange in der Kolonie ‚kriegsrelevant‘ waren und damit in das Ressort des Oberkommandos der Schutztruppe fielen“[80]. Die Übernahme der Kommandogewalt durch Trotha ist als Einschnitt im Konfliktverlauf zu bewerten – die politischen Zielsetzungen änderten sich grundlegend.

Leutwein wollte Verhandlungsoptionen mit verständigungsbereiten Herero-Führern nutzen, die Aufständischen entwaffnen, ihre Stammesorganisationen auflösen und sie in eng begrenzten Reservaten ansiedeln. Hier sollten sie gerade eben ihre überlebensnotwendigen Grundbedürfnisse befriedigen können und Zwangsarbeit leisten. Die Anführer sowie „Viehdiebe“ und „Marodeure“ sollten exekutiert werden[81]. Der Gouverneur widersetzte sich mit Blick auf die Nachkriegszeit aber jeglichen Forderungen nach einer kompletten physischen Vernichtung der Herero-Bevölkerung, die gleich nach Beginn des Aufstands laut geworden waren. „Abgesehen davon, dass ein Volk von 60 000 bis 70 000 Seelen sich nicht so leicht vernichten lässt, würde ich eine solche Maßregel für einen schweren wirtschaftlichen Fehler halten. Wir bedürfen der Herero noch als kleine Viehzüchter und besonders als Arbeiter“, rechtfertigte er diese Position in einem Bericht an die Kolonialabteilung[82].

Trotha hingegen strebte eben diese Vernichtung des Gegners an. Im Gegensatz zu Leutwein waren ihm die Kolonie und ihre indigene Bevölkerung unbekannt, er hatte aber bereits in Deutsch-Ostafrika den Wahehe-Aufstand niedergeschlagen und war als Brigadekommandeur während des Boxer-Aufstands in China eingesetzt[83]. In der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts kannte man ihn als „rein militärisch denkenden Mann“[84]. Schon vor seiner Ankunft in der Kolonie am 11. Juni 1904 hatte er den Kriegszustand gemäß Artikel 68 der Reichsverfassung erklärt und kommandierende Offiziere autorisiert, jeden bewaffneten Aufständischen „nach dem bisherigen Kriegsgebrauch erschießen zu lassen“[85]. Gleich bei seinen ersten Unterredungen mit Leutwein kam es zu Auseinandersetzungen, da Trotha jegliche Schonung des Gegners aufgrund ökonomischer und moralischer Erwägungen ablehnte und auf seiner alleinigen Entscheidungskompetenz beharrte. Er war der Ansicht, dass Deutsch-Südwestafrika als Siedlungskolonie allein durch die Anstrengung der Kolonisten wirtschaftlich tragfähig sei[86]. In einer späteren Stellungnahme führte er zu den Einwänden des Gouverneurs aus: „Ich bin gänzlich anderer Ansicht. Ich glaube, daß die Nation als solche vernichtet werden muss. [...] Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes“[87]. Gegenüber Leutwein selbst formulierte er zu seinen Erfahrungen und seiner Strategie: „Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, daß sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur auf dieser Aussaat kann etwas neues entstehen, was Bestand hat“[88].

Auch Trotha suchte den Entscheidungskampf mit den Herero am Waterberg, wollte aber auf jegliche Verhandlungen verzichten[89]. Das Kernland war mittlerweile weitgehend frei von Herero, die Ortschaften waren befreit und das deutsche Militär seit Januar mit einigen Tausend Soldaten und moderner Bewaffnung verstärkt worden. Etwa 6.000 Herero-Krieger hatten sich mit ihren Familien und Rindern am Waterberg versammelt[90]. Bis Anfang August wurden die deutschen Truppen um das Gelände zusammengezogen. Am 11. August kam es zu ersten Gefechten, am 12. durchbrachen die Herero in Anbetracht der drohenden Niederlage die deutsche Gefechtsformation an deren schwächster Stelle und flohen Richtung Osten in die Wüste Omaheke.

Die Herero waren zwar militärisch geschlagen und kein ernstzunehmender Risikofaktor mehr, doch da das erklärte Ziel Trothas verfehlt wurde, sollte die „wasserlose Omaheke [...] vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Herero-Volkes“ – wie später der Generalstabsbericht ausführte[91]. Patrouillen sollten eine Rückkehr der Fliehenden verhindern, andere Abteilungen setzten in mehreren Vorstößen den Herero nach, um sie anzugreifen und weiter in die Wüste zu treiben. Eine dauerhafte Verfolgung war für die Deutschen unter den gegebenen klimatischen und geographischen Bedingungen nicht durchführbar. Die fliehenden Herero orientierten sich zwar auf ihrem Weg an den ihnen bekannten wenigen Wasserstellen, diese waren jedoch in keiner Weise ausreichend für derart viele Menschen und Rinder[92]. Tausende Herero starben auf dem Weg durch die Omaheke. Angehörige der nachsetzenden Truppenverbände „berichteten in apokalyptischen Bildern von dem, was sie gesehen hatten“[93]. Kleinere Gruppen schafften dennoch immer wieder den Weg zurück nach Westen in die Kolonie, andere waren nicht an den Kämpfen am Waterberg beteiligt und im „Schutzgebiet“ verblieben. Aufgrund des Unvermögens, sämtliche Herero durch Tötung und Vertreibung aus der Kolonie zu entfernen, erließ Trotha am 2. Oktober 1904 seine Proklamation an die Herero, in der er ihnen jegliches Lebensrecht in Deutsch-Südwestafrika aberkannte und sie zum Verlassen des Landes aufforderte. Gefangene Herero wurden beauftragt, den Text in übersetzter Form bekannt zu machen. Auf die Herero-Chiefs wurde ein Kopfgeld ausgesetzt, Männer sollten innerhalb der Grenzen der Kolonie ohne Unterschied erschossen werden, Frauen und Kinder erst, wenn sie sich der Vertreibung widersetzten. Zur Wahrung „des guten Rufes der deutschen Soldaten“ präzisierte er in einem Zusatzbefehl an die Truppen, dass „das Schießen auf Weiber so zu verstehen ist, dass über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu bewegen“[94].

