Warum halten Unternehmen Kasse?

Eine Analyse der Einflussfaktoren auf die Liquidität


Thèse de Bachelor, 2011

53 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Literatur: Theorie und Empirie
2.1. Transaktionskosten
2.2. Informationsasymmetrie und Agency Cost of Deb
2.3. Corporate Governance
2.4. Finanzielle Angespannthei
2.5. Steuern
2.6. Kreditlinien
2.6.1. Kreditlinien: Corporate Governance
2.6.2. Auflagen von Kreditlinien
2.6.3. Verwendung von Cash Holdings und Kreditlinien
2.7 Der Zeitvergleich
2.8. Zusammenfassung

3. Analyse
3.1. Studienspezifische Analyse
3.1.1.-2. Transaktionskosten und Informationsasymmetrie
3.1.3. Corporate Governance
3.1.4. Finanzielle Angespannthei
3.1.5. Steuern
3.1.6. Kreditlinien
3.1.7. Der Zeitvergleich
3.2. Studienübergreifende Analyse
3.3. Kurze studienübergreifende Darstellung des Themas anhand eines Beispiels

4. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

“Almost $40 Billion In Cash: What Is Apple Waiting For?” lautete eine Schlagzeile der Bloomberg Businessweek Anfang 2010.[1] Aktuell ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt.[2] Warum 40 Milliarden in Cash? Sind dem hochprofitablen Unternehmen die attraktiven Investitionsmöglichkeiten ausgegangen? Aus welchem Grund will Apple seine Eigentümer nicht durch Dividenden stärker an dem Erfolg teilhaben lassen? Wie dynamisch ist das Marktumfeld, für das 40 Milliarden Dollar für den Fall der Fälle als Risikoabsicherungen gerechtfertigt wären?

Cash Holdings verschaffen Liquidität. Das Thema ist nicht nur wegen den hohen Cash Holdings von Unternehmen wie Microsoft, GE und Apple aktueller denn je.[3] Einerseits wegen der Finanzkrise. Durch die eingeschränkte Kreditvergabe der Banken erschwerte sich die externe Finanzierung von Unternehmen dramatisch, mit negativen Folgen für die Realwirtschaft. Auch in der aktuellen Euroschuldenkrise wird befürchtet, dass die Banken ihre Kreditvergabe an die Unternehmen einschränken. Andererseits ist das Thema gerade nicht nur wegen der kurzfristigen Konjunkturzyklen bedeutend. Von 1980 bis 2006 stieg die durchschnittliche Höhe der Cash Holdings um ein halbes Prozent pro Jahr von 10,5% auf 23,2%.[4] Der Anstieg ist so enorm, dass erstmalig amerikanische Unternehmen im Durchschnitt in 2004, 2005 und 2006 alle ihre Verbindlichkeiten mit ihren Cash Holdings hätten begleichen können.[5]

Das Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, welche Faktoren die Höhe von Cash Holdings der Unternehmen beeinflussen.

Zur wissenschaftlichen Einordnung und zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes werden die wesentlichen drei Theorien, die Pecking Order, die Free Cash Flow und die Trade-Off Theorie, kurz erläutert.[6]

Die Pecking Order Theorie geht von einer Rangordnung der Finanzierung aus. Theoretische Grundlage sind die Kosten asymmetrischer Informationsverteilungen. Ein Unternehmen versucht sich zuerst über interner Finanzierung, dann über Fremdkapitalfinanzierung bis zur Eigenkapitalaufnahme als letzte Maßnahme zu finanzieren.[7]

Die Free Cash Flow Theorie vertritt die Annahme, dass das Management ein Interesse an der Akkumulation von Cash Flow hat. Cash Holdings können im Gegensatz zur Aufnahme von Fremdkapital diskreter verwendet werden.[8]

Die Trade-Off Theorie sieht die optimale Höhe der Cash Holdings im Schnittpunkt der marginalen Kosten der Cash Holdings und den marginalen Vorteilen, die aus einer Erhöhung der Cash Holdings entstehen.[9]

