Zur Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in der Aquakultur. Wirtschaftliche Betrachtung der Projektkonzeption einer Fallstudie

Unter besonderer Berücksichtigung der Quatitätssicherung


Master's Thesis, 2008

161 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Zielsetzung und Aufbau

2 Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in der Aquakultur
2.1 Veranschaulichung der Situation der Aquakultur
2.1.1 Definitorische Abgrenzungen und Formen der Aquakultur
2.1.2 Ausbreitung der Aquakultur weltweit und in Europa
2.1.3 Aquakultur in Deutschland
2.2 Die Kreislauftechnologie
2.2.1 Entwicklung von Kreislaufanlagen in Deutschland
2.2.2 Systemkomponenten, fischbiologische Merkmale und Basis- prozesse
2.3 Betrachtung einer kommerziellen Umsetzung
2.3.1 Stärken und Schwächen der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen
2.3.2 Chancen und Risiken des Umfelds
2.3.3 Zwischenergebnis
2.3.4 Resultierende produktions- und wettbewerbsstrategische Ausrich- tung für Kreislaufanlagenbetreiber

3 Qualitätssicherung in der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen
3.1 Status quo der Qualitätssicherung aquatischer Erzeugnisse
3.2 Hoheitlich geforderte Qualitätssicherungsmaßnahmen
3.2.1 Potenzielle Gesundheitsgefahren durch Erzeugnisse der Aquakultur
3.2.2 Kritische Einflussfaktoren in Bezug auf die Prozessqualität
3.3 Herausforderungen für die Qualitätssicherung in Kreislaufsystemen

4 Fallstudie: Projektkonzeption der Valperca S. A. in der Schweiz
4.1 Der europäische Flussbarsch (Perca fluviatilis) als Objekt der Aquakultur
4.1.1 Entscheidende Leistungsmerkmale im Bezug auf die Haltung
4.1.2 Eigenschaften der Schlachtkörperqualität
4.1.3 Der Markt für europäischen Flussbarsch
4.2 Beschreibung des Investitionsvorhabens
4.2.1 Die Standortvoraussetzungen
4.2.2 Das geplante Produktionsverfahren
4.3 Das Bewirtschaftungsmodell
4.3.1 Das Produktionszyklogramm.
4.3.2 Die Bestandsdichte und das Produktionsvolumen
4.4 Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Anlehnung an HACCP-Grundsätze
4.4.1 Ermittlung von Gefahrenquellen und geeigneten Überwachungs- maßnahmen
4.4.2 Verifikation und Dokumentation
4.4.3 Kosten und Nutzen der Qualitätssicherungsmaßnahmen

5 Vertiefung der Fallstudie: Wirtschaftlichkeitsanalysen
5.1. Voraussetzungen für die Planungsrechnung
5.1.1 Berechnungsannahmen des Anlagenkonzeptes
5.1.2 Kalkulationsgrundlagen
5.2 Wirtschaftlichkeitsberechnung
5.2.1 Gewinnorientierte statische Planungsrechnungen
5.2.2 Gewinnorientierte dynamische Planungsrechnungen
5.2.3 Amortisationsrechnung
5.2.4 Sensitivitätsanalyse
5.3 Beurteilung der Ergebnisse

6 Schlussbetrachtung der Fallstudie und genereller Ausblick
6.1 Abschließende Reflexion der untersuchten Projektstudie
6.2 Entwicklungstendenzen der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen

7 Zusammenfassung

Literaturübersicht

Rechtsquellenverzeichnis

Formelverzeichnis

Anhang
A. Produktionsausrichtungsmodelle nach Ismond (1996)
B. Betriebs- und personalhygienische Maßnahmen (Basishygiene)
C. Schematische Übersicht zur Einordnung von HACCP und GAP.
D. Checkliste für die Statuserhebung der Basishygiene
E. Implementierung eines HACCP-Systems
F. Biometrische Parameter von Perca fluviatilis
G. Transportentfernung von der Percitech S. A. zur Valperca S. A
H. Der Projektstandort am Südportal des Lötschbergbasistunnels
I. Referenzergebnisse aus belgischen Mastversuchen mit Perca fluviatilis unter vergleichbaren Haltungsbedingungen
J. Annahmen zur Wachstumsleistung von Perca fluviatilis
K. Annahmen zum Sauerstoffverbrauch von Fischen nach Winberg (1956)
L. Berechnungsannahme für die Gesamtbiomasse, den Sauerstoff- und den Futtermittelbedarf nach Erreichen der Produktionskapazität
M. Zusammenfassung der technischen Daten der Valperca S. A
N. Grundzüge des HACCP-Konzepts für die geplante Valperca S. A
O. Datenerhebung der Investitionskosten der Valperca S. A
P. Finanzierungsbezogene Annahmen und Ergebnisse (2. Szenario)
Q. Gemeinkosten
R. Investitionsverlauf bei einer Nutzungsdauer von 15 Jahren
S. Annahmen und Rahmenbedingungen in tabellarischer Übersicht
T. Zugrundeliegende Inflationsprognose für die Schweiz
U. Ausführlicher Liquiditäts- und Rentabilitätsplan für beide Szenarien
V. Liquidität, Kapitalwert und Amortisation der Valperca S. A. (ausführlich)
W. Berechnung der Internen Kapitalverzinsung des Gesamtkapitals

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aquakulturformen nach ihrer Produktionsintensität

Abbildung 2: Weltweite Aquakulturproduktion und Fangfischerei 1970-2005

Abbildung 3: Aquakulturproduktionsmenge und -wert nach Ländergruppen 2005

Abbildung 4: Schematische Darstellung einer Kreislaufanlage

Abbildung 5: Grundlegende Prozesse einer Kreislaufanlage

Abbildung 6: Stärken und Schwächen von Kreislaufanlagen (intern)

Abbildung 7: Chancen und Risiken des Umfelds von Kreislaufanlagen (extern)

Abbildung 8: Die Grundlage des „Quality Driven Model“ nach Ismond (1996)

Abbildung 9: Chronik über Lebensmittelskandale von Fischerzeugnissen

Abbildung 10: Betriebliche Qualitätssicherungsmaßnahmen nach VO (EG) 852/2004

Abbildung 11: Bedeutende Gefahrenquellen für Produkte der Aquakultur

Abbildung 12: Mögliche Einflussfaktoren auf die Prozessqualität in Kreislauf- anlagen

Abbildung 13: Ernährungsschäden bedingt durch Futtermittel

Abbildung 14: Höhenprofil des Lötschbergbasistunnels

Abbildung 15: Gesamtübersicht der Valperca S A. in Raron

Abbildung 16: Schematischer Überblick über den Kreislaufbereich

Abbildung 17: Schematischer Aufbau der Produktionseinheit im Durchlaufbereich

Abbildung 18: Wachstumsleistung einer Einzelcharge (inkl. Sortierung)

Abbildung 19: Produktionszyklogramm der Einlaufphase

Abbildung 20: Sauerstoffverbrauch der Gesamtanlage nach der Einlaufphase

Abbildung 21: Einflussfaktoren auf die Prozessqualität der Valperca S. A

Abbildung 22: Systematik der gewählten Investitionsrechnungsverfahren

Abbildung 23: Die Kosten und Leistungen des geplanten Aquakulturbetriebes

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gesamtaufkommen an Fisch aus der Binnenfischerei im Jahr 2006

Tabelle 2: Produktionsmenge und Erlöse aus Kreislaufanlagen im Jahr 2006

Tabelle 3: Merkmale divergierender Ausrichtungen in der Fischproduktion

Tabelle 4: Marktpreise für Eglifilets in der Schweiz von 2002 (€/kg)

Tabelle 5: Systematik der Qualitätskosten für den geplanten Aquakulturbetrieb

Tabelle 6: Anschaffungskosten der geplanten Valperca S. A

Tabelle 7: Kostenpositionen für Setzlinge, Betriebsmittel und Arbeitserledigung

Tabelle 8: Deckungsbeitrag und kalkulatorischer Gewinn (Szenario 1 und 2)

Tabelle 9: Liquidität vor Steuern und Kapitalwert der Valperca S. A

Tabelle 10: Kritische Werte der wichtigsten Einflussgrößen bei einem Kapitalwert von Null (inkl. zusätzlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen)

Tabelle 11: 3-Werte-Verfahren bei Preisänderungen der wichtigsten Einfluss- größen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Hintergrund

„Gib einem Menschen einen Fisch und er hat einen Tag zu essen. Zeig ihm, wie man Fische hält und er wird für den Rest seines Lebens zu essen haben“ (Chinesisches Sprichwort) . Ausgehend von dieser altüberlieferten Sentenz wird gegenwärtig, in Anbetracht globaler Ernährungsprobleme und der Forderung der Vereinten Nationen diese bis zum Jahr 2015 zu halbieren (1. UN Millennium Development Goal), die Hoffnung einer „blaue Revolution“ laut. Diese impliziert die Chance, von Fisch und anderen aquatischen Organismen kostengünstig und in großen Mengen Nahrungsmittel produzieren zu können (Gupta 2005: 1). Eine Vor­lage für diesen Entwicklungsweg bot bereits die Landwirtschaft, welche durch die „grüne Revolution“ in den siebziger Jahren ihre Produktivität bedeutsam erhöhen konnte. In gleichem Maße, durch den technischen Fortschritt des letzten Jahr­hunderts begünstigt, entwickelte sich die Aquakultur weltweit zum stärksten wachs­enden Nahrungsmittelproduzenten (FAO 2007: 5).

Bei diesem Aufschwung soll die traditionelle Fischzucht durch intensive, ressourcen­schonende Produktionsmethoden und neue Fischkandidaten modernisiert werden, um weitere Produktionssteigerungen zu ermöglichen (Henn 2003: 1). Dabei fordert die Gesellschaft zunehmend den Nachweis nachhaltigen Wirtschaftens. Dies be­inhaltet im Bereich der Aquakultur neben dem effizienten Einsatz von Wasser, Land, genetischen Ressourcen, Futtermitteln und Energie unter Berücksichtigung von Ökosystemen, auch soziale und ökonomische Ansprüche (European Commission 2007). Ergänzt wird dieses Postulat durch die Gewährleistung einer ausreichenden Lebensmittelsicherheit im Zuge des Herstellungsprozesses. Hand­lungsbedarf in diesem Bereich wird allein durch die Tatsache aufgezeigt, dass über 40 Millionen Menschen weltweit von Lebensmittelinfektionen durch Trematoden (foodborne trematode infections) heimgesucht werden, welche überwiegend auf Erzeugnisse der Aquakultur zurückzuführen sind (WHO 2004: 4).

