Wörterbücher – Mittel nationalsozialistischer Propaganda


Dossier / Travail, 2013

23 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Status des Wörterbuchs im Nationalsozialismus

3. Analyse der Duden hinsichtlich propagandistischen Materials
3.1. Das Vorwort
3.1.1. Das Vorwort zur zehnten Auflage - eine Zusammenfassung
3.1.2. Das Vorwort zur zwölften Auflage - ein Analyse
3.2. Das Wortmaterial - eine Analyse

4. Der Schlussteil

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Funktion eines Nachschlagewerks liefert das Wörterbuch (im engeren Sinne) zu den jeweils verzeichneten Wörter entweder sprachliche Informationen oder eine sprachliche Äquivalente, infol- gedessen es darüber hinaus dem Verständnis von Fremdwörter dienen kann. Neben jenen Werken, welche die eben genannte ursprüngliche und eigentümliche Funktion erfüllen, kann man heutzutage den Trend beobachten, dass Wörterbücher ebenfalls in der Unterhaltungs- branche Fuß fassen. Folglich existieren Ausgaben, die auf witzige Weise Kommunikationsproble- me, bspw. zwischen Mann und Frau aufgreifen, indem sie stereotypische, kommunikative Stile beider Geschlechter überspitzt darstellen und diese Informationen in der typischen Form eines Wör- terbuchs präsentieren.

Trotz dieser ungewöhnlichen Nutzung des Wörterbuch als Unterhaltungsobjekt ist jene Vorstellung vom Wörterbuch verbreitet, welche unter diesem Begriff in erster Linie ein Nachschlagewerk versteht. Jedoch wird vor dem Hintergrund des neu erworbenen Unterhaltungswertes deutlich, wie stark der Mensch die Wirkung eines Wörterbuchs durch Änderungen am Inhalt verändern kann - beispielsweise mit Hilfe von Schwerpunktsetzungen.

Ähnliches kann zur Zeit des Nationalsozialismus beobachtet werden, während Änderungen im Vorwort, dem Stichwortverzeichnis, sowie der Bedeutungserklärungen vorgenommen werden und sich die Wirkung bzw. die Funktion des Wörterbuchs verändert. Zwar bleibt dem Wörterbuch vor- dergründig die Funktion als Nachschlagewerk erhalten, jedoch kann im Hinblick auf die vorge- nommenen Änderungen, sowie unter Berücksichtigung der Handlungen im Nationalsozialismus, außerhalb des sprachlichen Aktionsbereichs eine weitere Funktion herausgestellt werden - die Pro- paganda.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, herauszustellen an welchen Stellen des Wörterbuchs Veränderungen zu Propagandazwecken vorgenommen werden, welche Einträge von jenen Veränderungen verschont bleiben, sowie mögliche Entwicklungen hinsichtlich des Stärkegrads der propagandistischen Wirkungen auszumachen.

Zu diesem Zweck gilt es zunächst den Status eines Wörterbuchs im Nationalsozialismus darzustellen, wobei dies unter Berücksichtigung des Wörterbuchs als mögliches Propagandamittel der Nationalsozialisten erfolgen soll. Diesbezüglich bieten Müller und Haß-Zumkehr ausführliche Beiträge, sodass in erster Linie in Anlehnung an ihre Arbeiten vorgegangen wird.

Im Anschluss daran gilt es an ausgewählten Wörterbüchern aus der Zeit des Nationalsozialismus das Vorwort, sowie die Bedeutungserklärung hinsichtlich möglicher Einträge mit propagandisti- scher Wirkung zu untersuchen. Zum dieses Zweck ist es zunächst notwendig, bestehende Verände- rungen in den Einträgen des Vorworts, sowie der Bedeutungsbeschreibung festzumachen, sowie diese hinsichtlich ihrer Wirkung zu untersuchen. Anschließend gilt es einen möglichen Nutzen für die Propagandaarbeit herauszustellen, indem die Vorstellung und Absichten der Nationalsozialisten hinzugezogen werden.