Die Vernichtungsstrategie Trothas wurde von verschiedenen Seiten heftig kritisiert. Öffentlich bekannt wurde die Proklamation an die Herero in Deutschland erst Mitte 1905. In der Kolonie selbst kämpfte die Mission gegen den Vernichtungserlass, da dieser ihre jahrzehntelange Arbeit zur Christianisierung der Herero zerstörte und der Missionsarbeit ihre Daseinsberechtigung entzog[95]. Große Teile der Siedlerschaft opponierten gegen das Vorgehen des Generals, da sie die Herero als Arbeiter für die Kolonisten für notwendig hielten. Aus diesem Grund intervenierte auch Reichskanzler Bülow beim Kaiser; er befürchtete zudem, dass das Ansehen Deutschlands im Ausland Schaden nehmen könnte. Trotha wehrte sich entschieden gegen eine Rücknahme der Proklamation und verteidigte sein Vorgehen vehement[96]. Am 8. Dezember 1904 wurde Trotha von Wilhelm II. angewiesen, die Proklamation zurückzunehmen und sich ergebende Herero, die nicht an Tötungen beteiligt waren, lebend gefangen zu nehmen. Sein Ziel hatte sich als undurchführbar erwiesen, die Kämpfe mit den Nama erforderten zudem eine Verlegung der Truppenverbände in den Süden der Kolonie. Erst im Dezember 1905, nach dem Abgang Trothas und 14 Monate nachdem die Herero in der Schlacht am Waterberg militärisch besiegt worden waren, wurde eine Waffenruhe erklärt und die Verfolgungen eingestellt.

3.2. Der Nama-Aufstand

Seit Sommer 1904 gab es im Süden bereits erneut kleinere Gefechte mit Bondelzwart-Nama unter Jakob Morenga, die wiederholt Farmen und Stationen angegriffen hatten[97]. Anfang Oktober hatte sich der mittlerweile fast achtzigjährige Nama-Chief Hendrik Witbooi zum bewaffneten Kampf gegen die Deutschen entschlossen[98]. Gegen die Herero hatte er noch mit ca. 100 Kämpfern Heeresfolge geleistet. Ein Teil dieser Nama-Krieger war mittlerweile zurückgekehrt und hatte von der Vernichtungsstrategie der Deutschen am Waterberg und schlechter Behandlung der indigenen Hilfstruppen durch die Militärs berichtet. Seit Beginn des Herero-Aufstands mehrten sich zudem die Stimmen, die zu einer Entwaffnung und Entrechtung aller afrikanischen Bevölkerungsgruppen drängten. Die Diskussionen darüber, die starke Truppenpräsenz in der Kolonie zu nutzen, um „mit allen Eingeborenen aufzuräumen“, wurden in den deutschen Zeitungen ausgetragen und auch von den Nama verfolgt. Dass Leutwein, der derartige Positionen bisher gemäßigt hatte, deutlich an Einfluss verloren hatte, war ebenfalls bekannt geworden[99].

Auch Witbooi bemühte sich vor dem Beginn der Kämpfe um Bündnispartner: Die sogenannten Franzmannschen, die Veldschoendragers und die „Rote Nation“ stellten insgesamt 460 bis 510 Männer, Witbooi selbst verfügte über 800 bis 900 Krieger[100]. Aufgrund der Kämpfe im Norden war das Siedlungsgebiet der Nama zum Zeitpunkt ihrer ersten Angriffe militärisch von den Deutschen mit nur einer Feldkompanie und einigen Polizeiposten schwach besetzt; im Süden des „Schutzgebiets“ war die Kolonialmacht insgesamt weniger präsent als in den zentralen Regionen. Ungefähr 40 Farmer und Polizeikräfte wurden in den ersten Tagen getötet. Auch die Nama schonten weitgehend Frauen und Kinder. Strategisch hatten sie aus den Ereignissen am Waterberg gelernt und vermieden offene Feldschlachten. Sie waren nicht in ihren kompletten „Stammesverbänden“, sondern in kleinen Gruppen unterwegs, „tauchten ganz plötzlich auf, schossen deutsche Patrouillen ab oder überfielen deutsche Verpflegungskolonnen und verschwanden ebenso spurlos, wie sie aufgetaucht waren“[101]. Ihre Kriegführung wird als Guerilla- oder Partisanenkrieg charakterisiert[102] ; ihre Mobilität und (in der zerklüfteten Landschaft des Südens noch stärker ins Gewicht fallenden) Landeskenntnisse wussten sie effektiv gegen den von Anzahl und Waffentechnik übermächtigen Gegner zu nutzen.