Die moderne Kreislauftechnologie, welche durch weitgehend standortunabhängige und umweltkompatible Prozesstechnik eine Fischzucht unter kontrollierten Umwelt­bedingungen ermöglicht und dabei die Prozessqualität der Rohware steuern kann, steht im öffentlichen Fokus einen Beitrag zur Lösung weltweiter Ernährungspro­bleme zu leisten (Wecker et al. 2007: 38 ff.). Aber auch im Industrieland Deutsch­land ist die Diskussion um moderne Indoor-Fischfarmen unter der Parole: „Fischwirt statt Landwirt?“ lauter denn je (Deter 2008). Dennoch ist eine Umsetzung nur praktikabel, wenn die Systemtechnik marktwirtschaftlichen Kriterien genügt. Ein multidisziplinärer Ansatz ist daher erforderlich, der gleichermaßen biologische, pro-duktionstechnische, lebensmittelhygienische und ökonomische Belange untersucht (Wecker et al. 2007: 55). Die Auswertungen der Literatur zeigen, dass zwar Stu­dien zu den etablierten Produktionsverfahren und vereinzelt wirtschaftliche Betracht­ungen von Anlagen vorgenommen wurden, jedoch für den Forschungsbereich der Qualitätssicherung in Kreislaufanlagen so gut wie keine Untersuchungen vorliegen.

1.2 Zielsetzung und Aufbau

Ziel dieser Arbeit ist es, die Fischproduktion aus Kreislaufanlagen zu beleuchten und dabei neben der Produktionstechnik die Bereiche der Qualitätssicherung und den der Wirtschaftlichkeit zu vertiefen. Um die Forschungslücke zu schließen, werden Grundzüge des im Lebensmittelsektor fest verankerten Hazard Analysis of Critical Control Points (HACCP) - Konzeptes auf die Fischproduktion in Kreislauf­anlagen übertragen.

Zu Beginn dieser Studie wird ein Überblick zur Fischproduktion in der Aquakultur gegeben, um den Markt mit seiner Ausbreitung global und in Deutschland besser einschätzen zu können. Anschließend wird der relativ neue Teilbereich der Kreis­lauftechnologie mit seinen Grundlagen präsentiert, um eine Vorstellung über die produktionstechnische Komplexität und den aktuellen Stand der Entwicklung zu vermitteln. Mit einem Werkzeug der strategischen Unternehmensplanung wird dann eine nähere Analyse vorgenommen, so dass Produktions- und Wettbewerbs­strategien für Betreiber aufgezeigt werden. Basierend auf diesen Erkenntnissen präzisiert Kapitel drei Qualitätssicherungsmaßnahmen in Kreislaufanlagen und weist neben den gesetzlichen Grundlagen vor allem auf Einflussfaktoren potenzieller Gesundheitsgefahren für den Verbraucher hin. Um den praktischen Bezug dieser Arbeit herzustellen, befasst sich Kapitel vier mit der Projektkonzeption einer Fischzucht in der Schweiz. Dabei gehen Teile der Fallstudie auf Informationen zurück, die die Fischtechnik Fredelsloh GmbH zur Verfügung gestellt hat. Neben der Beschreibung des Investitionsvorhabens und der verfahrenstechnischen Grund­lagen stehen Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Mittelpunkt der Betrachtung, bevor im nächsten Kapitel die Wirtschaftlichkeit des Projektes untersucht wird. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung der Fallstudie sowie einem generelleren Ausblick, bevor die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse abschließend kurz zusam­mengefasst werden.

2 Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in der Aquakultur

Um eine Übersicht zur Fischproduktion in der Aquakultur geben zu können, erfolgt zu Beginn dieses Kapitels eine definitorische Abgrenzung von Begriffen und Formen. Darauf aufbauend wird die Expansion der Aquakultur global und speziell in Deutschland beschrieben. Als Sparte der Aquakultur wird der relativ neue Bereich der Kreislauftechnologie herausgegriffen und die Entwicklung in Deutschland sowie verfahrenstechnische Besonderheiten näher erörtert. In diesem Zusammenhang wird aufgrund der hohen Fluktuation der Anlagenzahl in Deutschland in den letzten Jahrzehnten (Wedekind; Knösche 2000: 434) die kommerzielle Umsetzung der Kreislauftechnologie detaillierter unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten untersucht. Dies geschieht anhand einer SWOT-Analyse, welche ein weit verbreitetes Instrument zur Situationsanalyse darstellt. Das Kapitel schließt aufbauend auf den Ergebnissen der SWOT-Analyse mit resultierenden produktions- und wettbewerbs­strategischen Ausrichtungen von Aquakulturunternehmen mit Kreislaufanlagen.

2.1 Veranschaulichung der Situation der Aquakultur

2.1.1 Definitorische Abgrenzungen und Formen der Aquakultur

Aquakultur ist die kontrollierte Aufzucht von im Wasser lebenden Organismen, die sich von der Fischerei dadurch unterscheidet, dass die Aufzucht durch menschliche Eingriffe gesteuert wird und in individuellem bzw. gemeinschaftlichem Eigentum erfolgt. Zu den kultivierbaren aquatischen Organismen gehören neben den Fischen auch Muscheln, Krebse und aquatische Pflanzen (FAO 1988: 1). Durch die Aufzucht und Pflege von Organismen in einer begrenzten Umgebung ist die Aquakultur der Nutztierhaltung bzw. der Landwirtschaft verwandter als die Fischerei (Henn 2003: 81).

Mehr als die Hälfte der weltweiten Aquakulturgesamtproduktion besteht aus Fisch, gefolgt von Weichtieren, Wasserpflanzen und Krebstieren (FAO 2007: 19). Im Gegensatz zur terrestrischen Tierproduktion zeichnet sich die Aquakultur durch ein weites Spektrum von mindestens 210 kultivierbaren Arten aus (Engle; Quagrainie 2007: 57).

Weltweit gibt es verschiedene Formen von Aquakultur, von der ländlichen Aufzucht von Karpfen in Subsistenzwirtschaft bis hin zu hochentwickelten Exportprodukten von Lachs und Shrimps aus industrieller Aquakultur (World Bank 2006: 12). Grundsätzlich lassen sich diese hinsichtlich des Standortes (onshore-, offshore- farming), der Form und Art des Gewässers, des Mediums (Salz-, Süßwasser), der Spezies (Krustentiere, Muscheln, Speisefische usw.) und der Produktionsart klassifizieren (Henn 2003: 2). Aufgrund der Vielzahl von Segmentierungsmöglich­keiten wird eine weit verbreitete Differenzierung vorgenommen, welche sich auf die Produktionsart und somit auf die Intensität des Managements (Flächenbedarf, Besatzdichte, zusätzlicher Mitteleinsatz, usw.) bezieht:

Abbildung 1: Aquakulturformen nach ihrer Produktionsintensität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die folgende Betrachtung richtet sich auf die weltweite Ausbreitung der Aquakultur mit der schwerpunktmäßigen Reflexion von Europa und Deutschland.

2.1.2 Ausbreitung der Aquakultur weltweit und in Europa

Seit 1970 expandierte die Aquakultur von 3,9 % Anteil (2,6 Mill. t) an den globalen Fischerzeugnissen auf 34 % (48,1 Mill. t) im Jahr 2005[1] (FishStat 2005). Aufgrund dessen stellt sie den Nahrungsmittelsektor mit der weltweit höchsten Wachstums­rate von 8,8 % (seit 1970), im Vergleich zur Tierproduktion (2,8 % Wachstum pro Jahr) und zur Fangfischerei (1,2 % Wachstum pro Jahr), dar (FAO 2006: 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Weltweite Aquakulturproduktion und Fangfischerei 1970-2005

Abbildung 2 verdeutlicht die rasante Entwicklung der Aquakultur seit den siebziger Jahren. Im Gegensatz dazu stagnieren seit 1990 die Erträge der Fangfischerei, welches auf einen Anstieg der Produktionskosten der Fischerei (Engle; Quagrainie 2006: 5) sowie der Überfischung bestimmter Fischbestände zurückzuführen ist (Riedl; Bohl 1999: 40). Durch Kostenvorteile der Aquakultur, bedingt durch tech­nischen und züchterischen Fortschritt, die Aquakulturförderung in China und den Boom von Shrimps und Lachs für den Export, erlebte die Aquakultur global in den letzten Jahrzehnten einen Wirtschaftsaufschwung (Henn 2003: 85; Engle; Quagrainie 2006: 5). Prognosen der FAO sehen diese Entwicklung jedoch noch nicht abgeschlossen, da bis 2030 weniger als die Hälfte der Fischproduktion aus mariner Fischerei stammen soll (FAO 2001). Bei gleichzeitig wachsender Welt­bevölkerung und dem daher steigenden Bedarf an tierischem Protein wird die Aquakultur Hauptfischquelle des 21. Jahrhunderts werden (FIZ 2007: 16).

Mit einer Gesamtproduktion von 43,2 Mill. t aquatischer Organismen (2005) und einem weltweiten Produktionsanteil von 90 % ist Asien mit Abstand global führend. Europa reiht sich auf dem zweiten Platz mit einem Anteil von 4,5 % (2,14 Mill. t) der gesamten Weltproduktion ein (FishStat 2005). Somit findet mehr als 90 % der Aquakulturproduktion in Entwicklungsländern, den sogenannten low-income food-deficit countries, statt (Engle; Quagrainie 2006: 5). Hauptsächlich preisgünstige Aquakulturprodukte wie Karpfen, Milchfisch oder Tilapia werden dort für den lokalen und regionalen Markt produziert, stattdessen erreichen nur Shrimps aufgrund des hohen Verkaufspreises zu 80 % den Weltmarkt (Henn 2003: 85). Demgegenüber engagieren sich die Industrieländer besonders in Aquakultursegmenten, die hohe Preise auf dem Weltmarkt erzielen (vgl. Abb. 3). Der Anteil am Produktionswert ist mehr als doppelt so hoch wie der Anteil an der Produktionsmenge. Hauptkandidat der europäischen Produktion[2] ist der Atlantische Lachs mit einem Anteil von 35 % der europäischen Fischgesamtproduktion und einem nennenswerten Weltmarkt­anteil von 70 % (FishStat 2005).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Aquakulturproduktionsmenge und -wert nach Ländergruppen 2005

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Europa ist die Aquakultur seit 1970 mit 497.898 t ebenfalls rasant auf 2,1 Mill. t Fischerzeugnisse angewachsen und hat sich in 38 Jahren fast vervierfacht. Die wichtigsten Erzeugerländer innerhalb Europas sind Norwegen mit 31 %, Frankreich mit 12 %, Spanien mit 11 % und Italien mit 9 % Anteil an der europäischen Gesamt­produktion. Die deutsche Aquakultur trug mit 44.685 t (2005) nur 2 % zur euro­päischen Produktionsmenge bei (FishStat 2005).

2.1.3 Aquakultur in Deutschland

Der deutsche Fischereisektor unterteilt sich in die Seefischerei (Hochsee- und Küstenfischerei, Muschelkulturwirtschaft[3] ) und die Binnenfischerei mit den Sektoren Fluss- und Seenfischerei, Angelfischerei und Aquakultur mit den Sparten Karpfen­teichwirtschaft, Forellenwirtschaft (Durchlaufanlagen) und technische Haltungs­systeme (FAL 2006: 4). Im Folgenden wird zuerst ein Überblick über die deutsche Binnenfischerei gegeben, dann werden die einzelnen Sparten nach ihrer wirtschaft­lichen Bedeutung beleuchtet.

