Georg Büchner – Dichter, Denker, Revolutionär

Analysen zu „Dantons Tod“, „Lenz“, „Leonce und Lena“ und „Woyzeck“


Textbook, 2013

215 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Thomas Haegeler (2004):Georg Büchners Dantons Tod - ein Politikum
Vorwort
Zwischen revolutionärem Handeln und Fatalismus der Geschichte – Anmerkungen zu Büchner, seiner Zeit und seinem Werk
Das Inventar von Dantons Tod – eine Makro-Analyse
Das Personal des Dramas im Spiegel der Politik
Die politische Intention als pluralistische Konstruktion
Literaturverzeichnis

Torsten Halling (2000):Die Darstellung des Volkes in Georg Büchners 'Dantons Tod'
Einleitung
Hauptteil
Verschiedene Perspektiven und Darstellungsweisen
Besondere Einzelaspekte
Fazit
Literaturverzeichnis

Angela Schaaf (2002): Analyse der Wahnsinnsentwicklung in Georg Büchners 'Lenz’
Der historische Lenz
Analyse des Textes im Hinblick auf die Entwicklung des Wahnsinns
Zusammenfassende Übersicht der Symptome
Lenzens Wahnsinn und die übersinnlichen Erscheinungen anderer Bewohner des Steintals
Die gesundheitliche Entwicklung Lenzens aus medizinischer Sicht
Bibliographie

Christin Borgmeier (2002): Georg Büchner, Leonce und Lena - Leonce und das Phänomen der Langeweile
Einleitung
Langeweile
Leonce – Melancholie und Langeweile
Literaturverzeichnis

Christian Hauck (2008):Zu Georg Büchners "Woyzeck" – Wegweiser zur Moderne?
Einleitung
Georg Büchners Leben im zeitlichen Kontext und der Entstehung des "Woyzeck"- Fragmentes
"Woyzeck" und die Literatur der Moderne
Georg Büchners „Woyzeck“ als Schlüsselwerk für die Autoren der Moderne
Schluss
Literaturverzeichnis

Maik Bubenzer (2006): Sozialkritik und Darstellung des Vierten Standes im "Woyzeck"
Vorbemerkungen
Deutschland im Vormärz – Das Leben des Vierten Standes
Woyzeck – „Vom Leben eines Geringsten“
Fazit
Literaturverzeichnis

Einzelpublikationen

Thomas Haegeler (2004):Georg Büchners Dantons Tod - ein Politikum

Vorwort

Ausgangspunkt der folgenden Auseinandersetzung mit Georg Büchners Dantons Tod ist das Seminar „Politische Dramen II“. Dessen Ziel war es durch seine dezidierte Themenstellung den Blick [zu] schärfen für die Aktualität, das Engagement und das kritische Potential von Literatur[1] und zwar im Hinblick auf politische Konzeptionen bzw. politisches Handeln überhaupt. Nachdem wir uns im Seminar auf die dem Common Sense entsprechende Definition von Politik als Umsetzung von Konzepten und Maßnahmen, die sich auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens und seiner Institutionen beziehen, geeinigt hatten, analysierten und interpretierten wir dahingehend verschiedenste Werke diverser Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts, darunter auch Georg Büchners grandioses Revolutionsdrama „Dantons Tod“. Diese Ausarbeitung will sich als Fortsetzung der im Seminar begonnenen Arbeit verstanden wissen.

Der Eindruck der immensen Komplexität des Stückes, der sich bereits im Seminar angedeutet hat, verstärkte sich bei der Recherche und Lektüre der umfangreichen wissenschaftlichen Sekundärliteratur. Nach und nach kristallisierte sich dabei heraus, dass die Erhellung des politischen Gehalts von Dantons Tod als nach wie vor unabgeschlossen bezeichnet werden kann. Dies rührt zum einen von der bekannten desolaten Überlieferungslage[2] hinsichtlich Büchners Schaffen überhaupt her, wird aber auch durch die Pluralität der im Danton enthaltenen politischen Positionen und ihrer Verstrickungen mit Diskursen zu anderen Thematiken bedingt, die zu verschiedensten Deutungen geführt haben – je nachdem worauf man das Hauptaugenmerk legt oder welcher Ideologie die Interpretation dienen soll.

Auch wenn sich meine Interpretation auf den politischen Gehalt konzentrieren wird, sollen auch andere Aspekte des Stückes nicht gänzlich unbeachtet bleiben, da Büchner diese mit der politischen Dimension derart kunstvoll verwoben hat, dass sie zum Teil nur schwer voneinander zu trennen sind. Dies erachte ich insofern für notwendig, als dass das Verständnis unter gänzlicher Ausblendung der historischen, literaturgeschichtlichen, philosophischen und moralischen Aspekte des Stücks stark getrübt würde.

Zwischen revolutionärem Handeln und Fatalismus der Geschichte – Anmerkungen zu Büchner, seiner Zeit und seinem Werk

Mit dem Drama Dantons Tod legt der am 17.10.1813 geborene Karl Georg Büchner[4] sein literarisches Debüt vor. Zugleich ist das 1835, zusammen mit den Victor Hugo-Übersetzungen und dem Hessischen Landboten, im Verlag Johann David Sauerländer veröffentlichte Werk der einzige literarische Text, der zu Lebzeiten Büchners erscheint.[5] Vor der Veröffentlichung im Buchformat wird Dantons Tod jedoch auszugsweise in Sauerländers Phönix, der von Eduard Duller herausgegebenen liberal-fortschrittlichen Frühlingszeitung für Deutschland,abgedruckt.[6] Beide Veröffentlichungen des in höchstens fünf Wochen (GB, S. 280)[7] geschriebenen Dramas verdankt der gerade 22-jährige Autor dem prominenten Schriftsteller und Literaturkritiker Karl Gutzkow[8]. Doch bei diesen fünf Wochen kann es sich lediglich um die Zeit gehandelt haben, die Büchner für die tatsächliche Niederschrift des vermutlich zwischen Anfang Oktober 1834 und Mitte Januar 1835 konzipierten Stückes benötigte. Dafür sprechen nicht nur Ausleihquittungen der Darmstädter Hofbibliothek vom Oktober und Dezember 1834 über grundlegende Quellwerke für Dantons Tod, sondern auch der Fakt, dass Büchner inhaltlich noch einiges aus dem zweiten Teil von Heinrich Heines Salon. Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland übernommen hat, der erst Mitte Januar 1835 erschienen war.[9][3]

Darauf, dass in Dantons Tod politischer Gehalt und Brisanz von nicht geringem Umfang liegen muss, verweisen schon die von Gutzkow unter Berücksichtigung der Zensur vorgenommenen präventiven Änderungen sowie der von Duller unautorisiert hinzugefügte und zudem inhaltlich in die Irre führende Untertitel Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft.[10] Aber auch der Autor selbst liefert in diversen Briefen sowie in der Flugschrift Der Hessische Landbote Hinweise, die direkt oder indirekt mit dem Drama in Verbindung stehen.

Die politischen Verhältnisse könnten mich rasend machen (GB, S. 263), schrieb Georg Büchner Anfang Dezember 1833 in einem Brief an seinen Freund August Stöber. Was ihn in Rage versetzen könnte, erklärt der direkt folgende Satz: Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen. (ebd.) Dieser Zustand, den er hier als Affenkomödie bezeichnet, ist die Folge der restaurativen Politik seit dem Wiener Kongress (1815).[11] Die durch die Französische Revolution erkämpften Menschen- und Bürgerrechte gehen weitgehend wieder verloren und die Karlsbader Beschlüsse (1819) beschneiden die Meinungs- und Pressefreiheit. Im Zuge des Wiederauflebens der feudalherrschaftlichen Zustände verelendet des Volkes zusehends. Wie sehr Büchner dies ablehnte, bekundete er bereits im April 1833: Als seine Eltern ihn von dem gescheiteten Sturm einiger Revolutionäre auf den Wachturm in Frankfurt am Main unterrichten, erwidert er: Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? [...] Was nennt ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum frohnenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? (GB, S. 253f.) Auch wenn er in diesem Brief an seine Eltern davon spricht, dass er mit Mund und Hand dagegen kämpfen (GB, S. 254) werde, so sieht er doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt jede revolutionäre Bewegung als eine vergebliche Unternehmung an (ebd.), weil er nicht die Verblendung derer teile, welche in den Deutschen ein zum Kampf für sein Recht bereites Volk sehen (ebd.). Zwischen den Zeilen schwingt hier bereits die Einsicht mit, die Büchner im Juni 1833 in einem weiteren Brief an seine Eltern klar formuliert. Nämlich, dass nur das notwendige Bedürfnis der großen Masse Umänderungen herbeiführen kann, daß alles Bewegen und Schreien der Einzelnen vergebliches Torenwerk ist (GB, S. 256). Obgleich Büchner durch seinen Studienaufenthalt in Straßburg (1831 – 1833) Kontakt zu revolutionären Kräften hatte[12], beschwichtigt er seine Eltern, die anhand solcher Äußerungen natürlich vermuten, dass ihr Sohn Georg selbst zum Revolutionär werden könnte, mit der Bekundung, dass er sich in die Gießener Winkelpolitik und revolutionären Kinderstreiche nicht einlassen werde (ebd.). Ob er es tatsächlich so sah, oder ob er dies nur als Schutzbehauptung seinen Eltern gegenüber gebrauchte, lässt sich kaum mit Sicherheit sagen.