Zuletzt soll mit Hilfe der Untersuchungen erläutert werden, inwieweit das Wörterbuch ein bewusstes Propagandamittel darstellt, Objekt unbewusster Propaganda geworden ist oder lediglich eine Abbildung der Propagandaarbeit im Nationalsozialismus darstellt.

Dabei beschränken sich die Untersuchungen auf den Duden, wobei die Auflagen von 1929, 1934, sowie 1941 Gegenstand der Analysen darstellen, sowie zudem die Auflage von 1941 schwerpunktmäßig behandelt und jene von 1929 zum Vergleich herangezogen wird.

2. Der Status des Wörterbuchs im Nationalsozialismus

Die primäre Funktion des Wörterbuchs als Nachschlagewerk schließt nicht aus, dass dessen Inhalt vollständig frei von dem Einfluss einer bestehenden Politik und Gesellschaft präsentiert wird, sowie sich dessen Gestaltung ausschließlich auf sprachlicher Ebene abspielt. Im Gegenteil - die Registrie- rung von Wörter wird neben den bestehenden sprachwissenschaftlichen Sichtweisen, der gegenwär- tigen Sprache und den Sprachvarietäten, zudem auch von nichtsprachlichen Faktoren wie Personen, Ereignissen und wichtigen Instanzen eines Landes geprägt. Dieser Niederschlag von sprachlichen wie auch nichtsprachlichen Erscheinungen führt dazu, dass „Wörterbücher einen Status [erhalten], der über die Sprache als solche hinausreicht, da sie gleichzeitig abbilden und bewerten.“1 Im Hin- blick auf die Zeit des Nationalsozialismus zeigt sich die Prägung verschiedener Literatur durch au- ßersprachliche Instanzen in einem besonders starkem Ausmaß, wonach Inhalt, Produktion, sowie jene an dieser Gestaltung beteiligte Personen unter der Kontrolle von Politik und der nationalsozia- listischen Ideologie stehen.2

Nach der Machtübernahme vonseiten der Nationalsozialisten vergehen nur wenige Monate, bis sich Hitler das alleinige Vorrecht seiner Politik schafft, welches wiederum eine wesentliche Voraus- setzung für die absolute Diktatur im Land bildet. Zum Zweck der Verbreitung des nationalsozialisti- schen Weltbilds, sowie der Begeisterung für jene nationalsozialistische Ansichten bedarf es eines Konzepts mit dem eine ideologische Beeinflussung der Aktivitäten des gesellschaftlichen und poli- tischen Lebens im Sinne der Nationalsozialisten vorgenommen werden kann. Die Gleichschaltung - einschließlich der Medien - schafft „die institutionellen Voraussetzungen dafür […], dass der öf- fentliche Sprachgebrauch von der Parteiführung sogar administrativ bis in die Wortwahl hinein kon- trolliert werden“3 kann.

Die zentrale Institution, welche eben diese „Kontrolle über das geschriebene und gesprochene

Wort“4 ausführt und beaufsichtigt, stellt das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propagan- da dar. Die eingeführte Zensur beinhaltet Verbote und Vorgaben hinsichtlich des Gebrauchs bestimmter Worte, welche sich ebenfalls auf die Gestaltung der Wörterbücher auswirken.5 Ausführende Instanzen im Zusammenhang mit der Gestaltung von Wörterbucheinträgen sind die Lexikographen, deren Weltanschauung sich bewusst oder unbewusst in ihren Werken niederschlägt. Dies gilt im Besonderen für die Bedeutungsbeschreibung eines Wörterbucheintrags, sowie zudem für das Vorwort, wobei Müller in diesem Zusammenhang treffend anmerkt, Vorworte seien „Sprachrohr[e] der Lexikographen.“6

In diesem Sinne schlägt sich in den Vorworten der Wörterbücher die Auffassung nieder, das Volk definiere sich über die Sprache der Nation, sodass die Bezeugung zu dieser Nation ein Obligatorium zu sein scheint. Dementsprechend kann bei Wasserziehers7 gelesen werden:

