Die Anfänge des Hexenwahns im Mittelalter und der frühen Neuzeit


Examensarbeit, 2010

54 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsvorhaben und Aufbau der Arbeit

1. Theoretischer Hintergrund
1.1 Die Entwicklung des Forschungsdiskurses
1.2 Die Forschungskontroversen
1.3 Die Entstehung des Hexenstereotyps

2. Magie als Voraussetzung für die Entstehung
des Hexenwahns
2.1 Antike Ursprünge der Hexereivorstellungen
2.1.1 Die germanisch-keltischen Einflüsse
2.1.2 Die griechisch-römische Weltanschauung
2.1.3 Das frühe Christentum
2.2 Die dualistische Magie des Mittelalters

3. Die magische Praxis
3.1 Der Zauberspruch
3.2 Die Zauberbücher und das Ritual
3.3 Der Bildzauber und der Liebeszauber
3.4 Die Wahrsagerei

4. Die Magie in Verbindung mit der Bibel und der Kirche

5. Der Beginn der Hexenverfolgungen
in der frühen Neuzeit
5.1 Die Voraussetzungen für die Anfänge
der Hexenverfolgung
5.1.1 Die ´kleine Eiszeit´
5.1.2 Der Pakt mit dem Teufel
5.1.3 Die Verbindung zwischen Ketzern und Hexen
5.1.4 Das Verhältnis des Staates und der Kirche zur Magie
5.1.4.1 Die Entwicklung der Rechtsvorschriften
5.1.4.2 Die Inquisition
5.2 Der Beginn der Verfolgungen

6. Der ´Malleus Maleficarum`- Der Hexenhammer
6.1 Der Autor Heinrich Kramer
6.2 Die Hexenlehre des Hexenhammers
6.3 Die Auslösung des Hexenwahns
durch die Rezeption des Hexenhammers
6.4 Die Frauenfeindlichkeit

7. Resümee

8. Literatur- und Quellenverzeichnis

Arbeitsvorhaben und Aufbau der Arbeit

Die Vorstellung der Einflussnahme durch Zauberei auf den Alltag, beeinflusste das Denken und Handeln vieler Europäer im Mittelalter. Magische Praktiken wurden in unterschiedlichen sozialen Schichten und verschiedenen Berufsgruppen praktiziert. [1] Ausgehend von der Magievorstellung der Antike, bildete sich im Mittelalter eine zunehmende Konkurrenz zwischen der christlichen Kirche und den heidnischen Glaubensvorstellungen des Volkes. So bestrafte die Kirche den heidnischen Aberglauben bis zum 11. Jahrhundert mit Kirchenbußen. Danach wurden die sogenannten Ketzer zunehmend mit dem Tod bestraft. Ab dem 13. Jahrhundert wandte die Kirche das Inquisitionsverfahren zur ihrer Ausrottung an. [2]

Es kann ein Wandel des Volksglaubens und seiner magischen Elemente über Jahrhunderte hinweg festgestellt werden, der letztendlich in der Hervorbringung der ´Hexe´ uferte. Mit ihm wandelte sich das Bild der ´Zauberin´ zur ´Hexe´ und fand seinen Höhepunkt in den Hexenverfolgungen der Neuzeit. In der Fachliteratur werden unterschiedliche Gründe für die Verfolgungen aufgeführt.

Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird kurz auf den theoretischen Hintergrund der Hexenforschung eingegangen. Der Hexenwahn des Mittelalters und der frühen Neuzeit betraf alle gesellschaftlichen Bereiche. Angefangen vom alltäglichen Leben des Volkes, bis hin zur Politik des Staates und der Theologie der christlichen Kirche. Aus diesem Grund wurde das Forschungsinteresse in unterschiedlichen Bereichen, beispielsweise der Geschichte, der Soziologie, der Anthropologie und der Psychologie, geweckt. Daraus ergeben sich Forschungskontroversen, auf die im Folgenden (Kap. 1.2) näher eingegangen wird.

Das Vorstellungsbild der Hexe entwickelte sich aus dem Zusammenwirken der magischen Volkskultur sowie der scholastischen Hexenlehre. Besonders in Krisenzeiten geraten Menschen, die das jeweilige Werte- und Normensystem einer Gesellschaft nicht beachten, in den Fokus und werden aufgrund ihrer Andersartigkeit ausgegrenzt. [3] Die Entstehung des Hexenstereotyps wird, aufbauend auf der Definition des Begriffs ´Hexe´ im Kapitel 1.3, näher erläutert.

