‚Think small’ als Lösungsweg für jedes Problem?!


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2013

16 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2Empathieund(Fach)Wissen– eine Begriffsannäherung

3Think small– Darstellung des Aphorismus im Roman
3.1 Die Begegnungen von Baxter und Henry Perowne –Think smallals Lösungsweg
3.2Think small –Der Lösungsweg auch für „größere“ Fragen

4 Fazit

Quellenverzeichnis

1 Einleitung

When we go on about the big things, the political situation,

global warming, world poverty, it all looks really terrible,

with nothing getting better, nothing to look forward to.

But when I think small, closer in [...] then it looks great.

So this is going to be my motto – think small.

Theo in Saturday (McEwan 2006: 34 f.)

Für Theo Perowne, den Sohn des Protagonisten in Ian McEwans Roman Saturday, scheint dieses Motto, dieser Aphorismus die Lösung für menschliche und gesellschaftliche Probleme zu sein. Es ist seine Möglichkeit, sein Leben ohne die moralische Last zu leben, die das Wissen über bspw. Verbrechen oder Kriege in fremden Ländern mit sich bringt. Der Roman Saturday bietet den Lesern diesen Aphorismus – diese „[...] in einem Satz zusammengefasste Lebensweisheit [...]“ – als eine Strategie an, den Problemen des Lebens zu begegnen und versucht zudem, diese Strategie selbst zu nutzen (Beck, Kuester, und Kuester 2007: 16 f.).

So behandelt der Roman nur einen einzigen Tag im Leben eines Mannes. Genauer gesagt, wird von einem Samstag (15. Februar 2003) des Londoner Neurochirurgen Henry Perowne erzählt. Insbesondere in diesem Protagonisten, der zeitgleich der Hauptfokalisator[1] ist, kommt der Aphorismus seines Sohnes im Laufe des Romans zum Tragen. Obwohl sich Perowne dessen nicht bewusst ist, ist sein Denken, während er den Samstag verlebt, an vielen Stellen eng bzw. klein gehalten. Es werden Situationen beschrieben, die Perowne durch Wissen oder Empathie löst. Diese zwei Komponenten werden von Henry zur Bewältigung seiner Probleme bzw. schwieriger, trauriger oder emotionsreicher Gegebenheiten gewählt. Sie scheinen für ihn eine Lösung darzustellen.

Doch bietet think small auch die Lösung für die große Frage, die dem Roman unterliegt? Der 15. Februar 2003 präsentierte sich nicht nur für Henry als ereignisreich, sondern kennzeichnete für London ebenfalls ein großes Ereignis, welches der Roman teils direkt teils nur indirekt behandelt. An dem Tag fand die historisch gesehen größte Demonstration in Großbritannien gegen die britische Invasion des Iraks statt (Amiel-Houser 2011: 129). Auch der Roman adressiert die moralischen Bedenken, die mit diesem Krieg verknüpft sind, an mehreren Stellen, bspw. während der politischen Diskussion von Henry mit seiner Tochter Daisy (vgl. McEwan 2006: 185 ff.). Ist in diesen Situationen think small ebenfalls möglich resp. wird der Lösungsvorschlag auch in diesen umgesetzt? Oder lässt der Roman Zweifel an think small erkennen, wenn es nicht lediglich um die Probleme des eigenen Lebens geht?

Um den Antworten auf diese Frage näher zu kommen, wird zunächst eine theoretische Basis geschaffen, in der die Begriffe Empathie und Wissen näher beleuchtet werden, da diese Perowne in Problemsituationen scheinbar eine Lösung bieten (Kap. 2). Anschließend daran wird think small auf Situationen im Roman übertragen und es wird eruiert, inwiefern Empathie und Wissen hier als Lösung der Probleme fungieren bzw. fungieren können (Kap. 3). Darauffolgend wird diese Arbeit mit einem Fazit abgeschlossen (Kap. 4), in welchem der Versuch unternommen wird, die zuvor gestellten Fragen zu beantworten.