„An jedem einzelnen Wort hat die Volksseele jahrtausendelang gemeißelt, bis es uns in der gegenwärtigen Form in Erscheinung treten konnte. Wörter sind die Weltbausteine eines Volkes.“8

Die Idee der sprachlichen Volkseinheit findet sich darüber hinaus in den Werken von Dornseiff (Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen) und Wehrle (Deutscher Wortschatz) wieder. Wehrle beschreibt das Wörterbuch als „treue[n] Helfer am deutschen Wortschatz,“9 sodass aus dieser Stelle im Vorwort geschlossen werden kann, Nachschlagewerke stünden unter Anderem in der Funktion nationale Ideale zu vermitteln.10

Neben der Hervorhebung des Zusammenhangs von Sprache und Nation, findet darüber hinaus die rassenideologische Besinnung der Nationalsozialisten in den Vorwörtern der Werke ihren Anklang. Es werden Verknüpfung hergestellt, wonach neben der langue ebenfalls die parole ihre Wurzeln im genetischen Erbe besitzt. Demnach handelt es sich sowohl bei dem allgemeinen sozialen Sprach- system, als auch bei der individuellen Sprachverwendung um rassebedingte Phänomene, sodass das Wörterbuch in der Rolle eines Helfers einen wesentlichen Beitrag zur Rassenerhaltung und -pflege leistet.11 Zuletzt gilt es im Rahmen der Vorworte vonseiten der Nationalsozialisten die rassenideo- logische Gesinnung zu verbreiten.12

Neben den Vorworten erfahren ebenfalls die Wortverzeichnisse Änderungen im Sinne der national- sozialistischen Ideologie, wobei sich diese Umarbeitung zum einen in der Reinhaltung von Fremd- wörtern äußert. Die Pflege der Muttersprache bildet ein wesentliches Vorgehen der Nationalsozia- listen, in dessen Funktion auch das Wörterbuch steht. Dies zeigt sich zum einen erneut im Vorwort der Wörterbücher, sowie in der Bildung von Verdeutschungen. Demnach heißt es bei Dolch, Wör- terbücher dienen dazu den „Schatz der Muttersprache bewusst [zu] hegen und [zu] pflegen,“13 wäh- rend der Begründer des Deutschen Sprachvereins sich bezüglich den Fremdwörter wie folgt äußert: „Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann.“14 Demnach liegt es an den Wörterbüchern, Verdeutschungen für Fremdwörter zu finden, wobei zum Zweck der Verbreitung zudem Fremdwörterbücher entstehen, die sich ausschließlich darauf beschränken Ersatzwörter auf- zulisten. Für dieses Vorgehen wird u.a. die Begründung geliefert, „dass deutsche Wörter genauer seien, während das Fremdwort mehrdeutig sei.“15

Im Hinblick auf den Wortschatz im Nationalsozialismus lassen sich einige Änderungen erkennen, welche wiederum zeitnah in Wörterbüchern aufgenommen werden, sodass das Wörterverzeichnis zunehmend eine Ergänzung erfährt. Haß-Zumkehr erläutert, es lasse sich hinsichtlich dessen eine Unterscheidung in verschiedene Funktionsbereiche vornehmen, wonach dem Wortschatz folgende Wörter zugeordnet werden: politische Ideologiewörter (z.B. der Arier), Organisations- sowie Ver- waltungswörter (z.B. der Bund deutscher Mädel), Sachbenennung für neue Gegenstände (z.B. der Arbeitsdienst) und zuletzt Bezeichnungen für neue Rechtsregelungen (z.B. Euthanasie).16

Eine weitere Auffälligkeit im Stichwortverzeichnis stellt die Aufnahme von Wörtern dar, welche in erster Linie in der gesprochenen Sprache Anwendung finden, zu welcher sich Müller wie folgt äu- ßert:

