Zielsetzung und Wirkung der Reform des Insolvenzrechts für Unternehmen in Deutschland - Eine Zwischenbilanz


Mémoire (de fin d'études), 2004

85 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung in die Problemstellung

2 Ökonomische Grundlagen des Insolvenzrechts
2.1 Begründung und allgemeine Funktion des Insolvenzrechts
2.2 Die Ziele
2.2.1 Das Ex post Ziel der maximalen Werterhaltung durch effiziente Verwertung
2.2.2 Das Interim Ziel als optimale Terminierung der Verfahrensauslösung
2.2.3 Das Ex ante Ziel der Disziplinierungswirkung
2.3 Der Trade off zwischen den Zielen - Weiches vs. hartes Insolvenzregime

3 Die Insolvenzrechtsreform in Deutschland
3.1 Vom Erkennen einer Reformbedürftigkeit zur Gesetzesänderung
3.2 Die Mängel der alten Konkurs- und Vergleichsordnung
3.2.1 Das Problem der wenigen Eröffnungen von Insolvenzverfahren und der geringen Konkursquoten
3.2.1.1 Unzureichende Insolvenztatbestände
3.2.1.2 Aus- und Absonderungsrechte
3.2.1.3 Konkursvorrechte
3.2.1.4 Regelung und Verteilung der Verfahrenskosten
3.2.2 Die Bedeutungslosigkeit der Vergleichsordnung als Konsequenz der Zerschlagungsautomatik
3.2.2.1 Fehlendes integriertes Reorganisationsverfahren
3.2.2.2 Verspätete Antragstellung
3.2.2.3 Sicherungsrechte
3.2.2.4 Bevorrechtigte Fiskal- und Arbeitnehmeransprüche
3.2.2.5 Rechtsstellung und Kompetenz des Konkursverwalters
3.3 Die Ziele und Maßnahmen der neuen Insolvenzordnung
3.3.1 Die Insolvenzordnung als Reformgesetz
3.3.2 Die Bekämpfung der Massearmut mittels Vorverlegung der Antragstellung
3.3.2.1 Reform der Insolvenztatbestände
3.3.2.2 Eigenverwaltung
3.3.2.3 Subsidiäre Verfahrenskostenhaftung
3.3.2.4 Restschuldbefreiung
3.3.3 Weitere Bestimmungen zur Masseanreicherung
3.3.3.1 Der (vorläufige) Insolvenzverwalter und die Behandlung von Sicherungsgütern
3.3.3.2 Verschärfung der Rückschlagsperre und der Anfechtung
3.3.3.3 Neustrukturierung der Gläubigergruppen
3.3.3.4 Deckung der Verfahrenskosten
3.3.3.5 Einbeziehung des Neuerwerbs
3.3.4 Die Gestaltung eines marktkonformen Insolvenzgesetzes
3.3.5 Das vereinheitlichte Insolvenzrecht - Gleichstellung der Sanierung gegenüber der Liquidation

4 Die Entwicklung der Insolvenzpraxis unter Berücksichtigung der Reformziele
4.1 Die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen seit der Reform unter statistikrelevanten Aspekten
4.2 Die Anzahl der Verfahrenseröffnungen
4.2.1 Zunahme der Eröffnungsquote von Insolvenzverfahren
4.2.2 Gründe für den Anstieg der eröffneten Verfahren
4.2.2.1 Mangelnde Vorverlegung der Verfahrensanträge
4.2.2.2 Anwendung der Bestimmungen zur Masseanreicherung
4.2.3 Verteilung der Masse an die Gläubiger
4.3 Die Umsetzung der Marktkonformität
4.3.1 Anzeichen gestärkter Gläubigerautonomie
4.3.2 Zunehmende Bedeutung von gerichtlichen Sanierungen?
4.3.2.1 Schattendasein des Insolvenzplans in der Praxis
4.3.2.2 Zweckmäßigkeit eines integrierten Reorganisations- verfahrens im deutschen Banken- und Insidersystem
4.3.2.3 Der Fall Herlitz als Musterbeispiel einer Sanierung mit Insolvenzplan

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Anhang

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen im Text

Abbildung 1: Insolvenzen 1950 bis 2003

Tabelle 1: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland

Abbildung 2: Unternehmensinsolvenzen nach Deckung der Verfahrenskosten

Tabelle 2: Unternehmensinsolvenzen nach Eröffnungsgründen

Tabelle 3: Unternehmensinsolvenzen nach Eigenverwaltung

Tabelle 4: Unternehmensinsolvenzen nach Insolvenzplanverfahren

1. Einführung in die Problemstellung

Das Insolvenzrecht in Deutschland war von einer langen Kontinuität geprägt, bis die Insolvenzordnung im Jahr 1999 an die Stelle der Konkursordnung (KO) von 1877 und der Vergleichsordnung (VglO) von 1935 in Kraft getreten ist (vgl. Bork 2002: 4). Die Insolvenzordnung beinhaltet grundlegende Ände­rungen gegenüber ihren Vorgängergesetzen, die nur für einen Bruchteil der Unternehmenszusammenbrüche ein geordnetes Insolvenzverfahren vorsahen und keinen Beitrag zur Sanierung volkswirtschaftlich erhaltungswürdiger Betriebe beisteuerten. Mit dem neuen Insolvenzrecht sollten diese Defizite aus Konkurs- und Vergleichsordnung beseitigt werden. Nach fünf Jahren Insol­venzpraxis unter den neuen Insolvenzbestimmungen ist es nun von Interesse zu untersuchen, inwieweit die angestrebten Reformziele tatsächlich umgesetzt worden sind. Die Insolvenzordnung umfasst sowohl den Unternehmenssektor als auch die Verbraucherseite,[1] wobei diese Arbeit ausschließlich auf Unterneh­men ausgerichtet ist.

Das zunächst juristisch bezogene Themengebiet wird unter ökonomischen Gesichtspunkten analysiert,[2] d. h. konkret, es wird eine Betrachtung des Insol­venzrechts unter ökonomisch relevanten Zielsetzungen angestellt. Deshalb werden eingangs im zweiten Kapitel die ökonomischen Grundlagen des Insol­venzrechts erläutert. Dabei stellt sich die mehr rechts- und wirtschafts­politische Frage, welche verschiedenen Ausgestaltungen und Schwerpunkte das Insolvenzregime begründen soll.

Im darauf folgenden Kapitel werden dann sowohl die Kritikpunkte am alten Insolvenzrecht als auch die daraus resultierenden Reformgesetze und damit verbundenen Ziele der neuen Insolvenzordnung detailliert angeführt. Weiter­hin findet über die Schilderung der veränderten Ausgestaltung und Schwer­punktsetzung des neuen Rechts eine Bezugnahme zu den ökonomischen Grundlagen statt.

Nach der Beschreibung der neuen Regelungen in der Insolvenzordnung wer­den zum Schluss im vierten Kapitel die Veränderungen in der Insolvenzpraxis herausgearbeitet, die sich aufgrund der Reformgesetze eingestellt haben. Es wird untersucht, ob eine erfolgreiche Umsetzung der angestrebten Verbesserungen in der Realität stattgefunden hat. Anhand von deskriptiven Statistiken und Umfragen kann schließlich eine Zwischenbilanz aufgestellt werden, die zeigt, dass die Ziele der Insolvenzrechtsreform größtenteils wegen der Organisation des deutschen Finanzsystems bisher nicht erreicht werden konnten.