Die Erfahrungen und Einsichten aber, die bereits 1833 in seinen Briefen zu finden sind, gipfeln im sogenannten Fatalismus -Brief, den Büchner im Winter 1834[13] an seine Verlobte Louise Wilhelmine Jaeglé schreibt. Hierin heißt es: Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. (GB, S. 268) Neben den bereits in den früheren Briefen angedeuteten Erkenntnissen, dass der einzelne nur Schaum auf der Welle (ebd.) sei, dass in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt (ebd.) liege, die allen und keinem verliehen (ebd.) letztlich über das Scheitern oder Gelingen revolutionärer Handlungen entscheidet, und dass es letztlich nur noch helfe das Auge ans Blut (ebd.) zu gewöhnen[14], thematisiert der Fatalismus -Brief auch Büchners Abkehr vom idealisierten, bürgerlich-konservativ geprägten Geschichtsbild, weil es ihm nun nicht mehr einfiele, sich vor den Paradegäulen und Eckstehern der Geschichte, die noch zuvor in Form von politisch Aktiven seine Helden waren, zu bücken. Weil die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel (ebd.) sei, gleiche der Wille, nachhaltig politische Veränderungen herbeizuführen, ohne sich an den Interessen des Volkes zu orientieren, einem lächerliche[n] Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich (ebd.). Die Beherrschung dieses Gesetzes hieße das Volk und seine materiell geprägten Interessen zu beherrschen. Dieses aber ist nicht möglich, weil eben den menschlichen Verhältnissen [überhaupt] eine unabwendbare Gewalt innewohnt, deren Triebfedern Hunger, Ausbeutung und Armut sind. Obgleich er dies weiß – oder gerade deswegen – gründet Büchner zusammen mit dem Butzbacher Schuldirektor Johannes Friedrich Weidig die konspirative Gießener „Gesellschaft der Menschenrechte“[15] und versucht mit rhetorisch-agitatorischem Geschick in der Flugschrift „Der Hessische Landbote“[16], die Bauern und Tagelöhner dazu aufzurufen, sich gegen diejenigen aufzulehnen, die seiner Meinung nach für ihr Elend verantwortlich sind, gegen die Vornehmen und Reichen.

Dieses Konfliktpotential scheint die politische Dimension von Dantons Tod maßgeblich zu beeinflussen. Kehren doch sowohl Büchners Gedanken aus den Fatalismus -Brief, als auch aus dem Hessischen Landboten in seinem Revolutionsdrama wieder. Nicht zuletzt, weil das Verhältnis zwischen Armen und Reichen [.] das einzige revolutionäre Element in der Welt (GB, S. 288) ist, wie Büchner später an Gutzkow schreibt.

Das Inventar von Dantons Tod – eine Makro-Analyse

Dantons Tod besteht aus vier Akten à sechs, sieben, zehn und neun Szenen. Eine handlungsexterne Exposition im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Die Handlung beginnt in media res und umfasst die Zeit von knapp 14 Tagen, um präzise zu sein, die historische Zeit vom 24.03. bis 05.04. 1794. Auf den 24. März verweist Philippeaus[17] Rede in der Eingangsszene, in der er davon berichtet, dass heute wieder zwanzig Opfer gefallen (GB, S. 25) sind und sich dabei auf die Hinrichtung der Hébertisten[18] bezieht. Im letzten Akt werden wir dann Zeugen der Guillotinierung Dantons[19] und seiner Freunde, die historisch auf den 05. April zu datieren ist. Büchner thematisiert also weder die gesamte Geschichte, noch einen direkten Höhepunkt der französischen Revolution, sondern die sich in ihr vollziehenden Fraktionskämpfe der unterschiedlichen revolutionären Parteien und Gruppierungen. Obgleich es zwar an einer eigentlichen Exposition fehlt, so übernehmen doch wenigstens Teile des ersten Aktes exponierende Funktion, da sowohl I,1 (insbesondere das Gespräch der Dantonisten untereinander) und I,2 (Volksszene in einer Gasse), als auch I,3 (Der Jakobinerklub) auf die für das Verständnis des Dramas notwendige Vorgeschichte Bezug nehmen, namentlich den schwelenden Streit der Fraktionen um die Richtung und den Fortgang der Revolution.[20] Damit ist der Hintergrund des Konflikts abgebildet. Des Weiteren treten im ersten Akt alle, für die Handlung wichtigen, Personen und Personengruppen auf: Neben den Deputierten Danton, Legendre[21], Camille Desmoulins[22], Hérault-Sechelles[23], Lacroix[24] und Philippeau sind das die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses Robespierre[25], St. Just[26] sowie Collot d’Herbois[27], weiterhin Dantons Frau Julie[28], die Grisetten Marion, Adelaide und Rosalie sowie der Soufleur Simon und weitere Männer und Weiber aus dem Volk[29]. Explizit zu erklären brauchte Büchner hier nichts, weil er die Präsenz der Ereignisse, Personen und Schauplätze der französischen Revolution in den Köpfen seiner Leser voraussetzen konnte, da es als das prägendste Ereignis dieser Zeit anzusehen ist. Vielmehr reichte es auf historisches Wissen anzuspielen. So lässt sich auch erklären, warum er die Handlungsschauplätze und deren Gestaltung für die Bühne, wenn überhaupt, dann nur sehr sparsam kommentiert.

Der anhand des Titels ablesbaren Fokussierung auf 1. die Hauptfigur Danton und 2. dessen Tod wird stringent mit dem Fortschreiten der Handlung der einzelnen Akte entsprochen. Ließen sich diese doch treffend mit folgenden Überschriften zusammenfassend beschreiben: „I – Verdächtigung, II – Verhaftung und Anklage, III – Verurteilung, IV – Hinrichtung“[30]. Dem entsprechen zudem die gen Ende hin immer enger werdenden Räume, in denen sich speziell die Dantonisten befinden.[31] Das Ende des Stückes steht also von Beginn an fest. Ferner folgt die Handlung des Stückes – abgesehen von wenigen Details – dem historisch nachgewiesenen Geschehen.[32] Am stärksten hat sich Büchner beim Entwurf seines historischen Dramas wohl auf die Darstellungen von Thiers und die der Zeitschriftenreihe „Unsere Zeit“ gestützt.[33]

Angesichts dieser Fakten lässt sich vermuten, dass es nicht Büchners Ziel gewesen sein kann, den Spannungsbogen des Stückes über die Frage nach dem Ausgang der Geschichte für die darin Handelnden aufzubauen,

sondern, dass es ihm vielmehr darum gegangen sein muss, die historisch-politischen Ereignisse analytisch zu durchdringen. Indem es Büchner nicht um die Beantwortung der Frage nach dem Wie, sondern um die nach dem Warum geht, grenzt er Dantons Tod von der literarischen Tradition der romantischen und klassischen Stücke ab. Insbesondere gegen die Tragödien der Idealdichter, wie etwa die Schillers.[34] Ein Faktum, das zudem durch Büchners Wahl des Untertitels Ein Drama weitere Stützung erfährt.

Das Personal des Dramas im Spiegel der Politik

Danton und die Gemäßigten

Danton – resignierender Revolutionär und ambivalenter „Held“

Daran, dass Danton im Zentrum des Dramengeschehens steht, lässt Büchner keinen Zweifel. So ist, wie bereits erwähnt, der Fokus durch den Titel von Beginn an auf ihn gerichtet. Dieser Fokussierung entspricht zudem seine direkte Präsenz in 16 der insgesamt 32 Szenen des Stückes. Die logische Konsequenz dessen ist eine detaillierte Charakterisierung seiner Person, die vornehmlich durch seine eigenen Äußerungen erfolgt und die durch die Worte anderer Figuren vervollständigt wird. Dennoch ist Dantons Tod kein Charakterdrama, weil das Gewicht der Rolle Dantons durch die merkliche Akzentuierung des Revolutionsgeschehens auf der einen Seite und durch die des Volkes auf der anderen geschmälert wird.

Von Anfang an wird deutlich, dass Danton hinsichtlich des politischen Handelns als Revolutionär resigniert hat, dass er sich lieber dem Genuss hingibt. Ein erster Hinweis, dass seine Passivität im Hinblick auf die Politik in den Tod führen wird, findet sich deshalb bereits in der Eingangsszene, in der er zu seiner Frau spricht: Nein Julie, ich liebe dich wie das Grab. (GB, S. 24) Er fügt erklärend hinzu: Die Leute sagen im Grab sei Ruhe und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg’ ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg. (ebd.) Bezeichnenderweise spricht die Dame am Spieltisch, von dem das Ehepaar Danton, räumlich isoliert, weil etwas weiter weg (GB, S. 23, Szenenanweisung) sitzt, direkt im Anschluss an Dantons Bekundungen prognostisch das Urteil: Verloren! (GB, S. 24) Auch enthält er sich nahezu gänzlich der politischen Diskussion, die seine Freunde führen. Erst als er von Camille aufgefordert wird, den Angriff im Konvent (GB, S. 26) zu machen, antwortet er spöttisch mit der Aufzählung einer Konjugationsreihe, einem Sprichwort sowie einer Tautologie: Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben, sagen die die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen sein. (GB, S. 26f.) Schließlich stellt er zu Julie sagend fest: Ich muß fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. (GB, S. 27)

Dantons Flucht aus der Welt der Politik führt ihn in sein hedonistisches Lebensprinzip[35], das er im Gespräch mit Robespierre formuliert: Es gibt nur Epikuräer, grobe und feine, [...]. Jeder handelt seiner Natur gemäß d. h. er tut, was ihm wohl tut. (GB, S. 48) Und genau dieses Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat (GB, S. 48), wie Robespierre meint. Der Dialog mit seinem politischen Gegenspieler und die aus den Worten zu seinem Freund Paris[36] resultierenden Handlungen – Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! – sind die letzten Versuche einer politischen Aktion.[37] Dass auch diese scheitern werden, zeigt der Dialog zwischen Danton und seinen Freunden zu Beginn des zweiten Aktes, dessen Anfang zudem eine Replik auf Dantons Worte zu Paris darstellt: Camille: Rasch Danton wir haben keine Zeit zu verlieren. Danton: Aber die Zeit verliert uns. [...] Camille: Du sprichst in einem ganz kindlichen Ton. Danton: Sterbende werden oft kindisch. Camille: Du stürzest dich durch dein Zögern ins Verderben, du reißest alle deine Freunde mit dir. [...] Danton: Du hattest mehr recht, als du selbst glaubtest. Ich war bei den Sektionen, sie waren ehrfurchtsvoll, aber wie Leichenbitter. Ich bin eine Reliquie und Reliquien wirft man auf die Gasse, du hattest recht. (GB, S. 53f.)