Diese Arbeit basiert im Wesentlichen auf der Trade-Off Theorie. Im Bereich Corporate Governance werden Auszüge der Free Cash Flow Theorie theoretisch aufgeführt, empirisch aber widerlegt.[10]

In 2. Literatur: Theorie und Empirie werden je nach Ansatz die verschiedenen Gründe für das Halten von Cash theoretisch aufgezeigt und empirisch begründet. Auch relativ neue Ansätze über Steuern und Kreditlinien werden behandelt. Alle Faktoren werden in Tabelle 4 zusammengefasst. In 3.1. Studienspezifische Analyse wird untersucht, wie valide die Studienergebnisse sind. Anschließend werden die Studien gegenübergestellt. Die Analyse schließt in 3.3. mit einem Beispiel, in dem die Sonderrolle großer, innovationsgetriebener Unternehmen in dynamischen Märkten erläutert wird.

2. Literatur: Theorie und Empirie

Ziel dieses Abschnittes ist es, die aktuellen Theorien der wissenschaftlichen Diskussion unter Berufung auf die vorhandene Literatur aufzuzeigen. Auf die jeweiligen empirischen Untersuchungen zur Verifikation der Theorien wird eingegangen. Bewusst wird im Literaturteil nicht mit Zahlen argumentiert, da dies einen Vergleich der verschiedenen Ansätze möglich machen würde. Ein Vergleich ist qualitativ, nicht quantitativ gegeben. Obwohl die jeweiligen Autoren sich meist auf amerikanische Großunternehmen fokussieren, benutzen sie nicht immer die gleichen Datensätze oder verwenden verschiedene Zeiträume.

Im Zuge dieser Arbeit werden die deutschen Begriffe „Barmittel“, „Geldmittel“ sowie „Kasse“ mit dem englischen Wort „Cash“ ersetzt. Analog hierzu werden „Zahlungsmittelbestände“ und „Kassenbestand“ mit Cash Holdings ersetzt. Auch werden Cash und Cash Holdings immer relativ zum Aktivum der jeweiligen Unternehmen verwendet. Ein Anstieg der Cash Holdings bedeutet, dass die Cash Holdings im Verhältnis zum Aktivum gestiegen sind. Daraus folgt, dass nicht unbedingt die Cash Holdings absolut gestiegen sind. Bei gleichbleibenden Cash Holdings kann sich auch das Aktivum reduziert haben.

2.1. Transaktionskosten

Ausgehend vom Modell des vollkommenden Kapitalmarktes würde ein Unternehmen kein Cash akkumulieren.[11] Per Definition gibt es auf diesem Markt keine Transaktionskosten und Informationssymmetrie. Deshalb ist eine Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte stets möglich.[12] Auch gibt es keinen Vorteil über die Verfügbarkeit von Cash, also keine Liquiditätsprämie. Eine direkte Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte ist jederzeit möglich. Aufgrund von Opportunitätskosten würde Cash nicht akkumuliert, sondern am vollkommenen Kapitalmarkt angelegt werden. Zum gleichen Zinssatz kann von diesem Markt Cash aufgenommen werden, wenn es im Unternehmen benötigt wird. In diesem Modell würden unabhängig von der Finanzierung alle kapitalwertpositiven Projekte finanziert werden.[13] Die Kapitalstruktur hat keinen Einfluss auf den Unternehmenswert.[14]

