Anhänger der neorealistischen Theorie internationaler Politik prognostizierten mit dem Zusammenbruch des bilateralen Systems Anfang der 1990er Jahre auch der NATO ein jähes Ende. Es sei nur eine Frage der Zeit wie lange sie noch als bedeutsamer Akteur und Sicherheitsinstitution im internationalen System erhalten bleibe. Dennoch, fast 25 Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, existiert die NATO noch immer in einer Schlüsselfunktion für transatlantische Sicherheit weiter. Kaum vorstellbar, hatte man erwartet, dass den dramatischen Veränderungen und dem Strukturbruch durch das Ausscheiden des Warschauer Pakts aus der internationalen Politik auch die zweite Institution der alten Konstellation zum Opfer fallen würde. Doch, so muss man gestehen, hat die neue NATO nicht mehr viel mit der alten gemein. Während der grundlegende Sicherheitsaspekt der NATO bei ihrer Gründung noch um die territoriale Verteidigung, Abschreckung und auch die Behauptung der Souveränität war, sind diese Aspekte mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Hatte sich die ‚NATO II‘ nach dem Ende des Ost-West-Konflikts weiter nach Osten ausgedehnt, transformierte sie sich als ‚NATO III‘ in ein Operationsbündnis, das eine Vielzahl von Akteuren und Entwicklungen entgegentreten konnte, die die NATO vielleicht nicht existentiell, aber dennoch in besonderer Hinsicht bedrohten. Der scheidende amerikanische Vertreter der Allianz Ivo Daalder spricht im Vorgriff auf den Abzug der Truppen aus Afghanistan von der NATO IV, einer Versicherungspolice gegen militärische Überraschungen.
Doch stellt sich die Frage, ob die Allianz überhaupt einen weiteren Wandel vollziehen kann, ohne daran zu zerbrechen. Hierzu soll unter Mithilfe des Neorealismus, des neoliberalen Institutionalismus und des Konstruktivismus analysiert werden, wie es um die NATO nach 23 Jahren wechselnder strategischer Konzepte und Ausweitungen ihrer Aufgabenbereiche steht und welchen Einfluss diese auf die Wahrnehmung der NATO durch die Mitgliedsstaaten selbst hatten.
Es soll die Frage geklärt werden: Hat das transatlantische Bündnis überhaupt eine Zukunft als bedeutsamer Akteur internationaler Politik oder sollen die Anhänger neoklassischer Theorie doch Recht behalten und die NATO befindet sich bereits in einem andauernden Auflösungsprozess?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Eine Allianz im Wandel: theoretische Erklärungsansätze
- 2.1. Realistische/Neorealistische Ansätze
- 2.2. Ansätze des neoliberalen Institutionalismus
- 2.3. Konstruktivistische Ansätze
- 3. NATO-Historie
- 3.1. Exkurs: Das Konzept kollektiver Sicherheit
- 3.2. Entwicklungsphasen der NATO bis heute
- 3.2.1. NATO I: 1949 bis 1989
- 3.2.2. NATO II: 1990 bis 1999
- 3.2.3. NATO III: 1999 bis heute
- 4. Politische und militärische Strukturen der NATO
- 4.1. Die politische Struktur der NATO
- 4.2. Die militärische Struktur der NATO
- 5. NATO: Wandel ihrer Aufgaben im Rollenfindungsprozess
- 5.1. Die Osterweiterung der NATO
- 5.2. Kampfeinsätze der NATO
- 5.2.1. Von out of area“ zu „out of treaty\"?
- 5.2.2. „Humanitäre Intervention“ als völkerrechtliche Problematik
- 5.2.3. Operative Praxis: Von Bosnien-Herzegowina bis nach Libyen
- 5.3. Partnerschaftsprogramme der NATO
- 5.4. Schlussbemerkung zum Rollenfindungsprozess
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Zukunft der NATO im 21. Jahrhundert. Angesichts des Wandels im sicherheitspolitischen Umfeld wird die Frage gestellt, ob die NATO als bedeutsamer Akteur des 21. Jahrhunderts bestehen kann. Dabei werden theoretische Erklärungsansätze aus dem Neorealismus, dem neoliberalen Institutionalismus und dem Konstruktivismus herangezogen, um den Transformationsprozess der NATO seit dem Ende des Kalten Krieges zu analysieren.
- Analyse des Wandels der NATO im Kontext des sich verändernden sicherheitspolitischen Umfelds
- Bedeutung der NATO im internationalen System
- Bewertung der Rolle der NATO im Hinblick auf die Zukunft des transatlantischen Bündnisses
- Untersuchung der theoretischen Erklärungsansätze, die den Wandel der NATO beleuchten
- Einfluss der veränderten Aufgabenbereiche der NATO auf die Wahrnehmung durch die Mitgliedsstaaten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung der Arbeit stellt die Leitfrage nach der Zukunft der NATO im 21. Jahrhundert und begründet die Relevanz dieser Frage. Sie beleuchtet die Veränderungen im sicherheitspolitischen Umfeld seit dem Ende des Kalten Krieges und stellt die zentrale These auf, dass die NATO zwar Veränderungen erfahren hat, aber dennoch eine bedeutende Rolle im internationalen System spielt.
Kapitel 2 analysiert die theoretischen Erklärungsansätze aus dem Neorealismus, dem neoliberalen Institutionalismus und dem Konstruktivismus. Es wird untersucht, wie diese Ansätze den Wandel der NATO im Hinblick auf ihre Rolle und Aufgaben in der internationalen Politik erklären.
Kapitel 3 gibt einen historischen Überblick über die NATO. Es werden die verschiedenen Entwicklungsphasen der NATO seit ihrer Gründung im Jahr 1949 beleuchtet und das Konzept der kollektiven Sicherheit eingeführt.
Kapitel 4 stellt die politischen und militärischen Strukturen der NATO vor. Es wird auf die Entscheidungsfindung und Hierarchiestrukturen innerhalb der NATO eingegangen.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Wandel der Aufgaben der NATO im Rollenfindungsprozess. Dabei werden die Osterweiterung, die Kampfeinsätze der NATO, die theoretischen und praktischen Probleme der operativen Praxis sowie die Partnerschaftsprogramme der NATO untersucht.
Schlüsselwörter
NATO, internationale Politik, Sicherheitspolitik, Neorealismus, neoliberaler Institutionalismus, Konstruktivismus, kollektive Sicherheit, Osterweiterung, Kampfeinsätze, Partnerschaftsprogramme, Rollenfindungsprozess, Transformation, Wandel.
- Citation du texte
- Maximilian Frescher (Auteur), 2013, Die NATO im 21. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262875