Big Brother - Unterhaltung und Überwachung


Seminar Paper, 2000

26 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

1. Vorwort

2. Was ist Big Brother?
2.1 Das Konzept
2.1.1 Technische Voraussetzungen
2.1.2 Die Regeln
2.1.3 Das Auswahlverfahren
2.2 Die „Macher“

3. Vermarktung & Promotion
3.1 Wie man Schlagzeilen macht – Präsenz in den Medien
3.1.2 Das Pseudo-Ereignis
3.2 Promotion-Produkte

4. Die „Big Brother“ – Rezipienten
4.1 Rezipientengruppen – Wer sieht „Big Brother“?
4.2 Motivation zur Rezeption der Sendung „Big Brother“
4.2.1 „Big Brother“ im Blickwinkel des „Uses-and-Gratifications Approach“

5. Starkult
5.1 Der „Sladdi-Effekt“
5.2 Negativismus im Starkult: Kerstin und Manuela

6. Kritische Positionen
6.1 Die Menschenrechtsdebatte: Privatsphäre und Menschenwürde
6.1.1 Die Gutachten
6.1.2 Die Entscheidung
6.2 Manipulation – „Big Brother“ nach Drehbuch?!
6.3 Die totale Überwachung – werden Orwells Visionen Wirklichkeit?
6.3.1 Gewöhnung an die totale Überwachung durch „Big Brother“

7. Schlußbemerkung

8. Literaturnachweis

1. Vorwort

Im „Big Brother“-Haus geht das Licht aus. John verlässt als letzter der Bewohner die 100 Tage Isolation. Freudestrahlend kämpft er sich durch die Menge. Was ihn erwartet, weiß er nicht. Gerade die Hauptakteure des großen Fernsehspektakels hörten und sahen nichts von den unendlichen Menschenrechtsdebatten, den Fans, die tagtäglich vor ihrem Haus ausharrten, den Marketing-Produkten, die in ganz Deutschland zu haben sind, ihren Webpages, ihren CDs, den Schlagzeilen in den Medien.

Gerade ihnen sollte diese Hausarbeit gewidmet sein. Auf den nächsten Seiten beschäftige ich mich mit dem, was ihnen so lange verborgen blieb. Mit der Vermarktung der Fernsehshow, ihren Zuschauern, dem Starkult, mit dem sie in den nächsten Wochen zurecht kommen werden müssen, aber auch mit den kritischen Positionen, die gegenüber dem Projekt „Big Brother“ geäußert wurden - die Menschenrechtsdebatte, Fragen um die Manipulation der Sendung und letztendlich die Frage nach der totalen Überwachung, der sie so lange Zeit ausgeliefert waren. Denn „Big Brother was watching you!“

2. Was ist „Big Brother“?

2.1 Das Konzept

Zehn Menschen wagen ein extremes TV-Experiment. Sie ziehen gemeinsam in eine Wohngemeinschaft und geben damit freiwillig für 100 Tage jegliches Privatleben auf. Vierundzwanzig Stunden täglich werden sie von 28 Kameras beobachtet, jedes Wort, jede Handlung wird aufgezeichnet und um 20.15 Uhr von RTL2 einem Millionenpublikum in einem Zusammenschnitt präsentiert. Wer die 100 Tage Überwachung durchhält ohne aufzugeben oder vom Fernsehpublikum aus dem Haus gewählt zu werden, erhält das Preisgeld von 250.000 Mark.[1]

2.1.1 Technische Voraussetzungen

Insgesamt 28 Kameras beobachten ununterbrochen das „Big Brother“-Haus und den dazugehörigen Garten. Durch 55 halbdurchsichtige Fenster, die aus der Sicht der Bewohner verspiegelt sind, bedienen Kameraleute fünf bewegbare Kameras, die die Bewohner durch das Haus auf zuvor verlegten Schienen verfolgen. Sieben weitere Kameras sind fest installiert, neun werden per Joystick aus der Regie gesteuert, hinzu kommen drei Fingerkameras. Bei Dunkelheit in den Schlafzimmern übertragen vier Infrarotkameras, die ebenfalls fest installiert sind.