Die Sektionen, namentlich die Jakobiner, die Cordeliers, der Gemeinderat, der Konvent (GB, S. 54), bei denen er – was im Stück nicht direkt dargestellt ist – nach Rückhalt suchte, stellen nicht nur die revolutionären Institutionen dar, sondern diese sprechen auch ihr Urteil über Danton. Obgleich der Konvent noch ein Mittel wäre (ebd.), hält er auch diesen Versuch für aussichtslos, da er erkennt: Wir haben nicht die Revolution, sondern die Revolution hat uns gemacht. (ebd.) Außerdem ist seine Sehnsucht nach Ruhe so groß, dass er lieber guillotiniert werden, als guillotinieren lassen (ebd.) will. Als Hauptgrund dafür ließe sich einerseits Dantons soeben geäußerte Einsicht in die Sinnlosigkeit politischen Handelns anführen, andererseits aber auch sein genusssüchtiges Naturell, auf welches Robespierre zusammen mit dem Vorwurf der politischen Gesinnungslosigkeit anspielt, wenn er in seiner Rede im Jakobinerclub (I, 3) unter anderem sagt, dass für ihn die Republik [nur] eine Spekulation und die Revolution ein [bloßes] Handwerk war (GB, S. 37). Diesen Charakterzug eines verantwortungslosen Spielers, der gereizt werden muss, damit er handelt, bringen seine Freunde auf den Punkt: Camille: Laßt ihn, glaubt ihr er könne die Finger davon lassen, wenn es zum Handeln kommt? Hérault: Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt. (ebd.) Dantons Hedonismus stellt aber nicht nur für Robespierre und die Sektionen einen Verrat an der Revolution dar, sondern ebenso für das Volk. Zu der Volksmeinung – Nieder mit Danton! Nieder mit dem Verräter! (GB, S. 98) – am Ende des 3. Aktes führt nicht zuletzt die Aussage eines Bürgers: Danton hat schöne Kleider, Danton hat ein schönes Haus, Danton hat eine schöne Frau, er badet sich in Burgunder, ißt das Wildbret von silbernen Tellern und schläft bei euren Weibern und Töchtern, wenn er betrunken ist. (ebd.) Doch als Danton bemerkt, dass ihm auch seine Flucht in den Hedonismus nicht die ersehnte Ruhe (GB, S. 94) bringt, ist er schon in den engen Wänden der Conciergerie gefangen, die bald so eng sind wie ein Sarg (GB, S. 101). Den Tod im Auge hofft er nun die Ruhe im Nichts (GB, S. 94) finden zu können, doch dies scheitert an dem verfluchte[n] Satz: etwas kann nicht zu nichts werden! Und ich bin etwas, das ist der Jammer! (ebd.) Darin drückt sich Dantons materialistisches Weltbild aus, das es ihm verbietet an Gott zu glauben, denn er ist, wie er selbst bekundet, ein Atheist (ebd.). Allerdings scheint er an anderer Stelle Gott durchaus als Instanz zu akzeptieren: Es ist jetzt ein Jahr, daß ich das Revolutionstribunal schuf. Ich bitte Gott und Menschen dafür um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden zuvorkommen [...]. (GB, S. 82)

Über seine historischen Quellen hinaus betont Büchner mehrfach die nachdenklich-melancholische Seite seiner Hauptfigur. Exemplarisch ist dafür die Szene auf dem freiem Feld (II,4), wo er grübelt: Man hat mir von einer Krankheit erzählt, die einem das Gedächtnis verlieren mache. Der Tod soll etwas davon haben. Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß er vielleicht noch kräftiger wirke und einem alles verlieren mache. Wenn das wäre! (GB, S. 64) Der Dichter verleiht so der historisch bedeutsamen, aber mit Blut befleckten Revolutionsfigur, die im Drama allerdings politisch handlungsunfähig ist und stattdessen genießt, menschlich-sympathische Züge und macht ihn zu einem ambivalenten „Helden“. Trotz all der starken Argumente, dass sein Tod nur eine Frage der Zeit sei, redet er der kargen Hoffnung das Wort: Das ist nur leerer Lärm, man will mich schrecken, sie werden’s nicht wagen. (ebd.) Dies als karge Hoffnung zu verstehen, wäre fast zuviel des Guten. Vielmehr scheint es ein letztes Klammern an einen Hoffnungsschimmer zu sein, eine Illusion von Hoffnung, denn Danton weiß um die Folgen seiner Entscheidung, nicht zu fliehen, da er keinerlei Rückhalt in den Gremien der Revolutionsbewegung mehr hat und Robespierres Absicht kennt.

Aber auch in der folgenden Szene, kurz vor Dantons Verhaftung, kommt sein ambivalentes Wesen durch sein quälenden Gewissens bezüglich der Septembermorde[38] zum Ausdruck, wenn er am Fenster spricht: Will denn das nie aufhören? (GB, S. 65) Und es daraufhin erfolgreich mit dem Verweis auf sein unfreies Ich beruhigt: Das war Notwehr, wir mußten. Der Mann am Kreuze hat sich’s bequem gemacht: es muß ja Ärgernis kommen, doch wehe dem, durch welchen es kommt. Es muß, das war dies Muß. Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? Wer hat das Muß gesprochen, wer? Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst! (GB, S. 67) Wenngleich Büchner hier seiner Figur Danton eigene Gedanken aus dem „Fatalismus“-Brief in den Mund legt, ist äußerste Vorsicht geboten, davon auf eine wie auch immer geartete Identität der Figur mit seinem Autor zu schließen.[39] Doch in Opposition zu den historischen Quellen lässt Büchner seinen Danton zu keiner Zeit ein politisches Programm formulieren. Dieses kommt nur indirekt durch seine Gefolgschaft und durch seine politischen Gegner zum Vorschein.

Dantons Gefolgschaft

Dantons Gefolgschaft ist differenziert zu betrachten. So werden zwar im Personenverzeichnis außer ihm acht Deputierte genannt, historisch gesehen, gehören aber Mercier und Payne zur Gruppe der Girondisten. Auch Legendre und Fabre d’Eglantine heben sich ab, weil sie zwar zu den Dantonisten gehören, jedoch ihr tödliches Schicksal nicht teilen. Zur eigentlichen Gefolgschaft Dantons und damit zu den gemäßigten Jakobinern gehören – nach Auskunft Lacroix’ in I, 5 (GB, S. 45) und St. Justs in I, 6 (GB, S. 51) – lediglich: Lacroix, Camille Desmoulins, Philippeau und Hérault-Séchelles.

Drei von ihnen, nämlich Hérault, Camille sowie Philippeau erörtern in der Eröffnungsszene (und nur dort!) das politische Programm der Gemäßigten. Zunächst verleiht Hérault den politischen Gegnern der Dantonisten Gesichter, indem er sagt: St. Just säh’ es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen Vieren kröchen, damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers Fallhütchen, Schulbänke und einen Herrgott erfände.[40] (GB, S. 25) Sie empfinden ihre Gegner offenbar als regressive Kräfte, wie Philippeaus Worte nahe legen: Wir müssen vorwärts. Der Gnadenausschuß muß durchgesetzt, die ausgestoßenen Deputierten müssen wieder aufgenommen werden. (ebd.) Das höhere, weil fernere politische Ziel der Dantonisten liefert daraufhin Hérault: Die Revolution muß aufhören und die Republik muß anfangen. In unseren Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. [...] Jeder muß in seiner Art genießen können, jedoch so, daß keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in seinem eigentümlichen Genuß stören darf. (GB, S. 26) Diese Worte beinhalten ein liberales Staatsideal, das zwar die natürliche Ungleichheit der Menschen akzeptiert, sie vor dem Gesetz aber als gleich ansieht. Jeder hat dieselben Rechte und darf tun und lassen, was er will, solange dies nicht auf Kosten anderer Bürger geht oder sie in ihren Rechten einschränkt. Allerdings wird verschwiegen, wie dieses Ideal erreicht werden soll. Die dantonistische Ansicht, dass auch den politischen Gegnern gegenüber Nachsicht zu walten habe, und dass der Terror ein Ende haben muss, ist in den Augen Robespierres jedoch gleichbedeutend mit dem Verzicht auf die weiterführende soziale Revolution (GB, S. 46), was aus Héraults Worten zwar nicht direkt hergeleitet werden kann, aber ihnen auch nicht widerspricht.