2 Empathie und (Fach)Wissen – eine Begriffsannäherung

Was ist Empathie bzw. was bedeutet Empathie? Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff aus dem Griechischen stammt (ἐμπάθεια empátheia) und soviel wie „Leidenschaft“ oder „heftige Gefühlserregung“ bedeutet (Schmitt 2003: 27). Es ist also schon zu erkennen, dass für Empathie Emotionen eine Relevanz haben. Allgemein beschreibt der Duden diesen Begriff als die „Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen“ (Bibliographisches Institut GmbH 2013a). Genauer ist es folglich „[...] der psychische Vorgang [...], sich in die Gedanken- und Gefühlswelt eines anderen Menschen kognitiv einzufühlen und die Welt aus dessen Sicht zu sehen“ (Barthel 2008: 31). Dieser Vorgang wird gehäuft als Perspektivübernahme bezeichnet[2] (Schmitt 2003: 32). Notwendig für die „[...] Perspektivenübernahme eines Anderen ist [allerdings] das Wissen um dessen Bewusstseinsinhalte [..., also] das Wissen vom Inneren des Gegenübers“ (ebd.; Anm. durch die Autorin). Durch diese Perspektivenübernahme ist es möglich, sich über das Handeln, die Emotionen und Motivationen des Anderen klar zu werden. Häufig wird Empathie durch Verben wie einfühlen und mitfühlen ausgedrückt. Barthel äußert, dass für das „[...] Phänomen der Anteilnahme [der] Oberbegriff der ‚Empathie’ fest[gelegt werden kann]“, dieser jedoch noch weiter unterteilbar bzw. spezifizierbarer ist (Barthel 2008: 2; Anm. durch die Autorin). Zuerst nennt sie die basale Form der Empathie, „[...] die ein einfühlendes Verstehen unabhängig von jeder Wertung [...] möglich macht“ und den Menschen auch Empathie mit Personen erlaubt, die etwa Verbrechen begangen haben. Dann führt sie weiter aus, dass aus dieser Grundform heraus zwei unter anderem für die Literaturwissenschaft relevante „[...] Sonderformen derselben entstehen [...]“ (Barthel 2008: 3). Diese zwei Sonderformen stellen Sympathie und Mitleid dar (vgl. ebd.).

Für McEwan „[...] is the nature of empathy, to think oneself into the minds of others. These are the mechanics of compassion [...]“ (McEwan 2001: 2). Folglich verknüpft McEwan bei seinem Verständnis von Empathie, ebenso wie der griechische Ursprung des Wortes, die Leidenschaft mit der Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen bzw. sich hineinzufühlen. Des Weiteren betont er, dass „[i]magining yourself into the minds of other people is, I think, a fundamental human act of empathy, which lies at the base of all our moral understanding“ (Whitney 2002). Empathie ist demnach ein Kernstück der menschlichen Moral. Da es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, den Begriff der Empathie vollständig zu hinterleuchten, wird McEwans Verständnis von Empathie, dieser Arbeit zugrunde gelegt. Dieses ähnelt dem von Barthel und der Definition des Dudens.

Als zweiten Lösungsweg bietet McEwans Werk Wissen bzw . Fachwissen an, wobei diese nicht den Weg der Empathie ausschließen. Dabei hat der erste Begriff laut dem Duden folgende Bedeutungen:

a. Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand [auf einem bestimmten Gebiet] hat

b. Kenntnis, das Wissen von etwas (Bibliographisches Institut GmbH 2013b)

Das Fachwissen grenzt das Wissen, das jemand hat, weiter ein, indem es die Fachkenntnisse eines Menschen anspricht (vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2013c). Der folgende Teil dieser Arbeit soll auf diese Auslegungen der hier dargestellten Begrifflichkeiten aufbauen.

3 Think small – Darstellung des Aphorismus im Roman

Weiterführend wird think small zunächst auf private Ereignisse von Perowne übertragen. Insbesondere werden die Zusammenstöße mit Baxter näher beleuchtet, die sich nicht auf den Irak-Krieg beziehen. Diese bewältigt Perowne scheinbar durch sein Wissen und seine Empathie. Daraufhin wird think small auf die dem Roman zugrunde liegende Situation des Irak-Kriegs transferiert, indem drei Situationen genauer betrachtet werden.

3.1 Die Begegnungen von Baxter und Henry Perowne – Think small als Lösungsweg

In McEwans Roman treffen Henry und Baxter – ein an Chorea Huntington [3] leidender, aggressiver Krimineller – in zwei gewalttätigen Situationen aufeinander, die dem Leser aus der Sicht Henrys vermittelt werden. Die erste Szene, auf die Bezug genommen wird und in der Henrys (Fach)Wissen und die dadurch anscheinend für Baxter hervorgerufene Empathie die Lösung des Konflikts bieten, ereignet sich in der University Street nach einem Beinahe-Autounfall (vgl. S. 83-99).

