Die jüngere politische Entwicklung der brasilianischen Millionen-Metropole Porto Alegre ist eine Erfolgsgeschichte. Es war 1989, als die Arbeiterpartei Partido dos Trabalhadores die Macht in Porto Alegre erlangte und das System der politischen Entscheidungsfindung in der Hauptstadt des südlichsten Bundesstaats Brasiliens, Rio Grande do Sul, entscheidend umkrempelte. Die Wähler 1 sollten an der jährlichen Aufstellung des Investitionshaushaltes beteiligt werden. Sie sollten die Investitionsziele formulieren und in einem gerechten Abstimmungsverfahren durch- und umsetzen. Der Orçamento Participativo, zu deutsch Bürgerhaushalt, war geboren. Er brachte ein Moment der direkten Demokratie in eine Stadt, die zuvor unter erheblichen Schuldenlasten und Ämterpatronage bzw. Korruption gelitten hatte. Diese Probleme Porto Alegres sind bis heute fast völlig verschwunden, und sein Erfolg hat den Bürgerhaushalt zu einem mittlerweile weltweit vorbildlichen Projekt partizipativer Demokratie gemacht. Zu den vielfältigen Auswirkungen zählt, dass das Vertrauen in die Regierenden und sogar die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, gewachsen ist, wie jüngstere Studien zeigen. 2 Die Erfolge machten weltweit Kommunen Mut, den Teufelskreis von öffentlicher Verschuldung und wachsendem Vertrauensverlust in das politische System zu durchbrechen. „Vom Süden lernen“ 3 könnte auch die deutsche Hauptstadt Berlin, die auf den ersten Blick zumindest finanziell die fast gleichen Sorgen wie Porto Alegre plagen. Das Verstricken in der Schuldenfalle nimmt nicht nur bundesweit, sondern vor allem im politischen Zentrum der neuen deutschen Republik Besorgnis erregende Ausmaße an. Berlin ist gar ein Sonderfall, in der finanzielle und politische Krise so stark zusammenfallen wie kaum woanders.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Legitimationskrise der Demokratie und öffentliche Verschuldung
- Legitimationskrise der Demokratie
- Legitimationskrise durch Steuerungsverlust
- Legitimationskrise durch Erosion des demokratischen Inputs
- Legitimationskrise durch gesellschaftliche Modernisierung
- Mit partizipatorischer Demokratie aus der Legitimationskrise
- Problematik der öffentlichen Verschuldung
- Haushaltslage in Deutschland
- Ausmaß der Verschuldung
- Wirkung von Staatsverschuldung
- Die Schuldenfalle
- Wege zur Schuldenbegrenzung
- Gründe für Verschuldung
- Neue Lösungsansätze
- Aktive Versuche der Haushaltskonsolidierung
- Reformen auf kommunaler Ebene
- Neue Steuerungsmodelle und New Public Management
- Von Binnenmodernisierung zur Staatsreform
- Der Bürgerhaushalt von Porto Alegre und seine Übertragbarkeit
- Die Wurzeln des Bürgerhaushaltes
- Funktionsweise des Bürgerhaushaltes in Porto Alegre
- Erfolge und Verbreitung
- Rahmenbedingungen zur Übertragung
- Rahmenbedingungen am Beispiel Porto Alegre
- Rahmenbedingungen in Berlin
- Funktionsbedingungen
- Der Bürgerhaushalt Berlin
- Haushaltslage
- Ursachen der Berliner Finanzkrise
- Lösungsansatz Bürgerhaushalt
- Das Modell der AG Bürgerhaushalt
- Haushaltsaufstellung der Bezirke als Ausgangspunkt
- Modellgestaltung
- Die Verfahrensschritte im Einzelnen
- Unterschied zu Porto Alegre
- Perspektiven zur Umsetzung
- Der Bürgerhaushalt als Ausweg aus der Schuldenfalle?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht die Übertragbarkeit des Bürgerhaushalts von Porto Alegre auf Berlin im Kontext der deutschen Haushaltslage und der Legitimationskrise der Demokratie. Die Arbeit analysiert die Funktionsweise des Bürgerhaushalts in Porto Alegre und betrachtet die Rahmenbedingungen für eine Umsetzung in Berlin. Es wird geprüft, ob der Bürgerhaushalt eine Lösung für die Schuldenprobleme der deutschen Hauptstadt darstellen könnte.
- Die Legitimationskrise der Demokratie im Kontext von Steuerungsverlust und gesellschaftlicher Modernisierung
- Die Problematik der öffentlichen Verschuldung in Deutschland, insbesondere die Ursachen und Folgen der Schuldenfalle
- Der Bürgerhaushalt als partizipatives Modell zur Haushaltsaufstellung und seine Übertragbarkeit auf Berlin
- Die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei der Implementierung eines Bürgerhaushalts in Berlin
- Die potenziellen Auswirkungen des Bürgerhaushalts auf die Finanzlage und die demokratische Legitimität in Berlin
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Legitimationskrise der Demokratie und die Problematik der öffentlichen Verschuldung in Deutschland, insbesondere in Berlin. Im Anschluss wird das Modell des Bürgerhaushalts von Porto Alegre vorgestellt und dessen Funktionsweise sowie Erfolgsfaktoren analysiert. Kapitel 2 untersucht die Übertragbarkeit des Modells auf Berlin und identifiziert die notwendigen Rahmenbedingungen. Schließlich werden die Chancen und Herausforderungen einer Umsetzung des Bürgerhaushalts in Berlin beleuchtet, sowie dessen Potenziale im Kampf gegen die Schuldenfalle.
Schlüsselwörter
Bürgerhaushalt, Porto Alegre, partizipative Demokratie, öffentliche Verschuldung, Legitimationskrise, Haushaltskonsolidierung, Finanzkrise, Berlin, Deutschland, Steuerungsverlust, gesellschaftliche Modernisierung, Erfolgsfaktoren, Herausforderungen, Rahmenbedingungen, Übertragbarkeit.
- Quote paper
- Christian Zimmer (Author), 2003, Der Bürgerhaushalt als Ausweg aus der Schuldenfalle? Porto Alegre: Chance für Berlin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26125