Allgemeine Beschreibung der Aquakultur als Sektor der Binnenfischerei

Der Wirtschaftszweig der Binnenfischerei mit ca. 845.000 ha Gesamtbinnenge­wässerfläche umfasst mehr als 1.000 Haupterwerbs- und über 21.000 Neben- und Zuerwerbsbetriebe sowie ca. 1,5 Mill. aktive Angler (Brämick 2006: 5). Der Großteil des deutschen Fischaufkommens der Binnenfischerei von 50.633 t im Jahr 2006 stammt nicht aus dem Fischfang in natürlichen Gewässern, sondern mit insgesamt 40.331 t Fisch aus der Aquakultur. Sowohl hinsichtlich der Produktionsmenge als auch der erzielten Erlöse (geschätzter Wert: 187 Mill. €, 2006) ist die Aquakultur der ertragreichste Zweig der deutschen Binnenfischerei (ebenda 2006: 5).

Tabelle 1: Gesamtaufkommen an Fisch aus der Binnenfischerei im Jahr 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zum besseren Verständnis werden die einzelnen Sparten der Aquakultur kurz vorgestellt:

Karpfenteichwirtschaft

Die Karpfenproduktion als flächenmäßig größte Aquakultursparte wird auf ca. 40.000 ha überwiegend extensiv in Nebenerwerbsbetrieben praktiziert (BMELV 2006: 18), wobei die Betriebsstrukturen und das damit in Verbindung stehende Intensitätsniveau in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden sind (FAL 2006: 7). Mit einem leichten Rückgang des Abfischergebnisses wurden 2006 15.207 t Karpfen mit einem Gesamterlös von 49,2 Mill. € geerntet, wodurch Deutschland mit einem Anteil von mehr als 20 % den Platz drei nach Polen und der Tschechischen Republik innerhalb der EU besetzt (BMELV 2006: 18). Grenzen im innerbetrieblichen Wachstum, umweltrechtliche Auflagen, steigender Kostendruck der Betriebsmittel, Schäden durch fischfressende Tierarten, veränderte Ver­braucherpräferenzen und international stärker werdender Angebots- und Preisdruck (FAO 2008a) prognostizieren keine Produktionssteigerungen (BLE 2006: 14). Dies steht einem besonders nachhaltigen Aquakulturzweig gegenüber, der seine Wurzeln im 11. Jahrhundert hat und durch seine landschafts- und strukturbildenden Elemente von hoher landeskultureller Bedeutung ist (Hofmann et al. 1987: 5).

Forellenteichwirtschaft (Durchlaufanlagen)

Im Unterschied zur Karpfenteichwirtschaft zeichnet sich die Forellenwirtschaft durch differenzierte Haltungseinheiten mit permanent geregeltem Wasserdurchfluss in Erdteichen über Betonbecken bis hin zu Fließkanälen aus (Hilge; Rosenthal 2000: 163). Mit einem leichten Zuwachs zum Vorjahr dominiert die Fischerzeugung in Durchlaufanlagen mit 23.890 t (vgl. Tab. 1) und einem Gesamterlös von 123 Mill. € in der deutschen Aquakulturproduktion im Jahr 2006 (Brämick 2006: 25).[4] Innerhalb der europäischen Gemeinschaft steht Deutschland in der Regenbogenforellenerzeugung nach Dänemark, Frankreich, Spanien und Italien an fünfter Stelle (BMELV 2006: 19). Aufgrund von Produktionssteigerungen durch technologische Optimierung und durch die ganzjährige Marktbelieferung sind die Aussichten deutlich positiver als bei der Karpfenteichwirtschaft (FAL 2006: 17).

Netzgehegeanlagen

Im Unterschied zu den baulich von anderen Gewässern abgegrenzten Einheiten der Aquakultur werden Netzgehegeanlagen, bestehend aus einem schwimmfähigen Trägersystem und einem Netz, direkt innerhalb offener Gewässer fixiert und stehen dadurch in stofflichen Austausch mit dem umliegenden Wasserkörper (Brämick 2006: 32). 23 Netzgehegeanlagen produzierten 2006 bundesweit 160 t Fisch (hauptsächlich Regenbogenforellen) mit einem Wert von 0,8 Mill. €, welches weniger als 1 % des Gesamtaufkommens beziffert (vgl. Tab. 1). Aufgrund der rück­läufigen Entwicklung im Süßwasserbereich, bedingt durch eine Eutrophierungs­gefahr im Binnengewässer durch Stoffwechselprodukte und Futterreste und somit einer ausbleibenden wasserrechtlichen Genehmigung, liegt die Zukunft von Netz­gehegen eher im marinen Bereich (ebenda 2006: 33).

Kreislaufanlagen

Im Vergleich zum Gesamtaufkommen der Binnenfischerei blieb die Produktion von Fischen in Kreislaufanlagen mit 2 % Anteil von untergeordneter Bedeutung in Deutschland. Gleichzeitig überstieg die gemeldete Produktionsmenge der Kreislauf­anlagen im Jahr 2006 erstmals die Marke von 1 000 t und zeigte gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs um etwa 60 % (vgl. Tab. 1).

Beginnt derweilen ein Paradigmenwechsel in der Aquakultur und damit eine neue Ära der Kreislauftechnologie in Deutschland?

Aufgrund der Problemstellung dieser Studie wird nachfolgend ausführlicher auf den Wirtschaftszweig Fischproduktion aus Kreislaufanlagen eingegangen.

2.2 Die Kreislauftechnologie

Die Kreislauftechnologie in der Aquakultur umfasst Produktionssysteme, die eine standortunabhängige Intensivhaltung von Organismen bei nahezu optimalen Lebensbedingungen und minimalem Wasseraustausch ermöglichen (Lekang 2007: 133).[5] Dabei wird das Produktionswasser teilweise oder vollständig wieder­verwendet (Shepherd; Bromage 1995: 99). Bei einer Wasseraustauschrate von weniger als 10 % pro Tag bezogen auf das Gesamtvolumen entspricht die Anlage einem geschlossenen rezirkulierenden System (Definition der EIFAC Arbeitsgruppe 1986). Auch wenn in modernen Anlagen die Rate weniger als 1 % beträgt, ent­stehen immer Wasserverluste durch Abfischung, Verdunstung und Schlamm- bzw. Schmutzwasseraustrag (Hilge 2005: 334). Das in einem Kreislauf geführte Pro­duktionswasser wird über mehrere Reinigungsstufen geleitet, in denen schädliche bzw. angereicherte Wasserinhaltsstoffe entfernt werden (Koops 1991: 41 ff.). Alle wichtigen Haltungsparameter können kontrolliert und gesteuert werden, wodurch für die jeweilige Fischart optimale Wachstumsbedingungen geschaffen werden können (Jäger 1992: 67). Somit können in diesen Anlagen auch aquatische Organismen produziert werden, die unter natürlichen Verhältnissen nicht in Mitteleuropa gehalten werden können. Da sich aber die Erzeugung mariner Fischarten, von Krebsen und Algen in mit Salzwasser betriebenen Kreislaufanlagen in Deutschland noch in den Anfängen befindet (BMELV: 2006:22)[6], wird das Hauptaugenmerk im Rahmen dieser Arbeit auf die etablierte Kreislauftechnologie zur Süßwasserfischproduktion gelegt.

2.2.1 Entwicklung von Kreislaufanlagen in Deutschland

Schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden von Wissenschaftlern erste Warmwasserkreislaufsysteme entwickelt, um für Versuche gleichbleibende Haltungsbedingungen sicherzustellen (Jäger 1992: 67). In den nachfolgenden 20 Jahren wurden Kreislaufanlagen zur Speisefischproduktion von verschiedenen Firmen besonders Landwirten angeboten, um in leerstehenden Stallgebäuden einen neuen rentablen Betriebszweig aufzubauen (Deter 2008). Auch Wissen­schaft und Politik taxierten damals Kreislaufverfahren als eine zukunftsträchtige und zu fördernde Technologie. Mehrere Interessenten ließen angesichts der Zukunfts­aussichten und der verführerischen Kaufangebote Anlagen errichten. 90 % der damaligen Kreislaufanlagen konnten jedoch langfristig nicht rentabel bewirtschaftet werden und wurden stillgelegt (Hinz et al.1999: 36). Der Grund für das Ausbleiben von wirtschaftlichem Erfolg lag damals nach Einschätzungen von Experten in noch nicht ausgereifter Technik, hohen Energiekosten, niedrigen Marktpreisen, mangeln­der finanzieller Ressourcenausstattung und oft auch in fehlendem fischereilichen Fachwissen (Wedekind; Knösche 2000: 433). Durch diese negativen Erfahrungen und Fehlschläge früherer Jahre klang die Euphorie über die Möglichkeit der Intensivhaltung in den 90er Jahren in Deutschland ab.

Vor dem Hintergrund begrenzter Fischressourcen in den Weltmeeren, kommender Welternährungsprobleme, restriktiver Expansionsmöglichkeiten der Binnenfischerei, erhöhter Naturschutz- und Wasserrechtsauflagen, verfeinerter Kreislauftechnologie, sowie letztlich der Abwärmenutzung von Biogasanlagen, ist das Interesse an Kreis­laufanlagen in letzter Zeit wieder gestiegen (Deter 2008; Batisweiler 2006; Brämick 2006: 32; Hinz et al. 1999: 36).

Im Jahr 2006 wurden insgesamt 23 in Betrieb befindliche Kreislaufanlagen erfasst, die mit einer Produktionsmenge von 1.073 t ungefähr 400 t über dem Niveau des Vorjahres liegen. Darüber hinaus existieren noch mindestens 9 Kreislaufanlagen für die Forschung (Simon 2002: 396). Zumal der Wirtschaftszweig der Kreislauftechno­logie nach wie vor durch eine geringe Kontinuität der Produktion und eine hohe Fluktuation gekennzeichnet ist, ist die gemeldete Datengrundlage der Anlagenzahl lückenhaft und wird in einschlägiger Literatur abweichend angegeben.[7] Die nach­folgende Bezifferung aus dem Jahresbericht zur Deutschen Binnenfischerei 2006 gibt eine grobe Einschätzung der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in Deutsch­land.

Tabelle 2: Produktionsmenge und Erlöse aus Kreislaufanlagen im Jahr 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung, Datengrundlage: Brämick (2006) k. A. keine Angabe

Mit 567 t ist der Aal im Bezug auf die Produktionsmenge die gewichtigste Art, wobei die Hauptmenge aus niedersächsischen Kreislaufanlagen stammt. Neben der Hauptfischart Aal gehören der Stör mit 227 t und der europäische Wels mit 146 t zu den relevanten Fischarten, welche in Deutschland produziert werden und auch Absatz finden (vgl. Tab. 2). Die Absatzstruktur ist regional sehr unterschiedlich und erstreckt sich von der Direktvermarktung über die Abgabe an den Einzelhandel bis zum Lebendverkauf an den Großhandel (Brämick 2006: 31). Insbesondere beim Stör und der damit verbundenen Kaviarproduktion verzeichnet sich 2006 gegenüber dem Vorjahr ein erhebliches Wachstum. Afrikanischer Wels, Tilapien, Zander und Streifenbarsch stagnieren trotz erfolgreicher Erprobung auf einem äußerst geringen Produktionsniveau (vgl. Tab. 2). Die verbleibenden 123 t Karpfen aus Brandenburg stammen aus einer Anlage, die mit erwärmten Kühlwässern eines Kraftwerks in offenen Kreisläufen jährlich Satzkarpfen produziert. Dieses Verfahren nimmt aufgrund des Satzfischmangels und der Kormoranproblematik in den letzten Jahren an Bedeutung zu (ebenda 2006: 31).