Das zweite Kapitel befasst sich mit der Magie als Voraussetzung für die Entstehung des Hexenwahns. Hierzu werden die antiken Ursprünge der Hexereivorstellungen (Kap. 2.1) vorgestellt.

Um einen Einblick in die magische Praxis zu erlangen, werden im dritten Kapitel ausgewählte zauberische Praktiken beschrieben.

Gegenstand des vierten Kapitels ist die Magie, in Verbindung mit der Bibel und der Kirche. Auch die Geistlichen bewegten sich in Bereichen, die den magischen ähnelten, da sie im Grunde genommen Abwehrzauber betrieben. [4]

Das fünfte Kapitel erläutert den Beginn der Hexenverfolgungen in der frühen Neuzeit, die Voraussetzungen hierfür sowie das Verhältnis des Staates und der Kirche zur Magie, verbunden mit den jeweiligen Rechtsvorschriften.

Das sechste Kapitel befasst sich mit der Hexenlehre des „Malleus Maleficarum“, dem Hexenhammer, von Heinrich Kramer (Institoris). Das Buch galt als Leitfaden für die Hexenprozesse und war durch die extreme Vereinheitlichung und Stereotypisierung eine Art Fragekatalog, der bei jedem Hexenprozess angewendet werden konnte. [5]

1 Theoretischer Hintergrund

Dem Begriff ´Hexe´ werden eine Vielzahl an Bedeutungen zugeschrieben. Grundsätzlich werden Frauen, die magische Praktiken ausführen, als ´Hexe´ bezeichnet. Unbeachtet bleibt in der Fachliteratur häufig, dass diese Begrifflichkeit nicht grundsätzlich negativ behaftet ist. Die Autoren der Hexenliteratur nehmen selten eine Differenzierung vor.

Laut W. Behringer orientieren sich viele Historiker, unter anderem auch der Verfasser des Hexenhammers, „mit ihrem Hexenbegriff an der Terminologie der Dämonologen des 16. und 17. Jahrhunderts“ [6].

G. Schormann bezeichnet beispielsweise ausschließlich solche Personen als Hexen, die aufgrund der folgenden fünf Teildelikte hingerichtet worden sind: „1. Teufelspakt (mit Abfall von Gott), 2. Teufelsbuhlschaft, 3. Möglichkeit des Fluges durch die Luft, zum 4. Hexensabbat (mit Anbetung des Teufels), 5. Schadenzauber“ [7].

R. van Dülmen grenzt den Hexenbegriff weiter ein und betitelt magische Praktiken nur dann als Hexerei, wenn ein Pakt mit dem Teufel vorliegt. Die restliche Praxis bezeichnet er als Zauberei. [8] Demnach sind mit ´Zauberinnen´ Frauen gemeint, welche magische Fähigkeiten ´besaßen´ und als ´Hexen´ diejenigen, die erst durch den Pakt mit dem Teufel magische Fähigkeiten ´erlangten´.

1.2 Die Entwicklung des Forschungsdiskurses

Die Hexenforschung ist geprägt durch ein historisches Interesse an diesem Thema. „Bereits die Dämonologen des 15. bis 17. Jahrhunderts versuchten in den meisten Fällen, die Richtigkeit ihrer Ansichten nicht nur aus der Offenbarung, den antiken Schriftstellern und den scholastischen Autoritäten herzuleiten, sondern auch noch durch historische Exempel und Präzedenzfälle zu belegen“ [9].

Die grundlegende Literatur deutscher Untersuchungen über die Entstehung der Hexenverfolgungen in Europa des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts stellt u.a. das Werk „Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung der großen Hexenverfolgung“ (1900) von J. Hansen dar, welches auf dem Buch von W. G. Soldan „Geschichte der Hexenprozesse“ (1843) basiert. [10] Die ältere Hexenforschung ist die Grundlage für die aktuelle Forschung. Einige Aspekte wurden jedoch revidiert. So konnte das „allen bekannte Bild[...] [des Mittelalters,] voll grausiger Einförmigkeit“ [11] nicht bestätigt werden. Die Hexenverfolgungen und –prozesse waren starken zeitlichen und örtlichen Schwankungen unterlegen, so dass der Hexenwahn, im Gegensatz zu der früheren Annahme, erhebliche individuelle und regionale Differenzen aufwies. Demnach ist der Höhepunkt der Hexenverfolgungen in Europa zwischen 1560 und 1630 anzusetzen. Es „zog sich [also] kein breiter Strom von Hexenprozessen vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein“ [12].