Das Vorgehen gegen diese Strategie in einem derartigen Gelände war weder dem Großen Generalstab noch den Kommandierenden vor Ort vertraut. Seit Ende 1904 verlagerte Trotha die Truppen ins „Nama-Land“. Leutwein ging im Dezember zurück nach Deutschland, dem General war im November auch die Zivilgewalt des Gouverneurs übertragen worden. Ab April 1905 leitete er vor Ort die militärischen Maßnahmen gegen die aufständischen „Hottentotten“, doch seine persönliche Anwesenheit brachte keine wesentlichen Fortschritte. Er erließ eine Proklamation[103], in der er den Nama, die sich freiwillig ergeben würden und nicht direkt oder indirekt an Tötungen Weißer beteiligt waren, ankündigte, dass ihnen „das Leben geschenkt werde“. Zur weiteren Perspektiven der Gefangenen äußerte er sich nicht. Wer sich nicht unterwerfe, dem würde es „ebenso ergehen [...], wie es dem Volk der Herero ergangen ist“– fast alle seien „verhungert und verdurstet, teils von deutschen Reitern getötet, teils von den Ovambo ermordet“. Wiederum setzte er Kopfgelder auf die Führer der Aufständischen aus.

Die Proklamation Trothas ergab keine Resonanz[104], da seine Gegner sich keineswegs in einer ausweglosen Situation befanden. Auf Kritik an seiner militärischen Strategie und politischen Zielen reagierte Trotha zunehmend gereizt und war wenig bereit, diese zu überprüfen und zu ändern[105].

Nicht nur die Strategie der Nama, sondern auch die langen Nachschubwege stellten das deutsche Militär vor größere Probleme als bei den Kämpfen im Kerngebiet der Kolonie[106]: Während dort die Schmalspurbahn von Swakopmund nach Windhuk nach Reparaturen genutzt werden konnte, gab es in den Süden der Kolonie keine Bahn. Die zurückzulegenden Strecken betrugen sowohl von Lüderitzbucht wie auch von Windhuk mehrere Hundert Kilometer durch wasser- und weidearme Gebiete. Die Trecks mit Ochsenwagen benötigten Wochen, ein Teil der Ladung wurde vom Begleitpersonal verbraucht. „Allein für die Versorgung über die eigenen Nachschubwege wurden 61 Offiziere, 1360 Mann, 2535 Treiber und 12 350 Tiere verwendet. Hinzu kamen noch 430 Privatwagen mit 9600 Zugtieren“[107].

Trotha erklärte, dass u. a. das Fehlen einer Eisenbahn der Grund für das lange Andauern der Gefechte sei[108]. Immer wieder forderte er einen Bahnbau sowie weitere Truppenverstärkungen aus Deutschland. Als er trotz der ständig steigenden Zahl an Soldaten keine entscheidenden Erfolge nach Berlin melden konnte, bot er im September 1905 seinen Rücktritt von der Operationsleitung und die Rückkehr nach Deutschland an. Zwar war Ende Oktober mit dem Tod Hendrik Witboois durch die Folgen einer Schussverletzung ein wesentlicher Fortschritt zu verzeichnen, doch am 2. November wurde Trotha von Wilhelm II. abberufen[109]. Zivile und militärische Gewalt wurden wieder getrennt: Gouverneur wurde Friedrich von Lindequist, neuer Befehlshaber der Schutztruppen Oberst Dame. Im Gegensatz zum Spannungsverhältnis zwischen Leutwein und Trotha zeigte sich jetzt die militärische Führung den Gegnern gegenüber konzessionsbereiter als die zivile[110].

Demoralisiert durch den Tod ihres jahrzehntelangen Führers und begünstigt durch den Kommandowechsel bei den Deutschen kapitulierten die Witbooi-Nama, die größte Gruppe der Aufständischen, im Zeitraum von Ende November 1905 bis Februar 1906[111]. Damit verblieben nur noch wenige Hundert Nama-Kämpfer unter Simon Kopper, Jakob Morenga und Cornelius Stürmann im Kampf; sie wurden immer weiter in die südlichen Grenzregionen der Kolonie abgedrängt und stellten keine ernsthafte Bedrohung mehr dar. Im März 1906 hatte die Anzahl der deutschen Soldaten ihre Höchstzahl von 14.500 erreicht. Cornelius gab noch im März auf[112], die ersten Unterführer der Bondelzwarts Ende des Jahres. Anfang 1907 wurde in Berlin beschlossen, den Kriegszustand zum 31. März aufzuheben. Morenga, der mit ein paar Dutzend Kämpfern im Grenzgebiet zur Kapkolonie noch beständig für Unruhe sorgte und wegen dem die „Schutztruppen“ mehrfach rechtswidrigerweise die Grenze übertraten, wurde im September 1907 von der Kap-Polizei erschossen[113]. Die Gruppe von Kopper mit ihren 100 bis 150 Kämpfern überfiel zu dieser Zeit noch aus der Kalahari heraus deutsche Patrouillen. Sie konnte erst im Mai 1908 in einer größeren Operation besiegt werden. Simon Kopper floh nach Britisch-Betschuanaland und verpflichtete sich 1909 gegen die Zahlung einer jährlichen Rente, Feindseligkeiten gegen die deutsche Kolonialmacht zu unterlassen[114].