Die Aufnahme von Elementen der gesprochenen Sprache „kann als neues lexikographisches Prinzip der NS betrachtet werden, welches sich wiederum aus den tatsächlichen Sprachzustand konstituiert, der übermäßig durch propagandasprachliche Signalwörter der Redewörter geprägt ist.“

Haß-Zumkehr kann dem Wörterverzeichnis ebenfalls jenes Phänomen entnehmen und führt dies im Weiteren aus, indem sie erläutert, das Wörterbuch dokumentiere eine Veränderung der Leitvarietät weg „von der Schriftsprache [...] und hin zu einer bestimmten Varietät der gesprochenen Spra- che.“17 Zudem stünde es zugleich in der Funktion des Wörterbuchs diese Entwicklung zu unterstüt- zen, sodass das es in diesen Sinne der Gleichschaltung und folglich dem zunehmenden Ausschluss anderer Varietäten dient.

Im Zuge der Verbreitung nationalsozialistischer Ideen erfahren zuletzt die Bedeutungsbeschreibun- gen Änderungen, wobei sich diese in Form von Umdeutungen und Umwertungen äußern. Beispiele für die Umwertung von Wörtern bilden jene Begriffe, welche die Folgen des Ersten Weltkriegs be- schreiben und zu denen die Kriegsschuldfrage, die Novemberrevolution, der Versailler Friedensver- trag, etc. gehören. Demnach wird ein früher positiv besetztes Wort nicht ausschließlich pejorativ verwendet, sondern in ein Negativum überführt, wonach die Kriegsschuldlüge anstelle der Kriegs- schuldfrage, sowie anstelle der Novemberrevolution das Novemberverbrechen tritt.18

Des Weiteren werden bereits bekannte Wörter in ihrer Bedeutung vollkommen verändert, sodass der Faschismus zunächst die Beschreibung als „Rücksichtsloser Nationalsozialismus“19 (1929) während 1941 dieser lediglich als eine „von Mussolini begründete italienische nationalstaatliche Bewegung.“20

Trotz der größer werdenden Verluste im Verlauf des zweiten Weltkriegs, die wiederum zu einer zunehmenden Stagnation der Wirtschaft führen, verbleibt die Buchproduktion - einschließlich der Wörterbücher - auf einem stabilen Level, woraus geschlossen werden kann, dass Letztere einen Teil des Instrumentariums zur Propaganda der Nationalsozialisten bildet.21 Haß-Zumkehr teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung, Wörterbücher würden von den Nationalsozialisten zur Propaganda gestaltet, sowie verbreitet werden: „Es ist jedoch zu erkennen, dass Wörterbücher im Nationalsozialismus […] aktiv zur Durchsetzung der Ideologie beigetragen haben und gezielt als Instrumente der Propaganda eingesetzt wurden.22

Neben jenen Wörterbüchern, die zur Zeit des Nationalsozialismus entstehen und demnach stark durch die nationalsozialistische Ideologie geprägt sind, sowie jenen, die bereits seit Längerem be- stehen und lediglich Veränderungen in diesem Sinne erfahren, existiert das Grimmsche Wörterbuch. Letzteres wird von den Nationalsozialisten im Hinblick auf die dahinter stehende sprachwissen- schaftliche Tradition favorisiert, gilt jedoch nicht als Beispiel für eine Manipulation vonseiten der Nationalsozialisten. Diese romantische Sprachwissenschaft entwickelt sich im 19. Jahrhundert un- abhängig von der nationalsozialistischen Ideologie und hebt im Besonderen den bestehenden, sowie bedeutenden Zusammenhang zwischen Sprache und Volk hervor, mit der Absicht die vielen Klein- staaten auf einen Moment der Zusammengehörigkeit hinzuweisen, um ein Nationalgefühl zu schaf- fen. Die Nationalsozialisten knüpfen an die romantische Vorstellung an und betonen in diesem Zu- sammenhang Sprache erfülle bei Jacob Grimm die Funktion „die Liebe zur Muttersprache und zum Vaterland zu wecken und zu vertiefen“23, sodass der deutschen Sprache der Charakter eines „konstruierenden Element[s] der Einheit des Großdeutschen Reiches“24 zugeordnet wird. Infolgedessen wird die sprachwissenschaftliche Auffassungen der Romantiker aufgegriffen und im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie pervertiert, sowie für die Gestaltung und Änderung von Wörterbucheinträgen als Rechtfertigung genutzt.25