Das liberale Ideal der Dantonisten trägt zudem auch epikureische Züge, was Hérault bereits durch die Verwendung des Begriffs Genuß andeutet. Offenbar wird es allerdings erst durch die Worte Camilles: Wir wollen nackte Götter, Bachantinnen olympische Spiele und von melodischen Lippen: ach, die gliederlösende, böse Liebe! [...] Der göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden. (ebd.)

Obgleich seine Gefolgschaft konzentrisch um Danton geordnet ist und St. Just sie als seine Pferde und Sklaven (GB, S. 51) bezeichnet, verbindet alle fünf im Gegensatz zu ihren Widersachern keine bloßes Interessenbündnis, sondern eine innige Freundschaft. Eine, die bis zum Tod, sogar darüber hinaus bestand hat, was in Dantons Worten zum Henker zum Ausdruck kommt: Kannst du verhindern, daß unsere Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen? (GB, S. 112)

Dass das politische Programm der Dantonisten, das eingangs des Dramas angedeutet wird, bestenfalls als Utopie angesehen werden kann, offenbart sich zum einen dadurch, dass es im weiteren Handlungsverlauf keine Rolle mehr spielt, zum anderen kontrastiert es Büchner, wenn er in der darauffolgenden Szene das Volk sprechen lässt, damit auf dessen Elend verweist und dem liberalen Ideal der Gemäßigten so einen zynischen Anstrich verleiht.

Das Volk – hungernde Masse und Spielball der Demagogie

Büchners Darstellung und Umgang mit der Figur des Volkes ist offenbar von dem Grabbes in Napoleon oder die hundert Tage beeinflusst. Wie dort, zerfällt das Volk auch hier in eine Vielzahl von Einzelpersönlichkeiten, die sogar dann, wenn sie nur nach ihrem Auftreten klassifiziert werden (vgl. in III,10 das Streitgespräch zwischen dem Ersten und Zweiten Bürger), dezidiert verschiedene Blickpunkte repräsentieren können.[41] Allerdings sind bei den Auftritten des Volkes in Dantons Tod zwei Sphären zu unterscheiden: Zum einen jene, die es als Bürger der Nation aller Schichten in ihrer Gesamtheit zeigt und zum anderen die, die es als potentiell politische Tragkraft der Revolution, also vor allem die unteren massenmäßig überrepräsentierten Schichten, offenbart.[42] Während die erstgenannte Sphäre nur einmal in der Promenadenszene (II, 2) zum Tragen kommt, bleibt die zweite für das Drama repräsentativ, latent vorhanden.

Jedoch hat das Volk keine eigene politische Position. Äußerungen, die darauf hindeuten würden, sucht man vergebens. Ein Fakt, der sich aus dem materiellen Notstand des Volkes ergibt. Wie soll man sich auch mit politischen Ideologien beschäftigen und an die Gestaltung des Gemeinwesens denken, wenn man oft nicht genug hat, um zu überleben? Am deutlichsten bringt diesen Punkt die zweite Szene des ersten Aktes zum Vorschein. So stellt ein Bürger das ganze Elend der unteren Schichten dar und nennt auch die dafür Schuldigen: Ihr Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch unserer Weiber und Töchter kaufen! Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib und sie haben Magendrücken, ihr habt Löcher in den Jacken und sie haben warme Röcke, ihr habt Schwielen in den Fäusten und sie haben Samthände. (GB, S. 29f.) In Anlehnung an seine Argumentation im Hessischen Landboten lässt Büchner hier die Reichen erscheinen, die in den Augen des Volkes die alleinige Verantwortung für das Elend tragen.[43] Bereits hierin wird deutlich, dass das Volk keine Stütze für die liberale Position der Dantonisten sein kann, insbesondere in Hinblick auf den materiellen Überfluss, in dem dieselben leben. Wenn Lacroix mit einer Klarsicht, die jene Dantons manchmal noch zu übersteigen scheint, feststellt, [...], das Volk ist materiell elend, das ist ein furchtbarer Hebel (GB, S. 44), so trifft er den Nagel auf den Kopf. Dieser furchtbare Hebel wird sich gegen Danton und seine Freunde richten, weil diese mit ihrem gemäßigt-liberalen Konzept keine Lösung für die Not des Volkes bieten. Das zeigt sich nicht nur daran, dass Danton von Simon und einigen anderen Bürgern verhaftet wird (II, 4), sondern vor allem auch darin, dass sie letztendlich ihr Urteil über ihn sprechen (III, 10).

Obgleich im Volk Stimmen laut werden, die mit Danton sympathisieren, die nicht vergessen haben, was er für die Revolution geleistet hat[44] und die er Dank seines rhetorischen Geschicks lange zu beeinflussen vermag, ändert dies nichts an dem Fakt, dass das Volk quasi blind vor Elend ist und dem folgt, den es den Unbestechlichen (GB, S. 32), den Messias (ebd.) nennt, weil er ihm verspricht, was es hören will. Dass das Volk jedoch nur ein Spielball der Demagogie ihrer Anführer ist, hängt untrennbar mit seiner Not zusammen und wird vor allem offenbar, wenn Robespierres es als armes, tugendhaftes Volk (ebd.) anspricht, was aufgrund ihrer Not, die es u. a. durch Hurerei zu bekämpfen sucht, schon zynisch wirkt, und zu ihm sagt: Du tust nur deine Pflicht, du opferst deine Feinde. (ebd.) Gegen Ende des Dramas wird der Einfluss des Unbestechlichen im Gespräch zweier Bürger unleugbar: Erster Bürger: Wer sagt, daß Danton ein Verräter sei? Zweiter Bürger: Robespierre. (GB, S. 98) Zwar erwidert ersterer, dass Robespierre ein Verräter sei, schließlich aber fällt das Volk sein Urteil über Danton anhand von Argumenten, die ihnen Robespierre in seiner Rede im Jakobinerklub (I, 3) gegeben hat. Doch wer ist der tugendhafte Robespierre (ebd.) und was lässt das Volk an ihn glauben?

Robespierre und die radikalen Jakobiner

Robespierre – der vermeintliche Heilsbringer

Die Figur Robespierre entfaltet Büchner im Drama vor allem unter zwei Aspekten: Zum einen erscheint er als unerschütterlicher Politiker mit philosophischer Ideologie, zum anderen als zweifelnder Mensch. Das eine lässt ihn zum Widersacher Dantons werden, das andere rückt ihn eher in seine Nähe.

Politisch gesehen zählt sich Robespierre zu den philosophische[n] Gesetzgebern (GB, S. 37) und zwar als ein Gesetzgeber des Volkes (ebd.). Dass zwischen seinem Tugendideal, welches von der Philosophie Rousseaus geprägt ist[45], und seiner Terrorherrschaft eine untrennbare Kausalität besteht, ja dass die Tugend nur durch den Terror oder Schrecken zu erreichen bzw. durchzusetzen ist, belegt er selbst in seiner Rede im Jakobinerklub: Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist die Tugend. Die Tugend, weil ohne sie der Schrecken verderblich, der Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. (GB, S. 35f.) Der revolutionäre und damit politische Kampf, den er führt, stellt sich somit als einer der Tugend gegen das Laster dar. Wobei nicht nur Robespierre als Träger der Tugend ( Danton: Mit deiner Tugend Robespierre! – GB, S. 47) erscheint, sondern auch das Volk ( Robespierre: „Armes, tugendhaftes Volk!“ – GB, S. 32; „Beruhige dich tugendhaftes Volk [...] – GB, S. 38). Die Bezeichnung des Volkes als Träger der Tugend dient, wie bemerkt, jedoch nur demagogischen Zwecken.

Inbegriff des Lasters und damit politische Feinde Robespierres sind neben den Hébertisten, auf die der Lyoner im Jakobinerklub verweist, wenn er sagt, daß [...] die Mörder Chaliers wieder so fest auf dem Boden treten, als ob es kein Grab für sie gäbe (GB, S. 33), die Aristokraten überhaupt, denn das Laster ist das Kainszeichen des Aristokratismus (GB, S. 36). Dazu zählen für Robespierre vor allem Danton und seine Freunde, weil sie mit allen Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen (GB, S. 37). Die Tugendrepublik, die sich als sein politisches Ziel offenbart, kann nur dem friedlichen Bürger [...] Schutz (GB, S. 36) gewähren, eben weil Friedfertigkeit eine Tugend ist. Die Entschlossenheit und Starrheit, mit der er sein Ideal durchzusetzen versucht, begründet Robespierre im Gespräch mit Danton: Die soziale Revolution ist noch nicht fertig, wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst ein Grab. (GB, S. 46f.) Aber es deutet sich an, dass ihm nicht zuletzt sein Eifer und [s]eine Leidenschaft (GB, S. 71) selbst schaden werden, weil Dantons Gefahr die [s]einige werden (ebd.) kann.