4. Konsequenzen: Die Situation von Herero und Nama nach dem Ende der Kämpfe

Auf die schrittweise Beendigung der Kampfhandlungen und die Rücknahme des Trotha’schen Vernichtungserlasses folgte für die besiegten Aufständischen, derer die „Schutztruppen“ habhaft werden konnte, jahrelange Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit. Seit Anfang 1905 wurden im ganzen Land verteilt sogenannte „Konzentrationslager“ errichtet, in denen die Gefangenen interniert wurden[115]. In diesen Lagern herrschten katastrophale Zustände, die Sterblichkeitsraten waren immens. In einer „Zusammenstellung über die Sterblichkeit in den Kriegsgefangenenlagern in Deutsch-Südwestafrika“ des Schutztruppenkommandos wurde vermerkt, dass zwischen Oktober 1904 und März 1907 „insgesamt von den etwa 15000 Köpfe betragenden Hereros und den etwa 2000 Köpfe starken Hottentotten 7682, also 45,2 Prozent der gesamten Gefangenen, gestorben“ seien[116]. Insbesondere die Herero, die (teils durch aktive Vermittlung der Mission) aus der Omaheke in die Kolonie zurückgekehrt waren, waren völlig ausgezehrt und am Ende ihrer Kräfte. Die körperliche Wiederstandskraft aller Inhaftierten wurde durch nicht ausreichende, qualitativ mangelhafte und ungewohnte Ernährung weiter geschwächt, in den Lagern an der Küste zusätzlich durch das kühle und feuchte Klima. Skorbut, Typhus, Tuberkulose und Herzkrankheiten waren weit verbreitet, die psychische Verfassung war von Depression und Lethargie bestimmt[117]. In dem größten Lager der Kolonie, auf der Haifischinsel vor Lüderitzbucht, starben von September 1906 bis April 1907, d. h. in 8 Monaten, 1.032 von 1.795 Gefangenen, von 245 inhaftierten Männern waren „nur periodisch 25 arbeitsfähig“[118]. Ludwig von Estorff, mittlerweile der Kommandeur der Schutztruppe, weigerte sich, für „solche Henkersdienste“ die Verantwortung zu übernehmen und verfügte im April die Verlegung der Gefangenen auf das Festland – gegen den Wiederstand des Gouvernements in Windhuk[119]. Derartige Zustände waren von einigen Verantwortlichen als Disziplinarmaßnahme gegen Herero und Nama politisch durchaus intendiert. Regierungsrat Tecklenburg führte zum Lager in Swakopmund aus: „Je mehr das Hererovolk am eigenen Leibe nunmehr erst die Folgen des Aufstandes empfindet, desto weniger wird es ihm auf Generationen hinaus nach einer Wiederholung des Aufstandes gelüsten. Unsere eigentlichen kriegerischen Erfolge haben geringeren Eindruck auf sie gemacht. Nachhaltigere Wirkung verspreche ich mir von der Leidenszeit, die sie jetzt durchmachen [...] Wirtschaftlich bedeutet der Tod so vieler Menschen allerdings einen Verlust“[120].

Wirtschaftlich nutzen sollten die Gefangenen durch Zwangsarbeit. Seit Beginn der Kampfhandlungen hatte es Klagen von Siedlern über Arbeitskräftemangel gegeben, welcher über die rechtlosen Kriegsgefangenen ausgeglichen werden sollte. Gouverneur Lindequist erkannte darin im Sinne des klassischen kolonialistischen Topos der „Hebung der Kultur“ durch „Erziehung zur Arbeit“ auch einen Vorteil für die unterworfenen Aufständischen: „Die Heranziehung der Hereros zur Arbeit während der Kriegsgefangenschaft ist für dieselben sehr heilsam, ja es ist geradezu ein Glück für sie, dass sie, bevor ihnen die volle Freiheit zurückgegeben wird, arbeiten lernen, da sie sonst sich voraussichtlich weiter arbeitsscheu im Lande herumtreiben und, nachdem sie ihren ganzen Rinderbestand verloren haben, ein elendes Leben fristen würden“[121]. Das Militär hatte zunächst das Monopol auf Zwangsarbeiter[122]. Seit 1905 konnte die Zuteilung von Gefangenen zu Arbeitsdiensten auch von Firmen und Privatleuten beantragt werden. Zivilisten mussten ihre Arbeiter täglich von den Lagern abholen und abends zurückbringen, große Unternehmen wie die Woermann-Schifffahrtslinie richteten auch eigene Lager ein. Kriegsgefangene wurden in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche eingesetzt, so in Wäschereien, Transportunternehmen, Brauereien und im Bahnbau[123]. Da für die Gefangenen Gebühren bezahlt werden mussten, sie aber in körperlich denkbar schlechter Verfassung waren, kam es häufiger zu Beschwerden, wenn sie gar nicht zur Arbeit imstande waren, sich zum Teil nicht mal vom Boden erheben konnten[124]. Die durch die Aufstände in ihrem Verhalten gegenüber den Herero und Nama noch radikalisierten Siedler setzten weiterhin regelmäßig auf die Prügelstrafe zur Disziplinierung[125].