Im Zuge der neuen Hexenforschung, seit den 1970er Jahren, verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt zunehmend auf die Häresie und die Magie des Mittelalters und der frühen Neuzeit. In diesem Zusammenhang können u.a. die Werke „Magie im Mittelalter“ (1989) von R. Kieckhefer und J.B. Russels „Witchcraft of the Middle Ages“ (1972) genannt werden. Bedeutend in diesem Bereich sind ebenfalls die Bücher „Volksreligion im hohen und späten Mittelalter“ (1990) von P. Dinzelbacher und „Magie und Magier im Mittelalter“ von C. Habiger-Tuczay (1992).

Habiger-Tuczay zeigt die Geschichte der Magie von der Antike bis zum Mittelalter auf und „versucht die mittelalterlichen Vorstellungen von und Einstellungen zur Magie zu umreißen“ [13]. W. Behringer beschreibt in seinem Buch „Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung“ (2000) die sich stark von der traditionellen Vorstellung der Hexe abgehobene europäische Entwicklung. Grundlegend sei die Perspektive der christlichen Dämonenlehre. Angefangen von der antiken Annahme über das Existieren der schwarzen und weißen Magie, wurden diese magischen Kräfte im Mittelalter zunehmend Personen zugeschrieben, den Hexen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätten.

Im Spätmittelalter, auch bedingt durch den „Malleus Maleficarum“, dem Hexenhammer (1487), von Heinrich Kramer (Institoris), wurden Hexen als Mitglieder einer teuflischen Sekte gesehen, die großen Schaden anrichten konnten.

Frühzeitliche Verfolgungsgegner, wie beispielsweise J. Weyer (1515-1588) vertraten die Meinung, Hexen seien melancholische Frauen, denen mit Nachsichtigkeit begegnet werden sollte.

Im Zeitalter der Romantik erklärten Jacob Grimm (1785-1863) und Jules Michelet (1798-1874) „die Hexen zu weisen Frauen [und Ärztinnen des Volkes], welche die Geheimnisse einer alten Volkskultur bewahrt hätten und deswegen von der christlichen Kirche verfolgt worden seien“ [14].

Der anthropologische und der ethnische Ansatz wurden u.a. durch die Werke von U. Weinmann: „Mittelalterliche Frauenbewegungen - Ihre Beziehung zur Orthodoxie und Häresie“ (1990) und C. Ginzburg [15] : „Hexensabbat“ (1990) erläutert.

Einen Überblick über die Hexenprozesse in Deutschland stellt W. Behringer in seinem Werk „Hexen und Hexenprozesse in Deutschland“ (1988) dar, in dem er, im Gegensatz zu G. Schormanns kurzem Überblick „Hexenprozesse in Deutschland“ (1981), auf weitreichendere Forschungsergebnisse zurückgreifen konnte.

1.3 Die Forschungskontroversen

Generell herrscht in der Hexenforschung Uneinigkeit darüber, ob Hexenprozesse vermehrt in ländlichen Gegenden oder in Städten stattfanden. Im Gegensatz zu Schormann, Lea und Hansen [16], ist Russel der Meinung, dass die von der Hexerei am stärksten betroffenen Gegenden hauptsächlich „in den reichsten, am dichtsten bevölkerten, am stärksten industrialisierten und intellektuell fortschrittlichsten Gebieten Europas am tiefsten verwurzelt“ [17] waren. Laut Levack ist der Differenzierungscharakter in den verschiedenen Funktionen der Hexerei zu suchen und plädiert darauf, dass Hexenprozesse sowohl in städtischen als auch ländlichen Regionen durchgeführt wurden. [18]

Abweichende Annahmen bestehen ebenfalls im Ursprung der Hexenverfolgungen. Laut Weinmann [19] ist eine Kontinuität der Verfolgungen von Frauen, aufgrund abweichender Verhaltensweisen, festzustellen. Ginzburg [20] sieht den Ursprung der Verfolgungen im 14. Jahrhundert, in den Abgrenzungen Aussätziger und Juden. Laut Hansen, Russel und Schormann entstanden die Hexenverfolgungen als Resultat der Ketzerbewegungen. [21]

