Lebenslagen im Alter: Soziale Arbeit mit pflegenden Angehörigen von Hochbetagten


Dossier / Travail de Séminaire, 2012

23 Pages, Note: 1,3


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

1 Lebenslage
1.1 Definition des Begriffs
1.2 Lebenslage als Zusammenspiel verschiedener Lebensräume

2 Belastungen pflegender Angehöriger
2.1 Objektive Belastungen und deren Auswirkungen
2.2 Die Bedeutung der subjektiven Belastungswahrnehmung
2.3 Kleine Gewinne

3 Allgemeine Auswirkungen auf die einzelnen Spielräume von pflegenden Angehörigen und Darstellung deren Lebenslage

4 Ansatzpunkte der Sozialen Arbeit zur Unterstützung pflegender Angehöriger
4.1 Beratung und Hilfen
4.2 Psychosoziale Beratung und Interventio

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr Hochbetagte, die von ihren Angehörigen im Eigenheim gepflegt werden. Pflegende Angehörige sind meist ein wichtiger Bestandteil im Leben eines zu Pflegenden. Sehr oft wird jedoch vergessen oder nicht erwähnt, welche Arbeit diese Menschen überhaupt leisten. Es ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit diese Leistungen auszuführen. Persönliche Bedürfnisse und die eigene Gesundheit leiden oft sehr darunter und werden teilweise vernachlässigt. Hierbei sollte die Soziale Arbeit die pflegenden Angehörigen, aber auch die Hochbetagten unterstützen und eine kompetente Hilfestellung bieten.

Die Seminararbeit beschreibt im ersten Kapitel den Begriff der Lebenslage und versucht diesen anhand von verschiedenen Spielräumen älterer Menschen zu erläutern. Im zweiten Kapitel setze ich mich mit den Belastungen der pflegenden Angehörigen auseinander, die entstehen können, wenn man rund um die Uhr seinen Angehörigen pflegt. Es wird unterschieden zwischen den subjektiven und den objektiven Belastungen, deren Auswirkungen ich erörtern werde. Das dritte Kapitel dieser Arbeit setzt sich mit den allgemeinen Auswirkungen auf die einzelnen Spielräume von pflegenden Angehörigen auseinander. Ich stelle deren Lebenslage anhand von einfachen Beispielen dar. Im letzten Kapitel werden verschiedene Ansatzpunkte der Sozialen Arbeit aufgezählt, die die pflegenden Angehörigen eines Hochbetagten unterstützen sollten. Wichtig sind hierbei die Punkte Beratung und Interventionsmöglichkeiten. Eine Vielzahl von Angehörigen ist immer noch nicht ausreichend über diverse Hilfsmöglichkeiten oder zentrale Anlaufstellen aufgeklärt und bei diesem Punkt sollte die Soziale Arbeit eingreifen. Mit dem Fazit und dem Literaturverzeichnis runde ich meine Seminararbeit ab.

„Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“

(Franz Kafka)

1 Lebenslage

1.1 Definition des Begriffs

Der Begriff Lebenslage kennzeichnet ein sozialwissenschaftliches Konzept, welches von unterschiedlichen Faktoren abhängig ist. Soziale, kulturelle und ökonomische Faktoren wirken sich auf das Leben von Individuen sowie auf Gruppen aus. Die Lebenslage kann einen Menschen beeinflussen und entwickeln, aber auch der Mensch kann auf die Lebenslage „einwirken und diese gestalten.“ (vgl. und Zitat Maelicke 2008, S. 643)

Ein hervorstechendes Merkmal des Begriffs Lebenslage ist seine Mehrdimensionalität. Es werden nicht nur die objektiven Dimensionen sondern auch die subjektiven Dimensionen mit einbezogen. In der Politikfeldanalyse spricht man häufig auch von dem „Lebenslagen-Konzept“. (vgl. Maelicke 2008, S. 644) Dieses theoretische Konzept wird oftmals von der Politik in der Armutsforschung verwendet, „um eine nur am Einkommen orientierte Armutsmessung zu erweitern in Richtung auf eine Erfassung von Unterversorgung in mehreren Bereichen wie Erwerbstätigkeit, Bildung, materiellem Lebensstandard, Wohnqualität, Gesundheit und weiteren Bereichen.“ (Zitat Maelicke 2008, S. 644) Hierbei ist beachtlich, dass auch Ressourcen wie Bildung und Gesundheit berücksichtigt werden. Dieses Konzept der Lebenslage lässt sich ursprünglich auf Otto Neurath zurückführen. Gerhard Weisser formulierte später den Begriff der Lebenslage als individuelle Handlungsspielräume, die von individuellen Einflüssen abhängig sind und nicht von beeinflussbaren strukturellen Faktoren. (vgl. Knab 1998, S. 252)