Rechtliche Regelungen zur Auflösung der „Stämme“ und ihrer ökonomischen und sozialen Grundlagen wurden seit Mitte 1905 vorbereitet[126]. Die am 26. Dezember 1905 von Wilhelm II. unterzeichnete „Kaiserliche Verordnung betreffend die Einziehung von Vermögen Eingeborener im südwestafrikanischen Schutzgebiet“ ermöglichte es, das „gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen“ (d. h. Vieh und Land) derjenigen Herero- und Nama-Gruppen einzuziehen, „welche gegen die Regierung, gegen Nichteingeborene und gegen andere Eingeborene kriegerisch feindselige Handlungen begangen haben“ oder dazu „mittelbaren oder unmittelbaren Beistand geleistet haben“[127]. Auch Land und Vieh, welches nach Ansicht der Kolonialverwaltung nicht angemessen wirtschaftlich genutzt werden konnte, konnten fortan eingezogen werden. Nach schrittweiser Anwendung der Verordnung befand sich seit dem 11. September 1907 das „ganze Stammesland in Südwestafrika, außer im Amboland und mit Ausnahme des Landes der Rehobother Bastards und der Berseba-Nama [...] in deutschem Besitz“[128].

[...]


[1] Nahezu alle überregionalen Tageszeitungen und Magazine berichteten in den letzten Wochen über das Thema. Siehe FAZ 12. 01. 2004, 19. 01. 2004, 20. 01. 2004, 23. 01. 2004; FR 12. 01. 2004; SZ 10. 01. 2004; taz 10. 01. 2004; Welt 12. 01. 2004, 14. 01. 2004; Spiegel 12. 01. 2004; Focus 12. 01. 2004. Der Norddeutsche Rundfunk zeigte am 10. 01. 2004 eine mehrstündige „Nacht der deutschen Kolonien“.

[2] Zur Problematik des Begriffs „Stämme“ sei auf eine Anmerkung von Werner Hillebrecht zu seinem Aufsatz über „Die Nama und der Krieg im Süden“ verwiesen. Sie ist ebenso für die Organisation der Herero zutreffend und gilt auch für die vorliegende Arbeit: „In diesem Aufsatz wird der Kürze halber der Begriff ‚Stamm‘ gebraucht, wohl wissend, dass er unpassend ist und falsche Assoziationen hervorruft. Die Nama-‚Stämme‘ waren soziale Formationen, die sich um einen Kern von Familienclans herum als staatliche Einheiten bildeten, aber der Herkunft nach durchaus heterogen waren“ (Zimmerer/Zeller, S. 251, Anm. 10). Zur Auflösung der Abkürzungen für die verwendete Literatur siehe das Literaturverzeichnis im Anhang.

[3] Der Oberkommandierende der Truppenabteilungen in der Kolonie, General Lothar von Trotha, bekannte sich mehrfach offen zu dieser Zielsetzung und wurde darin vom Großen Generalstab und Kaiser Wilhelm II. unterstützt. Vgl. Bley, S. 203-208; Drechsler, S. 179-197; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 49-53; Zimmerer, Herrschaft, S. 37-44; Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 49-55. Der Behauptung einiger Autoren, dass Trotha mit seinen Ausführungen zur angestrebten „Vernichtung“ lediglich die militärische Niederlage des Gegners meinte (in Anlehnung an Clausewitz), widerspricht überzeugend Krüger, Kriegsbewältigung, S. 65 f.

[4] Zur Lokalisierung der genannten Orte siehe die Karte am Ende der Arbeit.

[5] Zitiert nach Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 51.

[6] Vgl. den Aufsatz Zimmerer, KZ und Völkermord, besonders S. 55-63.

[7] Zu den Gefangenenlagern siehe insbesondere die Aufsätze von Zeller und Erichsen.

[8] Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 58.

[9] Kaulich, S. 265, Anm. 287, gibt folgende Zahlen an: „676 gefallene, 689 an Krankheit gestorbene, 76 vermißte und 907 verwundete (hiervon 50 später gestorbene) Soldaten“.

[10] Nuhn, Sturm, S. 315.

[11] Siehe S. 11 f.

[12] Kaulich, S. 266. Bei den Orlam handelt es sich um eine indigene Bevölkerungsgruppe, die den Nama sehr nahe stand und hier wie auch im Großteil der Literatur unter den Nama subsummiert wird.