Insgesamt wurden 11600 Meter Kabel im „Big Brother“ - Haus verlegt, die es den Redakteuren ermöglichen sechs Betacam SX Recorder einzusetzen und 20 Videostreams dem Internet zuzuführen. 60 Mikrophone und ein Körpermikrophon je Bewohner übertragen den Ton an zwei computergesteuerte Mischpulte. 16 Kameraleute, 24 Regisseure, 14 Audio-Video-Techniker, zehn Toningenieure, acht Cutter und drei Wartungsingenieure sind 100 Tage lang im Drei-Schichten-Rhythmus im Einsatz.[2]

Die Fernsehversion von Big Brother startete am 1. März 2000 um 20.15 Uhr auf RTL2. Wie bereits die „Big Brother“ – Ur-Version aus Holland erzielte die deutsche Show vor allem bei den jüngeren Zuschauern hohe Einschaltquoten mit einem Marktanteil von bis zu 45,0 Prozent bei den 14 – 29jährigen und 26,2 Prozent bei den 14 – 49jährigen Zuschauern. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr erreichte RTL2 in der Gruppe der 14 bis 49jährigen lediglich einen Marktanteil von insgesamt 5,7 Prozent.[3]

Die Internet-Website www.bigbrother-haus.de konnte in der ersten Woche ihres Bestehens 3,5 Millionen Zugriffe pro Tag verbuchen. Bereits im April feierte die Internet-Redaktion den 100 millionsten Besucher ihrer Webpage. Die Seite ist damit die best besuchte Webpage Europas und eine der meist besuchten der Welt.

Wie bereits in Holland arbeitet die Produktionsfirma der Show „Big Brother“, Endemol Entertainment, auch bei der Deutschen Internet-Seite mit „Worldonline“ zusammen. Den Gesamtzugriff von 52 Millionen auf die niederländische Homepage während der ersten 100 Tage des holländischen „Big Brother“, hat das deutsche Projekt bereits nach einem Monat weit übertroffen.[4]

2.1.2 Die Regeln

Die 10 Teilnehmer des Fernsehspektakels „Big Brother“ müssen sich bestimmten Regeln unterwerfen, die im Vorfeld vertraglich festgelegt wurden.

Die Bewohner dürfen sich vor dem Start von „Big Brother“ niemals getroffen haben. Jeder Teilnehmer muss vor Antritt der hundert Tage in der Wohngemeinschaft intensive allgemeinmedizinische und psychologische Tests durchlaufen haben, in welchen herausgestellt wird, ob seelische Stabilität, Durchsetzungsvermögen, emotionale Intelligenz und Gruppenfähigkeit überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind. Während des Projekts stehen Psychologen und Mediziner für Notfälle ständig bereit.

Abgesehen von eventuellen Notfällen sind die Teilnehmer von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen. Die meisten Kameras sowie das vollständige technische Personal, Redaktion und Betreuer sind für die Bewohner weder zu sehen noch zu hören. Das Team kommuniziert nur per Lautsprecher mit der Gruppe, andere Medien, wie Fernsehen, Internet, Radio, Zeitung, Telefon oder sogar Schreibmaterialien wie Stifte stehen nicht zur Verfügung.

Das Prinzip: “Back to the basics“ gilt als Lebensstil im „Big Brother“-Haus. Dies bedeutet, dass auf jede Form von Luxus und Komfort verzichtet werden muss. Jeder Teilnehmer darf nur einen Diplomatenkoffer mit den wichtigsten persönlichen Dingen mitbringen. Holz zum Heizen muss gehackt, Brot selbst gebacken und Gemüse im Garten der „Big Brother“-Anlage gezogen und geerntet werden. Für weitere Lebensmittel und Haushaltswaren steht den Bewohnern ein kleines Budget zur Verfügung. Durch erfolgreiches Lösen von Tages- bzw. Wochenaufgaben kann dieses Budget erhöht werden, wobei maximal 50% des Budgets gesetzt werden dürfen. Besteht die Gruppe die Aufgabe nicht, verliert sie die angegebene Prozentzahl ihres Budgets.