Im Gegensatz zur deutschen Entwicklung und Etablierung ist die Fischproduktion aus geschlossenen Kreislaufanlagen in den Niederlanden und Dänemark zu einem imposanten Wirtschaftsfaktor in der Aquakultur geworden. So wuchs seit Beginn der 90er Jahre die Produktion aus Kreislaufanlagen in den Niederlanden mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 14 % so rapide an, dass im Jahr 2004 aus mehr als 100 Anlagen über 10.000 t Fisch produziert wurde (Rothuis; van Dijk 2004: 75). Dabei wurden die holländischen Anlagen kontinuierlich von Forschungs­einrichtungen begleitet und unterstützt (Simon 2002: 395). Mittlerweile stammen 60 % der erzeugten Aale und 90 % aller afrikanischen Welse der europäischen Gesamtproduktion aus niederländischen Kreislaufanlagen (Rothuis; van Dijk 2004: 75). Ein Hauptabnehmer für die hergestellten Produkte ist der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (IfB 2003: 61). Agglomerationseffekte, Kostendegres­sionen aufgrund großer Produktionseinheiten und das bereits gewonnene Praxis­wissen sichern den holländischen Produzenten einen erheblichen Wettbewerbs­vorsprung im Vergleich zur Bundesrepublik (Jäger 1992: 85).

Trotz einem Importanteil von 85 % am Gesamtaufkommen von Fisch und Fischerei­erzeugnissen in Deutschland (FIZ 2007: 7) und einem steigenden Bedarf an qualitativ hochwertigen Speisefischen (Simon 2002: 397) werden die Entwicklungs­chancen für Kreislaufanlagen in Deutschland nach wie vor sehr unterschiedlich eingeschätzt (FAL 2006: 19; Brämick 2006: 32). Da die Verfahrenstechnik mittler­weile ausgereift ist (Wedekind; Knösche 2000: 435), liegen die Hauptprobleme vielmehr im ökonomischen Bereich (Koops 1991: 2).

Aus diesem Grund wird im Unterkapitel 2.2.3 die wirtschaftliche und kommerzielle Umsetzung der Kreislauftechnologie in Deutschland durch eine Hilfsmethode der strategischen Planung näher beleuchtet. Zum besseren Verständnis der komplexen Verfahrenstechnik und der Vielzahl von Einflussfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit einer Kreislaufanlage widmet sich der folgende Passus zunächst grundlegenden Verfahrensabläufen und Parametern der Dimensionierung einer Kreislaufanlage.

2.2.2 Systemkomponenten, fischbiologische Merkmale und Basisprozesse

Die Kreislauftechnik findet weitgehend in geschlossenen Gebäuden ihre An­wendung (Hinz et al. 1999: 36). Die Kreislaufanlage besteht dabei im Wesentlichen aus einem Fischhaltungs- und einem Wasserreinigungsteil, welche durch ihre Dimensionierung überwiegend die erzielbare Jahresproduktion bestimmen (Hilge 2008). Hinzu kommen noch weitere Zusatzeinrichtungen und Gerätschaften. Die wichtigsten Systemkomponenten werden schematisch in Abbildung 4 vorgestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Fischhaltebecken weisen aufgrund der baulich verwendeten Materialien (z. B. Beton, Kunststoff, Folie), des heterogenen Haltungsvolumens (z. B. durch das Flä­chen-Tiefen Verhältnis) und den verschiedenen Formen (rund, quadratisch, recht­eckig, rinnenförmig, usw.) eine Vielzahl von Merkmalskombinationen auf (Koops 1991: 39), so dass eine Begutachtung an dieser Stelle impraktikabel er­scheint. Gute Selbstreinigungseigenschaften der Becken und einfache Abfischungs­möglichkeiten sollten jedoch bereits bei der Planung bedacht werden (Rümmler 2008: 8). Durch Rohre oder Rinnen ist der Fischhaltungsteil mit dem Reinigungsteil verbunden. Beim Wassertransport ist zum einen die Wahl der geeigneten Pumpe (abhängig vom Volumenstrom, der Förderhöhe und dem Elektroenergieverbrauch), zum anderen die Qualität des Leitungssystems (ausreichender Leitungsquerschnitt, richtiges Gefälle, kurze Leitungen, geringe Oberflächenrauhigkeit des Materials, usw.) zu berücksichtigen (Lekang 2007: 7 ff.). Bestimmend für die Produktions­leistung der Anlage ist gegenüber dem Haltungsvolumen die Leistungsfähigkeit der Abwasserreinigung (Summerfelt 1998: 88). Angesichts der Bedeutung der mecha­nischen und biologischen Reinigungsstufen, der Prozesskonditionierung und der Desinfektion werden diese detaillierter im späteren Verlauf der Arbeit vor­gestellt.

Eine weitere Systemkomponente, die unmittelbaren Einfluss auf die Wasserbe­lastung, die Wachstumsrate und die Produktionskosten (20-60 % der variablen Kosten) hat, ist die Fütterung (Powless 1998: 270). Aufgrund von praktischen Vorteilen zur gewählten Fütterungsstrategie (periodisch/kontinuierlich; Tag/Nacht) haben sich computergesteuerte, automatische Einrichtungen zur Futterausbringung (z. B. zeitplangesteuerter Fütterer, Bandfütterer, Fütterungsroboter) in modernen Kreislaufanlagen etabliert (Lekang 2007: 216). Zu den automatischen Instrumenten der Prozessüberwachung und -steuerung gehören Sonden zur Grenzwert­alarmierung wichtiger Parameter, die Aktivierung von Notfunktionen (Ersatzpumpen, Notstromaggregat, Notbegasung), Datenvisualisierung und -speicherung, Steuerung und Kontrolle mit komplexen Hard- und Software-Managementsystemen sowie eine Systemüberwachung von außen (Meylahn 1998: 23; Tautenhahn 2007: 49). Außerdem sollten Einrichtungen für den Umgang mit Fischen wie Besatz, Sortieren, Wiegen und Abfischen, sowie Voraussetzungen für wasserchemische Untersuchungen (Labor) verfügbar sein (Rümmler 2008: 8).

Um maximale Wachstumsraten und den bestmöglichen Gesundheitszustand zu realisieren, ist die Einhaltung des fischartspezifischen Temperaturoptimums not­wendig (Miao et al. 1998: 407). Da die Haltungsumgebung der meisten aqua­tischen Organismen in Kreislaufanlagen zwischen 20 bis 28°C beträgt (Rakocy 1998: 393), ist eine saisonal unterschiedliche Wärmezufuhr erforderlich. Dies kann über Wärmeaustauscher mittels konventioneller Energieversorgung in Form einer Heizöl- oder Gasheizung, einer elektrischer Heizung mit Hilfe von Heizstäben oder Wärmepumpen erfolgen (Lekang 2007: 75 ff.). Allerdings haben sich aufgrund steigender Energiepreise innovative Alternativverfahren zur vorhandenen Basis­technologie konstituiert. Von erwärmtem Kühlwasser aus Kraftwerken, der Wärme biochemischer Stoffumsetzung aus Biofiltern, über erneuerbare Energien wie Wind­energie, Solarthermie (mittels Parabolrinnen)[8], Holzheiztechnik bis hin zu der Ab­wärmenutzung von Biogasanlagen[9], haben sich in den letzten Jahren vielfältige Energiebereitstellungsformen für Kreislaufanlagen entwickelt.

Für die Projektplanung und Dimensionierung einer Kreislaufanlage ist ein maß­geblicher Produktionsplan notwendig, welcher deutlich macht, wie das angestrebte jährliche Produktionsziel erreicht werden soll. Die maximale Futtergabe und Biomas­se in der Anlage kann so abgeleitet werden und nimmt entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Systemkomponenten (Eding; van Weerd 1999: 437). Bevor ein Produktionsschema erstellt wird, muss demzufolge die Fischart sowie biolog­ische Aspekte berücksichtigt werden.

Fischbiologische Aspekte

In Deutschland werden in Kreislaufanlagen hauptsächlich hochpreisige Süßwasser­fische wie Aal, europäischer Wels und Stör produziert (Hilge 2005: 334; vgl. Tab 2). Neben den physiologischen Ansprüchen und den biologischen Eigenschaften der entsprechenden Fischkandidaten sind nach Losordo et al. (1998) und Eding; van Weerd (1999: 437 ff.) weitere fischartspezifische Parameter für die Dimensio­nierung und Wirtschaftlichkeit einer Produktionseinheit von Relevanz, die an dieser Stelle nur generell präsentiert werden sollen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grenzwerte für jeden einzelnen Parameter der betreffenden Fischart müssen be­achtet werden, wobei der Wasserbelastung eine zentrale Bedeutung zuteil wird.

Grundlegende Prozesse in Kreislaufanlagen

Da der Einhaltung einer optimalen Wasserqualität eine sehr hohe Priorität zukommt, müssen Futterreste und die Endprodukte des Fischmetabolismus wie Kohlendioxid, Ammonium, Harnstoff und partikuläre sowie gelöste, fäkale Ausscheidungen schnellstmöglich aus dem Wasser entfernt werden (Wecker 2006: 9). Prinzipiell sind diese produzierten Abfallsubstanzen im Wasser des Rezirkulationssystems als Resultat des eingebrachten Fischfutters anzusehen, welche vom Fütterungsniveau, der Futterzusammenstellung, der Verdaulichkeit des Futters und der Umsetzung des verdauten Futters bestimmt wird (Summerfelt 1998: 88). Aus diesem Grund wird die Wasserbelastung in der Einheit „pro kg Futter“ zu dem festgelegten Füt­terungsniveau angegeben (Eding; van Weerd 1999: 445). Da für die Beseitigung der Abfallstoffe technologische Konzepte der Wasseraufbereitung notwendig sind, wird auf diese kurz eingegangen.

Abbildung 5: Grundlegende Prozesse einer Kreislaufanlage

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Wasserreinigung wird in mechanische Reinigungssysteme unterteilt, die feste Schmutzstoffe eliminieren, und in biologische Reinigungsmaßnahmen, welche die gelösten Stoffe aus dem Produktionswasser beseitigen (Schmidt-Puckhaber 1999: 56). Abhängig von der Partikelgröße können Schwebstoffe (> 100 µm) durch einfache Sedimentationstechniken, wie Sedimentationsbecken oder -fallen, beseitigt werden. Bei Teilchen > 70 µm sind komplexe Sedimentationstechniken wie Wirbelstromseparatoren oder Lamellenfilter notwendig. Da sich Stoffteilchen < 70 µm meist in Suspension befinden, müssen diese mit Hilfe von mechanischen Separationstechniken (z. B. Sandfilter, Mikrosiebfilter, Beadfilter oder Trommelfilter) aus dem Wasser entfernt werden. Feinstoffe < 20 µm können wirkungsvoll mit Abschäumungsverfahren eliminiert werden (Wecker 2003: 9). Um die gesamte Partikelfracht aus dem Wasser entfernen zu können, finden deshalb mehrstufige Feststoffseparationsverfahren in modernen Kreislaufanlagen praktische Anwendung (imare 2008).