2. Ökonomische Grundlagen des Insolvenzrechts

2.1 Begründung und allgemeine Funktion des Insolvenzrechts

Bei einer Fremdkapitalfinanzierung von Investitionsobjekten besteht zwischen den Entscheidungsträgern des Unternehmens und den kapitalgebenden Gläu­bigern eine Informationsasymmetrie. Die Manager haben bezüglich der Ergebnisse der Investitionsobjekte einen Informationsvorsprung gegenüber den Gläubigern. So ist es den Gläubigern weder möglich zu erkennen, ob die vom Schuldner übermittelten Informationen unverzerrt sind, noch ob die Eigentümer eine riskantere Geschäftspolitik als die zuvor vereinbarte betrei­ben: das sogenannte „moral hazard“-Verhalten (vgl. Drukarczyk 1987: 22).[3] Besonders im Insolvenzfall spitzt sich die Gläubiger-Schuldner-Problematik zu. Der Schuldner hat nichts mehr zu verlieren und verspürt einen äußerst starken Anreiz, mit sehr riskanter Geschäftspolitik um das noch vorhandene Vermögen zu „spielen“, d. h. es kommt zum „gambling for resurrection (vgl. Schmidt, R./Terberger 1997: 428).[4]

Die Gläubiger tragen dementsprechend generell bei einer Fremdkapital­finanzierung und speziell bei einer Insolvenz ein hohes Risiko. Für sie werden dadurch Schutz- bzw. Sanktionsmöglichkeiten notwendig. Drukarczyk (1987: 23) führt hierzu drei Möglichkeiten an:

1. Abbau von Informationsdifferenzen zwischen Eigentümern und Gläubi­gern,
2. Kreditkontrakte, d. h. privatrechtliche Schutz- bzw. Sanktionsmöglich­keiten,
3. gesetzlich geregelte Schutz- bzw. Sanktionsmöglichkeiten.

Der erste Vorschlag ist sinnvoll, aber aufgrund zu hoher Informationskosten auf Seiten der Gläubiger nicht praktikabel. Die zweite Möglichkeit ist geeig­net und findet in der Realität Anwendung. Dennoch gibt es Gründe für das dritte Instrument einer gesetzlichen Verankerung von Schutz- bzw. Sankti­onsmöglichkeiten: Beispielsweise gelingt es nur einem Teil der Gläubiger, privatrechtliche Schutz- bzw. Sanktionsmaßnahmen zu erwirken (vgl. a. a. O.: 23-27).[5] Somit weisen die Grenzen der privatrechtlichen Kontraktmöglich­keiten im Interessenkonflikt zwischen Gläubigern und Schuldnern sowohl ökonomisch als auch rechtspolitisch eine erste Begründung für das Insolvenz­recht auf.

Ebenso bestehen bei einer Insolvenz zwischen den verschiedenen Gläubigern Interessenkonflikte, die gesetzliche Vorschriften unerlässlich machen. Vom Einziehen fälliger Forderungen eines Gläubigers können negative externe Effekte auf die anderen Gläubiger übergehen, denn unter Umständen vermin­dern sich deren zukünftige Zahlungseinnahmen. Folglich ist jeder Gläubiger im eigenen Interesse bemüht, seine Forderungen vor den anderen einzutreiben. Dies macht eine Koordination der Gläubigerinteressen erforderlich, um durch das Abwarten aller Gläubiger für jeden von ihnen Vorteile zu erzielen. Nicht immer ist solch eine Regelung aufgrund von Verträgen erzielbar (vgl. Schmidt, R. 1980: 28-30).

Im Fall einer Insolvenz sind auch die Arbeitnehmerinteressen zu berücksich­tigen, zu denen der Erhalt der Arbeitsplätze bzw. größtmögliche Abfindungen zählen (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 123). Allerdings wird im Folgenden vor­rangig das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis betrachtet, weil die in dieser Arbeit erörterten Schwerpunkte der Insolvenzrechtsreform vor allem auf diese Verbindung abzielen und Arbeitnehmer prinzipiell keine insolvenzrechtliche Mitbestimmung in Finanzierungsfragen haben (vgl. Braun/Uhlenbruck 1997: 106). Sofern die Arbeitnehmerinteressen jedoch von Änderungen im Insol­venzrecht in Bezug auf relevante Reformziele betroffen sind, wird darauf ein­gegangen werden.

Die durch eine Insolvenz entstehenden Interessenkonflikte sind demnach nicht immer mittels privatrechtlicher Verträge zu lösen und rechtfertigen daher gesetzliche Regelungen. Betrachtet man nun die vorrangige Funktion des Insolvenzrechts, so kann sie als Schadensbegrenzung bestimmt werden (vgl. a. a. O.: 122, vgl. Drukarczyk 1987: 56,[6] vgl. Schmidt, R. 1980: 12). Im Vorder­grund steht die Vermeidung von Gläubigerverlusten: „Das Insolvenz­recht soll bewirken, daß [sic] stets eine den Gesamtwert der Unternehmung maximierende Unternehmenspolitik betrieben wird“ (Hax/Marschdorf 1983: 124). Auf diesen Aspekt des Gläubigerschutzes ist später bei der Analyse der Insolvenzrechtsreform zurückzukommen.

Im Folgenden sollen die einzelnen Ziele des Insolvenzrechts näher erklärt werden, welche sich unmittelbar aus den vorangegangenen Argumenten ableiten lassen. Eine Abgrenzung findet über den Zeitpunkt statt, zu dem sie ihre Anwendung finden:

- das Ex post Ziel, das nach Eintritt der Insolvenz relevant ist,
- das Interim Ziel, welches während des Insolvenzeintritts verfolgt wird,
- das Ex ante Ziel, das im Vorfeld der Insolvenz seine Berechtigung hat.

Zuerst wird das Ex post Ziel aufgezeigt, da sowohl das Interim Ziel als auch das Ex ante Ziele von diesem abhängig sind.

2.2 Die Ziele

2.2.1 Das Ex post Ziel der maximalen Werterhaltung durch effiziente Verwertung

Wie bereits erwähnt wurde, ist die primäre Funktion des Insolvenzrechts Schadensbegrenzung, d. h. im Insolvenzfall sollte es zu einer effizienten Verwertung des Unternehmensvermögens kommen, um die Verluste der Gläubiger möglichst gering zu halten. Insbesondere soll „moral hazard“- Verhalten vermieden werden, das vor allem bei sehr hoher Überschuldung attraktiv wird. Um diesem ineffizienten und gläubigerschädigenden Verhalten entgegenzuwirken, muss die Divergenz zwischen Haftung und Verfügung angeglichen werden. Dies bedeutet, dass entweder der Schuldner die Verfü­gungsberechtigung verliert oder der Gläubiger auf Ansprüche verzichtet (vgl. Schmidt, R. 1981: 40).[7]

Bei der Schadensbegrenzungsfunktion gibt es mehrere Möglichkeiten der Unternehmensverwertung: eine Liquidation, eine übertragende Sanierung - d. h. eine Veräußerung des Unternehmens mit wechselndem Unternehmens­träger - oder eine (Teil)Fortführung (vgl. Drukarczyk 1987: 62-63). Je nach Unternehmenswert ist eine optimale Geschäftspolitik zu betreiben: Ist der Zerschlagungswert eines Unternehmens größer als sein Fortführungswert, so ist eine Liquidation vorzuziehen, während bei einem höheren Fortführungs­wert einer Sanierung nichts im Weg stehen sollte (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 115-121). Zum Zweck der Werterhaltung darf deshalb eine Angleichung von Haftung und Verfügung, d. h. der vollständige oder teilweise Übergang der Verfügungsgewalt auf die Gläubiger oder einen stellvertretenden Insolvenz­verwalter[8], nicht unbegrenzt erfolgen. Dem Schuldner muss bei einer even­tuell vorzuziehenden Unternehmensfortführung genug Freiheit erhalten blei­ben, um eine unternehmenserhaltende Geschäftspolitik ausführen zu können (vgl. Schmidt, R. 1980: 37). Desgleichen dürfen fortführungswürdige Unter­nehmen nicht von Arbeitnehmern eingeforderten Abfindungs- oder Sozial­planansprüchen in ihrer Reorganisation gefährdet sein (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 120-121).