In den circa ersten zehn Seiten, in denen diese Begegnung dargestellt wird, ist auffällig, wie detailliert McEwan aus der Sicht Perownes die Person Baxter beschreibt. Henry beobachtet sein Gegenüber genau, was ebenfalls durch das medizinisch getönte Verb to examine[4] deutlich wird, welches zudem auf Henrys medizinische Ausbildung hinweist (vgl. McEwan 2006: 83). So fällt Henry recht zu Beginn des Aufeinandertreffens folgendes an Baxter, dessen Nachnamen er nicht erfährt, auf:

As before, the short man – five foot five or six perhaps – is out in front. His gait is distinctive, with a little jazzy twist and dip of his trunk as though he’s punting along a gentle stretch of river. (McEwan 2006: 84)

Etwas später beschreibt er den Kriminellen noch genauer:

Baxter is one of those smokers whose pores exude a perfume, an oily essence of his habit. [...] Possibly the kidneys are implicated. He’s a fidgety, small-faced young man with thick eyebrows and dark brown hair razored close to the skull. The mouth is set bulbously, with the smoothly shaved shadow of a strong beard adding to the effect of a muzzle. The general simian air is compounded by sloping shoulders, and the build-up trapezoids suggest time in the gym, compensating for his height perhaps. (ebd. 88)

Die detailreichen Beschreibungen von Baxters Erscheinungsbild (Größe, Frisur, Habitus) und dessen auffällige Körperhaltung und Bewegung, die aufgrund von Henrys Beobachtungen und evtl. durch seine Erfahrungen als Arzt entstehen, erlauben sowohl Henry als auch den Lesern, Baxter besser einzuschätzen. Diese Einschätzung basiert auf Baxters Äußerem und Henrys medizinischem Wissen, welches sich in dem Satz „The persistent tremor also draws Perowne’s professional attention.“ (ebd. 87) äußert. Sie ermöglicht speziell Henry sich dadurch in die Gedankenwelt von Baxter einzufinden und eine Perspektivenübernahme kann entstehen. Nachdem der Hauptfokalisator aus seinen Beobachtungen geschlussfolgert hat, dass Baxter an der Huntington Krankheit leidet, nutzt er dieses Wissen, um sich aus der heiklen Situation zu befreien. Er selbst nennt diese Methode, die funktioniert, „the shameless blackmail“ (McEwan 2006: 95). Indem er weiß bzw. vermutet, wie sich Baxter wegen seiner Erkrankung fühlt, ist Henry in der Lage, konkrete Aussagen zu machen, Fragen zu stellen und Baxter so in eine unangenehme Situation zu bringen:

[...]


[1] Fokalisation in Narration umfasst „perceptual, psychological and ideological facets“ (Rimmon-Kenan 82 zit. nach Meyer 2008: 69). Diese Facetten beinhalten Sinneseindrücke, emotionale und kognitive Prozesse und Normen (vgl. ebd.). Um den Fokalisator, „[...] i.e. the ‚agent that sees’ in a given focalization“, zu bestimmen, ist die Frage „Wer nimmt wahr?“ hilfreich (Niederhoff 2013: Absatz 16; vgl. Meyer 2008: 69)

[2] Schmitt beschreibt, dass die Empathie von unterschiedlichen wissenschaftlichen Strömungen als „[...] ein[...] Teilaspekt der viel umfassenderen Fähigkeit des Menschen zur sozialen Kognition bzw. Perspektivenübernahme [gehalten wird]“ und „[...] dass gelegentlich <<Perspektivenübernahme>> als Synonym für <<Empathie>> erscheint“ (Schmitt 2003: 32 f.).

[3] Chorea Huntington ist eine erbliche neurodegenerative choreatische Erkrankung (vgl. Pschyrembel 2011: 380). Der Begriff Chorea stammt dabei aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie Tanz. Die Krankheit wurde unter anderem aufgrund seines Symptoms der „distal betont[en] Bewegungsstörung“, die an den Veitstanz erinnerte, so bezeichnet (ebd.).

[4] (to) examine = (to) inspect closely (Merriam-Webster 2003: 434)

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
‚Think small’ als Lösungsweg für jedes Problem?!
Université
University of Hamburg
Cours
Homeland/Homefront: 21st Century Novels
Note
1,3
Auteur
Année
2013
Pages
16
N° de catalogue
V262337
ISBN (ebook)
9783656512202
ISBN (Livre)
9783656511601
Taille d'un fichier
599 KB
Langue
allemand
Mots clés
Saturday, Ian McEwan, Britische Literatur, Homeland, Homefront, Post 9/11 literature, 21st century novels, Henry Perowne, think small, british literature, Irak-Krieg
Citation du texte
Heidi Veldtrup (Auteur), 2013, ‚Think small’ als Lösungsweg für jedes Problem?!, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262337

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