3. Analyse der Duden hinsichtlich propagandistischen Materials

Infolge der Machtergreifung durch Hitler werden neue politische Verhältnisse geschaffen, auf welche wiederum verschiedene Institutionen des Landes mit Änderungen hinsichtlich ihrer Arbeit reagieren müssen - unter Anderem das Bibliographische Institut in Leipzig. Dementsprechend erscheint bereits 1934 eine neue Ausgabe des großen Dudens, wobei diese 11. Auflage sieben Jahre später - 1941 - von einer weiteren 12. Auflage des Duden ersetzt wird.

Sauer führt aus, beide Duden besäßen hinsichtlich des methodischen Vorgehens sowohl untereinan- der, als auch bezüglich der vorherigen Ausgabe keinerlei Unterschiede, während sie im Hinblick auf das Wörterverzeichnis stark voneinander abweichen.26 Diese These wird zudem durch Wurzel un- terstützt, welcher im Rahmen seiner Arbeiten zu Konrad Duden feststellt, dass 1934 der Faschismus in Deutschland „im Duden seine Spuren“ hinterlässt, jedoch „besonders die 12. Auflage von 1941 […] voll von nazistischen Ausdrücken und Worterklärungen“27 ist. Infolgedessen bilden die Aufla- ge von 1941 den Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen, während die Auflage von 1929 zum Vergleich herangezogen wird.

Mit den inhaltlichen Veränderungen des Wörterbuchs geht darüber hinaus ein Wechsel des Heraus- gebers einher, infolgedessen der Sprachwissenschaftler Otto Basler die Verantwortung für den Du- den übernimmt. Es fällt jedoch auf, dass in der Auflage weder im Vorwort noch an andere Stelle auf den Herausgeber verwiesenen wird, sondern lediglich das Bibliographische Institut in Leipzig eine Erwähnung erfährt.

Im Folgenden gilt es jene Veränderungen der 12. Auflage herauszustellen, die mit der Verbreitung nationalsozialistischer Ideen bzw. der betriebenen Propaganda in Verbindung gebracht werden können, indem das Vorwort und ausgewählte Worterklärungen hinsichtlich ihrer propagandistischen Gestaltung untersucht werden.

3.1. Das Vorwort

3.1.1. Das Vorwort zur zehnten Auflage - eine Zusammenfassung

Das Vorwort zur zehnten Auflage des großen Dudens beginnt mit der Benennung und gleichzeitig mit einer Bestätigung des bestehenden Hauptziels aller Duden - der Förderung der deutschen Einheitsschreibung im gesamten Schrifttum.

Im Weiteren verweist der Herausgeber Theodor Matthias darauf, das letzte Jahrzwölft habe viele Veränderungen in Staat und Gesellschaft, aber auch im Fühlen und Denken bewirkt. Diese wiederum finden ihren Niederschlag in der Sprachbewegung dieser Zeit, sowie der aktuellen sprachlichen Neuschöpfungen und den bestehenden Mundarten.

Anschließend wendet sich der Herausgeber der Behandlung von Fremdwörter im Duden zu. Trotz der starken Vernachlässigung dieser vonseiten des amtlichen preußischen Wörterverzeichnisses, sowie der Lieferung von Verdeutschungen seitens des deutschen Sprachvereins, beansprucht Matthias für den Duden die Verzeichnung, sowie Deutung von Fremdwörtern. Er liefert hierfür die Begründung, der Duden stünde im Dienst der „mündig gesprochenen Allgemeinheit,“28 wobei diese wiederum zunehmend das Vokabular aus den Fachwissenschaften in ihren alltäglichen Gebrauch übernimmt.