1.2 Lebenslage als Zusammenspiel verschiedener Lebensräume

Die Lebenslage misst sich u.a. an dem Haushaltseinkommen, weil man mit diesem Einkommen seine persönlichen Bedürfnisse befriedigt. Aber auch andere Dimensionen, wie zum Beispiel materielle und immaterielle, objektive und subjektive spielen eine wichtige Rolle (Einkommen, Gesundheit, Wohnumfeld etc.) (vgl. Maelicke 2008, S. 644) Ingeborg Nahnsen begreift unter Lebenslage eine Reihe Handlungsspielräume. Sie unterscheidet folgende Spielräume:

- Versorgungs- und Einkommensspielraum
- Kontakt- und Kooperationsspielraum
- Lern- und Erfahrungsspielraum
- Muße- und Regenerationsspielraum
- Dispositions- und Partizipationsspielraum

(nach Glatzer 2002, S. 606)

Der Versorgungs- und Einkommensspielraum schildert die persönliche, finanzielle Situation, wie viele Güter und Dienstleistungen ein Mensch in Anspruch nehmen kann und welchen Zugang ihm zu Ressourcen gewährleistet wird. Der Kontakt- und Kooperationsspielraum gewährt verschiedene Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion. Hierunter fallen Freunde, Bekannte, soziale Netzwerke etc. Möglichkeiten der Entfaltung und die Umsetzung von Interessen bietet der Lern- und Erfahrungsspielraum. Es kommt auf die Schulbildung und die berufliche Bildung an, um gewisse Angebote im Lernspielraum nutzen zu können. Ebenso spielt die soziale und die räumliche Umgebung eine wichtige Rolle. Der Muße- und Regenerationsspielraum bietet Möglichkeiten zum Ausgleich von psychischen und physischen Belastungen an. Der letzte Spielraum, den Ingeborg Nahnsen benennt, ist der Dispositions- und Partizipationsspielraum. In diesem Spielraum ist es bedeutungsvoll, dass man in unterschiedlichen Lebensbereichen mitbestimmen und mitentscheiden kann. (nach Glatzer 2002, S. 606)

In Hinsicht auf die Lebenslage alter Menschen hat Gerhard Naegele das Konzept von Ingeborg Nahnsen abgewandelt. Er unterscheidet folgende Spielräume zur Analyse der Lebenslage alter Menschen:

- Vermögens- und Einkommensspielraum
- Materieller Versorgungsspielraum
- Kontakt- und Kooperations- und Aktivitätsspielraum
- Lern- und Erfahrungsspielraum
- Muße- und Regenerationsspielraum
- Dispositions- und Partizipationsspielraum
- Spielraum informeller Unterstützung

(vgl. Naegele 1998, S. 106-128; Clemens & Naegele 2004, S. 387-402)

Die Spielräume können unter anderen ausschlaggebenden Faktoren auch weitergeführt werden. Man unterscheidet zwischen dem Geschlechterrollenspielraum, dem Schutz- und Selbstbestimmungsspielraum und dem Sozialbindungsspielraum. Weiterhin wird über sozialstaatliche Handlungsspielräume diskutiert, die aber in dieser Seminararbeit keine wesentliche Rolle spielen. (vgl. Hammer 2002, S. 376)