Nach der Feststoffseparation wird in aeroben Biofiltern das toxische Stoffwechsel­produkt Ammoniak, welches im Dissoziationsgleichgewicht mit dem gelösten End­produkt des Proteinstoffwechsels Ammonium-Stickstoff steht, durch den Prozess der biologischen Nitrifikation in Nitrit und zum geringfügig toxischen Nitrat abgebaut (Lekang 2007: 121). Meist im Nebenstrom der Kreislaufanlage wird das aufoxidierte Nitrat dann durch den anaeroben Prozess der Denitrifikation zu gasförmigen End­produkten reduziert und verlässt das System. Zahlreiche Filtertechniken haben sich in den letzten Jahren entwickelt.[11] Weit verbreitet sind Fließ- und Bewegtbettfilter, welche sich abhängig vom Kreislaufwasservolumen durch eine große spezifische Oberfläche und somit eine sehr hohe Abbaurate pro Volumeneinheit bei gleich­zeitiger Prozessstabilität auszeichnen (Losordo et al. 1999: 8). Da die Denitrifika­tionsrate von der Konzeption des gesamten Wasseraufbereitungssystems abhängt und sich Nitrat durch geringe Leistung im System akkumuliert, basiert die Wasser­austauschrate des Gesamtsystems auf dieser Dimensionierung des Filtersystems (Eding; van Weerd 1999: 475).

Für einen adäquaten Abtransport der Ausscheidungsprodukte des Fischbesatzes sorgt ein kontinuierlicher Wasserdurchfluss, welcher durch die Fischbecken mit den fischartspezifischen Wasserqualitätsparametern festgelegt wird (Eding; van Weerd 1999: 468). Maßgeblich für den Durchfluss ist in erster Linie der Sauerstoffver­brauch der Fische (Lekang 2007: 137). Stark abhängig von der angewandten Fütterungsmethode (Eding; van Weerd 1999: 437) stellen die täglichen Schwank­ungen des Sauerstoffverbrauchs pro Zeiteinheit und die absolute Größe im Zirkulationswasser einen limitierenden Produktionsfaktor dar. Da die Temperatur­erhöhung bei poikilothermen Organismen in Warmwasserkreislaufanlagen (zwi­schen 20-28°C) eine steigende Stoffwechselrate induziert, somit einen höheren Futterumsatz und bessere Zuwächse bewirkt, führt dies zu einem höheren Sauerstoffbedarf abhängig von der Größe der Besatztiere in der Kreislaufanlage (Schmidt-Puckhaber 1996: 71). Der gesteigerte Sauerstoffbedarf steht jedoch der abnehmenden Löslichkeit von Sauerstoff im warmen Wasser gegenüber (Henry´sches Gesetz). Deshalb wird in der Intensivhaltung durch den Einsatz von Reinsauerstoff über Druckverfahren eine Übersättigung des Produktionswassers erreicht, so dass der Sauerstoff nicht mehr als limitierender Faktor gilt (Lekang 2007: 108). Im Zuge der physikalisch-chemischen Konditionierung des Prozess­wassers gilt neben der Anreicherung von Sauerstoff weitere Aufmerksamkeit der Einstellung der optimalen Wassertemperatur, der Entgasung von Kohlendioxid und der Überwachung des Säure- und Basengleichgewichts (Losordo et al. 1998: 4).

Zur Prävention von Fischkrankheiten im Wasserkreislaufsystem ist der Einsatz von Wasserdesinfektionsmaßnahmen zur Reduzierung der Gesamtmikroorganismen­zahl und fakultativ pathogener Mikroorganismen in modernen Kreislaufanlagen Standard geworden. Neben der mechanischen Reinigung[12] haben sich chemische (Ozonbehandlung)[13] und physikalische Maßnahmen (UV-Bestrahlung)[14] etabliert (Losordo et al. 1999: 11).

Auch wenn eine Kreislaufanlage hinsichtlich der Dimensionierung und der Basis­prozesse optimal kalkuliert wurde, muss die Produktion nicht ökonomisch profitabel sein. Als Erfolgsfaktor kommt das Management hinzu, welches die Wachstumsrate, die Besatz- und Ernterate sowie die Mortalität steuern kann (Eding; Van Weerd 1999: 482 ff.).

2.3 Betrachtung einer kommerziellen Umsetzung

Der Nachweis für eine wirtschaftlich nachhaltige Fischproduktion aus geschlos­senen Kreislaufanlagen wurde bis dato nur vereinzelt erbracht (Baer 2004: 109). Eine Hauptursache für die hohe Fluktuation der Anlagenzahl, auf die im Abschnitt 2.2.1 hingewiesen wurde, liegt oft in der Diskrepanz zwischen Investitions- und Be­triebskosten einerseits und den zu erzielenden Marktpreisen anderseits (Wedekind; Knösche 2000: 434; Dunning et al. 1998: 4 ff.; Koops 1991: 63 ff.). Hinzu kommt, dass durch das Aufstocken der Produktionsmenge einer speziellen Fischart, für die es ohnehin im Nischenbereich des Marktes nur ein limitiertes Absatzvolumen gibt, ein Preisverfall induziert werden kann und somit die Rentabilität der Anlage berührt wird (Brämick 2006: 32). Daher ist eine realistische Umwelt- und Unternehmens­analyse für die Projektplanung einer Kreislaufanlage obligat. Anhand der SWOT-Analyse (analysis of s trengths, w eaknesses, o ppurtunities and t hreats) sollen Perspek­tiven der Kreislauftechnologie in der kommerziellen Umsetzung in Deutsch­land verdeutlicht werden. Die SWOT-Analyse als Modell der strategischen Planung betrachtet Stärken und Schwächen eines Unternehmens (interne Analyse) wie auch die Chancen und Risiken eines Marktes (externe Analyse). Diese Situationsanalyse kann dazu beitragen die Wettbewerbsposition zu beurteilen, aber auch helfen, Erfolgsaussichten und Sackgassen einer Fortentwicklung zu konkretisieren (Hahn; Hungenberg 2001: 1126). Es soll im weiteren Vorgehen versucht werden aus den Ergebnissen eine ganzheitliche Strategie für die weitere Ausrichtung der Unter­nehmensstrukturen von Aquakulturbetrieben mit Kreislaufanlagen abzuleiten.

2.3.1 Stärken und Schwächen der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen

Ausgehend von der durchgeführten SWOT-Analyse, welche primär auf Literatur­angaben und eigener Bewertung beruht, kann im SW-Teil (Abb. 6) auf betrieblicher Ebene zur Einschätzung von Gegebenheiten und Ressourcen folgendes - tabell­arisch und komprimiert - festgestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 : Stärken und Schwächen von Kreislaufanlagen (intern)

Quelle: Eigene Darstellung

Basierend auf dieser Bewertung kann verkürzt Nachstehendes resümiert werden:

1) Umweltkompatible Produktionssysteme wie geschlossene Kreislaufanlagen befriedigen die gesellschaftliche Forderung nach einem nachhaltigen Ressourcen­umgang und haben weltweite Entwicklungstendenz (Wecker et al. 2007: 39). Neben der ökologischen Nachhaltigkeit zeigt der aktuelle Entwicklungsstand, dass solche Anlagen auch profitabel betrieben werden können (Brämick 2006: 32). Dadurch, dass die komplexen, interagierenden Produktionsprozesse einer Kreis­laufanlage mit Hilfe von modernen „precision livestock farming“ Instrumenten exakt steuerbar sind, werden kontrollierbare Umweltbedingungen für hochintensive Fisch­produktion geschaffen und ermöglichen gleichbleibende Produkt- sowie Prozess­qualität. Allerdings ist die Kreislauftechnologie aufgrund dessen eine höchst kosten­intensive Produktionsform (Losordo; Timmons 1994: 4), so dass eine solche An­lage nur mit exklusiven und qualitativ hochwertigen aquatischen Produkten (z. B. Störkaviar) oder durch eine relativ große Produktionsmenge (somit Skaleneffekte) lukrativ betrieben werden kann (Hartung 2005: 3). Das Betreiberpersonal als Erfolgsfaktor nimmt im Ganzen durch Qualifikation und Managementfähigkeiten eine Schlüsselposition ein (Baer 2003: 21).

2) In Abbildung 6 wird offenkundig, dass eine Reihe von Stärken direkten Ein­fluss auf das monetäre Ergebnis haben. Beispielsweise bieten ganzjährige Marktbe­lieferung, verkürzte Produktionszyklen, transparente Produktion, gleichbleibende Prozess- und Produktqualität, sowie die technologische Standortunabhängigkeit eine Vielzahl von wirtschaftlichen Vorteilen gerade in Industrieländern. Zur Minimier­ung der Betriebskosten sind auf der Grundlage des Erneuerbaren-Energien-Geset­zes regenerative Energieversorgungsmöglichkeiten, darüber hinaus aber auch die Abwärmenutzung, z. B. von Kläranlagen, Heizkraft- oder Stahlwerken zu berück­sichtigen.

3) Eine wesentliche Beeinträchtigung der effizienten Produktion ist bei einigen Fischarten die Abhängigkeit der Setzlingsversorgung von Wildfängen (Koops 1991: 62) dadurch, dass eine künstliche Reproduktion nicht erreicht wurde und es zu einer Verknappung der Bestände kommt (Rose 2006: 168). Neben finanziellen Risiken besteht die Gefahr von Krankheitseinschleppungen.

2.3.2 Chancen und Risiken des Umfelds

Der OT-Teil der SWOT-Analyse betrachtet die Entwicklung der näheren (Wett­bewerbsumfeld) und weiteren (Wirtschaftsumfeld) Umwelt des Unternehmens und identifiziert die Grenzen und Möglichkeiten der Wettbewerbssituation am Markt, die sich für Kreislaufanlagenbetreiber aus Trends und Veränderungen ergeben. Erst durch einen Abgleich mit der Umwelt können die Erkenntnisse des SW-Teils richtig gewichtet werden (Mathis et al. 2006: 8). Anschließend werden bedeutsame Einzelheiten wieder kurz konkretisiert.

Abbildung 7: Chancen und Risiken des Umfelds von Kreislaufanlagen (extern)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Zur Essenz des OT-Teils kann folgendes festgehalten werden:

1) Nach Prognosen der FAO (2007: 151) steht mit einer Verdopplung der aqua­tischen Produktion bis 2030 eine goldene Zukunft für technische Haltungssysteme bevor, da dies allein mit konventionellen Produktionssystemen aufgrund von Land- und Wassermangel in vielen Regionen der Welt nicht zu erreichen ist (Timmons; Aho 1998: 190). Durch zunehmenden technologischen und züchterischen Fort­schritt sowie steigende Kosten für Ressourcennutzung wächst die Konkurrenz­fähigkeit zu herkömmlichen Produktionsverfahren (Wecker 2006: 13).