Doch so empörend rechtschaffen (GB, S. 47), wie Robbespiere bisher dargestellt wurde, ist er nicht. Das wird im Gespräch mit Danton deutlich, wenn dieser ihm den Spiegel der Moral vorhält: Hast du das Recht aus der Guillotine einen Waschzuber für die unreine Wäsche anderer Leute und aus ihren abgeschlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten Rock trägst? [...] Bist du der Polizeisoldat des Himmels? Und kannst du es nicht ebensogut mitansehen, als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die Augen. (GB, S. 47f.) Hier kommt aber nicht nur die Frage zum Ausdruck, woher sich Robespierre das Recht nimmt, über andere zu richten, sondern auch wie widersprüchlich er argumentiert und lebt. Auf der einen Seite verurteilt er das Laster, den Reichtum, will die soziale Gleichstellung der Bürger in Frankreich, auf der anderen ist er selbst lasterhaft, weil wohlhabend. Davon zeugt einerseits, der hier erwähnte sauber gebürstete Rock, andererseits der Besitz eines Schnupftuches.[46] Bereits zuvor bemerkt Danton, dass Robespierre bereits dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumlaufe und diese tugendhafte Fassade, durch die er das Volk beeindrucke, doch nur egoistisch motiviert sei, nämlich um des elenden Vergnügens willen andere schlechter zu finden (GB, S. 47) als sich selbst. Dantons Worte bleiben beim Unbestechlichen nicht ohne Wirkung und dies verweist auf seine menschliche Seite. Er beginnt darüber nachzudenken – auch wenn er es anfänglich nicht wahrhaben will – ob es nicht doch etwas gibt, was manchmal ganz leise, heimlich sagte, du lügst, du lügst (ebd.). Dadurch, dass er, wie später auch Danton, ans Fenster tritt, sich existentielle Fragen stellt und an sich und der Welt zweifelt, rückt Robespierre Danton ein ganzes Stück näher. Diese Szene zeigt endgültig, dass er nicht der zu allem Entschlossene, über jeden Zweifel Erhabe ist – das ist nur eine Fassade.

Robespierres Gefolgschaft

Derjenige, der uns im ganzen Drama ohne jeglichen Zweifel entgegentritt, ist St. Just. Er ist bereit für seine Ziele, über Leichen zu gehen. Weshalb auch er es ist, der Robespierre zu weiteren Handlungen gegen Danton und seine Freunde antreibt, als dieser von Zweifeln heimgesucht wird. So sagt St. Just im Dialog mit Robespierre: Willst du noch länger zaudern? Wir werden ohne dich handeln. Wir sind entschlossen. (GB, S. 50) Anders als Robespierre formuliert St. Just sogar den Inhalt des scheinbaren politischen Ziels, der sozialen Revolution: An deren Ende sind alle gleich, die Unterschiede abgerechnet, welche die Natur selbst gemacht hat. Es darf daher jeder Vorzüge und darf daher keiner Vorrechte haben, weder ein einzelner, noch eine geringere oder größere Klasse von Individuen. (GB, S. 73) Er kann als einziger echter Gefolgsmann und Freund Robespierres gelten, wird sogar als Johannes am Herzen (GB, S. 51) des Blutmessias Robespierre (ebd.) bezeichnet. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen moralischer und physischer Natur, denn beide folgen ruhig und unwiderstehlich ihren Gesetzen, der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Konflikt kommt (GB, S. 72). Politische Gegner gehören für ihn entfernt, müssen weg, um jeden Preis (GB, S. 88). Dinge, die St. Just selbst zu spüren bekommen wird. Er sieht sich – ähnlich Robespierre – zu Höherem berufen, meint im Sinne des Weltgeistes, der sich in der geistigen Sphäre unserer Arme (GB, S. 72) bedient, zu handeln und damit auch über Laster und Tugend, Leben und Tod entscheiden zu dürfen. Interessant hieran ist, dass das Gesteuert-Sein, was Danton zwar quält, weil er nicht weiß, welche Ursächlichkeit dahinter steckt, das ihm aber dennoch zur Beruhigung dient, für St. Just zwar eher stolz, aber nicht minder Rechtfertigung seines Tuns ist. Insgesamt gesehen erscheint St. Just – bei weitem mehr noch als Robespierre –als Entscheidender und Ausführender, was ihn am ehesten zu einem Guillotinenmesser (GB, S. 268) im Sinne von Büchners Fatalismus- Brief machen dürfte, in dessen Perioden, [.] jedes Komma ein Säbelhieb und jeder Punkt ein abgeschlagener Kopf ist (GB, S. 90), wie es Barrère vortrefflich formuliert. Eben dieser ist es auch, der das Handlungsmotiv Robespierres’ und St. Justs noch einmal auf den Punkt bringt, als er sagt: Sie kämpfen nicht mit den Moderierten, sie kämpfen mit dem Laster. (GB, S. 91)

Die zunächst auch als Robespierres enge Vertraute und Mitarbeiter erscheinenden Wohlfahrtsausschussmitglieder Barrère, Collot d’Herbois und Billaud-Varennes entpuppen sich schnell als hinterhältig und falsch (III,6). Wie im tatsächlichen Gang der Geschichte verschwört sich dieses Dreigespann gegen Robespierre (vgl. Ende III,6) und wird schließlich für ihn zum Trio infernale, das ihn einige Wochen später stürzt und zusammen mit St. Just und weiteren Gefolgsleuten hinrichten lässt. Dennoch werden diese drei lediglich durch ihre Skrupellosigkeit und Opportunität charakterisiert, sodass sie als Chargen anzusehen sind, deren Funktion es ist, auf die Doppelmoral der Richtenden, denn auch sie sind lasterhaft[47], und den bevorstehenden Untergang Robespierres zu verweisen.

Chargen, von noch geringerem Gewicht als Barrère, Collot d’Herbois und Billaud-Varennes, sind der öffentliche Ankläger Fouquier-Tinville sowie der Präsident des Revolutionstribunals Herrmann, weil sie nur als Ausführende der von den Politikern Robespierre und St. Just getroffenen Entscheidungen in Erscheinung treten. Da ihre Tätigkeit immerhin von politischer, wenngleich auch nicht von großer, Bedeutung ist, sollen sie hier wenigstens erwähnt werden. Die Zuordnung rechtfertigt sich meines Erachtens nach durch ihre Manipulierbarkeit im Sinne von Robespierres und St. Justs Absichten, die sich durch die ihre Absprache im Hinblick auf den Prozess gegen die Dantonisten in III,2 manifestiert.

Die Frauen

Die Frauenfiguren haben durchweg weder einer politische Meinung, noch eine politische Funktion. Sie verkörpern vielmehr die private und emotionale Sphäre im Stück. Während die allein auf ihre Männer ausgerichteten, in submentaler Solidarität verharrenden, als gefühlvoll und realitätsfern dargestellten Julie und Lucile wenigstens noch indirekt – durch die Bedrohung und schließlich den Verlust Dantons bzw. Camilles – vom Revolutionsgeschehen betroffen sind, haben die Grisetten Adelaide, Rosalie und Marion damit nichts zu tun. Letztere dienen lediglich dazu, die erotische Komponente der Dantonisten, insbesondere von Danton selbst (Ende I,4 sowie I,5), zu verstärken und damit ihre bzw. seine Charakterisierung abzurunden. Zudem dient Dantons Gespräch mit Marion zu Anfang von I,5 dazu sein hedonistisches bzw. epikureisches Naturell zu spiegeln. Zu vermuten wäre außerdem, dass hier der in der Volksszene I,2 begonnenen sexualphilosophische Diskurs weitergeführt wird.

Die politische Intention als pluralistische Konstruktion

Die Frage, ob es sich bei Georg Büchners Dantons Tod überhaupt um ein Drama mit politischer Dimension handelt, ist unumstritten angesichts der Tatsache, dass der Dichter ein politisches Ereignis von monumentaler Bedeutung, wie es die Französische Revolution war, zum Hintergrund seines Dramas gemacht hat. Die vorangegangene Analyse unterstreicht dies. Allerdings ist vielfach und kontrovers diskutiert worden, welche Intention der Autor damit verbunden hat. Steht das Stück im Dienste einer bestimmten politischen Lehre, die es zu vermitteln gilt? Oder geht es eher um die Frage, inwieweit Gewalt ein legitimes politisches Instrument sein kann? Oder soll das Stück gar die Sinnlosigkeit politischen Handelns überhaupt verdeutlichen und damit dem Fatalismus der Geschichte das Wort reden? Ansätze, denen im Folgenden abschließend kurz nachgegangen werden soll.

Kein politisches Lehrstück

Die Voraussetzung, um von Dantons Tod als einem politische Tendenz- oder Lehrstück sprechen zu können, ist ein im Stück selbst möglichst durchgängig vertretenes oder wenigstens latent vorhandenes politisches Programm oder ein Diskurs anhand verschiedener politischer Positionen, von denen dann eine durch den Ausgang der Handlung positiv beurteilt wird. Nun ist aber auffällig, dass die Hauptfigur Danton im Drama selbst kein politisches Programm formuliert. Das von seinen Freunden und Gesinnungsgenossen vertretene Ideal einer eudämonisch geprägten, liberalen Republik wird nur einmal formuliert (I,1) und erweist sich zudem als Utopie, weil dem Volk die Arbeit die Genussorgane stumpf macht (GB, S. 45). Letztlich spricht der Fortgang des Dramas selbst sein Urteil über Danton und seine Freunde: Sie werden eingesperrt und guillotiniert.

Die Gegenpartei, bestehend aus Robespierre und St. Just, hat zwar ein erfolgversprechenderes politisches Programm, das mit der soziale[n] Revolution (GB, S. 46) benannt ist, doch wird an keiner Stelle deutlich, wie dies en detail zu erreichen wäre. Stattdessen lassen sie lieber die Republik im Blut ersticken (GB, S. 97), um ihre eigene politisches Macht zu sichern und treiben damit langsam, aber sicher, ihrem eigenen Untergang entgegen, dem in der Tat keine sechs Monate Frist (GB, S. 106) mehr bleiben.

