So deutlich eine Verbindung zwischen dem zerrissenen, sich scheinbar auflösenden Realitätsbezug des Autors und der Dissoziation des Karl Tubutsch auszumachen ist, so verschwommen erscheint in einer solchen Ausdeutung die spezielle poetische Auseinandersetzung mit der auf den Autor einwirkenden Wirklichkeit. Erst eine literarische Betrachtung ermöglicht es, die Figur Karl Tubutsch als fiktionalen Ausdruck radikaler Form zu verstehen und dem Text das literarische Element des Erdachten zuzugestehen. Der zugrunde liegende Problemkomplex kann in seiner tiefgründigen Gesamtheit nur vollständig erhellt werden, wenn sich das literarische Subjekt vom realen löst und in seiner einzigartigen, literarischen Gestalt zur Kenntnis genommen wird.
So wird im Folgenden der Versuch unternommen werden, Karl Tubutsch als dissoziertes Ich zu analysieren. Die Figur wird dabei in den kultur- geschichtlichen Hintergrund eingegliedert, um sie als Sinnbild eines desillusionierten, von der rational-zivilisatorischen Wirklichkeit der Jahrhundertwende zerrissenen Menschen darzustellen.
Das Werk, das Albert Ehrenstein schlagartig zu einem Wortführer des Expressionismus gemacht hat, wird aus literarischer Perspektive zu betrachten sein. Der kunstvollen Entwicklung der weltfremden und haltlosen Persönlichkeit des Karl Tubutsch wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet und erhält den Vorzug gegenüber einer Herangehensweise, die den Text als selbstanalytischen Ausdruck des Autors liest und versteht.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Tubutsch im heimatlichen Exil
- 2.1 Vorüberlegungen zur Figur Karl Tubutsch
- 2.2 Eine Existenz in gesellschaftlicher Isolation
- 2.3 Der doppelte Widerstreit in der Psyche des Protagonisten
- 2.4 Fluchträume
- 3. Der strukturelle Spiegel
- 3.1 Die Figur im Spiegel der Struktur
- 3.2 Die fragmentarische Struktur als Ausdruck einer gesellschaftlichen Kritik
- 3.3 Der Zusammenhang von gebrochener Struktur und dissoziierter Wahrnehmung
- 4. Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Albert Ehrensteins Roman „Tubutsch“ aus literarischer Perspektive, indem sie die Figur des Karl Tubutsch als ein dissoziiertes Ich im Kontext der Jahrhundertwende und ihren gesellschaftlichen Umbrüchen betrachtet. Der Fokus liegt auf der Darstellung des Protagonisten als Ausdruck der Desillusionierung und Zerrissenheit des modernen Menschen in einer rational-zivilisatorischen Welt.
- Die Figur des Karl Tubutsch als Sinnbild für die Entfremdung und Isolation des Individuums in der modernen Gesellschaft
- Die Rolle der Struktur und Form des Romans als Ausdruck des zerfallenen Innenlebens des Protagonisten
- Die Kritik an den etablierten Ordnungen und gesellschaftlichen Normen der Jahrhundertwende durch die Komposition des Romans
- Die Verbindung zwischen der Dissoziation des Karl Tubutsch und der Auflösung traditioneller Denkformen in der Moderne
- Die literarische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit als Ausdruck radikaler Form
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die Figur des Karl Tubutsch als entwurzeltes Ich vor, das sich in einer zersplitterten Welt bewegt. Es wird die gesellschaftliche Situation der Jahrhundertwende beleuchtet und der Protagonist als ein Individuum charakterisiert, das den umfassenden Veränderungen der Moderne nicht gewachsen ist.
Kapitel 2.1 analysiert die Figur des Karl Tubutsch im Detail. Es wird gezeigt, wie er an die Umstände und Bedingungen seines Lebens ausgeliefert ist und sich in einer absoluten Beobachterposition befindet. Seine Isolation ist durch sein entleertes Innenleben bedingt.
Kapitel 2.2 beleuchtet die Isolation des Protagonisten und seine Desillusionierung von der Gesellschaft. Es wird gezeigt, wie er sich in einer „trotlosen Lage“ befindet und seine Leere als eine „vollständige, sozusagen planmäßige“ erlebt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Albert Ehrenstein, Tubutsch, Jahrhundertwende, Moderne, Dissoziation, Entfremdung, Isolation, gesellschaftliche Kritik, Struktur, Form, literarische Analyse, Expressionismus, Figur, Protagonist, Ich.
- Arbeit zitieren
- Reinhard Keßler (Autor:in), 2003, Zerfall von Figur und Struktur in Ehrensteins Tubutsch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26337