2) Durch das rasante Wachstum der Aquakultur unterliegt der Nischenmarkt verstärkt markt- und wettbewerbsbezogenen Risiken. Da die europäischen Nach­barländer bereits Wettbewerbsvorsprünge haben und in Deutschland weitere An­lagen in der Planung bzw. in der Bauphase sind,[16] wird sich die Rivalität auf dem Markt verschärfen. Jedoch steht dieser Annahme ein hohes Absatzpotenzial für Fisch- und Fischerzeugnisse gegenüber. Dies beweist allein die Tatsache, dass die Nachfrage auf dem deutschen Markt nach Fisch und Fischerzeugnissen im Jahr 2006 zu 85 % durch Importe gedeckt wurde (FIZ 2007: 18). Der Selbstversorgungs­grad für aquatische Organismen lag 2004 bei nur 14,7 % (FAL 2006: 76).

3) Die Einführung von neuen Fischarten wie z. B. Streifenbarschhybriden, welche aufgrund exzellenter Produktqualität Absatzmöglichkeiten auf dem deut­schen Markt haben und Konkurrenzbeziehungen zu vergleichbaren Kandidaten nicht zu erwarten sind, schafft Potenziale auf produktions- und marketingtechnischer Seite (Rose 2006: 168).

4) Durch Verbesserungen der Organisationsstrukturen auf der Produzenten­seite in Form von horizontalen Kooperationsformen wie z. B. Erzeugergemein­schaften[17] können positive wirtschaftliche (Kostensenkung, Erlössteigerung, usw.) und soziale (Arbeitserleichterungen, Urlaubs-, Krankheits- Wochenendvertretung, usw.) Wirkungen realisiert werden (Theuvsen 2003: 8 ff.). Auf einzelbetrieblicher Ebene bilden sich vereinzelt vertikale Integrationsformen zur Abdeckung mehrerer Wertschöpfungsstufen (Timmons; Aho 1998: 191). Der Betreiber einer Kreislauf­anlage hat somit Transaktionskostenvorteile und Vorzüge bei der Implementierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, wenn er alle Stufen der Produktion selbst abdeckt (z. B. von der Setzlingsproduktion bis zur verkaufsfertigen Räucherware).

5) Gestiegene Konsumentenansprüche, schärfere gesetzliche Bestimmungen und lebensmittelhygienische Anforderungen verlangen eine ausnahmslose Prozess- und Produktqualität einschließlich dokumentierter Rückverfolgbarkeit der Ware (Rother 2004: 1). Diesen Forderungen kann eine Kreislaufanlage aufgrund der Systemkomponenten durchaus gerecht werden und ermöglicht es, die Produkt­qualität unter kontrollierten Umweltbedingungen gezielt zu steuern. Eine zusätzliche Erhöhung der Lebensmittelsicherheit bieten neben den gesetzlich geforderten Eigenkontrollmaßnahmen Qualitätssicherungssysteme und Zertifizierungsprogram­me (Rose 2006: 168). Des Weiteren kommt der Produkteigenschaft „Frische“ auf­grund der geringen Transportwege und möglicher just in time Produktion besondere Bedeutung zu (Donath 2008). Diese Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Nutz­tierhaltungsverfahren sind durch ein gezieltes Produktmarketing zu nutzen.

2.3.3 Zwischenergebnis

Basierend auf den erarbeiteten unternehmens- und umweltbezogenen Informatio­nen, welche als Ausgangspunkt für weitere Prognosen und Planungen gesehen werden können, kann die Stellung der Kreislauftechnologie in Deutschland wie folgt betrachtet werden:

Nach dem derzeitigen Entwicklungsstand wird mit dem Bau und dem Betrieb einer Kreislaufanlage bei allen Vorteilen, die diese innovative Technologieform bietet, ein relativ hohes unternehmerisches Risiko eingegangen. Der Kreislaufanlagen­betreiber, der Gewinnmaximierung anstrebt, wird mit zwei Hauptrisikofaktoren konfrontiert: der Produktion (intern) und dem erzielbaren Verkaufspreis des Pro­duktes (extern) . Die Kombination beider Faktoren beeinflusst die Profitabilität der Unternehmung (Coale 1996: 120). Da die Produktionstechnologie als weitest­gehend gesichert angesehen werden kann, ist das Betriebsmanagement für ein nachhaltiges, rentables Wirtschaften von substanzieller Bedeutsamkeit. Fischer­eiliche, wasserchemische, technische, und betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten müssen beim Betreiber vorhanden sein (Hinz et al. 1999: 38).

Vor der Planung der Produktion sollten jedoch der Absatzmarkt und die entsprech­enden Distributionskanäle beleuchtet werden. Das Marktpotenzial für die pro­duzierte Fischart ist durch gesicherte Marktanalysen abzuschätzen. Da aufgrund der aufwendigen Erzeugungsform vorrangig aquatische Organismen mit einem hohen Marktwert produziert werden (Hilge 2005: 334), sind diese im oberen Preissegment angesiedelt. Angesichts der Prozess- und Produkteigenschaften nimmt das Marke­ting und damit auch die Wettbewerbsstrategie einen hohen Stellenwert ein.

2.3.4 Resultierende produktions- und wettbewerbsstrategische Ausrichtung für Kreislaufanlagen betreiber

Um sich vor Rivalitäten durch Konkurrenten am Nischenmarkt zu schützen, sollte der Anlagenbetreiber aus dem Betrachtungswinkel des Marketings einen strate­gischen Wettbewerbsvorteil eruieren und diesen verteidigen (Spiller et al. 2004: 6). Wettbewerbsvorteile nach Porter (1999: 71) können entweder durch Preis- oder durch Qualitätspolitik geschaffen werden und zeichnen sich durch Merk­male, die für den Kunden wichtig sind, sowie durch eine gewisse Dauerhaftigkeit und einen Konkurrenzvorsprung aus. Hieraus ergeben sich die Strategietypen: Dif­ferenzierung und umfassende Kostenführerschaft. Um diese zu realisieren und Wettbewerbsvorteile zu erlangen, sollte die operative Ausrichtung (wie z. B. das Prozessdesign) bei einer näheren Betrachtung miteinbezogen werden.

Generell balanciert die Lebensmittelerzeugung zwischen einer zunehmenden Inten­sivierung der Produktion, Kosteneinsparungen und rentablem Wirtschaften, ohne dabei Kompromisse im Bezug auf die Produktqualität und Umweltgefährdungen einzugehen (Isermeyer; Schrader 2004: 155 ff.). Vergleichbar mit der terrest­rischen Nutztierhaltung wurden einst Fischproduktionseinheiten mit der Zielsetzung geplant: intensive Monokultur mit Schwerpunkt auf Produktionskostenminimierung und maximalem Durchlauf (Hoyer 1975: 78 ff.). Bei modernen Nutztierhaltungs­verfahren ist jedoch ein Wandel aufgetreten, so dass aufgrund von Lebensmittel­skandalen und Umweltbeeinträchtigungen vielmehr die Lebensmittelsicherheit, die Produktqualität, der Tierschutz und ein nachhaltiges Umweltmanagement im Vor­dergrund stehen (Gerlach 2006: 14, 34; Spiller et al. 2005: 138 f.).

Die nachfolgende Tabelle stellt die wichtigsten Charakteristika von zwei generellen Produktionsausrichtungen aquatischer Erzeugnisse gegenüber, aus denen Porters Wettbewerbsstrategien resultieren könnten. Eine Übertragung der beiden nachfolgenden Modelle auf einen realen Aquakulturbetrieb erweist sich in der Praxis jedoch als schwer durchführbar. Im Wesentlichen soll mit der Gegenüberstellung auf Zieldivergenzen der Produktion aquatischer Erzeugnisse hingewiesen werden.

Tabelle 3: Merkmale divergierender Ausrichtungen in der Fischproduktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein umfangreicher Kostenvorsprung bei gleichen oder zumindest akzeptablen Produktmerkmalen beim Unternehmen, welches die Kostenführerschaft präferiert und nach dem „Production Driven Model“ agiert, kann signifikante Auswirkungen haben. Diese betreffen möglicherweise die Fischgesundheit, Umwelteinflüsse und das Risiko einer abfallenden Produktqualität (Ismond 1996: 12). Hinzu kommt, dass in intensiv ausgerichteten Produktionsanlagen tierschutzrelevante Probleme wie z. B. Flossendefekte auftreten können (Schmidt 2002: 212). Dies kann langfristig zu sinkenden Einnahmen führen und die Gesamtunternehmung in Gefahr bringen.

Da aufgrund der kostenintensiven Kreislauftechnologie in sog. „High-Tech System­en“ hauptsächlich hochpreisige aquatische Produkte (wie z. B. Störkaviar) erzeugt werden, liegt die Differenzierungsstrategie für die Vermarktung auf dem Nischen­markt nahe (Reinhardt 2008). Die qualitätsbezogene Produktion beruht dabei auf der Annahme, dass die Produktqualität mit der Fischgesundheit im Zusammenhang steht. Somit lässt sich durch ein ideales künstliches Ökosystem eher die Immunität der Fische gegen Pathogene und damit die spätere Lebensmittelsicherheit steigern als durch präventiven Einsatz von Medikamenten (Ismond 1996: 6). Des Weiteren kommt hinzu, dass es Konsumenten - sog. „quality driven consumers“ - geben muss, die bereit sind, ergänzende Kosten für die Zusatznutzen (Qualitätsgarantie, nachhaltige Produktion, usw.) zu tragen.

Zum besseren Verständnis der Produktionsmodelle nach Ismond (1996: 10 ff.) wird ergänzend im Anhang A ein Überblick über die beiden Fischproduktionsverfahren gegeben. Im Folgenden wird das „Quality Driven Model“ weiter vertieft.

Abbildung 8: Die Grundlage des „Quality Driven Model“ nach Ismond (1996)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die vorstehende Abbildung betrachtet grundsätzliche Basisvariablen, die eine qualitätsbezogene Produktion in Kreislaufanlagen beeinflussen können. Diese be­ruhen nach Ismond (1996: 6) auf vier Einflussgrößen: der Wirtschaftlichkeit des Produktionsverfahrens einschließlich der Kosten und Nutzen für zusätzliche Qualitätssicherungsmaßnahmen, der Fischgesundheit, der Verträglichkeit mit der internen und externen Umwelt der Anlage und der Lebensmittelsicherheit sowie der damit eng verknüpften Produktqualität der produzierten Rohware.

Der Bereich der Umweltverträglichkeit bezieht sich zum einen auf Bereiche wie z. B. die Wasseraufbereitung oder die Haltungsbedingungen und zum anderen aber auch auf Interaktionen mit der Umwelt wie die Einhaltung von Abwassergrenzwerten bei der Einleitung in natürliche Gewässer. Bereits im Unterkapital 2.2.2 wurde ober­flächlich auf Wasseraufbereitungsverfahren und entscheidende interne Umweltan­forderungen für eine effiziente Fischproduktion in Kreislaufanlagen eingegangen. Stattdessen wird sich aufgrund der Problemstellung dieser Studie im weiteren Verlauf ausführlich der Lebensmittelsicherheit und den damit verbundenen Qualitätssicherungsmaßnahmen in Kreislaufanlagen gewidmet. Der Bereich Fisch­gesundheit wird dabei mit eingeschlossen, da diese unmittelbar mit der Prozess­qualität zusammenhängt. Im Anschluss werden im Kapitel vier die gewonnenen Erkenntnisse auf eine Fallstudie übertragen. Es folgt abschließend in Form einer Vertiefung eine Gesamtbetrachtung der Wirtschaftlichkeit und inwieweit sich die qualitätsbezogene Produktion in Kreislaufanlagen realisieren lässt.