2 Belastungen pflegender Angehöriger

2.1 Objektive Belastungen und deren Auswirkungen

Immer mehr Angehörige pflegen ihre Eltern oder ihren Partner im Eigenheim. Bei der häuslichen Pflege unterscheidet man zwischen objektiven und subjektiven Belastungen. Wenn diese erkannt werden, sollte man als Angehöriger schnellstmöglich handeln, um seine eigene Gesundheit nicht zu gefährden. Besonders schwierig ist es für Angehörige, wenn sie einen Demenzkranken pflegen. Hinzu kommen psychische Belastungen, die mehrere Ursachen haben können. Pflegende Personen werden täglich mit der Situation ihrer zu pflegenden Angehörigen konfrontiert. Ausweglos erscheinende Lagen führen zu Selbstzweifeln, der Lage gewachsen zu sein. Es stellt sich zudem ein Gefühl der Bedrückung ein, vor allem wenn der gesundheitliche und geistige Zustand des zu pflegenden Angehörigen sich verschlechtert. Die mit der Pflege anvertrauten Angehörigen stehen dann vor der Situation, sich mit dem Sterben und dem Tod ihres Verwandten auseinandersetzen zu müssen. Letztendlich bleibt nur noch diese Option offen. „Pflegende Kinder erleben eine regelrechte Rollenumkehr. Die Eltern, die als stark und kompetent erinnert werden, die selbst bis ins hohe Alter noch Macht und Autorität besitzen, sind nun schwach und hilfsbedürftig. Statt Hilfe, Rat und Fürsorge zu geben, benötigen sie selbst Unterstützung.“ (Zitat Kauffeldt/Kühnert/Wittrahm 1995, S. 165)

Auch in der Kommunikation zwischen Pflegendem und dem zu Pflegenden kann es manchmal zu Auseinandersetzungen kommen. Ein Mensch, der an Demenz erkrankt ist, verhält sich anders. Er verändert sich und die geistigen und kognitiven Fähigkeiten nehmen verstärkend ab. Sprachstörungen, psychische Beeinträchtigungen und Schwerhörigkeit gehören zum Alltag. Besonders wenn die eigene Mutter oder Vater ihre Tochter oder Sohn nicht mehr erkennt, steigt die psychische Belastung beim Pflegenden an. Die objektiven Belastungen entstehen meistens, wenn man sich Gedanken über die Pflege des Angehörigen macht oder wenn man sich über seine eigene Pflegerolle nicht bewusst ist und sich Sorgen und Gedanken darüber macht, wie es nun weiter geht. Auswirkungen dieser psychischen Belastungen sind meist Depressionen, Schlafstörungen, Rückzug von Freunden und Bekannten, Gewissenskonflikte, Aggressivität etc. Die Ungewissheit, was in Zukunft auf den zu Pflegenden zukommen wird, begünstigt diese Belastungen. In solchen Fällen sollte man eine kompetente Beratung und Hilfe aufsuchen. (vgl. Gräßel 2009, S. 42 ff)

2.2 Die Bedeutung der subjektiven Belastungswahrnehmung

Angehörige, die einen Demenzkranken betreuen und pflegen leiden in der Regel sehr oft unter den subjektiven Belastungen. Sie werden tagtäglich mit dem Leiden und Sterben konfrontiert und stehen meist dem zu Pflegenden hilflos gegenüber. Die Durchführung der einzelnen Pflegemaßnahmen ist auf Dauer für einen Angehörigen sehr belastend und teilweise auch mit Schwerstarbeit verbunden. Die Angehörigen erbringen hier ein persönliches Opfer und dagegen muss und sollte dringend für eine Entlastung und Abhilfe gesorgt werden. (vgl. Kauffeldt/Kühnert/Wittrahm 1995, S. 165f) „Für dieses subjektive Belastungserleben sind die nichtkognitiven Krankheitssymptome von besonderer Bedeutung. Hier werden ängstliches Anklammern der Kranken, Unruhe, Stimmungsschwankungen und aggressive Durchbrüche genannt.“ (Zitat Gutzmann/Zank 2005, S. 154)

