Leseprobe
EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK ...1
1 MERKMALE DER TEXTUALITÄT VON BEAUGRANDE/DRESSLER ...2
1.1 Kohäsion (Verbindung der Wörter in der Textoberfläche) ...2
1.2 Kohärenz (semantischer Textzusammenhang) ...3
1.3 Intentionalität (Ausdruck der kommunikativen Absicht) ...4
1.4 Akzeptabilität (Äußerung als Text aus Rezipientensicht) ...5
1.5 Informativität ...5
1.6 Situationalität (Situationsangemessenheit eines Textes) ...6
1.7 Intertextualität (Ausdruck der Beziehungen zu anderen Texten) ...6
2 ZWISCHENFAZIT ...7
3 ALTERNATIVE TEXTDEFINITIONEN ...8
3.1 Text unter vorwissenschaftlichen Gesichtspunkten ...8
3.2 Wolf-Dieter Krause ...9
3.3 Kirsten Adamzik ...9
4 ABSCHLIEßENDES ...10
LITERATURVERZEICHNIS ...12
Einführung in die Thematik
Was ist eigentlich ein Text? Was macht das Wesen dieses Phänomens aus und wie kann jener Begriff von ‚Nicht-Texten‘ abgegrenzt werden? Mit der Klärung dieser Frage beschäftigt sich die Ende der 1960er Jahre entstandene und noch recht junge, sprachwissenschaftliche Disziplin der Textlinguistik. Den ersten spontanen Versuch einer Textdefinition machte Hartmann im Jahre 1964: „Mit ‚Text‘ kann man alles bezeichnen, was an Sprache so vorkommt, da es Sprache in kommunikativer oder wie immer sozialer, d.h. partnerbezogener Form ist.“1
Weiterhin findet man im Duden unter dem Suchbegriff „Text“ folgende Eintragungen: 1a. [schriftlich fixierte] im Wortlaut festgelegte, inhaltlich zusammenhängende Folge von Aussagen; 1b. Stück Text, Auszug aus einem Buch o. Ä. ; 2. (als Grundlage einer Predigt dienende) Bibelstelle; 3. Unterschrift zu einer Illustration, Abbildung; 4. die zu einem Musikstück gehörenden Worte.2
Diesen beiden Definitionen gelingt es immerhin, dem „Durchschnittssprachteilnehmer“ den Textbegriff näher zu bringen – für die wissenschaftliche Betrachtung beziehungsweise Herangehensweise sind sie allerdings unzureichend. Es wäre wenig sinnvoll, an dieser Stelle unzählige andere Merkmals- und Textdefinitionen zu erwähnen, da dies zu einer gewissen Unordnung führen würde, die nicht unbedingt zur besseren Überschaubarkeit und Handhabbarkeit des Begriffs beiträgt. Deshalb beschränken wir uns auf die sieben viel zitierten Textualitätskriterien von Beaugrande/Dressler. Diese sind: Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität.
Doch so häufig diese Kriterien auch zitiert wurden, sie bleiben dennoch umstritten. Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, diese Textualitätskriterien zu beschreiben, kritisch zu beleuchten und mit alternativen Textdefinitionen zu vergleichen, um so die Problematik aufzuzeigen, warum es bis heute nicht gelungen ist, einen allgemein gültigen Textbegriff zu finden.
1 Merkmale der Textualität von Beaugrande/Dressler
Die Linguisten Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Dressler definieren „Text“ folgendermaßen: "Wir definieren einen Text als kommunikative Okkurenz, die sieben Kriterien der Textualität erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt […]."3
Laut Beaugrande/Dressler fungieren diese sieben Kriterien als konstitutive Prinzipien [. . .] von Kommunikation durch Texte; sie bestimmen und erzeugen die als Text-Kommunikation bestimmbare Verhaltensform, die zusammenbricht, falls sie zerstört werden.4 Kurz gesagt: Bleibt eines dieser Kriterien unerfüllt, bedeutet das die Einordnung eines Textes in die Kategorie ‚Nicht-Text‘. Im Folgenden werden diese Kriterien dargestellt, um dann in einem zweiten Schritt auf ihre Uneingeschränktheit als Merkmale der Textualität geprüft zu werden.