Ferner müssen Verteilungskämpfe unter Gläubigern durch konkrete Rege­lungen verhindert werden, um eine effiziente Verwertung zu ermöglichen (vgl. Drukarczyk 1987: 61). Sowohl während eines Insolvenzverfahrens als auch in dessen Endphase ist eine Interessenangleichung unter den Gläubigern sehr wichtig, denn die optimale Verwirklichung einer angestrebten Liquidation und vor allem einer Fortführung braucht Zeit (vgl. Schmidt, R. 1980: 51-52). Ohne gesetzlichen Ordnungsrahmen könnten die gesicherten Gläubiger bereits vor einer Entscheidungsfindung über die Art der Verwertung Sicherheiten aus der Masse entfernen und damit die Fortführung gefährden (vgl. Drukarczyk 1987: 229). Hier kann ein Vollstreckungsschutz Abhilfe schaffen, der es den Gläu­bigern bis zur Verwertungsentscheidung verwehrt, ihre Sicherheiten zu ent­nehmen (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 128).

2.2.2 Das Interim Ziel als optimale Terminierung der Verfahrensauslösung

Unmittelbar aus dem Ex post Ziel ergibt sich, dass festgelegt werden muss, zu welchem Zeitpunkt beispielsweise der oben angesprochene Entzug der Verfü­gungsgewalt erfolgen soll oder Sanierungs- bzw. Liquidationsmaßnahmen eingeleitet werden müssen (vgl. Schmidt, R. 1980: 101), damit ex post die beste Verwertung nicht nur realisiert werden kann, sondern so effektiv wie möglich durchgeführt wird. Das Interim Ziel verfolgt dementsprechend zum einen, verfrühte Auslösungen zu verhindern, und zum anderen, Insolvenz­verschleppungen durch Gläubiger oder Schuldner zu vermeiden, um den optimalen Zeitpunkt für eine Verfahrenseröffnung zu schaffen. Zu diesem Zweck werden Insolvenztatbestände bestimmt, welche als Auslösekriterien für ein Insolvenzverfahren den Sachverhalt einer Insolvenz definieren und somit auch den Zeitpunkt bestimmen, zu dem Rechtsfolgen eintreten (vgl. Schmidt, R. 1984: 720). Insolvenztatbestände entwickeln funktionell sowohl Ex-post-Wirkungen im Sinne der nachträglichen Schadensbegrenzung als auch die noch zu erläuternden Ex-ante-Wirkungen des präventiven Sanktionspotentials (vgl. Drukarczyk 1986: 208-209); zeitlich gesehen sind sie zwischen dem Ex post und dem Ex ante Ziel anzusiedelnde Terminierungsregeln.

Voraussetzungen für die optimale Entfaltung der präventiven und nachträg­lichen Wirkungen sind erstens, dass die Insolvenzauslöser ausschließlich bei tatsächlicher Bedrohung der Gläubigerstellungen anzuwenden sind. Nur damit ist der Übergang der Verfügungsrechte auf die Gläubiger bzw. den Insolvenz­verwalter zu rechtfertigen. Es besteht daher eine Anforderung an Insolvenz­tatbestände aus ökonomischer Legitimation, zweitens müssen sie für alle Beteiligten leicht erkennbar, d. h. justiziabel sein (vgl. Drukarczyk 1987: 72).

Im späteren Verlauf muss untersucht werden, inwieweit die Änderungen von Auslösetatbeständen in der Insolvenzrechtsreform diesen Kriterien gerecht werden. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob das neue deutsche Insol­venzrecht den optimalen Zeitpunkt der Verfahrensauslösung festlegt, um den Zielen ex post und ex ante gerecht zu werden.

2.2.3 Das Ex ante Ziel der Disziplinierungswirkung

Regelungen für den Fall eines Insolvenzeintritts und die Zeit danach beein­flussen das Verhalten der Beteiligten bereits von Beginn der Finanzierungs­beziehung an (vgl. Schmidt, R. 1980: 73). Um das Risiko bei einer Kredit­vergabe für die Gläubiger abschätzbar zu machen und vor allem den Verfah­rensablauf im Insolvenzfall zu präzisieren, gilt es, überschaubare gesetzliche Regelungen aufzustellen (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 124). Gläubiger wissen beispielsweise bereits zum Zeitpunkt der Kapitalvergabe, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen - d. h. bei Eintreten der Insolvenztatbestände - ein Insolvenzverfahren mit der Gewissheit eröffnen können, dass dem Schuld­ner ein Teil oder die gesamte Verfügungsmacht genommen wird. Dies hat neben der Erhöhung der Gewissheit der Gläubiger eine disziplinierende Wirkung auf mögliches „moral hazard“-Verhalten des Schuldners. Ex ante wird somit eine gesetzliche Sanktionsdrohung gegenüber dem Schuldner begründet, die eine Insolvenz unwahrscheinlicher macht (vgl. Schmidt, R. 1981: 42), denn der Schuldner wird in Anbetracht der zu befürchtenden Sank­tionen zu effizienter Geschäftspolitik angeregt. Je härter und sicherer Sankti­onsmaßnahmen im Insolvenzfall erfolgen werden, desto wirksamer ist diese Abschreckungsfunktion (vgl. Bitz/Hemmerde/Rausch 1986: 280).

Doch nicht nur das Schuldnerverhalten muss im Zeitraum vor einer Insolvenz diszipliniert werden, auch die Gläubiger bedürfen eines Anreizes. Es darf kein Gläubiger Interesse an der Befriedigung seiner Forderungen haben, so dass dadurch andere Gläubiger Schaden davon tragen. Ein Angleichen der Inter­essen vor einem Insolvenzverfahren ist notwendig. Es besteht z. B. die Gefahr einer Insolvenzverschleppung: Besicherte Gläubiger, die über die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage eines Schuldners informiert sind, wer­den aufgrund der besicherten Position keinen Anreiz für einen Insolvenzantrag verspüren und mit dieser Verschleppung der Unternehmenskrise den Schutz der anderen Gläubiger verletzen (vgl. Schmidt, R. 1980: 50). Zum anderen kann es ohne festgelegte Gesetze zu ineffizienten Verteilungskämpfen kom­men (vgl. Drukarczyk 1987: 61), denn das Verlustrisiko ist nicht abschätzbar. Des Weiteren sieht sich jeder Gläubiger der Gefahr ausgesetzt, andere Gläubi­ger könnten ihm bei der Aufteilung der Masse zuvorkommen. Daher gilt es, auch Gläubigern im Vorfeld gesetzliche Regeln mit Anreizfunktionen zu präsentieren.

Eine Gleichstellung der Gläubiger - die par condicio creditorum (p. c. c.) - bedeutet, dass im Insolvenzfall eine Gleichberechtigung bezüglich der Eintreibungsmöglichkeiten der Forderungen erzielt wird (vgl. Schmidt, R. 1980: 42). Haben besicherte Gläubiger ex ante Kenntnis über diese Gleich­stellung, kommt weitestgehend eine Interessenangleichung zustande und somit auch gemeinschaftliches Handeln gegenüber dem Schuldner, denn ein Insol­venzantrag wird nur gestellt, wenn dies im Interesse aller ist (vgl. a. a. O.: 48-50). Dadurch werden Insolvenzverschleppungen aufgrund des o. g. verspäte­ten Gläubigerantrags vermieden.