Als weitere Abweichung von der vorherigen neunten Ausgabe des Dudens benennt er die Angaben zur Herkunft, sowie Verwandtschaft der verzeichneten Wörter.

Diese letzte Ausgabe erschien im Jahr 1915, sodass über 14 Jahre hinweg keine Neuerungen vorgenommen wurden. Im Vorwort wird dementsprechend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Arbeiten an der zehnten Auflagen „nicht mehr zutreffende Angaben über Wortformen, Aussprache […] berichtigt und empfundene Lücken ausgefüllt“29 wurden.

In diesem Zusammenhang spricht er an jene Personen und Institutionen einen Dank aus, die durch Verbesserungsvorschläge zur Förderung des Werkes beigetragen haben und beschreibt in einem Schlusswort den Duden als einen „zuverlässige[n] und aufschlussreiche[n] Freund“30 jener, die darin eine Antwort auf Fragen zur Sprach- und Sprechrichtigkeit suchen, sowie jener die den Duden als bequemes Nachschlagewerk nutzen.

3.1.2. Das Vorwort zur zwölften Auflage - ein Analyse

Das Vorwort der zwölften Auflage erscheint 1941 und lässt im Vergleich zur Ausgabe von 1934 wesentlich stärkere politische Tendenzen erkennen, die bereits zu Anfang in einem pathetischen, dynamischen und emotionalisierenden Schreibstil ihren Niederschlag finden. Zu diesem Zweck stellt der Autor des Vorworts bereits in der ersten Zeile einen Bezug zum Gründer des Dudens her, indem er zunächst seine Motivation benennt - die deutsche Einheitsschreibung - und im Weiteren dieser eine gewisse Aktualität bzw. aktuelle Bedeutung zuschreibt. Letzteres erfolgt durch den er- wartungsvollen Hinweise, die deutsche Einheitsschreibung sei „durch die […] Ereignisse der jüngs- ten Vergangenheit der Verwirklichung nähergerückt.“31 Auf diese Weise kennzeichnet der Autor die Arbeiten des Bibliographischen Institut bzw. der Lexikographen als Tätigkeiten in deutscher Tradi- tion - man könnte sagen als Tätigkeiten der Traditionspflege. Dementsprechend erhalten die aktuel- len Geschehnisse eine besondere Relevanz. Dieses wird insbesondere vor dem Hintergrund deut- lich, dass im Vorwort zur zehnten Auflage zwar ebenfalls das Ziel des Duden benannt wird, jedoch der zeitgeschichtliche Rahmen außer Acht gelassen wird bzw. dieser für die Erreichung des Ziel irrelevant ist. Der Leser wird dieserart dazu angehalten, die zeitgeschichtlichen Geschehnisse in einem positiven Licht zu betrachten bzw. diesen gegenüber eine positive Haltung zu entwickeln, wohingegen sich hinter dieser Wirkung ein propagandistischer Nutzen erkennen lässt.

Gleichzeitig bildet dieser Bezug zu Konrad Duden einen Anknüpfungspunkt, um die Einheit einer Sprache bzw. der Schreibung mit der Einheit eines Volkes in Verbindung zu bringen, sodass in die- sem Sinne die These aufgestellt wird, dass „Sprache als unlösbares Band [eine] Volksgemeinschaft verbindet.“32 Es wird der Gedanke Grimms aufgegriffen, Sprache sein „ein Definiens für das Volk,“33 sodass über eine einheitliche Sprache zur Förderung der Einheit des Volkes beigetragen werden soll.