[13] Hierzu sei erneut auf den Aufsatz Zimmerer, KZ und Völkermord, verwiesen.

[14] Vgl. Zimmerer, Musterstaat, besonders S. 31-41.

[15] Von den Autoren, deren Untersuchungen für diese Arbeit genutzt wurden, beurteilen Helmut Bley, Horst Drechsler, Casper W. Erichsen, Jan Bart Gewald, Werner Hillebrecht, Gesine Krüger, Henning Melber, Joachim Zeller und Jürgen Zimmerer die deutsche Kriegsführung klar als Genozid. Ausdrücklich gegen diese Einschätzung wenden sich lediglich Gerd Sudholt und August Wilhelm Steffan. Einen aktuellen Überblick über die Genozid-Debatte liefert Krüger, Kriegsbewältigung, S. 62-68.

[16] Die Klage ist im Original und in deutscher Übersetzung abgedruckt bei Steffan. Die Publikation behandelt die Anklageerhebung der Herero aus der Perspektive deutschstämmiger Namibier polemisch als „Verrücktheit, Akt der Verzweiflung, Versuch der Erpressung oder juristisches Kuriosum“ (Steffan, S. 1).

[17] Zur rechtlichen Problematik der Entschädigungsklage siehe den Artikel „Das vergessene Leiden der Herero“ von Norman Paech in der „Frankfurter Rundschau“ vom 12. 01. 2004. Zu den Besonderheiten der deutsch-namibischen Beziehungen infolge der Kolonialvergangenheit siehe Melber.

[18] Vgl. die Arbeiten von Bley, Drechsler, Eckert, Erichsen, Gewald, Hillebrecht, Kaulich, Krüger, Nuhn, Sudholt, Zimmerer und Zeller.

[19] So erscheint dieser Tage Böhlke-Itzen, Janntje (Hg.): Kolonialschuld und Entschädigung – Der deutsche Völkermord an den Hereros 1904-1907. Frankfurt a. M. 2004.

[20] Siehe insbesondere den Aufsatz von Reinhardt.

[21] Vgl. Crothers, S. 105-119; Reinhardt, S. 412-415; van der Heyden.

[22] Vgl. Erzberger, Wahrheit.

[23] Der linksliberalen Kolonialkritik bis zur Jahrhundertwende widmet sich ausführlich Schwarz, S. 43-204. Allgemein zum Verhältnis der liberalen Parteien Deutschlands zu Imperialismus und Kolonialpolitik siehe Holl/List.

[24] Spellmeyer, S. 91 f.

[25] Hyrkkänen; Park; Schröder, Noske; Schröder, Sozialismus, S. 183-198.

[26] Epstein, Dilemma, S. 70-78; Leitzbach, S. 293-398; Ruge, S. 29-35; Wilhelm, S. 71-151.

[27] Bachem, S. 330-419.

[28] Die Protokolle der SPD-Fraktionssitzungen finden sich bei Matthias/Pikart.

[29] Zur deutschen Besitzergreifung und der Festlegung der Grenzen siehe ausführlich Kaulich, S. 48-70.

[30] Nuhn, Sturm, S. 26.

[31] Udo Kaulich bietet in seiner Gesamtdarstellung der Geschichte Deutsch-Südwestafrikas eine gute Einführung in die Landeskunde der Kolonie: Kaulich, S. 23-30. Die kurzen Informationen hierzu entstammen seinen Ausführungen. Hier: S. 28.

[32] Kaulich, S. 28 f.

[33] Steltzer, S. 205.

[34] Drechsler, S. 326, Anm. 8.

[35] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 64.

[36] Vgl. Kaulich, S. 36 mit Anm. 37; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 63-68; Zimmerer, Herrschaft, S. 18, Anm. 25.

[37] Kaulich, S. 38.

[38] Zur Gesellschaft der Herero und Nama im 19. Jahrhundert vgl. insbesondere Krüger, Viehzüchter; außerdem Krüger, Kriegsbewältigung, S. 33-40. Die hier angeführten Informationen entstammen im Wesentlichen ihren Angaben.

[39] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 37.

[40] Vgl. Kaulich, S. 38-44.

[41] Zu den Aktivitäten der Missionsgesellschaften im Gebiet Deutsch-Südwestafrikas bis zum Ausbruch des Herero-Aufstands siehe Gründer, Mission, S. 115-121.

[42] Krüger, Viehzüchter, S. 21 f.

[43] Krüger, Viehzüchter, S. 20.

[44] Zur Zeit von 1884 bis 1894 siehe insbesondere Kaulich, S. 44-70, 201-216.

[45] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 41.

[46] Eine knappe Biographie findet sich bei Bley, S. 318, Anm. 2 zu Teil I.

[47] Kaulich, S. 217, 249.

[48] Leutweins „Staatsverständnis“ in Bezug auf die Kolonie orientierte sich am Lehnsrecht des mittelalterlichen Kaiserreichs: Vgl. Bley, S. 65-69.

[49] Zimmerer, Herrschaft, S. 23.