Ebenfalls wird eine Reduzierung des Anreizes zu verfrühtem Einziehen der Forderungen im Krisenfall erreicht, weil die Gläubiger Chancengleichheit bei der Verteilung der Masse im Falle einer Insolvenz erwarten. Dadurch wird die Gefahr von Verteilungskämpfen abgemildert.

Trotz der Vorteile der p. c. c.-Regel[9] existieren Argumente für die begrenzte Einhaltung einer Rangfolge der Gläubigerpositionen. Insbesondere ist ledig­lich für eine Gleichstellung von gleichrangigen Gläubigern, d. h. einer par condicio creditorum innerhalb von Gläubigergruppen mit den gleichen Siche­rungsrechten, zu plädieren. Sicherungsgüter bewirken generell beispielsweise die Reduktion von Informations- und Kontrollkosten sowie von Ausfallrisiken (vgl. Drukarczyk 1987: 148-149), was ex ante im Sinne der Abschätzbarkeit von Risiken gewünscht wird. Auf diese Beziehung ist im späteren Verlauf dieser Arbeit im Bezug auf die Insolvenzrechtsreform zurückzukommen.

2.3 Der Trade off zwischen den Zielen - Weiches vs. hartes Insolvenzregime

Wie oben dargestellt wurde, begründet der Aspekt der Werterhaltung ex post das Verhalten der Beteiligten ex ante. Es besteht eine unmittelbare Abhängig­keit zwischen den Zielen, da die gesetzlichen Regelungen, die das Ex post und Interim Ziel betreffen, auch Auswirkungen auf die Handlungsweise im Vor­feld einer Insolvenz haben. Gleichzeitig nehmen Gesetze bezüglich der Gläu­biger-Schuldner-Beziehung ex ante Einfluss auf die Geschäftspolitik bei und nach Insolvenzeintritt.

Für eine effiziente Verwertung ex post - insbesondere im Fall einer Fort­führung des Unternehmens - ist ein eher weiches Insolvenzgesetz im Sinne von schuldnerfreundlichen Bestimmungen notwendig, damit der maximalen Werterhaltung nichts im Weg steht. Weiterhin müssen durch solch ein wei­ches Gesetz Anreize für die Gläubiger zur Zustimmung einer Fortführung geschaffen werden, z. B. über oben bereits angedeutete Verteilungsregeln der Kreditsicherheiten (vgl. a. a. O.: 65). Zugleich besteht aber die Gefahr, dass diese auf Schadensbegrenzung ausgerichteten Regelungen eine Schädigung der „Schuldnermoral“ ex ante zur Konsequenz haben. Gläubiger befürchten eine riskantere Geschäftspolitik von Seiten des Schuldners, die sie schädigen könnte. Aufgrund dieses Misstrauens entstehen Finanzierungsschwierigkeiten, da Gläubiger weniger Fremdkapital zur Verfügung stellen (vgl. Schmidt, R. 1980: 81-82). Ein weiches Insolvenzrecht schwächt somit die Disziplinie­rungswirkung auf den Schuldner.

Im Sinne der Abschreckungsfunktion ex ante ist ein hartes Insolvenzrecht zu favorisieren, welches beispielsweise das Auslöserecht für Gläubiger und den Entzug der Verfügungsberechtigung für den Schuldner beinhaltet. Die diszi­plinierende Wirkung mit dem Ergebnis einer insolvenzvermeidenden, effi­zienten Geschäftspolitik wurde bereits erläutert. Falls sich jedoch eine Insol­venz ereignet, sind diese disziplinierenden Maßnahmen nicht nur hinfällig, sondern im Fall einer gewünschten Unternehmensfortführung sogar hinderlich (vgl. Drukarczyk 1987: 64-65). Ferner besteht die Gefahr einer durch den Schuldner verursachten Insolvenzverschleppung: Sieht sich der Schuldner drastisch einschränkenden Regelungen ausgesetzt, sinkt der Anreiz zu unter­nehmerischer Tätigkeit (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 127), und er verzögert möglicherweise die Offenlegung seiner Krisensituation. Dies erschwert die optimale Unternehmensverwertung, eine vorher noch zu realisierende Fortfüh­rung ist unter Umständen nicht mehr durchführbar. Hiermit zeigt sich die Unzulänglichkeit eines harten Insolvenzrechts bezüglich des Ex post Ziels der Werterhaltung.

Dieser Trade off zwischen den Zielen macht deutlich, dass es per se kein optimales Insolvenzrecht gibt. Schwerpunkte müssen gesetzt werden, je nach­dem welchem Ziel - aufgrund verschiedener Kriterien - Priorität eingeräumt wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist später auch die Reform des Insolvenz­rechts zu beleuchten, nachdem die alte Konkurs- und Vergleichsordnung der Bundesrepublik Deutschland eher als strenges Insolvenzregime im Sinne von gläubigerschützenden Maßnahmen, vor allem für besicherte Gläubiger, anzu­sehen sind. Paradebeispiel für ein weiches Insolvenzgesetz mit entsprechend minimalem Schutz von Gläubigerinteressen sind dagegen die Regelungen in den USA (vgl. La Porta u. a. 1998: 1134-1138).

3. Die Insolvenzrechtsreform in Deutschland

3.1 Vom Erkennen einer Reformbedürftigkeit zur Gesetzesänderung

Bereits Ende der siebziger Jahre gerieten die damalige Konkurs- und Ver­gleichsordnung zunehmend in Kritik, da sie funktionsunfähig geworden waren (vgl. Bork 2002: 4). Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den fünfziger und sechziger Jahren größtenteils noch stagnierte und zwischenzeit­lich sogar sank, ergab sich in den Jahren nach dem Ölschock von 1973 ein sprunghafter Anstieg der Insolvenzzahlen (vgl. Angele 2003: 295).[10] In dieser Rezessionsphase von 1974/75 wurde das Interesse der Wirtschaftswissen­schaften am Insolvenzwesen geweckt, gleichzeitig entstand eine grundlegende Diskussion über die Aufgabenerfüllung von Konkurs- und Vergleichsrecht (vgl. Braun/Uhlenbruck 1997: 3-4).

Vor der Reform wurden im Rahmen des damaligen Insolvenzrechts ca. drei Viertel der Verfahren wegen mangelnder Masse überhaupt nicht eröffnet, bei weiteren 10 % kam es zu einer vorzeitigen Einstellung. Insofern erfüllte die Konkursordnung nicht mehr ihren Zweck der Durchführung einer ordnungs­gemäßen Verfahrensabwicklung bei Insolvenzeintritt (vgl. Bork 2002: 4-5). Ohne geordnetes Verfahren setzte dann ein ineffizienter Wettlauf der Gläubi­ger um das geringe noch vorhandene Schuldnervermögen ein (vgl. a. a. O.: 47), welcher die bereits am Anfang beschriebene notwendige Koordination der Gläubigerinteressen unmöglich machte.

Kam es zu einem Verfahren, erhielten unbesicherte und nicht bevorrechtigte Gläubiger oftmals nur sehr geringe Quoten aus der Insolvenzmasse (vgl. Hax/Marschdorf 1983: 113): Ihre durchschnittliche Konkursquote betrug gerade 3-5 % (vgl. Bork 2002: 5), was eine Vernachlässigung der im Gesetz verankerten par condicio creditorum aufzeigt. Die Konkursordnung erlaubte eine massive Aushöhlung der Masse durch abgesicherte Gläubiger und machte somit eine Gleichbehandlung der Gläubiger bei der Befriedigung aus der Masse im Insolvenzverfahren unmöglich.