Beide Gruppen haben nun eines gemeinsam: Es fehlt ihnen an einem umsetzbaren politischen Programm, das in der Lage ist, die soziale Frage zu lösen, das materielle Elend zu beseitigen, denn das Volk will nach wie vor Brot, Brot! (GB, S. 97) Letztlich scheitern also nicht nur die Dantonisten, sondern auch Robespierre und St. Just, so dass von einem politischen Lehr- oder Tendenzstück im Falle von Dantons Tod nicht die Rede sein kann.

Der politische Gewaltdiskurs

Den Diskurs darüber, inwieweit Gewalt ein legitimes Mittel sein kann, politische Ziele durchzusetzen, hat Büchner im Drama vor allem vermittels von vier Figuren gestaltet. Dies sind Danton, Robespierre und die ihnen als engste Vertraute zugeordneten Camille und St. Just.

Die Konfiguration der beiden Anführer im Hinblick auf den Gewaltdiskurs ist dabei von besonderer Bedeutung, weil er von menschlichen Faktoren auf der einen und politischen Faktoren auf der anderen Seite abhängt. Jedoch sind diese kaum voneinander trennbar, so dass ihr Verhältnis in diesem Punkt ambivalent, fast schon paradox erscheint. Politisch gesehen stehen beide auf unterschiedlichen Seiten, verfolgen unterschiedliche Ziele, aber menschlich kommen sie sich nahe, weil sie – als einzige im Drama – von Zweifeln und/oder Schuldgefühlen geplagt werden, die ihre Gewalttaten, die im Namen der Politik durchgeführt wurden, betreffen. Beide gehen unterschiedlich mit ihren Zweifeln um.

Zunächst bleibt festzuhalten, dass sowohl Danton empfindet, dass die von ihm zu verantwortenden Gewalttaten die blutigen Hände (GB, S. 66) nach ihm ausstrecken, als auch Robespierre die Gedanken nicht los wird, die mit blutigem Finger immer da, da hin deuten und es auch nichts hilft, soviel Lappen (GB, S. 49) darum zu wickeln, weil das Blut schlägt immer durch (ebd.). Während sich aber Danton hinsichtlich der weiter zurückliegenden Septembermorde auf Notwehr (GB, S. 67), auf das Muß (ebd.) beruft, sich nur so von seiner Schuld befreien kann und deshalb längst den Schluss gezogen hat, sie als politisches Mittel zu verwerfen, weil er lieber guillotiniert werden, als guillotinieren lassen (GB, S. 54f.) will, hält Robespierre gerade in der Stunde des Zweifels wie schon zuvor (I,3) und auch danach daran fest: Er muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt stehen bleibt, leistet so gut Widerstand als trät’ er ihr entgegen; er wird zertreten. (GB, S. 49) Später bekundet er: Man will euch Furcht einflößen vor dem Missbrauche einer Gewalt, die ihr selbst ausgeübt habt. (GB, S. 71)

Allerdings zweifelt Robespierre selbst daran, dass er tatsächlich im Namen der Republik (GB, S. 49) mordet, wie er vorgibt: Ist’s das eigentlich? (GB, S. 48), fragt er sich selbst und antwortet: Sie werden sagen seine gigantische Gestalt hätte zuviel Schatten auf mich geworfen, ich hätte ihn deswegen aus der Sonne gehen heißen. (GB, S. 48f.) Sein darauf folgendes Ja, ja! Die Republik! und der wenig später wiederkehrende Zweifel legen eher eine Entschuldigung seiner selbst nahe, schließlich findet er es lächerlich wie sich [s]eine Gedanken beaufsichtigen. So gleicht sich das zunächst als von Robespierre als ungleich dargestellte Verhältnis von Laster und Tugend aus. Der eigentlich lasterhafte Danton erkennt die Sinnlosigkeit der Gewalt und ist in diesem Punkt tugendhaft, der tugendhafte Robespierre wird seinem Ruf als Blutmessias (GB, S. 51) gerecht und schmückt sich zu seinem Wohlstand mit dem Laster des Mordes. Ein Unentschieden, dass für beide dasselbe Urteil bedeutet: den Tod. Für den einen früher, für den anderen nur wenig später. Dasselbe gilt auch für die ihnen im politischen Gewaltdiskurs zugeordneten Figuren. Für Camille, den vielleicht stärksten Vertreter des Erbarmens, weil er formuliert: Pathetischer gesagt würde es heißen: wie lange soll die Menschheit im ewigen Hunger ihre eigenen Glieder fressen? Oder, wie lange sollen wir Schiffbrüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut aussagen? Oder, wie lange sollen wir Algebraisten im Fleisch beim Suchen nach dem unbekannten, ewig verweigerten X unsere Rechnungen mit zerfetzten Gliedern schreiben? (GB, S. 55) Was in diesen Fragen zum Ausdruck kommt, ist die Sinnlosigkeit der Gewalt, weil sie Menschheit keinen Schritt voranbringt bzw. die derzeitigen Probleme der materiellen Verelendung der breiten Massen nicht lösen hilft.

Ganz anders sieht das St. Just, der die politische Gewaltanwendung als natürlich ansieht, da die sie Ausübenden nicht grausamer sind als die Natur und die Zeit (GB, S. 72). Er geht sogar noch weiter: Soll eine Idee nicht ebensogut wie ein Gesetz der Physik vernichten dürfen, was sich ihr widersetzt? (ebd.) [...] Ist es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang der Geschichte rascher ist, auch mehr Menschen außer Atem kommen? (GB, S. 73) Die Pattsituation bleibt also bestehen. Beide Parteien beurteilen die Frage nach der Legitimität von Gewalt als politischem Mittel unterschiedlich und keine von beiden geht als Sieger hervor. Hier kommen wir nicht weiter.

Das Stück als Paraphrase des Fatalismus der Geschichte?

Auch wenn angesichts des Faktes, dass Büchner seiner Hauptfigur Worte gewordene Gedanken aus dem Fatalismus -Brief in den Mund gelegt hat und Danton die Einsicht in den Fatalismus der Geschichte, in dem der einzelne nur Schaum auf der Welle (GB, S. 268), das politische Handeln des Einzelnen nichts anderes als ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz (ebd.) ist, immer wieder durch sein eigenes Handeln – oder besser Nicht-Handeln –, und Anspielungen auf Notwehr (GB, S. 67) , auf das Muß (ebd.), das Schicksal, das uns den Arm führt (GB, S. 84) oder das Mühlwerk (GB, S. 93), in dem er sich befindet, dokumentiert, und letztlich für das Nichts [als den] zu gebärende[n] Weltgott (GB, S. 109) plädiert, die Annahme nahe liegt, dass das Stück die Tragödie des Determinismus[48] sei, so bleibt zu vermerken, dass es nicht voranging darum gehen kann, ob der Autor politisch eher die Position der einen oder der anderen Figur vertreten hat.[49] Dies ist nebensächlich und rechtfertigt in meinen Augen ebenso wenig wie Dantons einsam machende Erkenntnis von Sinnhaftigkeit und Möglichkeit der Revolution überhaupt[50] eine Identifizierung des Autors mit seinen Figuren. Auch, und dass muss gesagt werden, wenn das Scheitern der wichtigsten Figuren des Dramas und folglich auch dessen Anlage ein weiteres Argument für die Fatalismus-These darstellt. Das Scheitern Dantons und seiner Freunde sowie Robespierres und St. Justs ist sicherlich dem Fakt geschuldet, dass sie weder im Rahmen des Dramas, noch in der Historie in der Lage waren, eine Lösung für das materielle Elend des Volkes zu bieten. Doch das spricht vielleicht einmal mehr für Büchners Quellentreue, aber nicht dafür, dass sich diese Aufgabe für den Danton-Dichter überhaupt unlösbar dünkt[51].

Wäre es tatsächlich so, dass Büchner durch Danton spricht, dann hätte er, um mit ihm identifizierbar zu sein, restlos auch dessen übrige politische Ansichten vertreten müssen. Doch das tat er nicht, wie diverse Briefe und der Hessische Landboten zeigen.[52] Abgesehen davon, stellt sich die Frage, ob es überhaupt die Intention eines Dichters sein kann – zumal eines politisch interessierten und aktiven Dichters –, jegliches politisches Handeln als sinnentleert, weil vorherbestimmt, darzustellen? Wenn nicht, worum könnte es Büchner dann gegangen sein?

Das Drama als pluralistische Konstruktion von Sinn

Angesichts des eher analytisch wirkenden Textes, der eine Vielzahl von Themen und Konflikten miteinander in Verbindung bringt, um sie gegeneinander abzuwägen, der es so schafft, die Illusion des Leben in seiner schier unerschöpflichen Fülle herzustellen und aufrechtzuerhalten, die Büchner nur aufgrund von scharfsinnig beobachteten Details und sorgfältiger Quellenanalyse zu einem großen Ganzen verbinden konnte, scheint es mir eher plausibel zu sein, dass das Stück zeigt, was ist. Es propagiert nichts, ergreift nicht Partei für die eine oder andre Fraktion, will nicht belehren, überreden, Sinndeutungen geben, Identifikationsmuster bieten, Lösungen vorschlagen.[53] Indem es dies nicht tut, unterlässt es aber nicht eine Reihe von Fragen zu stellen, die wichtigste scheint zu sein, wie das materielle Elend des Volkes behoben und die große Volksmasse gleichsam an der Macht beteiligt werden kann? Vielleicht liegt in letzterem schon der Schlüssel zur Lösung der materiellen Frage, aber er ist noch nicht erkannt. Eine Deutung, die mir eher in Büchners Sinn zu liegen scheint, die ihm jedenfalls gerechter werden dürfte, insbesondere wenn man Folgendes bedenkt: Der Dichter ist kein Lehrer der Moral, er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut, wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Leben um sie herum vorgeht. (GB, S. 293)

[...]