Diese subjektive Belastungswahrnehmung projiziert sich auch auf die Beziehungen innerhalb der übrigen Familienmitglieder oder auf die eigene Familie. Wenn eine Mutter ihren kranken Vater pflegt und im Eigenheim ebenfalls für ihre Kinder sorgen muss, dann wird sie in besonderer Weise sehr stark beansprucht. Die eigenen Kinder bemerken die Situation der Mutter, dass diese meist müde und abgespannt nach Hause kommt und vielleicht auch teilweise etwas gereizt wirkt. Die Fragen und Probleme der Kinder gehen eventuell unter. Ebenso können sich die Belastungen auch auf den Lebenspartner auswirken. Durch die tägliche Pflege des Angehörigen leiden auch die Freizeit, die Sexualität und die Privatsphäre. Die meisten Angehörigen eines zum Beispiel mittelschwer Erkrankten äußerten folgende vier Aspekte:

- „zu wenig Zeit für eigene Interessen
- Verringerung des Lebensstandards durch die Unterstützung/Pflege
- Erschwerte Bewältigung unterstützungs-/pflegeunabhängiger Aufgaben
- Sich nicht mehr von Herzen freuen können“

(Zitat Gräßel 2009, S. 44)

Die anhaltenden Belastungen können sich auch auf die gesamte Psyche der Pflegenden auswirken. Sie werden zunehmend depressiver und verstimmter, leiden an Schlafstörungen und Erschöpfung. Die Gesundheit leidet sehr darunter, was den meisten zu Pflegenden in diesem Augenblick nicht deutlich ist. (vgl. Gutzmann/Zank 2005, S. 157f) Die Auswirkungen in solch einer prekären Situation sind meist einschneidend:

Punkt I Die Beendigung der häuslichen Pflege und der Übergang in ein Heim

Wird die Belastung für den Angehörigen immer größer, besteht die Gefahr, dass die häusliche Pflege niedergelegt wird und der zu Pflegende in ein Heim kommt.

Punkt II Der Pflegestil

Der Umgang mit einem Demenzkranken ist häufig von körperlicher Gewalt und verbalen Angriffen geprägt. Je mehr die subjektive Belastung für den Angehörigen ansteigt, desto mehr neigt man dazu, negative Handlungsweisen zu äußern.

Punkt III Die eigene psychische und körperliche Lebenskraft

Angehörige bemerken in diesem Prozess, dass ihre körperliche und psychische Lebenskraft abnimmt und die körperliche Müdigkeit in den Vordergrund rückt. Am stärksten sind sie von Depressionen und körperlichen Schmerzsymptomen betroffen.

Punkt VI Gefahr auf das eigene frühzeitige Ableben (Mortalitätsrisiko)

Je stärker die Belastungen sich auf die Gesamtsituation des zu Pflegenden auswirken, desto größer besteht die Gefahr frühzeitig selbst zu sterben . (vgl. Gräßel 2009, S. 44ff)

2.3 Kleine Gewinne

Die Pflege eines Angehörigen bringt zwar sehr viele Belastungen mit sich, aber trotzdem werden durch sie „kleine Gewinne“ erzielt. Die zu Pflegenden sind meist sehr dankbar und schätzen die Arbeit, die ein Angehöriger für sie leistet. Ein paar nette Worte und liebe Gesten können dem Pflegenden eine Bestätigung vermitteln. Dadurch haben sie eine Aufgabe, die mitunter auch Spaß machen kann. Durch das Pflegen des eigenen Angehörigen sieht und erlernt man den Prozess des Alt-Werdens und kann dadurch eventuelle Ängste abbauen. Ebenso wird eine nicht so innige und stabile Beziehung zu dem Pflegenden hergestellt und verbessert. Schuldgefühle, die über Jahre vorhanden waren, können ausgeglichen werden. Auch die Aussicht auf bessere Netzwerke und finanzielle Unterstützung kann ein kleiner Gewinn in der Pflege eines Angehörigen sein.

[...]

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Lebenslagen im Alter: Soziale Arbeit mit pflegenden Angehörigen von Hochbetagten
Université
University of Applied Sciences Dortmund
Note
1,3
Auteur
Année
2012
Pages
23
N° de catalogue
V263971
ISBN (ebook)
9783656532545
ISBN (Livre)
9783656535249
Taille d'un fichier
510 KB
Langue
allemand
Mots clés
lebenslagen, alter, soziale, arbeit, angehörigen, hochbetagten
Citation du texte
Veronika Siegrist (Auteur), 2012, Lebenslagen im Alter: Soziale Arbeit mit pflegenden Angehörigen von Hochbetagten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263971

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