Außerdem breitete sich eine regelrechte Zerschlagungsautomatik aus (vgl. Schmidt, R. 1984: 721-722), so dass die meisten Unternehmen liquidiert und nur die wenigsten saniert wurden. Die Vergleichsordnung diente jedoch der Konkursabwendung, d. h. eine Liquidation sollte vermieden werden, indem die Forderungen gestundet oder zum Teil erlassen wurden (vgl. Drukarczyk 1987: 54). Allerdings erwies sich die Vergleichsordnung als Sanierungs­instrument nicht mehr als ausreichend, da der Anteil der eröffneten Ver­gleichsverfahren stetig sank. Während 1950 die Vergleiche noch 30 % der gesamten Verfahren ausmachten, waren es 1974 gerade noch 7 %. 1978 sank dieser Wert auf 1,5 % (vgl. Flessner 1982: 24); in der Zeit danach pendelte er sich auf durchschnittlich 1 % ein (vgl. Bork 2002: 5).[11]

Welche Gründe im Einzelnen zur Unzulänglichkeit der Konkurs- und Ver­gleichsordnung führten, wird im Abschnitt 3.2 dieses Kapitels ausführlich analysiert.

Die oben angeführten Kritikpunkte wurden 1977 auf dem Kölner Insolvenz­rechtskongress thematisiert und führten dazu, dass der damalige Justizminister 1978 eine Kommission für Insolvenzrecht einsetzte. Aufgabe war es, Reform­vorschläge auszuarbeiten, die sowohl ein effektives und wirtschaftsnahes als auch soziales Insolvenzrecht beinhalten sollten. Die Kommission legte 1985 ihren Ersten Bericht[12] und bereits ein Jahr später den Zweiten Bericht[13] vor. Nachdem diese Leitsätze heftig diskutiert worden waren, kam es 1988 schließlich zum Diskussionsentwurf eines Reformgesetzes für das Insolvenz­recht. Ein weiteres Jahr später wurde nach Überarbeitung des Diskussions­entwurfs der Referentenentwurf vom Bundesjustizministerium veröffentlicht. In dieser Zeit wurde die Gesetzgebung von der Wiedervereinigung überlagert, nach der in den neuen Bundesländern die korrigierte Gesamtvollstreckungs­ordnung (GesO) der DDR galt, welche bereits Elemente des Referenten­entwurfes enthielt (vgl. Braun/Uhlenbruck 1997: 159-160). Schließlich leitete die Regierung am 15.04.1992 mit ihrem Regierungsentwurf[14] das förmliche Gesetzgebungsverfahren ein. Nachdem dieser vor allem von Insolvenz­verwaltern stark kritisiert wurde, verbesserte der Rechtsausschuss den Geset­zesentwurf, der dann am 21.04.1994 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss an, der die Empfehlung abgab, das Gesetz erst am 01.01.1999 - anstatt am 01.01.1997 - in Kraft treten zu lassen Diesem Vorschlag stimmte der Bundestag am 17.06.1994 und der Bundesrat am 08.07.1994 zu, so dass das Gesetz am 18.10.1994 im Bundes­gesetzblatt veröffentlicht wurde (vgl. Bork 2002: 6).

Die wesentlichen Ziele und Maßnahmen der neuen Insolvenzordnung zur Beseitigung der Unzulänglichkeiten der Konkurs- und Vergleichsordnung werden im Abschnitt 3.3 dieses Kapitels behandelt.

3.2 Die Mängel der alten Konkurs- und Vergleichsordnung

3.2.1 Das Problem der wenigen Eröffnungen von Insolvenzverfahren und der geringen Konkursquoten

3.2.1.1 Unzureichende Insolvenztatbestände

Bezüglich der Gründe, warum vor der Insolvenzrechtsreform nur ca. 25 % der Verfahren eröffnet wurden und in diesen die Deckungsquoten der Gläubiger äußerst gering ausfielen, werden zuerst die Insolvenztatbestände analysiert.

Um eine geordnete Verfahrensabwicklung zu ermöglichen, müssen der opti­male Zeitpunkt und damit die richtigen Auslösetatbestände für die Eröffnung gefunden werden (vgl. Kapitel 2.2.2). Insbesondere verhindert eine verspätete Antragstellung, dass aufgrund der bereits stattgefundenen Aushöhlung der Konkursmasse ausreichend Mittel für die Kostendeckung des Verfahrens übrig bleiben (vgl. Beck/Depré 2003: 4). Doch kann es nur zu einer Eröffnung kommen, falls die Kosten gedeckt sind. Nach der alten Konkursordnung gab es zwei Auslösetatbestände: § 102 KO legte die Zahlungsunfähigkeit fest und § 193 KO bestimmte zusätzlich die Überschuldung für Unternehmen mit beschränkter Haftung (vgl. Drukarczyk/Schüler 2000: 96-97).[15]

Zahlungsunfähigkeit eignet sich in einer idealen Welt mit symmetrischer Informationsverteilung und perfekt funktionierenden Kapitalmärkten gut als Insolvenztatbestand. Sobald die Ansprüche der Fremdkapitalgeber[16] den beob­achtbaren Marktwert eines Unternehmens übersteigen, sind Gläubiger­positionen endgültig ausfallbedroht, und dementsprechend ist ein Entzug der Verfügungsmacht des Schuldners gerechtfertigt. Dieses Kriterium der ökono­mischen Überschuldung ist ebenfalls justiziabel, da der Marktwert in einer idealen Welt leicht beobachtbar ist.

In der Realität führen aber Informationsdefizite auf Seiten der Gläubiger zu einer verspäteten Anzeige ihrer gefährdeten Position, denn der Schuldner hat nun die Möglichkeit, die Preisgabe des wahren Marktwertes zu verhindern (vgl. Drukarczyk 1987: 72-75).[17] Diese abgemilderte Disziplinierungswirkung auf den Schuldner bewirkt einen verspäteten Entzug seiner Verfügungsrechte. Es ist hier zwar ökonomische Legitimation aufgrund der Auslösung des Ver­fahrens bei tatsächlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit gegeben, jedoch ist bei diesem Insolvenztatbestand ein systematischer Mangel vorhanden (vgl. Drukarczyk/Schüler 2000: 108). In der alten Konkursordnung wurden daher mit dem Auslöser Zahlungsunfähigkeit Insolvenzverfahren zu spät beantragt und somit die Chance auf eine ordnungsgemäße Schuldenabwicklung stark gemindert.

Mit der Begründung, Überschuldung trete oft früher ein als Zahlungsunfä­higkeit[18] und löse daher eine Vorverlegung aus, wird dieser Auslösetatbestand gerechtfertigt (vgl. Uhlenbruck 2003: 401). Überschuldung lag gemäß § 193 KO vor, wenn das Vermögen eines Unternehmens nicht mehr dessen Schul­den deckte. Die Definition von Überschuldung wurde in den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Spezialgesetzen, wie z. B. dem AktG oder dem GmbHG, festgelegt (vgl. Drukarczyk/Schüler 2000: 97). Allerdings ergibt sich hinsichtlich der Feststellung von Überschuldung prinzipiell eine Bewertungs­problematik bei der Messung des Unternehmensvermögens, was den Konflikt zwischen betriebswirtschaftlicher Zweckkonformität und Justitiabilität wider­spiegelt (vgl. a. a. O.: 122). Bereits unter der alten Konkursordnung gab es zahlreiche unterschiedliche Meinungen bezüglich des Überschuldungs­begriffs,[19] die auch eine Unklarheit des Rechts zum Ausdruck brachten. Einig­keit herrschte lediglich über eine bilanzielle Messung, also den Vergleich von Vermögenspositionen und Verbindlichkeiten (vgl. Schmidt, R. 1980: 126). Wendet man ausschließlich eine Überschuldungsmessung zu Liquidations­werten (rechnerische Überschuldung) an, besteht bei positiver Fortführungs­prognose unter Umständen gar keine Gläubigergefährdung (vgl. Drukarczyk 1987: 77). Daher ist die Einbeziehung einer Fortbestehungsprognose des Unternehmens mittels einer Überschuldungsfeststellung durch Fortführungs­werte unabdingbar. Es ergibt sich bei letzterer Messung jedoch das Problem der mangelnden Manipulationsimmunität und Objektivierbarkeit (vgl. Schmidt, K./Uhlenbruck 2003: 398). Zu Zeiten der Konkursordnung diente bis 1986 die Handelsbilanz als Grundlage für die Überschuldungsmessung, ab 1992 galt die von K. Schmidt vorgeschlagene modifizierte zweistufige Methode, welche die Fortführungsprognose mit einbezieht (vgl. Drukarczyk/Schüler 2000: 105-106).[20]