[1] Vgl. Monika Ritzer: Seminarplan Politische Dramen II. Leipzig, 2004.

[2] Burghard Dedner: Georg Büchner: Dantons Tod. Zur Rekonstruktion der Entstehung anhand der Quellenverarbeitung. S. 106. In: Thomas Michael Mayer (Hrsg.): Georg Büchner Jahrbuch Nr. 6 (1986/87). Frankfurt a. M., 1990, S. 106 - 131.

[3] Aufgrund des engen Rahmens meiner Arbeit beschränke ich mich hierbei auf die im Hinblick auf Dantons Tod relevanten Informationen.

[4] Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass Büchner am 19.02. 1837 an den Folgen einer Typhuserkrankung starb. Vgl. dazu Gerhard P. Knapp: Georg Büchner. Stuttgart, 2000, S. 34.

[5] Vgl. Gerhard P. Knapp: Georg Büchner. Stuttgart, 2000, S. 25.

[6] Vgl. ebd. sowie Thomas Michael Mayer: Aus der Büchner-Chronik – Zu „Dantons Tod“. S. 173 In: Peter von Becker (Hrsg.): Georg Büchner „Dantons Tod“. Eine kritische Studienausgabe. Frankfurt/M., 1985, S. 169 – 173.

[7] Zitiert wird hier, wie auch im Folgenden, nach Franz-Josef Görtz (Hrsg.): Georg Büchner. Werke und Briefe. Zürich, 1988. Diese Ausgabe folgt der historisch-kritischen Edition von Werner R. Lehmann.

[8] Diesen hatte Büchner in einem Brief vom 21. Februar 1835 ausdrücklich darum gebeten, „Dantons Tod“ dem Herrn Sauerländer zu empfehlen (GB, S. 280).

[9] Vgl. Thomas Michael Mayer: Aus der Büchner-Chronik – Zu „Dantons Tod“. S. 171f. In: Peter von Becker (Hrsg.): Georg Büchner „Dantons Tod“. Eine kritische Studienausgabe. Frankfurt/M., 1985, S. 169 – 173. und Burghard Dedner: Georg Büchner: Dantons Tod. Zur Rekonstruktion der Entstehung anhand der Quellenverarbeitung. S. 107ff. In: Thomas Michael Mayer (Hrsg.): Georg Büchner Jahrbuch Nr. 6 (1986/87). Frankfurt a. M., 1990, S. 106 – 131.

[10] Vgl. Gerhard P. Knapp: Georg Büchner. Stuttgart, 2000, S. 25. sowie Thomas Michael Mayer: Aus der Büchner-Chronik – Zu „Dantons Tod“. S. 173 In: Peter von Becker (Hrsg.): Georg Büchner „Dantons Tod“. Eine kritische Studienausgabe. Frankfurt/M., 1985, S. 169 – 173.

[11] Die hier und im Folgenden erwähnten historischen Daten und Ereignissen stammen aus Kurze Geschichte der Deutschen Literatur. Berlin, 1981, S. 350 – 357.

[12] Dieser Fakt sowie alle nachfolgenden zur Biographie Büchners stammen aus Jan-Christoph Hauschild: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart/Weimar, 1993. bzw. Gerhard P. Knapp: Georg Büchner. Stuttgart, 2000.

[13] Die genaue Datierung des Briefes ist umstritten. Bis 1989 wurde sicher davon ausgegangen, dass Büchner ihn nach dem 10. März 1834 geschrieben habe. Jan-Christoph Hauschild bringt jedoch in seinem Aufsatz „Neudatierung und Neubewertung von Georg Büchners ‚Fatalismus’-Brief“ gute Argumente für eine Entstehung Mitte Januar desselben Jahres. Vgl. Jan-Christoph Hauschild: Neudatierung und Neubewertung von Georg Büchners ‚Fatalismus’-Brief. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Nr. 108, 1989, S. 511 – 529.

[14] Vgl. dazu auch Gerhard P. Knapp: Georg Büchner: Dantons Tod. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt a. M., 1990, S. 22.

[15] Wenig später, etwa Mitte April, initiierte er noch einen Ableger davon in Darmstadt.

[16] Neben Büchner geht diese Initiative vom Butzbacher Schuldirektor Friedrich Johannes Weidig aus, der zu den führenden Oppositionellen im Großherzogtum Hessen zählt, und durch dessen Kontakte „Der Hessische Landbote“ schließlich im Juli 1834 gedruckt wird. Die Flugschrift hat nach aktuellem Forschungsstand anerkanntermaßen zwei Autoren, nämlich Büchner und Weidig, da letzterer aufgrund von Büchners Liberalismuskritik im Entwurf des „Hessischen Landboten“ entscheidende Änderungen vorgenommen hat. Vgl. dazu beispielsweise Jan-Christoph Hauschild: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart/Weimar, 1993, S. 313 – 323.

[17] Pierre Philippeau (1754-1794) war Jurist, Mitglied des Nationalkonvents und Anhänger Dantons. Vgl. H, S. 91. Die meisten dieser historisch-politisch/gesellschaftlichen Erläuterungen sind dem Büchner-Kommentar Walter Hinderers entnommen und werden von mir mit H, Seitenzahl am Ende jeder Erläuterung kenntlich gemacht werden. Vgl. Walter Hinderer: Büchner-Kommentar. Zum dichterischen Werk. München, 1977.

[18] Mitglieder der radikalen Partei, die von Pierre-Gaspard Chaumette (1763-1794) und Jacques-René Hébert (1757-1794) begründet wurde, die für die Übertragung aller Macht an die Pariser Kommune plädierte und den Kult der Vernunftgöttin einführen wollte. Vgl. H, S. 91.

[19] George-Jacques Danton (1759-1794) war einer der führenden französischen Revolutionäre, der nach dem Sturz der Monarchie am 10.07. 1792 Justizminister war, das Revolutionstribunal und den Wohlfahrtsausschuss mitbegründete und als begnadeter Redner und Agitator galt. Er lehnte die gemäßigten Girondisten ebenso ab wie die radikalen Hébertisten und den fanatischen Idealismus Robespierres. Vgl. H, S. 90.

[20] Zu den Fraktionen, ihren unterschiedlichen Ansichten und ihrer Stellung innerhalb der französischen Revolution vgl. den Beitrag Karl Gutzkows aus dem Phönix. Dieser findet sich u.a. in: Walter Hinderer: Büchner-Kommentar. Zum dichterischen Werk. München, 1977, S. 88f.

[21] Louis Legendre (1752 – 1797), gelernter Fleischer, der sowohl Mitglied im Jakobinerklub als auch im Franziskanerklub (den sogenannten Cordeliers) war. Obgleich er auf Seiten der Dantonisten stand, entging er der Hinrichtung. Später beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen Robespierre. Vgl. H, S. 96.

[22] Camille Desmoulins (1760 – 1794), einer der engsten Freunde Dantons, kannte Robespierre bereits seit dem gemeinsamen Besuch des Pariser Collège de Louis Le Grande (darauf referiert Camille in II,3: Wir saßen auf einer Schulbank. – GB, S. 63.) Er initiierte den Sturm auf die Bastille, war führender Propagandist der Revolution und redigierte die Publikationen der Dantonisten. Getreu seinen Quellen rückte Büchner sein sprachliches Bezugsfeld in Richtung griechische Antike. Er war Hellenist, Humanist und bekannte sich zur Kultur und Lebensfreude. Vgl. H, S. 91.

[23] Marie-Jean Herault de Séchelles galt als einer der bestaussehendsten Männer Frankreichs (im Stück mehrfach erwähnt, wenn erst Robespierre sagt: Ein schöner Kopf. – GB, S. 51 und schließlich ein Weib sagt: Ein hübscher Mann, der Hérault. – GB, S. 113), war ausgebildeter Jurist und Präsident des Nationalkonvents. Er wirkte maßgeblich an der Verfassung von 1793 mit. Eigentlich vor Danton verhaftet, aber mit ihm hingerichtet. Vgl. H, S. 90.

[24] Jean Francois de Lacroix (1754 – 1794) war Jurist (darauf verweist auch Robespierre: gewesener Advokatenschreiber – GB, S. 51) und Anhänger Dantons, dem die Girondisten Veruntreuung von Finanzen vorgeworfen hatten. Vgl. H, S. 97.

[25] Maximilien de Robespiere (1758 – 1794) war ebenfalls Jurist. Neben seiner Mitgliedschaft im Jakobinerklub führte er seit 1792 die Bergpartei an. Auf seinen Antrieb wurden die Girondisten entmachtet; er ließ 1794 die Hèbertisten und Dantonisten hinrichten und errichtete damit die Schreckensherrschaft. Er erklärte die Unsterblichkeit der Seele als Dogma und galt dem Volk als Mittler zwischen Himmel und Erde, als Messias, wie ihn auch Büchner vom Volk in I, 2 bezeichnen lässt. Vgl. H, S. 94.

[26] Louis Antoine de Saint-Just (1767 – 1794) war Journalist und Romancier. Er wurde 1792 Mitglied des Nationalkonvents, 1793 des Wohlfahrtsausschusses und galt als engster Vertrauter Robespierres, weswegen man ihn auch Messiasjünger nannte. Zusammen mit Robespierre wurde er am 28.07.1794 hingerichtet.