[50] Zu seinem Vorgehen gegenüber den einzelnen indigenen Bevölkerungsgruppen: Kaulich, S. 217-247. Ausführlich zur theoretischen und praktischen Entwicklung von Leutweins politischen Zielen und Strategien bis 1904: Bley, S. 18-187. Zur Entwicklung von 1894 bis 1904 siehe außerdem Drechsler, S. 85-149; Sudholt, S. 91-163; Zimmerer, Herrschaft, S. 21-31; Gründer, Kolonien, S. 113-119.

[51] Kaulich, S. 219.

[52] Kaulich, S. 221.

[53] Kaulich, S. 224 f.

[54] Zum komplizierten Erbrecht der Herero siehe Krüger, Kriegsbewältigung, S. 36 f. Zum Erbfolgestreit siehe Gewald, Redemption, S. 36-74, besonders S. 62-65 zum Eingreifen Leutweins.

[55] Zimmerer, Herrschaft, S. 26.

[56] Kaulich, S. 232.

[57] Nach Bley, S. 170-175, war die den Landenteignungen und Reservatsplanungen innewohnende Symbolik wesentlicher für das Bedrohungsempfinden der Chiefs als deren faktischer Entwicklungsstand.

[58] Zimmerer, Herrschaft, S. 25.

[59] Zur Rinderpest und ihren Auswirkungen siehe insbesondere Gewald, Redemption, S. 138-177.

[60] Bley, S. 164-170.

[61] Zimmerer, Herrschaft, S. 27.

[62] Die Zahlen entstammen den Jahresberichten zur Entwicklung von Deutsch-Südwestafrika nach den Angaben von Kaulich, S. 244, Anm. 187. Kolonialdirektor Stübel beziffert die weiße Bevölkerung zum 1. Januar 1903 auf „4640 Köpfe, davon 1836 Frauen und Kinder (Sten. Ber., Bd. 197, S. 363).

[63] Bley, S. 108.

[64] Zur hier skizzierten Verschärfung des sozialen Klimas zwischen Afrikanern und deutschen Siedlern insbesondere im Zeitraum von 1897 bis 1904 siehe Bley, S. 160-188; Gründer, Kolonien, S. 115-119; Kaulich, S. 244-247; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 44 f.; Drechsler, S. 151-156; Zimmerer, Herrschaft, S. 26-31; Nuhn, Sturm, S. 33-43.

[65] 1902 befanden sich durch die Kombination von Rinderpest, Enteignungen durch die Kolonialverwaltung und den Geschäftspraktiken der Händler 44.900 Rinder im Besitz deutscher Siedler, während sich der Rinderbestand im afrikanischen Besitz von einigen Hunderttausend auf 45.910 reduziert hatte (Drechsler, S. 149).

[66] Ein Überblick über die zeitgenössischen und historiographischen Diskussionen zu den Ursachen des Aufstands liefert Krüger, Kriegsbewältigung, S. 55-62. Die Gewichtung der Einzelfaktoren als Erklärung für den Aufstandsentschluss variiert bei den verschiedenen Autoren: Vgl. Drechsler, S. 150-158; Bley, S. 185-188; Gründer, Kolonien, S. 118 f.; Gewald, Redemption, S. 178-196; Kaulich, S. 248; Zimmerer, Herrschaft, S. 31.

[67] Zum Verlauf des Aufstands bis zur Übergabe des Kommandos von Leutwein an Trotha siehe Drechsler, S. 167-174; Kaulich, S. 247-251; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 45-49; Nuhn, Sturm, S. 54-199; Zimmerer, Herrschaft, S. 33-36; Steltzer, S. 197-202.

[68] Siehe hierzu die Ausführungen von Kolonialdirektor Stübel vor dem Reichstag am 19. 01. 1904: Sten. Ber., Bd. 197, S. 361 f .

[69] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 45 f.

[70] Zur Reaktion und den ersten Maßnahmen Leutweins siehe Bley, S. 193 f.; Drechsler, S. 171-173.

[71] Drechsler, S. 163 f.; Zimmerer, Herrschaft, S. 35.

[72] Kaulich, S. 249 f; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 47, gibt 2.000 deutsche Soldaten und Reservisten bei „Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen“ an.

[73] Gewald, Redemption, S. 196-201.

[74] Zimmerer, Herrschaft, S. 33 f.

[75] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 47 f.

[76] Nuhn, Feind, S. 23.

[77] Drechsler, S. 173 f.; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 47-49.

[78] Bley, S. 202.

[79] Hierzu besonders Bley, S. 196-200.

[80] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 49.

[81] Leutweins Konzept für die „Eingeborenenbehandlung“ nach Beendigung des Aufstands findet sich in seinem Bericht an die Kolonialabteilung vom 23. 02. 1904, zitiert bei Drechsler, S. 172 f. Vgl. auch Zimmerer, Herrschaft, S. 35 f.

[82] Bericht Leutweins an die Kolonialabteilung vom 23. 02. 1904, zitiert nach Drechsler, S. 173.

[83] Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 49.