Da es in der Realität Transaktionskosten gibt, gibt es keinen vollkommenen Kapitalmarkt.Hauptgrund für das Halten von Cash Holdings ist aus theoretischer Sicht die Verringerung oder Vermeidung der Transaktionskosten.[15] Bei akuten Liquiditätsengpässen muss ein Unternehmen entweder die Ausgaben senken oder einen Zahlungsmitteleinfluss bewirken. Direkte Ausgabensenkungen sind durch Unterlassung oder Senkung der Ausschüttung an die Eigentümer möglich. Diese Alternative ist zeitlich nur begrenzt möglich. Gleichzeitig werden Dividendenkürzungen vom Kapitalmarkt meist durch eine Reduzierung des Aktienkurses und somit des Unternehmenswertes bestraft.[16] Die Unterlassung von kapitalwertpositiven Projekten ist eine weitere Möglichkeit der direkten Ausgabensenkung. Diese Alternative stellt einen Opportunitätsverlust dar. Der Opportunitätsverlust ist umso höher, je rentabler die unterlassenen Projekte wären. Cash Inflow kann durch den Verkauf von Vermögensgegenständen oder der Aufnahme von externem Kapital erhöht werden. Beide verursachen Transaktionskosten. In der Regel bevorzugen Unternehmen in dieser Situation die externe Finanzierung, weil diese Variante meist die kostengünstigere ist. Transaktionskosten bei der Aufnahme von externem Kapital haben eine fixe und eine variable Komponente. Fixe Transaktionskosten sind beispielsweise Opportunitätskosten für den Aufwand der Beantragung und der Verhandlung des Kredites. Variable Transaktionskosten können als Differenz zwischen Haben- und Sollzinssatz interpretiert werden. Ein Grund für Cash Holdings bei Unternehmen ist, dass dadurch weniger aber höhere Kredite aufgenommen werden, wodurch die Fixkosten der Kreditaufnahme minimiert werden. Cash zu halten stellt aber auch Opportunitätskosten dar. Mit dem Cash können beispielsweise Dividenden erhöht, Verbindlichkeiten verringert, kapitalwertpositive Projekte finanziert oder am Kapitalmarkt investiert werden. Unternehmen werden den Schnittpunkt von marginalem Vorteil durch Risikoverminderung und marginalen Opportunitätskosten der Haltung von Cash anstreben. Das Risiko eines Liquiditätsengpasses ist mit steigender Volatilität des Cash Flows höher. Abbildung 1 zeigt grafisch die marginale Kostenkurve des Liquiditätsmangels und die marginale Kostengerade der Cash Holdings.

Theoretisch müsste sich zeigen, dass Unternehmen relativ zu anderen Unternehmen weniger Cash halten, wenn die Kapitalaufnahme relativ einfach und günstig ist. Das ist gegeben, wenn die Unternehmen Zugang zu einem höher entwickelten Kapitalmarkt oder einen besseren Zugang zum gleichen Kapitalmarkt haben, beispielsweise durch ein Kreditrating. Wenn sie mit geringeren Kosten Dividenden verringern oder Vermögensgegenstände verkaufen können, sind Cash Holdings weniger attraktiv. Cash Holdings dienen zur Absicherung von Risiken. Folglich sollten Unternehmen mit einem volatileren Cash Flow mehr Cash akkumulieren. Dieses Risiko lässt sich zum Teil durch Finanzmarktinstrumente verringern. Deshalb würden Unternehmen weniger Cash halten, wenn sie diese Instrumente auch effizient nutzen können. Hat ein Unternehmen attraktivere Investitionsmöglichkeiten als ein anderes, würde es mehr Cash halten. Denn so kann es diese Investitionsmöglichkeiten trotz beispielsweise Kapitalmarktfriktionen auch realisieren. Attraktive Investitionsmöglichkeiten und damit Wachstumspotential werden durch das Marktwert-/Buchwert-Verhältnis gemessen. Eine Kapitalmarktfriktion ist, wenn ein Unternehmen für ein kapitalwertpositives Projekt kein externes Kapital von Banken erhält. Je geringer die Dauer der Bindung liquider Mittel im Unternehmen, desto geringer sollte das Verhältnis der liquiden Mittel zu den Vermögenswerten sein. Relativ zu ihren Anlagevermögen gesehen würden große Unternehmen aufgrund von Skaleneffekte weniger Cash halten als kleinere. Die Höhe der zu zahlenden Zinsen auf geliehenes Kapital würde einen Einfluss auf die Höhe der Cash Holdings haben, da sie die Opportunitätskosten bestimmen. Empirisch sind die Theorien bestätigt. Die einzige Ausnahme ist die Nutzung von Finanzmarktinstrumenten zur Risikoabsicherung. Empirisch kann kein Einfluss nachgewiesen werden.[17]