Honegger schreibt, dass es ein Problem ist, dass „die Hexen fast nur in der Sprache ihrer Peiniger“ auftreten. Somit enthalten die Quellen zu diesem Thema hauptsächlich die Sichtweisen der Inquisitoren, der weltlichen Richter und der Dämonologen. Wichtig ist es, sowohl die Einflüsse durch den Volksglauben, als auch die richterlichen Deutungsstrukturen zu berücksichtigen, denn „gerade weil der europäische Hexenwahn nicht nur ein subkulturelles Phänomen war, ist es notwendig, die Veränderung von juristischer Theorie und Rechtssprechung als Dislokation einer mentalen Struktur zu analysieren“ [22] Ginzburg versucht, anhand seines Werks ´Hexensabbat´, eine Annäherung an die Sichtweisen der Verfolgten, der Hexen und Magier, vorzunehmen. Die Mythen und Riten der magischen Volkskultur wurden von den weltlichen Richtern als Rituale einer Sekte ausgelegt. Somit war „es also das Stereotyp des Sabbat, das den Richtern die Möglichkeit gab, mit Hilfe physischer und psychologischer Druckmittel den Angeklagten reihenweise Angaben abzupressen, die ihrerseits wiederum wahre Wellen der Hexenjagd auslösten“ [23]. Somit betrachtet er die Entwicklung vom Hexensabbat zum Stereotyp als eine Verschmelzung volkstümlicher und gelehrter Glaubensvorstellungen.

Diesen Ansatz verfolgt auch Honegger in ihrer Analyse des Hexenmusters, in dem sie diese „als historisch-genetisches Spiralmodell“ [24] aufbaut und über den Entwicklungsprozess einzelner Stränge Forschungen vornimmt. Hierbei kann festgestellt werden, dass der Auslöser für die Hexenverfolgungen nicht, wie in älteren Forschungsversuchen angenommen, allein in der magischen Volkskultur zu finden ist. Honegger bezieht sich auf das 1972 erschienene Buch „Witchcraft in the Middle Ages“ von Jeffrey Burton Russel, wenn sie schreibt, dass die „Hexerei [...] mit dem Auseinandertreten von institutioneller und symbolischer Ordnung in Zeiten gesellschaftlicher Krisen und nicht mit der traditionalistischen bäuerlichen Mentalität in Zusammenhang gebracht werden [muss], wie es eher anthropologisch oder ethnologisch ausgerichtete Arbeiten haben wollen“ [25].

1.4 Die Entstehung des Hexenstereotyps

Als „Stereotype“ [26] können Komplexe von negativen Verhaltensweisen oder Eigenschaften sowie gleichbleibende Muster bezeichnet werden, die bestimmte Personengruppen abgrenzen. Diese sind geprägt von Verallgemeinerungen tatsächlicher Merkmale und führen somit zu einer verzerrten Realitätsdarstellung. Stereotype sind unabhängig von Erfahrungen, und entweder lediglich partiellen Tatsachen entsprungen oder vollkommen tatsachenwidriger Natur. Entstanden durch Emotionen und Wahrnehmungen, sind sie resistent gegen jegliches Appellieren an die Vernunft. Demnach bildete sich das Vorstellungsbild der Hexe aus dem Zusammenwirken der magischen Volkskultur sowie der scholastischen Hexenlehre und wurde als Mittel der Manipulation, der Verbreitung und Verfestigung einer bestimmten Ideologie missbraucht. Besonders in Krisenzeiten kommen die Werte- und Normensysteme einer Gesellschaft zum Vorschein. Menschen, die diese nicht beachten, geraten schnell in den Fokus und werden aufgrund ihrer Andersartigkeit ausgegrenzt. [27]

Der Begriff „Hexe“ tauchte zum ersten Mal in seiner Abgrenzung zu der alten Bezeichnung der „Zauberin“, im Jahr 1293 auf. 1419 verwendete man ihn in einem deutschsprachigen Gerichtstext in Luzern. Seit dem 15. Jahrhundert wurde er „langsam zum Inbegriff alles Unheimlichen und Schädlichen“ [28]. Dieser Begriff weitete sich, durch die Integration dämonischer und heidnischer Vorstellungen, zunehmend aus und konkretisierte sich zu einem Element des Bösen, welches mit Satan im Bunde stehe. [29] Die Abgrenzung des Begriffs Hexe zu dem der Zauberin lässt sich ebenfalls an der Unterscheidung der ihnen vorgeworfener Taten ausmachen.