Wichtig ist hier die Feststellung, dass die früher praktizierte Überschuldungs­messung ein nahezu wirkungsloses Mittel gerade für die ungesicherten Gläu­biger darstellte, da diese mit extrem niedrigen Quoten im Schuldnerkonkurs bedient wurden (vgl. Drukarczyk 1987: 93-94). Der eigentliche Zweck eines Insolvenzauslösers, d. h. die Schaffung von Voraussetzungen für eine effi­ziente Liquidationsabwicklung ex post, wurde durch Überschuldung nicht erfüllt.

3.2.1.2 Aus- und Absonderungsrechte

Aussonderung bedeutet, dass bei Verfahrenseröffnung aus der vorhandenen Masse dasjenige Vermögen ausgesondert wird, welches dem Schuldner nicht gehört. Schließlich haftet den Gläubigern nur das Vermögen des Schuldners. Steht z. B. eine Sache im Eigentum eines Gläubigers, so kann dieser die Her­ausgabe verlangen (vgl. Bork 2002: 113-114). In §§ 43 ff. KO war die Aus­sonderung von nicht zur Konkursmasse gehörenden Gegenständen und Rech­ten geregelt.

Hingegen beschreibt die Absonderung, dass ein Gläubiger mit einem Siche­rungsrecht am Vermögensgegenstand des Schuldners Anspruch auf den Wert der Sache hat, nicht aber auf die Herausgabe dieser Sache. Doch kann er vor allen anderen Gläubigern den Verwertungserlös im Wert der gesicherten For­derung verlangen (vgl. a. a. O.: 119). Die Konkursordnung legte in §§ 47-51 KO die Absonderung von Gegenständen und Rechten, an denen ein Gläubiger ein dingliches Recht hatte, fest.[21]

Im Insolvenzfall waren fast vier Fünftel des Schuldnervermögens mit Aus- und Absonderungsrechten Dritter belastet (vgl. Hesselmann/Stefan 1990: 99), was eine starke Beanspruchung der zu verteilenden Masse darstellte. Aufgrund eines „ausufernden Systems dinglicher Mobiliarsicherheiten“ (Beck/Depré 2003: 4) verringerte sich unter der Konkursordnung die Istmasse zu Verfahrensbeginn somit massiv durch das Geltendmachen von Aus- und Absonderungsrechten der Gläubiger. Dies führte am Ende zu einer Teilungs­masse, die kaum noch für die Befriedigung der ungesicherten Gläubiger reichte.[22]

3.2.1.3 Konkursvorrechte

Neben dem Sicherheitensystem war die Konkursordnung durch zahlreiche Konkursvorrechte einzelner Gläubigergruppen geprägt, die zuerst aus der am Ende zur Verfügung stehenden Teilungsmasse bedient wurden. Die Konkurs­ordnung kannte gemäß § 61 KO insgesamt fünf Klassen von bevorrechtigten Konkursgläubigern, obwohl das Gesetz die Gleichverteilungsregel vorsah. Innerhalb einer Klasse fielen alle Gläubigeransprüche allerdings gleich­berechtigt unter einen Rang. So waren beispielsweise Arbeitnehmerforderun­gen aus den letzten zwölf Monaten auf Rang eins, während Forderungen der Kinder, Mündel und Pflegebefohlenen der letzten zwölf Monate auf Rang fünf anzutreffen waren und damit zuletzt bedient wurden (vgl. Drukarczyk 1987: 49). Dementsprechend wurde der Grundsatz der par condicio creditorum prinzipiell durchbrochen. Insbesondere die bevorrechtigten Fiskal- und Sozialplanansprüche belasteten zu Zeiten der Konkursordnung die zu verteilende Masse erheblich (vgl. Drukarczyk 2003: 534).[23] Infolgedessen erhielten Gläubiger, die weder durch Aus- oder Absonderungsrechte besichert waren noch zu den bevorrechtigten Gläubigern gehörten, keine oder nur geringe Quoten aus dem Konkurs (vgl. Beck/Depré 2003: 4).

3.2.1.4 Regelung und Verteilung der Verfahrenskosten

Nicht zuletzt spielten bei dem Problem der Massearmut und deren negativen Folgen wie Nichteröffnungen und minimale Quoten die Regelungen bezüglich der Massekosten eine Rolle. Diese beinhalteten in § 58 Nr. 1 und 2 KO die gerichtlichen Verfahrenskosten sowie die Ausgaben für die Verwaltung, Ver­wertung und Verteilung der Masse (vgl. Drukarczyk 1987: 48). Unter der alten Konkursordnung kam es nicht zur Verfahrenseröffnung, falls das Schuldnervermögen in Höhe der Sollmasse abzüglich Absonderungen und Masseschulden[24] nicht die oben genannten Massekosten decken konnte (vgl. a. a. O.: 40). Dementsprechend mussten die Gerichtskosten sowie die Kosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung aufgebracht werden, um ein Verfahren eröffnen zu können.[25] Durch die massive Aufzehrung der Istmasse mittels Aus- und Absonderungen stand ohnehin eine geringe Restmasse für die Kostendeckung zur Verfügung. Daher stellt sich die Frage, inwiefern die aufzubringenden Massekosten zu hoch angesetzt wurden.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Verteilung der Verfahrenskosten: Die Verwaltungs- und Verwertungskosten der Sicherungsgüter hatten die ungesicherten Gläubiger zu tragen (vgl. Drukarczyk 2003: 534), da diese Gelder aus der - zur Befriedigung der unbesicherten Gläubiger vorhandenen - Teilungsmasse bedient wurden. Solch eine Vorgehensweise verstieß gänzlich gegen die p. c. c.-Regel.

3.2.2 Die Bedeutungslosigkeit der Vergleichsordnung als Konsequenz der Zerschlagungsautomatik

3.2.2.1 Fehlendes integriertes Reorganisationsverfahren

Neben der Massearmut wurde bereits als zweites Hauptproblem, das sich nach und nach unter der Konkurs- und Vergleichsordnung herausstellte, die Ineffi­zienz der Vergleichsordnung als Sanierungsinstrument genannt. Darzulegen ist nun, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die wert­vernichtende Zerschlagungsautomatik offenbar Mängel aufwiesen. Es wird mit der Problematik des Instrumentes eines gerichtlichen Reorganisations­verfahrens begonnen.