Die Teilnehmer müssen täglich im Sprechzimmer einen persönlichen Bericht abgeben und sollen dabei über ihre individuellen Erfahrungen, Gefühle und Konflikte sprechen. Dabei sind sie von den anderen Bewohnern unbeobachtet und unbelauscht, die Medienöffentlichkeit bleibt aber Zeuge. Alle zwei Wochen muss ein Teilnehmer das „Big Brother“-Haus verlassen. Für diesen Zweck spricht jeder Bewohner alle zwei Wochen zwei Nominierungen aus, wobei er weder von den anderen Teilnehmern belauscht noch beobachtet werden kann. Die Bewohner, die von ihren Mitbewohnern in der betreffenden Runde am häufigsten genannt wurden, sind nominiert. Die darauf folgende Woche entscheidet das Publikum per TED, wer tatsächlich das Haus verlassen muss. Allerdings kann jeder Teilnehmer das Big Brother-Haus freiwillig verlassen. Damit ist das Spiel für ihn jedoch unwiderruflich beendet. Nur wer bis zum 100sten Tag im Big Brother-Haus bleibt, hat die Chance auf den Hauptpreis von 250.000 DM.[5]

Das Fernsehen und das Internet sind während der 100 Tage unter den oben genannten Bedingungen als ständige Beobachter dabei.

2.1.3 Das Auswahlverfahren

Die geringen Gewinnaussichten oder die Aussicht auf 100 Tage Isolation von der Außenwelt schreckten die deutsche Bevölkerung ebenso wenig davor ab sich zu Tausenden als Teilnehmer für „Big Brother“ zu bewerben, wie die Tatsache, dass sie mit ihrer Teilnahme freiwillig ihre Privatsphäre aufgeben. Noch nie ist ein TV-Sender von Freiwilligen so bestürmt worden, wie RTL2. Nach einer einzigen Kandidaten-Such-Show im Dezember 1999 stritten sich 20 000 Bewerber um die zehn Betten in den zwei 19 Quadratmeter großen Schlafzimmern. Eine von RTL2 herausgegebene Studie weist dabei als Auffälligkeit darauf hin, dass sich doppelt so viele Männer wie Frauen bewarben, die größtenteils als Handwerker oder Ingenieure beschäftigt sind. (Internetadresse: www.big-brother-kandidaten.de)

Den ersten Schritt in den „Big Brother“–Container machten im Januar diesen Jahres 500 Bewerber. In Sechser-Gruppen vertrieben sie sich die Zeit mit Spielen, wie Kartenhäuser bauen oder Pantomime. Solche Aufgaben sollten es dem Sender ermöglichen herauszufinden, wer am besten für die Show geeignet ist – und wer ihm die höchsten Quoten beschert. Das ehrgeizige Ziel: Sechsmal pro Woche wollte RTL2 zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr über 15 Prozent Marktanteil erzielen. Die Realisierbarkeit dieses Erfolgs, hängt zu großen Teilen von den zehn Teilnehmern ab, die letztendlich an den 100 Tagen Überwachung teilnehmen.

Wert gelegt wurde bei der Auswahl nicht auf irgendwelche Starqualitäten, die „Big Brother“-Zuschauer sollen sich mit den Bewohnern identifizieren können. Wichtig sind der Produktionsfirma Endemol hauptsächlich kommunikative Fähigkeiten: „Sie sollen schon viel erlebt haben und sich ordentlich ausdrücken können. Schließlich müssen sie die Zuschauer 100 Tage unterhalten. Ein unsympathischer Langweiler hat keine Chancen.“, sagt Rainer Laux, 38, verantwortlicher Produzent der Produktionsfirma Endemol. Eine heterogene Mischung der einzelnen Teilnehmer soll das Streitpotenzial der Gruppe, im Gegensatz zu der homogenen Zusammenstellung der Charaktere in der holländischen Urversion, steigern. Auf diesem Weg hoffen Endemol und RTL2 die Show spannend halten zu können, was sich wiederum positiv auf die Quote auswirken würde.[6]

Aus diesem Grund waren auch die Bedingungen im deutschen Auswahlverfahren wesentlich härter als in Holland. Die Bewerber wurden vom ersten Moment an mit Stresssituationen, wie Betten bauen und Bettwäsche selber nähen, konfrontiert, wurden nur noch mit der Farbe ihres T-Shirts angesprochen und damit zu Objekten degradiert, um ihre Belastbarkeit zu prüfen. Ein Bonner Student war drei Tage lang Testkandidat. Sein Fazit: „Psycho-Folter! An sich bin ich nicht aggressiv. Aber danach hätte ich einen umlegen können. Plötzlich steht man da, inmitten von billigen Ikea-Möbeln. Radio, Fernsehen, Telefon – alles, was mit draußen verbinden könnte – ist verboten. Innendrin gibt’s nur eine Stunde am Tag warmes Wasser. In die verglaste Duschkabine guckt jeder rein. Auf den ‚Luxus’ habe ich verzichtet. Man ist reduziert auf ein Dasein als Hilfsarbeiter, Vorführ-Affe und Farbe seines T-Shirts. Man hört nur: ‚Gelbes T-Shirt, bring Heu zum Hühnerstall’ oder ‚Blaues T-Shirt, lass dein Mikro eingestöpselt!’ Da dreht man über kurz oder lang durch.“[7]

