Richard Swinburne: Die Existenz Gottes - Das kosmologische Argument


Presentation (Elaboration), 2003

17 Pages, Grade: sehr gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Die Argumentation im Text
1.1 Gegenstand der Betrachtung: das Universum
1.1.1 Das Problem der Einzigkeit des Universums
1.1.2 Das Zustandsmodell der Existenz des Universums in der Zeit
1.1.3 Endliches vs. ewiges Universum
1.2 Argumentationsweise
1.3 Ansatzpunkte am Zustandsmodell
1.3.1 Naturgesetze
1.3.2 Quantitäten
1.3.3 Die Existenz der gesamten Kette
1.4 Erklärungsmöglichkeiten für das naturwissenschaftlich Unerklär­bare
1.5 Entscheidungsansätze
1.5.1 Thomas von Aquins Ansatz
1.5.2 Leibniz’ Ansatz über den Satz vom zureichenden Grund .
1.5.3 Swinburnes konfirmatorischer Ansatz
1.6 Ausdehnung der Argumentation auf beliebige Objekte

2 Kritik
2.1 Die innere Wahrscheinlichkeit des Universums
2.2 Die innere 'Wahrscheinlichkeit Gottes
2.3 Der Einfachheitsbegriff
2.4 Die Möglichkeit der personalen Erklärung

3 Fazit

1 Die Argumentation im Text

1.1 Gegenstand der Betrachtung: das Universum

Jedes kosmologische Argument stellt den Versuch dar, aus der Existenz und/oder den Eigenschaften einer Sache, die nicht Gott ist, auf dessen Existenz schließen. Nach Kants Definition eines kosmologischen Argumentes kann dies eine beliebige Sache (»unbestimmte Erfahrung, d. i. irgendein Dasein«1 ) sein; Swinburne ver­steht ‘kosmologisch’ eher im naturwissenschaftlichen Wortsinn und beschränkt sich bei seiner Betrachtung auf das Universum.2 Dieses zeichnet sich unter an­derem durch drei wichtige Eigenschaften aus:

Es ist physisch, »ein physisches Objekt, das aus physischen Gegenständen besteht, die alle zueinander, jedoch zu keinem anderen physischen Gegenstand in räumlicher Beziehung stehen«3 4. Es ist unser Universum: Die Erde ist einer dieser seiner physischen Teile; und es ist komplex: Die genannten physischen Teile sind zahlreich und in ihren Eigenschaften verschieden.5

1.1.1 Das Problem der Einzigkeit des Universums

Um aus der Existenz des Universums argumentieren zu können, ist noch ein Einwand aus dem Weg zu räumen, nämlich jener, dass sich darüber als einziges (oder zumindest einzig bekanntes) Objekt seiner Klasse keine Aussagen machen ließen.

Swinburne stellt den Einwand zunächst in Bezug zur Realität: WTäre er gültig, müssten alle Aussagen der Einzelwissenschaften über einzige Dinge (wie jene der Astrophysik über das Universum oder der Anthropologie über die Menschheit), ungerechtfertigt sein, was kaum plausibel scheint.5 Sogar im Falle seiner Gültig­keit ließe sich der Einwand jedoch für das Universum leicht umgehen, da man es argumentationshalber in mehrere Teile zerlegen könnte, die dann zweifellos Objekte einer und derselben Klasse wären.

Diese Umgehung ist jedoch gar nicht erst notwendig, da für Swinburne »Ein­zigkeit immer nur relativ zur Art einer Beschreibung«6 ) ist; jeder Gegenstand lässt sich als einzig beschreiben. Dennoch teilt jeder Gegenstand Eigenschaften mit anderen - auch das Universum bildet hier keine Ausnahme.

1.1.2 Das Zustandsmodell der Existenz des Universums in der Zeit

Ein Modell zur Veranschaulichung der geschichtlichen Existenz des Universums findet Swinburne bei Leibniz. Dieser schildert das fiktive Beispiel eines Buches, das seit ewiger Zeit existiert und von Abschrift zu Abschrift weitergegeben wird, um ein analoges Zustandsmodell eines ewigen Universums zu begründen:

Quod de libris, idem de Mundi diversis statibus verum est, sequens enim quodammodo ex praecedente (etsi certis mutandi legibus) est descriptus.7

Wie Leibniz befasst sich Swinburne nun nicht zuvörderst mit Tatsache, Art oder Weise der gegenwärtigen Existenz des Universums, sondern mit dem Ver­lauf seiner Existenz in der Zeit.

