Die im Jahre 1910 veröffentlichen Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke gelten in der Literaturwissenschaft nicht nur als der erste deutschsprachige moderne Roman, sondern werden in der Regel der Gattung des Tagebuchromans zugeordnet. Diese gattungstheoretische Einordnung scheint sich primär aus dem Paratext des Werkes zu ergeben, da schließlich bereits der Titel des Buches dem Rezipienten suggeriert, dass es sich um Aufzeichnungen handelt. Innerhalb des fortschreitenden Leseakts wird der Rezipient jedoch feststellen, dass die angedeutete Lesererwartung sich zunehmend aufzulösen scheint: Erwie-sen sich Maltes Aufzeichnungen zunächst als verschriftlichte Gegenwartseindrücke seiner Zeit in der Weltmetropole Paris, so scheinen die Einträge in der Folge immer mehr von ihrem Gegenwartscharakter einzubüßen, indem sie von Maltes Kindheitserinnerungen und seiner Jugend in Dänemark berichten. Diese Distanzierung mündet letztlich in wundersame Erzäh-lungen von diversen historischen Gestalten. Auf Grund dieser plötzlichen Zeitsprünge verlie-ren die Aufzeichnungen ihre Funktion der „chronologisch an den Forderungen des Tags ori-entierten Verschriftlichung der eigenen Existenz“ und damit einhergehend ihren Tagebuch-charakter. Demnach könnten wir sagen, dass den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge bis zum Moment der Abkehr von den Gegenwartsbeschreibungen ein „tatsächliches Tagebuch“ zu Grunde liegt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Funktion des „tatsächlichen Tagebuchs“ in den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge
- Die Motive für das abrupte Ende des „tatsächlichen Tagesbuchs“.
- Die Zeitebenen in Wilhelm Raabes Die Chronik der Sperlingsgasse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Funktion des Tagebuchs in Rainer Maria Rilkes "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge". Sie analysiert die Gründe, warum Malte zunächst ein "tatsächliches Tagebuch" führt und später davon abweicht. Die Arbeit beleuchtet den Einfluss dieser Entscheidung auf die Erzählstruktur des Romans und setzt sie in Beziehung zu Wilhelm Raabes "Die Chronik der Sperlingsgasse", um zu zeigen, dass die alternierenden Zeitebenen nicht nur ein Merkmal moderner Literatur sind.
- Die Funktion des "tatsächlichen Tagebuchs" in "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge"
- Die Gründe für den Abbruch des "tatsächlichen Tagebuchs"
- Der Einfluss der Zeitebenen auf die Erzählstruktur
- Vergleich der Zeitebenen in "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" und "Die Chronik der Sperlingsgasse"
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel untersucht die Funktion des "tatsächlichen Tagebuchs" in Maltes Aufzeichnungen. Es analysiert die Gründe, die Malte zum Schreiben bewegen, und welche Wirkung er sich davon erhofft. Das zweite Kapitel beleuchtet Maltes plötzlichen Sinneswandel und erklärt, warum er das "tatsächliche Tagebuch" abbricht und sich stattdessen auf andere Themen konzentriert. Das dritte Kapitel vergleicht die Zeitebenen in "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" mit denen in Wilhelm Raabes "Die Chronik der Sperlingsgasse", um zu zeigen, dass die alternierenden Zeitebenen nicht nur ein Merkmal moderner Literatur sind.
Schlüsselwörter
Tagebuch, Tagebuchroman, "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", Rainer Maria Rilke, Zeitebenen, "Die Chronik der Sperlingsgasse", Wilhelm Raabe, Moderne, Autotherapie, Einsamkeit, Pariser Gegenwart.
- Quote paper
- Bachelor of Arts David Schumann (Author), 2013, Die Funktion des Tagebuchs in Rainer Maria Rilkes "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263036