Trotz dieser großen Belastung haben es jedoch zehn Kandidaten geschafft, die Testreihe zu bestehen. Die fünf Frauen und fünf Männer zwischen 22 und 36 Jahren zogen am 28. Februar in den „Big Brother“ - Wohncontainer.

2.1 Die Macher

Endemol Entertainment, die Produktionsfirma der Fernsehshow „Big Brother“, ist Europas größte bis vor kurzem noch unabhängige Fernseh-Produktionsfirma. Der Telekommunikationskonzern TefefÛnica übernahm Endemol letzten Monat für 5,3 Milliarden Dollar. 400 verschiedene Formate, wie „Traumhochzeit“, „Die 100 000 Mark Show“ oder „Big Brother“ bringt Endemol in den Vertrag mit TelefÛnica ein.

Das Unternehmen Endemol zählt allein in Holland 2000 Mitarbeiter, produziert 14.000 Stunden Fernseh-Unterhaltung im Jahr und machte damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 854 Millionen Mark. Die deutsche Endemol-Tochtergesellschaft produziert mit 250 Angestellten jährlich 640 Programmstunden und macht weitere 185 Millionen Mark Jahresumsatz.[8]

„Für mich gehört „Big Brother“ auch zur Geschichte des Senders RTL 2. Was haben die im Programm? Reality TV, schlechte Doku-Soaps, Sexfilme. Der Sender ist seinem Format treu geblieben, nur hat er es geschafft, eine andere Wirkung zu erzielen.“ erläutert der Dokumentarfilmer Thomas Schadt, Lehrender an der Filmakademie Ludwigsburg.[9] Und zwar eine Wirkung, die Quoten bringt. Während RTL2 erst 1997 noch Verluste von 60 Millionen DM hinnehmen musste, stieg der Gewinn des Senders bis Mai 2000 auf über 55 Millionen DM. Insgesamt 4,7 Millionen Zuschauer verfolgten am Sonntag, den 8. April 2000, „Big Brother – Der Talk”. Damit erzielte RTL2 die höchste Zuschauerzahl und einen absoluten Rekord seit Sendestart. Im Monat Mai setzte sich RTL 2 mit 19,4 Prozent Marktanteil bei den 14 bis 49-Jährigen in der Hauptfernsehzeit zwischen 20.00 und 23.00 Uhr an die Spitze aller Sender.[10]

[...]


[1] www.bigbrother-haus.de

[2] www.bigbrother-haus.de

[3] www.rtl2.de/facts/unternehmen

[4] www.bigbrother-haus.de/archiv/

[5] www.bigbrother-haus.de/regeln

[6] www.stern.de/magazin/kultur/2000/03/bigbro-2.html

[7] www.bz-berlin.de/bz/news/brother/bb28bigbr.htm

[8] www.bz-berlin.de/bz/news/brother/be02demol.htm

[9] „Der Mensch ist ein gar wunderliches Marketingprodukt“, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Mai 2000

[10] www.rtl2.de/facts/unternehmen.htm

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Big Brother - Unterhaltung und Überwachung
College
University of Erfurt  (Fachbereich Kommunikationswissenschaft)
Course
Seminar: Medienwirtschaft, Medienethik und Kommunikationskultur
Grade
1,0
Author
Year
2000
Pages
26
Catalog Number
V2629
ISBN (eBook)
9783638115896
ISBN (Book)
9783638690867
File size
546 KB
Language
German
Keywords
Brother, Unterhaltung, Seminar, Medienwirtschaft, Medienethik, Kommunikationskultur
Quote paper
Karina Peckham (Author), 2000, Big Brother - Unterhaltung und Überwachung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2629

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Big Brother - Unterhaltung und Überwachung



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free