Die Trade-Off Theorie kann theoretisch keine klare Aussage über den Einfluss des Verschuldungsgrades auf die Cash Holdings machen. Einerseits ist für Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad die externe Finanzierung schwerer. Aus dem Grund bevorzugen sie größere Reserven an Cash. Andrerseits werden Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad eine Verringerung der Verschuldung einer Erhöhung der Cash Holdings vorziehen. Empirisch bewiesen ist, dass es einen starken negativen Zusammenhang zwischen dem Grad der Unternehmensverschuldung und der Höhe der Cash Holdings gibt.[18]

2.2. Informationsasymmetrie und Agency Cost of Debt

Informationsasymmetrie wird in der Regel von den Gläubigern antizipiert. Diese verlangen einen Aufschlag, um die möglichen Verlust aus der Informationsasymmetrie zu kompensieren. Das verteuert externes Kapital für Unternehmen und macht Cash zu halten relativ gesehen attraktiver. Für finanziell stark angespannte Unternehmen ist es sinnvoll Cash zu akkumulieren statt die Schulden zu verringern. Denn falls benötigt bekommt das Unternehmen den Betrag, um den es seine Schulden verringert, nicht mehr im gleichen Umfang oder nur zu teureren Konditionen für kapitalwertpositive Projekte zur Verfügung gestellt, oder es muss Eigenkapitalerhöhungen durchführen. Diese Option ist zeitintensiv, außerdem muss auf die verschiedenen Interessen der Eigentümer eingegangen werden.[19]

Finanzielle Angespanntheit erhöht die Agency Costs of Debt. Damit sind Kosten gemeint, die durch die divergierenden Interessen zwischen verschiedenen Klassen von Gläubigern und Eigentümern entstehen. Die Akquisition von Kapital wird erschwert. Eigentümer haben ein Interesse daran, dass das Unternehmen kapitalwertpositive Projekte realisiert. Ist ein Unternehmen insolvenzgefährdet, werden sich die Eigentümer nicht zur Finanzierung solcher Projekte bereiterklären wenn dadurch hauptsächlich die Gläubiger profitieren. Umgekehrt könnten divergierende Interessen verschiedener Gläubigergruppen eine Neuverhandlung der Schulden zur Rettung des Unternehmens erschweren bis unmöglich machen. Je höher die Agency Costs of Debt, desto höhere Cash Holdings sollte ein Unternehmen halten.[20]

2.3. Corporate Governance

Dieser Ansatz ist eng mit dem der Informationsasymmetrie verbunden. Eigennütziges Verhalten des Managements ist nur unter Informationsasymmetrie bedeutend. Bei Informationssymmetrie hat das Management keine Möglichkeit sich eigennützig zu Verhalten, da die Eigentümer direkt informiert sind und gegebenenfalls das Management sanktionieren. In diesem Ansatz wird theoretisch zum Teil mit Auszügen der Free Cash Flow Theorie argumentiert.

Dieser Ansatz ist relevant, da die Wahl des Managements zwischen ex- und interner Finanzierung Einfluss auf die Höhe der Cash Holdings hat. Cash bietet Managern Diskretion in der Verwendung, da es im Gegensatz zu externen Kapital unbedingt verwendet werden kann.[21] Eigennützig agierende Manager können mit Cash eher nach ihren eigenen Interessen Projekte finanzieren.[22] Das sind zum Teil Projekte, welche nicht im Einklang mit den Interessen der Eigentümer stehen oder wofür kein Gläubiger zur Finanzierung bereit wäre. Verstärkende Faktoren sind etwa, wenn die Aktien eines Unternehmens zum allergrößten Teil in Streubesitz sind, denn viele verschiedene Aktionäre haben verschiedene Interessen. Dadurch werden Aktionen der Aktionäre gegen schlechtes Management des Vorstandes erschwert. Hat das Unternehmen wenige Schulden, führt dies zu einer geringeren Überwachung seitens der Gläubiger.