[84] So die Einschätzung des stellvertretenden Leiters des Personalressorts und späteren Gouverneurs von Ostafrika, Heinrich Schnee. Zitiert nach Bley, S. 199 f.

[85] Bekanntmachung Trothas im Juni 1904, zitiert nach Zimmerer, Herrschaft, S. 37.

[86] Zimmerer, Herrschaft, S. 38.

[87] Trotha in einem Brief an Generalstabschef von Schliefen vom 4. 10. 1904, zitiert nach Drechsler, S. 189 f. Siehe auch Bley, S. 204 f.

[88] Trotha an Leutwein am 05. 11. 1904, zitiert nach Drechsler, S. 180.

[89] In seinen „Direktiven für den Angriff gegen die Herero“ formulierte er seine Vernichtungsabsicht: Vgl. Drechsler, S. 182, Anm. 97, dazu das Zitat S. 354. Ausführlich zu den Kämpfen am Waterberg und der Trotha’schen Strategie siehe Nuhn, Sturm, 232-299.

[90] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 50.

[91] Zitiert nach Zimmerer, Herrschaft, S. 39.

[92] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 51 f.

[93] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 128; hier werden einige Berichte ausführlicher zitiert. Vgl. Zimmerer, Herrschaft, S. 39 f.

[94] Zitiert nach Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 51; hier findet sich die komplette Proklamation im Wortlaut.

[95] Zur Positionierung und Entwicklung der Mission während der Aufstände siehe Gründer, Mission, S. 121-135.

[96] Zur Kritik an Trothas Strategie und seinen Reaktionen siehe Drechsler, S. 189-197; Bley, S. 205-208; Krüger, Kriegsbewältigung, S.52 f.

[97] Siehe Nuhn, Feind, S. 41-46; Drechsler, S. 204-206.

[98] Zu den Anlässen zum Nama-Aufstand siehe Nuhn, Feind, S. 47-58; Drechsler, S. 200-210; Hillebrecht, S. 124 f.

[99] Hillebrecht, S. 124 f.

[100] Zu den Vorbereitungen Witboois und dem Beginn des Nama-Aufstands siehe Drechsler, S. 210-212.

[101] Drechsler, S. 215.

[102] Hillebrecht, S. 126-130; Zimmerer, Herrschaft, S. 41.

[103] Vollständig dokumentiert bei Zimmerer, KZ und Völkermord, S. 54 f.

[104] Nuhn, Feind, S. 127; Drechsler, S.216.

[105] Drechsler, S. 215-217.

[106] Nuhn, Feind, S. 74 f.

[107] Steltzer, S. 208.

[108] Drechsler, S. 216.

[109] Nuhn, Feind, S. 174-177.

[110] Drechsler, S. 220.

[111] Drechsler, S. 219-222.

[112] Nuhn, Feind, S. 193 f.; Drechsler, S. 222 f.

[113] Nuhn, Feind, S. 249-253; Drechsler, S. 223-226, 232-237; Krüger, Kriegsbewältigung, S. 54 f.

[114] Nuhn, Feind, S. 254-264; Drechsler, S. 237-242.

[115] Zu den Kriegsgefangenenlagern siehe Erichsen; Zeller; Zimmerer, Herrschaft, S. 42-48.

[116] Zitiert nach Drechsler, S. 251. Laut Berechnungen von Zimmerer betrug die Gesamtzahl der in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Herero 21.000 bis 24.000 (Zimmerer, Herrschaft, S. 44).

[117] Zeller, S. 66-69.

[118] Schutztruppenkommandeur Ludwig von Estorff in einem Bericht nach Berlin, zitiert nach Drechsler, S. 249.

[119] Drechsler, S. 249 f.

[120] Tecklenburg an die Kolonialabteilung am 03. 07. 1905, zitiert nach Zimmerer, Herrschaft, S. 46.

[121] Lindequist an die Kolonialabteilung am 17. 4. 1906, zitiert nach Zimmerer, Herrschaft, S. 43.

[122] Gewald, Redemption, S. 222.

[123] Gewald, Redemption, S. 222.

[124] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 131.

[125] Krüger, Kriegsbewältigung, S. 132-134.

[126] Siehe hierzu insbesondere Zimmerer, Herrschaft; Zimmerer, Musterstaat.

[127] Zitiert nach Zimmerer, Herrschaft, S. 64.

[128] Zimmerer, Herrschaft, S. 66.

Fin de l'extrait de 132 pages

Résumé des informations

Titre
Die Aufstände von Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika und die Kolonialkritik im Kaiserreich
Université
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
132
N° de catalogue
V25685
ISBN (ebook)
9783638282383
ISBN (Livre)
9783638717533
Taille d'un fichier
962 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit skizziert und analysiert die Kritik von SPD und Zentrumspartei an der deutschen Kolonisation Namibias und an der genozidalen Kriegsführung gegen die indigene Bevölkerung von 1904 bis 1907.
Mots clés
Aufstände, Herero, Nama, Deutsch-Südwestafrika, Kolonialkritik, Kaiserreich
Citation du texte
Jan Jansen (Auteur), 2004, Die Aufstände von Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika und die Kolonialkritik im Kaiserreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25685

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