3 Qualitätssicherung in der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen

Qualität bedeutet allgemein „die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eig­nung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (DIN ISO 8402). Für die Fischqualität gibt es keine vergleichbar verbindliche Definition, da der Erzeuger, der Verarbeiter, der Ernährungswissenschaftler, der Hygieniker und letztlich der Konsument teilweise unterschiedliche Vorstellungen davon haben. Im Gegensatz zur Fangfischerei, welche an natürliche Vorkommen mit wechselnden Qualitäten gebunden ist, ermöglichen es Verfahren der Aquakultur die Beschaffenheit und so­mit die Produktqualität von Fisch produktionstechnisch zu beeinflussen (Wedekind 1991: 1). Vornehmlich durch kontrollierbare und damit optimierbare Umwelt­bedingungen, Futtermittel und genetische Ressourcen wird die Möglichkeit gegeben in Kreislaufanlagen eine gleichbleibende, reproduzierbare Fischqualität zu gene­rieren (Wecker 2006: 14; Lima Dos Santos 1997: 89).

Qualitätssicherung beschreibt den „Teil des Qualitätsmanagements, der auf das Er­zeugen von Vertrauen darauf gerichtet ist, dass Qualitätsforderungen erfüllt werden“ (DIN EN ISO 9000). Qualitätssicherung stellt einen Teil eines Qualitätsmanage­mentsystems dar, unter dem heute ein alle Bereiche eines Unternehmens erfassen­des organisatorisches Konzept verstanden wird, welches die Qualitätsfähigkeit der Unternehmung sichern soll (Ebel 2003: 37).

Der Ausgangspunkt für die Einführung von Qualitätssicherungssystemen zur Ver­besserung der Lebensmittelsicherheit ist die Erkenntnis, dass der Verbraucher­schutz vor Gesundheitsschäden durch den Genuss von untauglichen oder potenziell gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln nicht durch stichprobenartig durchgeführte Endproduktkontrollen möglich ist. Vielmehr ist dies durch präventive, technische und betriebshygienische Maßnahmen in den verschiedenen Stufen der Lebensmittel­kette umsetzbar (Weindlmaier 2005: 20). Der Gedanke, durch entsprechende Systeme Qualität zu sichern, ist jedoch nicht neu. So wurde schon im Codex Hammurabi (ca. 1750 v. Chr.) ein Baumeister hart bestraft, wenn ein von ihm erstell­tes Gebäude einstürzte (Ebel 2003: 26).

Das größte Problem bei der Vermarktung von tierischen Erzeugnissen ist gegen­wärtig die Verunsicherung der Verbraucher gegenüber der Nahrungsmittelprodukt­ion sowie in besonderem Maße die Zweifel an der Produktqualität (Naber 2003: 4). Abbildung 9 verschafft zunächst einen Überblick über Lebensmittelskandale von Fisch- und Fischereierzeugnissen der letzten Jahrzehnte.

Abbildung 9: Chronik über Lebensmittelskandale von Fischerzeugnissen

Quelle: DITTBERNER (2008); JENSEN; RUZICKOVA (2007: 11)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nicht nur die zahlreichen einschlägigen Lebensmittelskandale, die Globalisierung und die Verflechtung der Märkte im Agribusiness oder die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen (Weindlmaier 2005: 7), sondern vor allem die veränderten Konsumgewohnheiten führten dazu, dass sich eine entscheidende institutionelle Wende in der Qualitätssicherung im Ernährungsbereich abspielte (Jahn 2005: 5). Eine zentrale Rolle nimmt im Rahmen dieser Bemühungen die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen ein, in die flächendeckend alle Stufen der Lebens­mittelproduktion, -verarbeitung und -distribution eingebunden werden (Theuvsen; Peupert 2004). Aus diesem Grund erlebte der europäische Lebensmittelsektor in den letzten Jahren eine regelrechte „Zertifizierungswelle“ (Jahn 2005: 5).

In Anbetracht der Themenstellung dieser Arbeit stellt sich die Frage, inwieweit nach den in Abbildung 9 aufgelisteten Fischfleischskandalen die Produktsicherheit von aquatischen Erzeugnissen aus Kreislaufanlagen durch hoheitliche Maßnahmen ausreichend gesichert ist und inwieweit zusätzliche Qualitätssicherungsmaßnahmen notwendig sein könnten. Dabei steht die Sicherheit des Produktes im Bezug auf Gesundheitsgefahren für den Menschen im Mittelpunkt der Betrachtung und weniger eine Beurteilung der Produktqualität von Fisch, wie es stellenweise in der Literatur zu finden ist (Wedekind 1991; Johansson 2001; Torrissen et al. 2001). Das folgende Unterkapitel 3.1 weist auf aktuelle gesetzliche Vorschriften sowie auf Besonderheiten der Fischproduktion aus Kreislaufanlagen hin. Der Abschnitt 3.2 präzisiert die Erfordernisse der Qualitätssicherung exemplarisch für die Stufe der Primärproduktion in Kreislaufanlagen mit Verfahren des HACCP-Konzeptes. Ab­schließend werden Vorteile und Herausforderungen von Qualitätssicherungsmaß­nahmen für Kreislaufsysteme vorgestellt.

3.1 Status quo der Qualitätssicherung aquatischer Erzeugnisse

Die Produktion von Fisch und Fischerzeugnissen in der Aquakultur und dessen Handel unterliegen in Deutschland dem Lebensmittelrecht. Dieses regelt die Her­stellung und Verarbeitung von Lebensmitteln sowie den Verkehr mit ihnen. Als Rechtsgrundlage dienen das Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts vom 1. September 2005 sowie das „EU-Lebensmittelhygiene­paket“ vom 1. Januar 2006. Das neue europäische Lebensmittelhygienerecht gilt für alle Lebensmittelunternehmer und ersetzt ab dem Januar 2006 die Lebensmittel­hygiene-Verordnung (LMHV).[19] Das Gesetzeswerk wird ergänzt durch die EU-Basis-Verordnung 178/2002, die im übertragenen Sinne als „Grundgesetz“ im Bereich Lebensmittelsicherheit anzusehen ist (Huss et al. 2005: 5). Zusammen bilden sie den gemeinsamen Rechtsrahmen für Lebens- und Futtermittel. Mit dem Lebens­mittelrecht werden verschiedene Ziele verfolgt. Zum einen soll der Verbraucher vor Täuschungen über Qualität, Bezeichnung, Aufmachung und Beschaffenheit von Lebensmitteln geschützt werden, womit die Bewahrung der Gesundheit des Ver­brauchers einhergeht. Zum anderen erlangt die Verbraucherinformation über bestimmte Lebensmitteleigenschaften verstärkt eine eigenständige Bedeutung (BMJ 2008). Zur Umsetzung existiert das Instrumentarium des Lebensmittelmonitoring. Dieses wird als eigenständige gesetzliche Aufgabe im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung durchgeführt (BVL 2006).

Die bestehende Fischhygiene-Verordnung wird durch die Verordnung zur Durch­führung von Vorschriften des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts vom 8. August 2007 (Kap. VII, Art. 23, 4) aufgehoben. Folgende Rechtsnormen des Lebensmittelhygienerechts treten dafür in Kraft:

- EG-Verordnung 852/2004 über Lebensmittelhygiene.
- EG-Verordnung 853/2004 mit speziellen Hygienevorschriften für Lebens- mittel tierischen Ursprungs.

Zu den Neuregelungen gehört beispielsweise neben der Verpflichtung zur Regist­rierung aller Lebensmittelbetriebe, die Einbeziehung der Primärproduktion in das Hygienerecht (VO 852/2004, Kap. I, Art. 1). Außerdem müssen ab 2006 alle Lebensmittelunternehmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung ein HACCP-Konzept einschließlich Dokumentation vorlegen können. Die Primärproduktion stellt bisher hiervon noch eine Ausnahme dar. Allerdings sind für nachgelagerte Stufen der Primärproduktion Verfahren auf der Basis des HACCP-Konzepts obligatorisch vorgeschrieben (Kobelt; Sanwidi 2007: 9). Aufgrund der Bedeutung der hoheit­lichen Qualitätssicherung durch das HACCP-Konzept für Kreislaufanlagen und vor allem Anlagen mit einer Weiterverarbeitung an Ort und Stelle, wird im folgenden Unterpunkt 3.2 näher auf diesen Sachverhalt eingegangen.

Aquatische Erzeugnisse aus Kreislaufanlagen, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, unterliegen dementsprechend nach der Verordnung Nr. 178/2002 (Kapitel I, Artikel 3, 17) als tierisches Erzeugnis auf der Stufe der Primärproduktion den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes sowie des Lebensmittelhygienerechts und den hierzu erlassenen Verordnungen 852/2004 und 853/2004. Die Umsetzung dieser Vorschriften, die einzelnen Aquakulturanlagen für ihren Betrieb im Rahmen der Verordnungen zur Auflage gemacht werden, wie betriebsinterne Überwachungs­systeme und die Führung von Betriebsbüchern, sind der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzuweisen (RL 2006/88/EG (15)).

Um negative Einflüsse auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt von aquatischen Produktionseinheiten zu minimieren, wurden 1995 durch die FAO zusätzlich Richtlinien im Code of Conduct for Responsible Fisheries (Art. 9) für eine nachhaltige Aquakultur festgelegt. Diese Richtlinie definiert neben verschiedenen Problembereichen der Aquakulturentwicklung Grundsätze für eine verantwortungs­bewusste Produktion aquatischer Erzeugnisse. Für eine optimale Fischgesundheit und ein effektives Gesundheitsmanagement wurde durch die OIE (World Organisation for Animal Health) der International Aquatic Animal Health Code (2003) aufgestellt, welcher Leitgedanken zum Gesundheitsmonitoring und zum Medikamenteneinsatz nennt. Diese Handlungsempfehlungen nehmen indirekt Ein­fluss auf die Prozess- und Produktqualität des Erzeugnisses.

3.2 Hoheitlich geforderte Qualitätssicherungsmaßnahmen

Die Sicherung der Qualität von Fisch und Fischerzeugnissen kann nicht nur durch stichprobenartige Endproduktkontrollen, sondern vielmehr durch „Gute Herstellungs­praxis“ (Good Manufacturing Practice) garantiert werden, die zahlreiche präventive betriebshygienische und mikrobiologische Maßnahmen (Gute Hygiene Praxis - Good Hygienic Practice) auf allen Stufen der Produktion wie der Be- und Verarbeitung, Herstellung, Lagerung, Transport und den Verkauf umfasst (Krämer 2002: 312). In einem sogenannten Hygieneplan werden diese betriebsspezifischen Hygienevorschriften sowie Kontrollen verankert, welche auf gesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen des FAO/WHO Codex Alimentarius[20] basieren. Zusammen­gefasst werden nach Reilly et al. (1997: 370) alle Handlungen, die notwendig sind, um aquatische Produkte von hoher Qualität unter der Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften und Regulierungen zu erzeugen, als „Good Aquaculture Practice“ (GAP) bezeichnet.