Das Universum befindet sich in der verwendeten Notation gegenwärtig im Zustand Zi diesem sind Z2,Z3,... vorangegangen, wobei jeder Zustand von kurzer, aber endlicher Dauer ist. Die Gesamtheit der Naturgesetze N bewirkt in jedem Zn+1 die Entwicklung zu seinem Nachfolgezustande Zn.8

1.1.3 Endliches vs. ewiges Universum

Für ein Universum, das einen Anfang in der Zeit hat, gäbe es in der Kette einen allerersten Zustand Zf. Swinburne hält es für schwer, dafür zu argumentieren, dass es einen solchen Anfangszustand gegeben haben könnte. Hierzu müsste sich nachweisen lassen, dass die Rückverfolgung der Wirkung der Naturgesetze zwi­schen den einzelnen Zuständen irgendwann zu einem Zeitpunkt führen müsste, an dem das Universum sich in einem »physikalisch unmöglichen [...] oder [...] materielosen Zustand«9 befunden hätte. Einen solchen Zustand kann ein phy- sisches Universum jedoch nicht annehmen, da es per definiiionem physikalisch möglich sein und Materie enthalten muss. Notwendigerweise könnte das Univer­sum also erst nach jenem Zeitpunkt entstanden sein.

Davon, diesen Nachweis zu führen, sind die Naturwissenschaften Swinburnes Einschätzung nach jedoch noch weit entfernt.10 Es wird also davon ausgegangen, dass das Universum seit ewigen Zeiten existiert, auch wenn die Annahme eines Beginns einen weiteren Ansatzpunkt für das kosmologische Argument böte.

Dies ist Swinburnes zweite Selbstbeschränkung nach jener auf das Universum als Betrachtungsgegenstand: Er kann nun nur aus Existenz und Beschaffenheit des Universums argumentieren, nicht aus seiner eventuellen Geschaffenheit.

1.2 Argumentationsweise

Swinburne wählt keine deduktive, sondern eine induktive, konfirmatorische Vor­gehensweise, wie sie im ersten Kapitel11 beschrieben wird. Ziel ist es also nicht, zu zeigen, dass die Existenz Gottes aus jener des Universums logisch notwendig hervorgeht, sondern nur, nachzuweisen, dass die Annahme der Existenz des Uni­versums die Annahme der Existenz Gottes im Sinne eines guten C-induktiven Argumentes wahrscheinlicher macht.

Einen deduktiven kosmologischen Gottesbeweis hält Swinburne grundsätzlich für unmöglich, da eine solche Argumentation zeigen müsste, dass die Annahme der Existenz des Universums mit der Annahme der Nichtexistenz Gottes total unvereinbar wäre. Es ist jedoch problemlos möglich, beides zu vereinen, wenn Zusatzannahmen getroffen werden (z. B., dass alle Materie schon ewig existiert, dass es keine nichtverleiblichten Personen geben kann etc.).12

1.3 Ansatzpunkte am Zustandsmodell

Da sich, wie oben referiert, die Frage nach der Erklärung eines Beginns der Zustandskette nicht mehr stellt, verbleiben drei Punkte, an denen eine Erklä­rung des Universums, wie es in diesem Modell abgebildet ist, ansetzen kann: zum einen die Naturgesetze N, die aus einem Zustand den nächsten erklären; zum andern die allen Zuständen gemeinsamen Eigenschaften, die nicht durch N hervorgerufen wurden; zum dritten die Existenz der gesamten Kette.

1.3.1 Naturgesetze

Der Übergang von einem Zustand zum anderen erfolgt durch das Wirken der Naturgesetze N. N steht hierbei für eine Menge entweder der grundlegendsten Naturgesetze oder unendlicher Reihen von Naturgesetzen, wobei innerhalb einer Reihe jedes einzelne Gesetz durch ein grundlegenderes erklärt wird. Im letzteren Falle soll eine solche Rekursion selbst Naturgesetz heißen.

In beiden Fällen gilt, dass N sich nicht weiter naturwissenschaftlich erklären lässt.13 In Swinburnes Terminologie bildet somit der Zustand Zn+ zusammen mit N die abschließende Erklärung für den Nachfolgezustand Zn.

1.3.2 Quantitäten

Zweiter Aspekt der Betrachtung am Zustandsmodell sind die Quantitäten: die allen Zuständen gemeinsamen Eigenschaften, die nicht notwendige Folge der Naturgesetze sind. Swinburne nennt als Beispiel die Menge der im Universum enthaltenen Materie und die der Energie.14

Weitere Quantitäten wären z.B. die Naturkonstanten wie die Elektronen­masse, die Hubble-Konstante, das Plancksche Wirkungsquantum etc., vielleicht sogar die Anzahl der Raumdimensionen.