Das alte Insolvenzrecht war durch ein Nebeneinander von Konkurs- und Ver­gleichsordnung gekennzeichnet. Die Konkursordnung mit der Hauptfunktion einer ordnungsgemäßen Insolvenzabwicklung und anschließender Liquidation kannte dessen ungeachtet auch einen Zwangsvergleich gemäß § 173 KO. Dies bedeutete, dass die einfachen, d. h. die ungesicherten und nicht bevorrechtig­ten Konkursgläubiger über die Aufhebung des bereits eröffneten Konkurs­verfahrens entschieden und der Schuldner das Verfügungsrecht wieder erhielt. Allerdings wurde der Zwangsvergleich nicht allein mit Sanierungswillen begründet, sondern ebenso mit einer ohnehin absehbaren niedrigen Gläubiger­befriedigung (vgl. Hesselmann/Stefan 1990: 9-10).

Der Vergleich an sich dient der Abwendung des Konkurses, wobei zwischen außergerichtlichem und gerichtlichem Vergleich zu unterscheiden ist. Während der außergerichtliche Vergleich ohne gesetzliche Vorschriften zwischen den Beteiligten ausgehandelt wurde, war der gerichtliche früher in der Vergleichsordnung geregelt. Für diesen mussten beispielsweise Ver­gleichsbilanzen vorgelegt und ein Vergleichsvorschlag mit einer Ausschüt­tungsquote von mindestens 35 % der Gläubigerforderungen in bar hinterlegt werden. Im Zuge des Verfahrens kam es dann für den Schuldner zur Stundung oder zum Erlass seiner Verbindlichkeiten (vgl. a. a. O.: 4-5).[26] Zweck war demnach, das Unternehmen wieder instand zu setzen.

Zu Beginn einer Verfahrenseröffnung ist jedoch oft nicht sofort feststellbar, ob an Stelle von Liquidation eine Sanierung infrage kommt und wie diese gegebenenfalls durchzuführen ist (vgl. Henckel 1981: 1296). Je nach Art des Verfahrens wurde deshalb oft zu früh bestimmt, ob eine Liquidation oder die Abwendung des Konkurses - also Unternehmensfortführung - das Ziel sein würde (vgl. Flosbach 1987: 246). Durch die rasche und möglicherweise falsche Festlegung auf eine bestimmte Art der Verwertung wurde das alte Insolvenzrecht deshalb nicht dem Ex post Ziel der optimalen Unternehmens­verwendung gerecht (vgl. Kapitel 2.2.1). Die mangelnde Flexibilität zur Ände­rung des Verfahrensziels aufgrund der Zweigleisigkeit von Konkurs- und Vergleichsordnung führte bei überwiegender Antragstellung auf Konkurs zur Bedeutungslosigkeit der Vergleichsordnung. Ein integriertes Reorganisations­verfahren war also vonnöten (vgl. Drukarczyk 2003: 533).

3.2.2.2 Verspätete Antragstellung

Die Bedeutung der Terminierung von Verfahrenseröffnungen mittels Aus­lösetatbeständen in Bezug auf eine ordnungsgemäße Vermögensabwicklung sowie die diesbezügliche Relevanz einer verspäteten Antragstellung durch Zahlungsunfähigkeit und die Problematik bei Überschuldung sind schon dar­gelegt worden. Ohne diese bereits durchgeführte Analyse der Insolvenztat­bestände zu wiederholen, wird jetzt auf die Schwierigkeit speziell bei einer angestrebten Sanierung des insolventen Unternehmens im Fall einer verspäte­ten Auslösung eingegangen.

Eine wegen Zahlungsunfähigkeit verspätet beantragte Verfahrenseröffnung hat vor allem bei einer geplanten Unternehmensfortführung extrem negative Auswirkungen, denn eine Zuführung von Zahlungsmitteln verzögert sich immer mehr. Eine Vorverlegung würde dagegen bewirken, dass bereits vor­handene Liquiditätsprobleme vermindert werden und die für eine Unternehmenserhaltung unabdingbare Liquiditätsbeschaffung frühzeitig in Gang gesetzt wird (vgl. Schmidt, R. 1980: 123-124). Somit kann festgehalten werden, dass für die Insolvenz von Unternehmen hinsichtlich etwaiger Sanierungschancen der gleiche Grundsatz wie für eine Krankheit gilt: „Je rechtzeitiger sie erkannt wird und je frühzeitiger Heilungsmaßnahmen ergriffen werden, umso größer sind die Heilungschancen“ (Uhlenbruck 2003: 390). Hinzu kommt, dass der Überschuldungstatbestand kaum praktische Bedeutung hatte (vgl. Kressin 1990: 161) und - ganz abgesehen von der Bewertungsproblematik - allein deshalb eine notwendige Vorverlegung nicht bewerkstelligen konnte.

Wieder geht es um die Wahrung des Interim und des Ex post Ziels, indem Voraussetzungen für eine optimale Verwertung geschaffen werden sollen. Unter der alten Insolvenzordnung waren die Insolvenztatbestände für eine mögliche Reorganisation allerdings nicht ausreichend.

3.2.2.3 Sicherungsrechte

Bestimmte Anordnungen im Hinblick auf die verschiedenen Gläubiger­gruppen machten vornehmlich eine Sanierung sehr schwer und daher die Ver­gleichsordnung funktionslos. Beispielsweise wurden aus- und absonderungs­berechtigte Gläubiger in der Vergleichsordnung gar nicht erfasst (vgl. Flosbach 1987: 246). Deswegen und auch aufgrund der mangelnden Erfassung von bevorrechtigten Gläubigern wurde die Mehrheit der Gläubiger überhaupt nicht in das Verfahren einbezogen. Folglich konnte es nur zu minimalen Stun­dungen und Teilerlassen der Schuldnerverbindlichkeiten kommen (vgl. Drukarczyk 1987: 55), was die Sanierungschancen stark minderte oder gänz­lich zunichte machte (vgl. Henckel 1981: 1297).

Ferner sind Mobiliarsicherungsgläubiger aufgrund ihrer besicherten Stellung ex ante tendenziell nicht an einer Reorganisation interessiert (vgl. Schmidt, R. 1980: 137-138). Sie zogen daher zu Zeiten der Konkurs- und Vergleichs­ordnung im Verfahrensvorfeld Vermögensgegenstände ab. Dies bedeutete für die Unternehmung in der Krise, dass der synergetische Effekt - resultierend aus der Verbindung einzelner Produktionsfaktoren - zunichte gemacht wurde. Dadurch wurde nicht allein eine zeitlich befristete Fortführung blockiert (vgl. Drukarczyk 1987: 63), sondern insbesondere auch eine umfassende Reorganisation aufgrund des Entzugs wichtiger Aktiva erschwert (vgl. Flosbach 1987: 244-245).

[...]


[1] Für eine Analyse der Situation für Verbraucher unter der neuen Insolvenzordnung siehe bei­spielsweise Hottenrott (2002).

[2] Die sogenannte ökonomische Analyse des Rechts wird grundlegend von Richard A. Posner (1972) vertreten. Für eine spezielle Bezugnahme auf das deutsche (alte) Insolvenzrecht siehe Schmidt, R. (1980) sowie Drukarczyk (1987).

[3] Nutzenmaximierende Schuldner haben Interesse an Zahlungseingängen aus Investitions­objek­ten, welche die Zahlungsansprüche der Gläubiger überragen. Diese übersteigenden Zahlungsströme erhält der Schuldner aufgrund des Informationsdefizits auf der Gläubiger­seite. Um die Zahlungen zu erhalten, besteht für den Schuldner ein Anreiz zu „moral hazard“ im Sinne einer riskanteren Investitionspolitik bei gleichzeitiger Minderung der Nutzenerwar­tung der Gläubiger (vgl. Schmidt, R./Terberger 1997: 415-416).