[27] Jean Marie Collot d’Herbois (1750 – 1796) war ursprünglich Schauspieler und Theaterdichter. 1793 wurde er Präsident des Nationalkonvents und Mitglied des Wohlfahrtsausschusses. Er ordnete als Richter Massenhinrichtungen in Lyon an und stand zunächst auf der Seite Robespierres. Später verschwor er sich mit Billaut-Varennes und Barère gegen Robespierre und war an dessen Sturz beteiligt. Er hatte ein Alkoholproblem. Vgl. H, S. 96f.

[28] Die zweite Frau des historischen Danton hieß eigentlich Louise. Im Gegensatz zum Drama folgt sie Danton nicht in den Tod, sondern heiratete einen Baron Dupin. Vgl. H, S. 90.

[29] Die Figuren der Grisetten sowie die Volksfiguren sind historisch nicht belegt, entstammen also ganz der Erfindung des Dichters selbst.

[30] Diese Überschriften stammen aus Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 47.

[31] Ab Szene II,4, wo sich Danton auf freiem Feld befindet und die endgültige Entscheidung trifft, nicht zu fliehen, befindet er sich nur noch in ge- bzw. verschlossenen Räumen: in einem Zimmer (II, 5), im Luxemburg ( ein Saal in III,1), vor Gericht (III, 4) und in der Conciergerie (erst auf dem Korridor in III,3, dann im engen Kerker in III,8, IV,3 und IV,5. Besonders deutlich verweist eine Äußerungen Dantons in IV, 3 auf die Funktion der immer enger werdenden Räume in Relation mit der immer knapper werdende Lebenszeit, die ihm und seinen Freunden noch bleibt: Will denn die Uhr nicht ruhen? Mit jedem Picken schiebt sie die Wände enger um mich, bis sie so eng sind wie ein Sarg. (GB, S. 101)

[32] Sieht man einmal davon ab, dass das Gespräch zwischen Danton und Robespierre vermutlich schon am 19.03. 1794 stattgefunden hat. Vgl. hierzu Gerhard P. Knapp: Georg Büchner. Stuttgart, 2000, S. 96f. Und auch davon, dass Hérault-Séchelles bereits kurz nach dem 17.03. 1794 zusammen mit den Hébertisten festgenommen wurde, er aber zu Beginn des Stückes (I,1) noch frei ist. Vgl. dazu Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 48. Vgl. zu weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Drama und Geschichte auch die Fußnoten 16 – 28 deser Arbeit.

[33] Hinzu kamen die Darstellungen aus der „Galerie historique des Contemporaines on nouvelle Biographie“, die von Mignet, von Mercier usw. Vgl. Walter Hinderer: Büchner-Kommentar. Zum dichterischen Werk. München, 1977, S. 85f. und Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 43ff.

[34] Vgl. hierzu den Brief Büchners vom 28.7. 1835 an seine Eltern, in dem er schreibt: Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht so zeigen wie sie ist, sondern wie sie sein sollte, so antworte ich, daß ich es nicht besser machen will, als der liebe Gott, der die Welt gewiß gemacht hat, wie sie sein soll. Was noch die sogenannten Idealdichter anbetrifft, so finde ich, daß sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektiertem Pathos, aber nicht Menschen mit Fleisch und Blut gegeben haben, [...]. Mit einem Wort, ich halte viel auf Goethe oder Shakespeare, aber sehr wenig auf Schiller. (GB, S. 293)

[35] Beleg dafür ist u.a. I, 5, das Gespräch mit Marion und den Grisetten Adelaide und Rosalie im Palais Royal.

[36] Der sich auch Fabricius nannte, war Geschworener im Revolutionstribunal, der versuchte Danton und Robespierre zu versöhnen. Er war es, der Danton frühzeitig vor seiner Verhaftung warnte und ihm helfen wollte zu fliehen. Vgl. H, S. 99.

[37] Dass das Gespräch mit Robespierre (I, 6) genau genommen nicht einmal als Versuch politischer Handlung Dantons aufzufassen ist, belegt der Fakt, dass er in dieser Auseinandersetzung keinerlei politische Argumente benutzt, um auf seinen Gegner einzuwirken. Er beschränkt sich hier darauf moralisch zu argumentieren. Vgl. dazu auch S. 17 dieser Arbeit.

[38] Gemeint sind die Morde an weit über 1000 Häftlingen (darunter auch 300 Priester) vom 02. – 05. September 1792 in den Gefängnissen von Paris, die der historische Danton als damaliger Justizminister, wenn auch nicht selbst begangenen, so doch zu verantworten hat. Vgl. hierzu H, S. 114 und Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 31.

[39] Diesen Versuch, wie ihn beispielsweise Erwin Kobel unternimmt, halte ich für verfehlt. Nicht zuletzt, weil darin oft mitschwingt, dem Autor jeglichen, über seine Person hinausgehenden, Anspruch bezüglich seines Werkes abzusprechen. Dieser Versuch ist einer von vielen, er kommt immerhin zu einem differenzierten Urteil und findet sich in Erwin Kobel: Georg Büchner. Das dichterische Werk. Berlin/New York, 1974, S. 7 – 18. Auch Hans Mayer begeht meiner Meinung nach denselben Fehler, wenn er in seiner dennoch sehr scharfsinnigen Analyse Büchner mit Danton gleichsetzt. Vgl. Hans Mayer: Georg Büchner und seine Zeit. Berlin, 1960, S. 182 – 207.

[40] Mit der Anwalt von Arras ist Robespierre gemeint und mit dem Genfer Uhrmacher der Kulturkritiker und Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der als Robespierres Vorbild und Ideengeber gilt. Vgl. dazu Walter Hinderer: Büchner-Kommentar. Zum dichterischen Werk. München, 1977, S. 91.

[41] Gerhard P. Knapp: Georg Büchner: Dantons Tod. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Frankfurt a. M., 1990, S. 62.

[42] Vgl. dazu auch Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 159f.

[43] Vgl. mit Der Hessische Landbote in Henri Poschmann (Hrsg.): Georg Büchner. Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente. Bd. 2: Schriften, Briefe, Dokumente. Frankfurt a. M., 1999, S. 484.

[44] Vgl. die Worte des Ersten Bürgers: Danton war unter uns am 10. August, Danton war unter uns im September. Wo waren die Leute, die ihn angeklagt haben? (GB, S. 97). Allerdings könnten die Argumente dieses Bürgers auch von Dantons Verteidigungsrede vor dem Revolutionstribunal (II,4) herrühren, was nichts anderes unterstreichen würde, als die Beeinflussbarkeit des Volkes: Ich habe [...] dem Königtume den Krieg erklärt, habe es am 10. August geschlagen [...] Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den zerstückten Leibern der Aristokraten geätzt. (GB, S. 84)

[45] „Nach der Lehre Rousseaus besteht der Sündenfall der Menschheit im Verlust einer angenommen ursprünglichen Einfalt und Unschuld des Menschen, die seine Tugend begründen. Als Folge dieses Sündenfalls, der mit der Entstehung des Privateigentums bezeichnet ist, erscheint die Fehlentwicklung der menschlichen Zivilisation mit ihren Lastern des Eigennutzes, der Habgier, der Verschwendung, des Luxus, der ungesunden Verfeinerung.“ Aus: Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 147f.

[46] Ein Schnupftuch zu besitzen, galt damals als Zeichen von Wohlstand. Vgl. H, S. 94.

[47] Darauf verweist ihre letzte Unterhaltung in III,6. Dort reden Collot und Barrère von Clichy und Demahy. In dem Ort nahe Paris sollen die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses Orgien gefeiert haben, an denen La Demahy, die Kurtisane von Barrère, beteiligt gewesen ist. Vgl. H, S. 118.

[48] Hans Mayer: Georg Büchner und seine Zeit. Berlin, 1960, S. 205.

[49] So meint etwa Gerhard Jancke, daß für Büchner die Dantonisten [...] genau die Prinzipien vertreten, die Büchner zeit seines Lebens bekämpft hat, und er deshalb auf der Seite [...] Robespierres steht, der wiederum die charakteristischen Züge von Büchners Revolutionstheorie verbildlicht. Aus: Gerhard Jancke: Georg Büchner. Genese und Aktualität seines Werkes. Kronberg/Ts., 1975, S. 183ff.

[50] Hans Mayer: Georg Büchner und seine Zeit. Berlin, 1960, S. 194.

[51] Hans Mayer: Georg Büchner und seine Zeit. Berlin, 1960, S. 200.

[52] Vgl. dazu das 1. Kapitel dieser Arbeit, als auch Fußnote 49.

[53] Alfred Behrmann/Joachim Wohlleben (Hrsg.): Georg Büchner: Dantons Tod. Eine Dramenanalyse. Stuttgart, 1980, S. 168.

Excerpt out of 215 pages

Details

Title
Georg Büchner – Dichter, Denker, Revolutionär
Subtitle
Analysen zu „Dantons Tod“, „Lenz“, „Leonce und Lena“ und „Woyzeck“
Authors
Year
2013
Pages
215
Catalog Number
V263197
ISBN (eBook)
9783656518952
ISBN (Book)
9783956870934
File size
1617 KB
Language
German
Keywords
georg, büchner, dichter, denker, revolutionär, analysen, dantons, lenz, leonce, lena, woyzeck
Quote paper
Thomas Haegeler (Author)Torsten Halling (Author)Angela Schaaf (Author)Christin Borgmeier (Author)Christian Hauck (Author)Maik Bubenzer (Author), 2013, Georg Büchner – Dichter, Denker, Revolutionär, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263197

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