Die Zauberin verübte einzelne Zaubertaten, im Auftrag oder gegen Feinde. Die Hexe jedoch wurde als Mitglied einer dämonischen Sekte gesehen, die ausnahmslos Schadenszauber betrieb und Satan auf dem Hexensabbat anbetete, Orgien mit ihm feierte und das Christentum auslöschen wollte. Zudem beeinflusse die Hexe die Ernte und das Vieh, übe Wetterzauberei aus, nähme Tierverwandlungen vor, stelle aus Knochen Flugsalbe her, nähme an Nachtfahrten teil und hätte vor allen Dingen „Übles gegen die Männlichkeit und die Fruchtbarkeit im Sinne“ [30]. So waren „der inquisitorischen projektiven Phantasie [...] keine Grenzen gesetzt, was die Vorwürfe im Bereich des erotischen Erlebens anbelangt. Das Anhexen von Unfruchtbarkeit, das Weghexen männlicher Glieder ( impotentia ex maleficio), die erotischen Exzesse der Hexen mit dem Teufel waren Gegenstand solcher Phantasien – [...] im theologischen Sinne die Todsünde der Wollust“ [31].

„Der älteste Beleg einer Erwähnung der Teufelsbuhlschaft stammt aus den Prozeßakten des Inquisitors von Carcassonne (1275)“ [32]. Diese Vorstellungen entwickelten sich aus den Ketzereiprozessen im 13. und 14. Jahrhundert und konkretisierten sich zunehmend durch die dämonologischen Schriften im 14. und 15. Jahrhundert. [33]

2 Magie als Voraussetzung für die
Entstehung des Hexenwahns

„Magie ist eine Technik, die auf dem Glauben an geheime Kräfte im Menschen und im Weltall beruht, Kräfte, die unter besonderen Voraussetzungen vom Menschen geweckt und gelenkt werden können“ [34]. Die Wurzeln der Magie reichen bis in die Stein- oder Bronzezeit zurück. Dies lässt sich unter anderem daran feststellen, dass magische Handlungen in der Regel barfuß ausgeführt wurden. Die Hexen benötigten für ihre Rituale „den Kontakt zur Erdmutter, die ihnen besondere Kräfte verlieh“ [35]. Es wird angenommen, dass der Glaube an eine Erdgottheit aus dieser Zeit übernommen wurde.

2.1 Antike Ursprünge der Hexereivorstellungen

Das mystische Wissen der Gelehrten in der Antike war Voraussetzung für die mittelalterlichen Anschauungen und Auseinandersetzungen mit der Magie und dem Zauberglauben von Kirche, Staat und Volk. „Selbstverständlich ist ein tieferes Verständnis der verschiedenen Ausformungen mittelalterlicher Volksreligion nicht ohne Kenntnis der antiken Volksreligiösität möglich“ [36].

„Die Kunst der Magier der Antike geht auf göttlichen Ursprung zurück“. Dem Glauben nach wurde „der Magier bei seinen Handlungen vom Gott besessen bzw. ergriffen“ [37]. Antike Ursprünge können unter anderem in der mittelalterlichen Medizin festgestellt werden. Das Wissen um Heilmethoden entwickelte sich aus der medicina magica, die auf dem Wissen aus Plinus´ „Historia naturalis“ und den weiteren Forschungen seit Hippokrates von Kos (460-375 v. Chr.), basiert. Wie in der Antike war der Glaube an Dämonen, die Krankheiten auslösen konnten, stark verbreitet. „Besonders psychische Krankheiten wie Wahnsinn, Epilepsie, Impotenz etc., aber auch Fieber und Seuchen wurden vielfach als Dämonenwerk angesehen, obwohl es auch immer wieder Versuche gab, diese auf „natürliche“ Ursachen zurückzuführen“ [38].

Neben den Krankheitsdämonen vermutete man zudem, dass Krankheiten durch den „bösen Blick“, die Vorstellung, dass nur durch Anblicken, der Person Schaden zugefügt wird, ausgelöst werden könnten. Wurde jedoch angenommen, dass die Krankheit von Gott gesandt worden war, so ging man davon aus, dass eben nur durch ihn die Heilung erfolgen konnte und brachte den Kranken in die Kirche. [39]

2.1.1 Die germanisch-keltischen Einflüsse

Sowohl die Magie als auch das Geheimwissen der Kelten und der Germanen war hoch angesehen, jedoch hatte die klassische Antike den größten Einfluss auf die abergläubischen Vorstellungen des Mittelalters. [40]

„Allerdings erscheint es oft schwierig, eine genuin germanische bzw. keltische Magievorstellung herauszuarbeiten, da es sich bei den erhaltenen Zeugnissen meist um die schriftliche, christlich uminterpretierte und verzerrte Aufzeichnung wesentlich älterer Quellen handelt“ [41].

Zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert vollzog sich, aufgrund der christlichen Missionstätigkeit, „ein allmähliches Umdenken auch in spirituell-geistigen Bereichen“ [42]. Gregor der Große beschloss, die heidnischen Tempel als christliche Kirchen neu zu weihen. [43] Ähnlich wurde mit den heidnischen Zaubersprüchen, die in Segenssprüche oder Gebete, durch die Umbenennung der heidnischen Götternamen in Christi oder Heilige, umgewandelt wurden, und den heidnischen Festen, verfahren. „Unbesehen schlüpften heidnische, ganz und gar unchristliche Inhalte in Form von christlich verbrämten Zauberpraktiken im neuen Glaubensgebäude unter“ [44].

2.1.2 Die griechisch-römische Weltanschauung

Die Griechen und die Römer verstanden unter Magie „zum einen Divination, die Seher-Kunst, mit Hilfe der Götter und besonderen Kenntnissen und Begabungen Verborgenes und Zukünftiges zu erkennen, und zum zweiten geheimen Zauber zu guten oder bösen Zwecken“ [45].

Der maleficium (Schadenszauber) [46] unterlag Sanktionen. Bereits in einem der ältesten römischen Rechtsdokumenten, dem Zwölftafelgesetz, steht geschrieben: „Es soll keiner nicht in seinem Besitz befindlichen Feldertrag heraussingen“ [47]. Mit „heraussingen“ ist das Aneignen fremden Eigentums mit Hilfe von Zaubersprüchen gemeint. Auf diesem Delikt stand die Todesstrafe, ein, im Gegensatz zu den milden Strafen aufgrund körperlicher Gewalt, hart bestraftes Vergehen. [48] Während der Liebeszauber in allen Schichten beliebt war, wurde der maleficium in der Regel lediglich „von den armen, ungebildeten Ständen eingesetzt“ [49].

Die Magie wurde im römischen Reich seit Diokletian dem maleficium gleichgesetzt und somit schwer bestraft. Vor Diokletian war lediglich der Schadenszauber strafbar gewesen, da hierbei Personen, Tiere und Gegenstände in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Seit Justinian (527-567) wurde nun nicht mehr nur der maleficium und der veneficium, die Giftmischerei von Liebes-, Unfruchtbarkeits- und Abtreibungsgetränken, sondern auch die Praktiken der mathematici, der Astrologen, strafrechtlich verfolgt. [50]

Die Kunst der Magier führte man auf einen göttlichen Ursprung zurück. [51] Besonders die Unterweltgottheiten Hermes und Hekate wurden oft Hexen und Magiern angerufen. [52] Hermes wurde in der Spätantike als „Hermes Trismegistos, „der dreimal Mächtige“ betitelt und „dem ägyptischen Toth gleichgesetzt“. Die Mondgöttin hatte für Zauberhandlungen Bedeutung, die bei Nacht ausgeführt wurden und den Mond, als „Sitz der Totenseelen“ [53], in den Fokus der Handlungen nahm.

Nicht der magus, die Person, der man magische Kräfte zuschrieb, vollbrachte magische Taten, sondern die Gottheit, die er rief. Die Trennung zwischen Magier und Priester verwischte zunehmend. „Persarum lingua magus est qui nostra sacerdos“ [54].

Überreste von veneficis, zauberischen Praktiken [55], aus der Antike sind „in Form von Zauberpapyri und –texten, bleiernen Fluchtafeln, Amuletten, Berichten über Zaubereiprozesse, rechtlichen Verordnungen und literarischen Darstellungen, Zaubergesängen und deren begleitende Gesten“ [56] erhalten. Kaiser Konstantin bestrafte ab dem Jahr 357 auch den Heilzauber mit dem Tod. Kaiser Valens (371/72) ließ sogar ein Zaubergericht einführen, das jeden, der verbotene Magie ausübte, anzeigte. Es kam zu zahlreichen Verfolgungen, Hinrichtungen und Folterungen. [57]

Festzuhalten ist, dass „die Handlungen der christlichen Kaiser nicht als antiheidnische Bestrebungen, sondern als Mißbrauch ihrer politisch-rechtlichen Macht“ [58] gewertet werden können.