Das HACCP-Konzept („ H azard A nalysis C ritical C ontrol P oint“) ist ein vorbeugendes Sicherungssystem, das die Herstellung gesundheitlich unbedenklicher Lebensmittel gewährleisten soll (Bradtke et al. 2007: 12). Eigenkontrollmechanismen auf ver­schiedenen Produktionsebenen sollen zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren dienen, die spezifisch anzusprechen, d. h. zu identifizieren, zu bewerten, konti­nuier­lich zu erfassen und zu beherrschen sind (European Commission 2005: 4). Diese international verbindliche Version des HACCP-Konzepts findet sich ebenfalls im Regelwerk des FAO/WHO Codex Alimentarius und ist Bestandteil der „Allge­meinen Grundsätze der Lebensmittelhygiene“. Das HACCP-Konzept baut auf dem bereits eingerichteten Hygieneplan auf, der die meist rechtlich vorgeschriebenen Anfor­derungen an räumliche und technische Ausstattungen sowie Personalhygiene, Rei­nigung und Desinfektion, Ungezieferbekämpfung usw. beinhaltet (sogenannte Basishygiene)[21] (BfR 2005: 1 ff.). Es ist jedoch kein Werkzeug zur Umsetzung dieser allgemeinen Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr ein Instrument, welches routinemäßig einzusetzen ist, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten (Deutscher Brauer-Bund 2007: 6).[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Betriebliche Qualitätssicherungsmaßnahmen nach VO (EG) 852/2004

Im Rahmen des HACCP-Konzepts werden das Lebensmittel und seine betriebs­typische Herstellung ausführlich beschrieben und mögliche Gefahren auf allen Stufen ermittelt und bewertet. Nach der Festlegung der „Critical Control Points“ werden Maßnahmen ihrer Beherrschung aufgestellt. Zum Abschluss folgen eine Verifizierung und die Dokumentation des Systems (Rother 2004). Besonders diese letzten beiden Stufen werden von der zuständigen Überwachungsbehörde bei voll­ständiger Einführung des HACCP-Planes überprüft (BfR 2005: 3.). Im Anhang E ist ein ausführlicher Ablaufplan zur Implementierung eines HACCP-Systems zu finden.

Zielsetzung der EG-Verordnung Nr. 852/2004 ist die möglichst weitgehende Anwen­dung von Verfahrensweisen auf der Basis der im Codex Alimentarius beschriebenen HACCP-Grundsätze in der Lebensmittelkette (Kobelt; Sanwidi 2007: 9). Da die Primärproduktion bisher noch nicht zur Einführung des HACCP-Konzepts ver­pflichtet ist, sollte nach Auffassung der Europäischen Kommission „Landwirten der­zeit nahe gelegt werden, so weit wie möglich die HACCP-Grundsätze anzuwenden“ (Europäische Kommission 2004: 2). Aufgrund dieser Tatsache wird im weiteren Verlauf dieser Studie versucht, Grundsätze von auf HACCP-Prinzipien beruhenden Verfahren auf Kreislaufanlagen anzuwenden. Diese sollen sich nur auf die Ge­fahrenanalyse sowie die Ermittlung und Überwachung von kritischen Kontroll­punkten beschränken.

3.2.1 Potenzielle Gesundheitsgefahren durch Erzeugnisse der Aquakultur

Bei der aquatischen Produktion kann eine Vielzahl von Gesundheitsgefahren für den Verbraucher auftreten. Diese Gefahrenquellen beruhen auf der verwendeten Aquakulturform (vgl. 2.1.1), so dass sie unmittelbar mit den Haltungsbedingungen (der Umwelt) und den fischereilichen Praktiken verknüpft sind (Howgate 2001: 361). Ein offshore Netzgehege ist somit mit ganz anderen Gefahrenrisiken konfrontiert, als eine geschlossene Kreislaufanlage im Inland

[...]


[1] Die Datengrundlage basiert auf dem Datensatz 1950 bis 2005 des Programmes FAO FishStat Plus und beinhaltet Fische, Krebse, Weichtiere und andere wirbellose Tiere.

[2] Europa tituliert in diesem Fall die geographische Ländereinteilung und nicht den Staaten­bund der Europäischen Union.

[3] Nach der FAL (2006: 5) werden Muschelkulturen der Seefischerei zugeordnet. Die Mu­schelwirtschaft stellt einen hoch spezialisierten Subsektor mit nur wenigen leistungs­fähigen Unternehmen in Niedersachen und Schleswig-Holstein dar, der die natürlichen Ressourcen des Wattenmeeres nutzt und über die Bewirtschaftung von Kulturflächen Speisemuscheln produziert (BMELV 2006: 18).

[4] Die Regenbogenforelle beherrscht mit mehr als 95 % das Gesamtaufkommen an Speise­fischen aus Durchlaufanlagen (Brämick 2006: 25).

[5] Als Synonym zur Fischproduktion aus Kreislaufanlagen hat sich in den letzten Jahren der Begriff „Indoor-Fishfarming“ verbreitet (Reinhardt 2008).

[6] Die Produktion mariner Fischarten, Krebse und Algen in Salzwasser - Kreislaufanlagen kann 2006 auf mindestens 80 t geschätzt werden (Brämick 2006: 31).

[7] Eine Reihe von Autoren gehen von deutlich mehr Anlagen mit einer höheren Fischproduk­tion aus als im Jahresbericht zur dt. Binnenfischerei erfasst sind (Simon 2002; FAL 2006).

[8] Ende April 2007 wurde in Woltow (Landkreis Bad Doberan) ein solarthermisches Kraftwerk in Betrieb genommen, welches mit Restwärme das Wasser einer Kreislaufanlage für die Produktion von 130 t / Jahr afrikanischen Wels temperiert (Serfling 2007).

[9] siehe Fußnote 16, Seite 22

[10] Diverse Wasserqualitätsparameter (Temperatur, O2, CO2, pH, Schwebstoffe, gelöste organische Substanz) und ihre oberen und unteren Grenzen sind für die Planung von Relevanz, da sie Produktions- und Wasserbehandlungsmaßnahmen bestimmen.

[11] Neben Belebtschlamm-Tauchkörper-Systemen werden Stationärtropfkörper, geflutete Tropfkörper, Tauchtropfkörper und Wirbelreaktoren in Kreislaufanlagen eingesetzt (Rümmler 2008: 7 ff.)

[12] Neben Mikroorganismen, die an Schwebstoffen anhaften, können Parasiten wie Costia und Gyrodactylus mit Mikrosiebfiltern von 20 µm Filtergröße im Zuge der mechanischen Reinigung entfernt werden (Lekang 2007: 63).

[13] Die meisten Pathogene im Wasser werden mit einer Ozondosis von 0,1-1,0 mg/l und einer Einwirkungszeit zwischen 1-10 Minuten abgetötet. Zusatzeffekte sind neben der Reduzier­ung von NH3und NO2, die Eliminierung von Huminstoffen, die eine Braunfärbung im Rezirkulationswasser bewirken (Lekang 2007: 70).

[14] Abhängig von der Art und Größe des Mikroorganismus, der UV-Strahlenmenge und -entfernung und der Wasserdurchdringung der Strahlen, wird mit Wellenlängen zwischen 250-270 nm eine effektive Desinfektion des Wassers bewirkt (Lekang 2007: 65)

[15] Unter „precision livestock farming“ (PLF) wird ein interdisziplinäres Aufgabenfeld zur exakten automatischen Steuerung komplexer Produktionsprozesse in der Nutztierhaltung verstanden, das ermöglichen soll, zahlreiche Teilziele aus den Bereichen Ökonomie, Tier­gesundheit, Tierschutz, Produktqualität, Verbraucherschutz und Umweltverträglichkeit gleichzeitig zu optimieren und zu dokumentieren (Ratschow 2003).

[16] Praxisbeispiele: Die Aquaorbis AG beginnt im Frühjahr 2008 mit dem zweiten Bau­abschnitt einer 120 t/Jahr Störfarm in Jessen (Aquaorbis 2008). Die IFFT GmbH startet 2008 den ersten Bauabschnitt für eine 500 t/Jahr Meeresfischzuchtanlage in Völklingen (IFFT 2008). Die Produktion soll in weiteren Bauabschnitten auf eine 4000 t jährlich ausgeweitet werden (Jensen 2008). Für beide Anlagen ist die Temperierung des Kreislaufwassers durch Ab­wärme aus Biogasanlagen geplant.

[17] Mehrere Landwirte haben sich in Baden-Württemberg zu einer Erzeugergemeinschaft zu­sammengeschlossen, die in fünf Anlagen je 30 t/Jahr europäischen Wels mästen und Kompetenzbereiche auf die Jungfischversorgung, die Mast und das Betriebsmanagement aufgeteilt haben (Baer 2003: 19).

[18] In Minimata (Japan) erlitten Ende der 1950er Jahre hunderte von Menschen schwere Vergiftungen durch Methylquecksilber, welches aus einer örtlichen Chemiefabrik ins Meer geleitet wurde und sich in Fischen angereichert hatte (Jensen; Ruzickova 2007: 11).

[19] Das am 1. Januar 2006 revidierte EG-Hygienerecht besitzt sowohl für die EU-Mitglieds­staaten als auch für Drittstaaten, die Lebensmittel in die EU exportieren wollen, Gültigkeit (Schweizerische Eidgenossenschaft 2006).

[20] Codex Alimentarius Commission, FAO und WHO, Rom: Recommended International Code of Practice - General Principles of Food Hygiene (CAC/RCP 1-1969, Rev. 3 - 1979).

[21] Die Anforderungen an die Basishygiene sind mit Rechtsverweisen im Anhang unter B ersichtlich. Zur Überprüfung dieser Basishygiene wurde von Etzel und Schlegel (2005) erstmalig für Fischzuchtbetriebe eine Checkliste entwickelt, die eine subjektive Erhebung der Betriebshygiene vornimmt. Der Vollständigkeit halber wird diese im Anhang D ange­führt.

[22] Zur Einordung des HACCP-Konzeptes in die rechtlichen Bestimmungen siehe Anhang C.

Excerpt out of 161 pages

Details

Title
Zur Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in der Aquakultur. Wirtschaftliche Betrachtung der Projektkonzeption einer Fallstudie
Subtitle
Unter besonderer Berücksichtigung der Quatitätssicherung
College
University of Göttingen  (Institut für Tierzucht und Haustiergenetik)
Grade
1,0
Author
Year
2008
Pages
161
Catalog Number
V263075
ISBN (eBook)
9783656518358
ISBN (Book)
9783656517900
File size
8281 KB
Language
German
Keywords
fischproduktion, kreislaufanlagen, aquakultur, wirtschaftliche, betrachtung, projektkonzeption, fallstudie, unter, berücksichtigung, quatitätssicherung
Quote paper
Jörg Hurlin (Author), 2008, Zur Fischproduktion aus Kreislaufanlagen in der Aquakultur. Wirtschaftliche Betrachtung der Projektkonzeption einer Fallstudie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263075

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