1.1 Kohäsion (Verbindung der Wörter in der Textoberfläche)
Das erste der sieben Textualitätskriterien ist die Kohäsion. Es betrifft die Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES, d. h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinander verbunden sind. Die Oberflächenkomponenten hängen durch grammatische Formen und Konventionen voneinander ab, so dass also Kohäsion auf grammatischen Abhängigkeiten beruht.5 Auffällig ist hier die Herausstellung des Wortes „Oberflächentext“. Zur Veranschaulichung bedienen sich die beiden Autoren folgenden Beispiels (Ein Warnschild für Autofahrer):
LANGSAM
SPIELENDE KINDER6
Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass die grammatische Anordnung der Wörter die Art und Weise bestimmt, wie die Aussage zu verstehen ist. Die Wortfolge des Oberflächentextes könnte nicht einfach beliebig oft verändert werden, ohne den (in diesem Fall) Autofahrer zu irritieren. Würde dieses Schild mit anders platzierten Worten aufgestellt werden, wie beispielsweise
KINDER SPIELENDE LANGSAM
so wäre der Satz nicht nur ungrammatisch, sondern verwirrend zugleich, da nicht davon auszugehen ist, dass Autofahrer den Zusammenhang gleich verstehen. Die Kohäsion kann somit zwar als Kriterium zur Erschließung von Texten herangezogen werden, ihr gelingt es aber nicht, eine eindeutige Lesart zu liefern. So könnte unser oben genanntes Beispiel LANGSAM SPIELENDE KINDER sowohl als eine Aufforderung gemeint sein, durch langsames Fahren Rücksicht auf spielende Kinder zu nehmen, als auch als ein Verweis über „langsam spielende“ Kinder.7
Beaugrande und Dressler nehmen ihre Feststellung teilweise zurück, indem sie darauf verweisen, dass die Oberfläche von sich selbst nicht über den Sinn des Textes entscheidet, sondern die Interaktion mit den anderen Kriterien nötig ist, um eine Wirksamkeit von Kommunikation garantieren zu können.8
1.2 Kohärenz (semantischer Textzusammenhang)
Das zweite Textualitätskriterium von Beaugrande/Dressler ist die Kohärenz eines Textes. Es geht dabei um semantisch-kognitive Aspekte wie Kausalitäts-, Referenz- und Zeitbeziehungen, also um rein inhaltliche Zusammenhänge.9 Sie definieren den Begriff folgendermaßen: "Kohärenz betrifft die Funktionen, durch die die Komponenten der Textwelt, d.h. die Konstellation von Konzepten (Begriffen) und Relationen (Beziehungen), welche dem Oberflächentext zugrundeliegen, für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind. Ein Konzept ist bestimmbar als eine Konstellation von Wissen (kognitivem Inhalt), welches mit mehr oder weniger Einheitlichkeit und Konsistenz aktiviert oder ins Bewusstsein zurückgerufen werden kann […]. Relationen sind die Bindeglieder zwischen Konzepten, die in der Textwelt zusammen auftreten; jedes Bindeglied soll eine Bezeichnung des Konzepts tragen mit dem es eine Verbindung herstellt […]."10
Besonders hervorzuheben sind hier die Relationen der Kausalität und der Zeit. Aus dem Beispiel „Er hatte den Schlüssel vergessen und rief den Schlüsseldienst an“ wird deutlich, dass das „Vergessen des Schlüssels“ Ursache und „der Anruf“ die Wirkung des Vergessens ist. Zudem macht der Satz deutlich, dass das Vergessen des Schlüssels zeitlich vor dem Anruf stattfand.11 Kohärenz muss zudem nicht explizit aus der Textoberfläche deutlich werden. Somit wird deutlich, dass ein Text nicht nur durch die Struktur seiner Oberfläche an Sinn gewinnt, sondern eher dadurch, dass die Textrezipienten ihr Textwissen und ihr gespeichertes Weltwissen einbringen. Kurz gesagt, die im Text auftretenden Konzepte und Relationen müssen bei einem kohärenten Text mit dem Weltwissen des Rezipienten übereinstimmen.
[...]
1 Heinemann, Margot/Heinemann, Wolfgang: Grundlagen der Textlinguistik: Interaktion – Text – Diskurs. Tübingen: Niemeyer, 2002. S. 95f.
2 http://www.duden.de/rechtschreibung/Text_Aeuszerung_Schrift
3 Gansel, Christina/Jürgens, Frank: Textlinguistik und Textgrammatik. Eine Einführung. Stuttgart: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007 (2. Aufl.). S. 23.
4 de Beaugrande, Robert-Alain/Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen: Niemeyer, 1981(2. Aufl.). S. 13f.
5 Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenzen in Texten. München: Wilhelm Fink Verlag, 1992. S. 32.
6 Beaugrande/Dressler: Einführung in die Textlinguistik. 1981, S. 4.
7 Beaugrande/Dressler: 1981, S. 4.
8 Ebd. S. 5.
9 Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. 1992, S. 42.
10 Beaugrande/Dressler: S. 7
11 Fix, Ulla: Text und Textlinguistik. In: Janich, Nina (Hg.): Textlinguistik. 15 Einführungen. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, 2008. S. 22f.