Die Chaldäer, ein von den Griechen und Römern als Synonym für Astrologen und Zauberer bezeichneter semitischer Volksstamm, besaßen „ein unglaublich ausgeklügeltes dämonologisches System [...], das nach Meinung einiger Religionswissenschaftler wesentlich mehr Einfluß auf die abendländische Geisteswelt ausübte als z.B. das ägyptische“ [59].

Seit dem 4. Jahrhundert existierten Nachweise darüber, dass Wanderwahrsager dieses Volkes Griechenland und das römische Reich bereisten. Es wird vermutet, dass die Dämonologie der Chaldäer, die Dämonenlehre der Christen wesentlich geprägt hat.

[...]


[1] Vgl. Habiger-Tuczay, C.: Magie und Magier im Mittelalter. München 1992. S. 330.

[2] Vgl. Behringer, W. (Hrsg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland. 6. Auflage. München

2006. S. 72.

[3] Vgl. Honegger, C. (Hrsg.): Die Hexen der Neuzeit. Studien zur Sozialgeschichte eines

kulturellen Deutungsmusters. Frankfurt am Main 1978. S. 10 ff.

[4] Vgl. Habiger-Tuczay (1992), S. 73 ff.

[5] Vgl. Schönhut, M.: Das Einsetzen der Nacht in die Rechte des Tages. Hexerei im

symbolischen Kontext afrikanischer und europäischer Weltbilder.

Hamburg, Münster 1992. S. 32.

[6] Behringer, W.: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und

Staatsräson in der Frühen Neuzeit. 3. verbesserte und um ein Nachwort ergänzte

Auflage. München 1997. S. 15.

[7] Ebd., S. 15.

[8] Vgl. Dülmen, R. van: Imagination des Teuflischen. Nächtliche Zusammenkünfte,

Hexentänze, Teufelssabbate, in: Dülmen, R.v. (Hrsg.): Hexenwelten, Magie,

Imagination. Originalausgabe. Frankfurt am Main 1987. S. 94-130. S. 98.

[9] Behringer (1997), S. 1.

[10] Vgl. Honegger (1978), S. 11.

[11] Behringer (1997), S. 4.

[12] Ebd., S. 5.

[13] Habiger-Tuczay (1992), S. 9.

[14] Behringer, W.: Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung. 2. durchgesehene

Auflage. München 2000. S. 9.

[15] Die italienische Originalausgabe erschien unter dem Titel Storia notturna. Una

decifrazione del sabba bei Giulio Einaudi editore, Turin 1989.

[16] Vgl. Schormann, G.: Hexenprozesse in Deutschland. 3. durchgesehene Auflage. Göttingen

1996.; vgl. Lea, H.C.: Geschichte der Inquisition im Mittelalter. Die Tätigkeit der Inquisition auf

besonderen Gebieten. Bd. 3. Ulm 1987; vgl. Hansen, J.: Zauberwahn, Inquisition und

Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung der großen Hexenverfolgung. Neudruck der

Ausgabe München 1900. München 1964.

[17] Russel, J.B.: Witchcraft in the Middle Ages. Ithaca and London 1972. S, 162; zitiert nach

Borst, A.: Die Anfänge des Hexenwahns in den Alpen, in: Blauert, A. (Hrsg.): Ketzer,

Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung. Frankfurt am Main 1990.

S. 43-67. S. 46.

[18] Vgl. Levack, B.P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa. München

1995. S. 125 ff.

[19] Vgl. Weinmann, U.: Mittelalterliche Frauenbewegungen. Ihre Beziehung zur Orthodoxie und

Häresie. (Kuhn, A.., Rothe, V.: Frauen in der Geschichte und Gesellschaft, Bd. 9).

Pfaffenweiler 1990.

[20] Vgl. Ginzburg, C.: Hexensabbat. Entzifferung einer nächtlichen Geschichte. Berlin 1990.

[21] Vgl. Schormann (1996),.; vgl. Hansen (1964).; vgl. Russel (1972), S. 43-67.

[22] Honegger (1978), S. 15.

[23] Ginzburg (1990), S. 8.

[24] Honegger (1978), S. 31 ff.

[25] Honegger (1978), S. 12.

[26] Vgl. „Stereotyp“, in: Brockhaus-Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden (Bd. 21: Sr-Teo).

Mannheim 1993. S. 175.

[27] Vgl. Honegger (1978), S. 10 ff.

[28] Behringer, W.: „Erhob sich das ganze Land zu ihrer Ausrottung...“. Hexenprozesse und

Hexenverfolgungen in Europa, in: Dülmen, R. v. (Hrsg.): Hexenwelten, Magie und Imagination

vom 16.-20. Jahrhundert. Originalausgabe. Frankfurt am Main 1987. S. 131-169. S. 134.