Eine Quantität ist dadurch gekennzeichnet, dass sie auch mit einem anderen Wert noch mit den Naturgesetzen vereinbar bliebe.15

1.3.3 Die Existenz der gesamten Kette

Während bei einer endlichen Zustandskette zu erklären wäre, warum sie be­gonnen hat (bzw. begonnen wurde), stellt sich sich bei der unendlichen Kette die Frage, warum sie nicht nicht existiert: »Unerklärbar aber bleibt die Nicht­Existenz einer Zeit, vor der es kein Universum gab.«16

Im Text nimmt die Beschäftigung damit, ob es notwendig ist, das Überhaupt­Sein einer unendlich langen Kausalitätskette zu erklären, breiten Raum ein. Die Meinung, der er hier folgt, stammt wieder von Leibniz:

Itaque utcunque regressus fueris in status anteriores, nunquam in statibus rationem plenam repereris, cur scilicet aliquis sit potius Mundus, et cur talis.

[...]


1 Kant, Immanuel; Schmidt, Raymund (Hrsg.), Kritik der reinen Vernunft. Leipzig, Mei­ner, 21930, S. 566.

2 ’Eine spätere Erweiterung bleibt nicht ausgeschlossen; hierzu siehe auch Abschnitt 1.6.

3 Swinburne, S. 151.

4 Swinburne nennt die physischen Teile des Universums in ihren Eigenschaften auch »nur entfernt natürlich« (a. a. O., S. 152), wobei nicht klar wird, wann für ihn ein Gegenstand ‘natürliche’ Eigenschaften aufweist; ich vermute, dass ‘Natürlichkeit’ für Swinburne eine der Einfachheit verwandte Kategorie ist; hierzu siehe auch Abschnitt 2.3. Ganz abgesehen von ihrer mehr oder minder großen Natürlichkeit scheinen es die bloße Vielfalt und -gestalt der Gegenstände im Universum schon zu rechtfertigen, es komplex zu nennen.

5 vgl. a. a. O., S. 152ff.

6 a. a.Q, S. 153.

7 Leibniz, Gottfried Wilhelm, De rerum originatione radicali. In C. J. Gerhardt (Hrsg.), G. W. Leibniz / Die philosophischen Schriften. Band 7, Berlin, 1890, S.302. Zum Verständnis wurde die englische Übersetzung herangezogen: Leibniz, Gottfried Wil­helm, Of the radical origination of things. In Leroy E. Loekmer (Hrsg.), G. W. Leibniz / Philosophical Papers and Letters. Band 2, The University of Chicago Press, 1956, S. 790

8 Swinburne merkt hierzu an: » [ich] unterstelle [...], dass dieser Prozess deterministisch ver­läuft [...] Wir dürfen hier jedes geringfügige Element von Indeterminismus vernachlässigen, da für die Argumentation nichts davon abhängt.« (Swinburne, S. 157) Diese Annahme, dass die naturgesetzlich erklärbaren Abläufe im Universum, wenn vielleicht nicht im Klei­nen, doch zumindest im Großen und Ganzen deterministisch seien, deckt sich allerdings auch mit dem gängigen Weltbild der Naturwissenschaften. In der Physik hat man mit der Unschärferelation sogar eine klare Linie zwischen diesem Großen und Ganzen und dem nichtdeterministischen Kleinen ziehen können.

9 a. a.Q, S. 158.

10 “vgl. Swinburne, S. 159

11 vgl. a.a.O., S. 13-30

12 vgl. a.a.O., S. 156f.

13 vgl. Swinburne, S. 159£, Fußnote 10

14 Vgl. a. a. O., S. 164. Strenggenommen sind diese Beispiele falsch, da Materie sich in Energie überführen lässt und umgekehrt. Ein Erhaltungssatz kann allenfalls die Summe aus der Energiemenge und dem Energieäquivalent der Materiemengen im Universum betreifen.

15 vgl. a.a.O., S. 163£

16 a. a.Q, S.163.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Richard Swinburne: Die Existenz Gottes - Das kosmologische Argument
College
University of Marburg  (Institut für Philosophie (FB 03))
Course
Proseminar: Gottesbeweise im 20. Jahrhundert
Grade
sehr gut
Author
Year
2003
Pages
17
Catalog Number
V25779
ISBN (eBook)
9783638283069
File size
615 KB
Language
German
Notes
Untersuchung von Richard Swinburnes Herangehensweise an den kosmologischen Gottesbeweis. Referatsausarbeitung komplett mit Handout (2 Seiten).
Keywords
Swinburne, Gottesbeweis, kosmologischer Gottesbeweis
Quote paper
Matthias Warkus (Author), 2003, Richard Swinburne: Die Existenz Gottes - Das kosmologische Argument, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25779

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