Der Gedanke einer Einheit wird fortgeführt, indem der Herausgeber die Annahme formuliert, es folge der ebene genannten These der Wunsch nach einer Geschlossenheit für das gesamte Volk, welche durch die deutsche Einheitsschreibung erreicht werden soll, sowie sich auf das gesamte Ge- biet des Großdeutschen Reiches bezieht. Diese Annahme macht zum einen das Streben nach der Abgrenzung bzw. dem Ausschluss von Nichtdeutschem deutlich. Des Weiteren wird durch die Ver- wendung von Possessivpronomen in der 1. Person Plural ein Gemeinschaftsgefühl hervorgerufen, sowie in diesem Zusammenhang dem Leser vermittelt, er besitze dem Geschilderten (der Sprache und dem Volk) gegenüber ein gewisse Verantwortung, da es sich ebenfalls um seine Sprache, sein Volk und seine Volksgemeinschaft handelt. Dies scheint vor dem Hintergrund von Bedeutung zu sein, wenn man die Feststellung Müllers berücksichtigt, es werde häufig „das Bekenntnis zur Nati- on […] zur obligatorischen Beigabe vieler Vorworte.“34 Dies trifft jedoch auf das Vorwort des Du- den nicht zu, sodass hinter der Formulierung unsere Sprache anstelle von bspw. die deutsche Spra- che die Absicht verborgen liegt, dem Leser das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörig- keit aufkommen zu lassen.

[...]


1 Müller[1994], S.58.

2 Vgl. Müller[1994], S. 58 f.

3 Bergsdorf[1983], S. 62.

4 Müller[1994], S. 63.

5 Vgl. Haß-Zumkehr[2001], S. 205 f.

6 Müller[1994], S. 60.

7 Ernst Wasserziehers (1860 - 1927) war ein deutscher Etymologe und Lexikograf, zu dessen Werken unter Anderem das etymologische Wörterbuch Woher? (1918) zählt, aus dessen Vorwort im Folgenden zitiert wird.

8 Wasserzieher[1935], S. 4, zitiert in Müller[1994], S. 80.

9 Wehrle[1990], S. 12, zitiert in Müller[1994], S. 80.

10 Vgl. Müller[1994], S. 79 ff.

11 Die Auffassung teilt Haß-Zumkehr und nimmt zudem eine Ergänzung vor: Die Autoren der Wörterbuchvorworte „be- schrieben Sprache nunmehr als eine von der Rasse abgeleitete und eng auf sie bezogene Größe und schlossen: Die durch Wörterbücher vermittelte Sprachkenntnis solle die Erkenntnis der Rasse oder deutschen Art ermöglichen. (Haß-Zumkehr[2001], S.210 ).

12 Vgl. Müller[1994]}, S. 81 ff.

13 Dolch[1935], S.459, zitiert in Müller[1994], S. 95.

14 Maurer[1935], S. 6, zitiert in Müller[1994], S. 95.

15 Müller[1994], S 97.

16 Vgl. Haß-Zumkehr[2001], S. 203.

17 Haß-Zumkehr[2001], S. 210.

18 Vgl. Müller[1994], S. 35

19 zitiert in Sauer[1988], S. 131.

20 zitiert in Sauer[1988], S. 131.

21 Vgl. Müller[1994], S. 87.

22 Haß-Zumkehr[2001], S. 204 .

23 Müller[1994], S. 73, zitiert nach Schoof[1938], S. 64.

24 Ebenda, S. 71.

25 Vgl. Müller[1994], S. 70 ff.

26 Vgl. Sauer[1988], S. 120.

27 Wurzel[1979], S. 103, zitiert in Sauer[1988], S. 120 f.

28 Matthias [1929], S, 3*.

29 Ebenda], S. 4*.

30 Ebenda, S. 4*.

31 Der große Duden[1941], S. 3*.

32 Der große Duden [1941], S. 3*.

33 Müller[1994], S. 79.

34 Ebenda, S. 79.

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Wörterbücher – Mittel nationalsozialistischer Propaganda
Université
University of Koblenz-Landau
Cours
Sprachwandel am Beispiel von Wörterbüchern
Note
1,7
Auteur
Année
2013
Pages
23
N° de catalogue
V262719
ISBN (ebook)
9783656514978
ISBN (Livre)
9783656514640
Taille d'un fichier
498 KB
Langue
allemand
Mots clés
wörterbücher, mittel, propaganda
Citation du texte
Helena Drewa (Auteur), 2013, Wörterbücher – Mittel nationalsozialistischer Propaganda, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262719

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