[4] Gelingt das „Spiel um Wiederauferstehung“, kommt dies vor allem den Managern zugute. Die Gläubiger tragen aber das volle Risiko, im Falle eines fehlgeschlagenen Spiels komplett leer auszugehen (vgl. a. a. O.: 428).

[5] Einige Gläubiger sind z. B. aufgrund mangelnder Verhandlungsstärke nicht in der Lage, Sank­tions- und Sicherungsmöglichkeiten zu erwirken, oder es existieren nur inadäquate Sicherungsgüter. Ferner sind die Kosten für kurzfristige anspruchssichernde Verträge sehr hoch, so dass eventuell nur wenige Gläubiger für diese Kosten aufkommen würden (vgl. Drukarczyk 1987: 27).

[6] Es wird von Drukarczyk ferner erklärt, dass juristisch motivierte Zwecke wie „Haftungs­verwirklichung“, „Gesamtvollstreckung“ oder „gerechtes Verteilungsverfahren“ nicht ausrei­chen, da sie das Marktversagen nicht berücksichtigen (vgl. a. a. O.: 56).

[7] „Wer die Entscheidungen trifft, soll die Folgen tragen, oder umgekehrt: Wer die Folgen trägt, soll auch entscheiden können“ (Schmidt, R. 1980: 40).

[8] Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 wird ein sogenannter Insolvenzverwalter bestimmt, auf den das Verfügungsrecht gemäß § 80 Abs. 1 InsO übergeht. Zuvor gab es einen Kon­kursverwalter gemäß Konkursordnung (KO) mit Verfügungsgewalt bzw. einen Vergleichsverwalter gemäß Vergleichsordnung (VglO), der aber diese Macht nicht erhielt.

[9] Siehe Drukarczyk für eine kritische Auseinandersetzung mit der von Schmidt, R. (1980) befür­worteten Gleichstellungsregel (vgl. Drukarczyk 1987: 137-159).

[10] Ursachen für Insolvenzen sind vielfältig; hauptsächlich sind Managementfehler für einen Insolvenzeintritt verantwortlich (vgl. Kressin 1990: 50). Die Konjunktur kann aber nicht als echter Insolvenzgrund angesehen werden. Es besteht zwar empirisch gesehen eine Korrela­tion zwischen anhaltend guter konjunktureller Lage und sinkender Insolvenzrate, ebenso steigt die Insolvenzquote bei schlechter Konjunktur an. Allerdings werden in einer schlechten Kon­junkturlage diejenigen Unternehmen insolvent, die ohnehin schon in einer tiefen Krise stecken und in besseren Zeiten wenigstens sanierungsbedürftig wären. Insofern stellt Kon­junktur für einzelne Unternehmen lediglich eine Umweltbedingung dar (vgl. a. a. O.: 84-87).

[11] Siehe dazu auch Tabelle 1 im Anhang.

[12] Vgl. BMJ (1985): Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht.

[13] Vgl. BMJ (1986): Zweiter Bericht der Kommission für Insolvenzrecht.

[14] Siehe dazu die Bundestag-Drucksache 12/2443.

[15] Durch den zusätzlichen Tatbestand der Überschuldung soll der Schuldner vom „moral hazard“-Verhalten abgehalten werden, zu dem hauptsächlich bei beschränkter Haftung Anreiz existiert (vgl. Schmidt, R. 1980: 128). Außerdem besteht bei persönlich haftenden Unterneh­mern das wahre Kapital aus der Qualifikation des Unternehmers und kann somit nicht wie bei juristischen Personen bilanziell gemessen werden (vgl. Bork 2002: 43).

[16] Damit ist der Barwert der vertragskonformen Zahlungsansprüche der Gläubiger gemeint.

[17] Beispielsweise kann der Schuldner die Preisgabe der Gläubigergefährdung verhindern, indem er Gläubigern Jahresabschlüsse und andere Informationen vorenthält oder von schlecht informierten Kreditgebern im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit noch Fremdkapital zur Verfü­gung gestellt bekommt (vgl. Drukarczyk 2003: 517).

[18] Bei Zahlungsunfähigkeit liegt größtenteils auch Überschuldung vor, dagegen kann eine Unter­nehmung bei Überschuldung beispielsweise noch Kredite erhalten und zahlungsfähig sein (vgl. Uhlenbruck 2003: 401).

[19] Kressin gibt einen Überblick der verschiedenen Ansätze zur Überschuldungsmessung (vgl. Kressin 1990: 177-200).

[20] Bei dieser Methode reicht eine positive Fortbestehungsprognose trotz rechnerischer Über­schuldung aus, um Überschuldung auszuschließen (vgl. Drukarczyk/Schüler 2000: 123).

[21] Die zu Beginn des Verfahrens zur Verfügung stehende Masse ist die sogenannte Istmasse, die durch Anfechtung vermehrt und durch Aussonderung gemindert wird. Die verbleibende Masse stellt die zum Schuldnervermögen gehörende Sollmasse dar, welche durch Absonde­rungen sowie Masseforderungen (inklusive der Massekosten) gekürzt wird. Die am Ende ver­bleibende Masse ist die Teilungsmasse (vgl. Drukarczyk 1987: 50).

[22] Auf der Basis der empirischen Untersuchung von Gessner u. a. (1978) kommt Drukarczyk nach eigenen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass bei 562 eröffneten Verfahren - ohne jegli­che Befriedigung ungesicherter Gläubiger - die Istmasse durch Aus- und Absonderungen um 87 % (!) geschmälert wurde. In 287 Verfahren, die ungesicherte Gläubiger minimal aus der Teilungsmasse bedienen konnten, betrug die Kürzung durch Aus- und Absonderung immer noch 74 % (vgl. a. a. O.: 51-52).

[23] Derweil zeigt sich empirisch, dass aufgrund der hohen Aus- und Absonderungen die bevor­rechtigten Gläubiger in der in Fußnote 22 erwähnten Untersuchung nur noch gering befriedigt worden sind. In den 562 eröffneten Verfahren standen ihnen 0,5 % der Sollmasse zur Verfü­gung, bei den 287 anderen Verfahren immerhin 8 % (vgl. a. a. O.: 51-52).

[24] Gemeint sind hier „Masseschulden im Sinne von Ansprüchen aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung der Konkursverwalter verlangt oder deren Erfüllung für die Zeit nach Verfah­renseröffnung erfolgen muß [sic]“ (a. a. O.: 48).

[25] Auch hierüber gibt die Untersuchung in Fußnote 22 empirisch Auskunft: 4,5 - 5 % der Soll­masse entfielen in den Verfahren auf die Massekosten (vgl. a. a. O.: 51-52).

[26] Inwiefern ein gesetzlich festgelegtes Reorganisationsverfahren überhaupt gerechtfertigt ist, untersucht Drukarczyk und kommt zu dem Ergebnis, dass es für Unternehmen ab einer bestimmten Größe und bei schwierigen Sanierungsverhandlungen durchaus sinnvoll ist (vgl. a. a. O.: 241-244).

Fin de l'extrait de 85 pages

Résumé des informations

Titre
Zielsetzung und Wirkung der Reform des Insolvenzrechts für Unternehmen in Deutschland - Eine Zwischenbilanz
Université
University of Heidelberg  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
85
N° de catalogue
V26291
ISBN (ebook)
9783638286770
ISBN (Livre)
9783638882699
Taille d'un fichier
974 KB
Langue
allemand
Mots clés
Zielsetzung, Wirkung, Reform, Insolvenzrechts, Unternehmen, Deutschland, Eine, Zwischenbilanz
Citation du texte
Friederike Wichter (Auteur), 2004, Zielsetzung und Wirkung der Reform des Insolvenzrechts für Unternehmen in Deutschland - Eine Zwischenbilanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26291

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