[29] Bovenschen, S.: Die aktuelle Hexe, die historische Hexe und der Hexenmythos. Die Hexe:

Subjekt der Naturaneignung, in: Becker, G.; Bovenschen, S.; Brackert, H.; Brauner, S. &

Tümmler, A.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes.

Frankfurt am Main 1977. S. 259-312. S. 280.

[30] Habiger-Tuczay (1992), S. 279.

[31] Schade, S.: Kunsthexen- Hexenkünste. Hexen in der bildenden Kunst vom 16. bis 20.

Jahrhundert, in: Dülmen, R. v. (Hrsg.): Hexenwelten, Magie, Imagination. Frankfurt am Main

1987. S. 170-218. S. 174.

[32] Habiger-Tuczay (1992), S. 270.

[33] Vgl. Ebd., S. 270 ff.

[34] Luck, G: Magie und andere Geheimlehren in der Antike: mit 112 neu übersetzten und einzeln

kommentierten Quellentexten (Kröners Taschenbuchausgabe; 489). Stuttgart 1990. S.1.

[35] Luck (1990), S. 45.

[36] Dinzelbacher, P.: „Zur Erforschung der Geschichte der Volksreligion“, in: Dinzelbacher, P.;

Bauer, D.R. (Hrsg.): Volksreligion im hohen und späten Mittelalter. Paderborn 1990. S. 19.

[37] Habiger-Tuczay (1992), S. 18.

[38] Ebd., S. 212 f.

[39] Vgl. Ebd., S. 19, S. 213.

[40] Vgl. Ebd., S. 165; vgl. Kieckhefer, R.: Magie im Mittelalter. München 1995. S. 56 ff.;

vgl. Lea (1987), S. 452 ff.

[41] Habiger-Tuczay (1992), S. 157.

[42] Ebd., S. 158.

[43] Vgl. Behringer (2006), S. 55 f.; vgl. Lea (1987), S. 452; vgl. Schmitt, J.C.: Heidenspaß und

Höllenangst. Aberglaube im Mittelalter. Frankfurt, New York 1993. S. 36 ff.

[44] Habiger-Tuczay (1992), S. 158; vgl. Schmitt (1993), S. 44 ff.

[45] Decker, R.: Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit. Lizenzausgabe für die wissenschaftliche

Buchgesellschaft. Darmstadt 2004. S. 13.

[46] Vgl. Biesel, E.: Hexenjustiz, Volksmagie und soziale Konflikte im lothringischen Raum, in:

Franz, G. (Hrsg.), Irsigler, F. (Hrsg.): Trierer Hexenprozesse. Quellen und Darstellungen. Bd.

3. 1. Auflage. Trier 1997. S. 295 ff.

[47] Graf, Fritz: Gottesnähe und Schadenzauber. Die Magie in der griechisch-römischen Antike.

München 1998, S. 41; zitiert nach Decker (2004), S. 13.

[48] Vgl. Decker (2004), S. 13; vgl. Habiger-Tuczay (1992), S. 31.

[49] Habiger-Tuczay (1992), S. 20.

[50] Vgl. Ebd., S. 30 f.

[51] Vgl. Luck (1990), S. 46.

[52] Vgl. Luck (1990), S. 50; vgl. Habiger-Tuczay (1992), S. 19.

[53] Habiger-Tuczay (1992), S. 19.

[54] „In der Sprache der Perser heißt der ein Magier, der in unserer Sprache Priester genannt

wird“ Aus der Apologia des Apuleius (Kap.25, 29); zitiert nach Habiger-Tuczay (1992), S. 17.

[55] Vgl. Decker (2004), S. 14.

[56] Habiger-Tuczay (1992), S. 17.

[57] Vgl. Lea (1987), S. 449 ff., vgl. Habiger-Tuczay (1992), S. 31 f.

[58] Habiger-Tuczay (1992), S. 32.

[59] Ebd., S. 33 f.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Die Anfänge des Hexenwahns im Mittelalter und der frühen Neuzeit
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Historisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
54
Katalognummer
V262928
ISBN (eBook)
9783656514848
ISBN (Buch)
9783656514787
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anfänge, hexenwahns, mittelalter, neuzeit
Arbeit zitieren
Julia Kutscha (Autor:in), 2010, Die Anfänge des Hexenwahns im Mittelalter und der frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262928

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