Im Corporate Governance Ansatz werden die folgenden drei Hypothesen von Harford, et al. (2008) untersucht:

Die Flexibilitätshypothese geht davon aus, dass das Management in t0zwischen höherer Investition in t0oder mehr Flexibilität durch höhere Cash Holdings in t1abwägt. Das Management hat einen Anreiz, Cash zu halten statt sich unter Auflagen über externes Kapital zu finanzieren. Eine weniger effektive Überwachung des Managements seitens der Eigentümer würde zu höheren Cash Holdings im Unternehmen führen.[23]

Die Ausgabenhypothese geht davon aus, dass ein relativ schlecht kontrolliertes Management bereits akkumulierte Cash Holdings versucht zur schnellen Unternehmensvergrößerung, meist durch Übernahmen, auszugeben. Das Management präferiert deshalb, in t0auszugeben statt in t1mehr investieren zu können. Es wird davon ausgegangen, dass dieses Verhalten den Unternehmenswert nicht optimal steigert oder sogar mindert.[24]

Die Eigentümerkontrollhypothese geht davon aus, dass einem effektiv kontrollierten Management seitens der Eigentümer erlaubt wird, mehr Cash zu halten. Die Eigentümer erlauben das, weil sie zum einen die Verwendung der Cash Holdings besser überwachen können. Zum anderen, weil so das Unternehmen trotz zu teurer externer Finanzierung in t1kapitalwertpositive Projekte aus den Cash Holdings finanzieren kann. Dieser Ansatz unterstellt somit, dass relativ höhere Cash Holdings unternehmenswertsteigernder sind.[25]

Empirisch wird die Ausgaben- und die Eigentümerkontrollhypothese bestätigt.[26] Unternehmen mit schwacher Corporate Governance halten niedrigere Cash Holdings. Die Ausgaben konzentrieren sich dabei auf Unternehmensübernahmen und Investitionen in Anlagevermögen. Weniger wird in Forschung und Entwicklung investiert, da diese Ausgaben eher lang- als kurzfristig wirken. Dabei ist dieses Verhalten bei gering kontrolliertem Management nicht optimal, da die Ausgaben zum Teil unternehmenswertreduzierend sind. Die zukünftige Flexibilität aus höheren Cash Holdings würde den Unternehmenswert steigern. Anreize für das Management werden falsch gesetzt: Eine Studie zeigt, dass die Bezüge des Managements nach großen Investitionsausgaben und Unternehmensübernahmen steigen, auch wenn sich dadurch der Unternehmenswert verringert.[27] Die Flexibilitätshypothese ist konträr zur Ausgabenhypothese. Erstere sagt bei schwacher Managementüberwachung höhere, letztere niedrigere Cash Holdings voraus. Unternehmen mit schwach überwachtem Management halten weniger Cash. Deshalb wird die Ausgabenhypothese in der Studie bestätigt. Daraus folgt, dass die Flexibilitätshypothese abgelehnt wird. Dittmara, et al. (2007) kommen zu gleichen Ergebnissen: Cash Holdings sind in Unternehmen mit guter Corporate Governance signifikant unternehmenswertsteigernder als unter schlechter. Gute Corporate Governance hat einen positiven Einfluss auf die Profitabilität und korrelieren positiv mit den Cash Holdings.

Mit der Studie konsistent sind auch die Ergebnisse zur Managementbeteiligung am Unternehmen. Um die Interessen des Managements den Interessen der Eigentümer anzupassen, werden oft Manager am Unternehmen beteiligt. Diese Beteiligungen können Manager dahingehend beeinflussen, indem sie entweder weniger Cash halten oder risikoaverser werden und deshalb mehr Cash horten als optimal. Die Studie zeigt, dass die Managerbeteiligung zu einer effizienteren Allokation der Cash Holdings führt. Unternehmen mit höherer Managementbeteiligung sind signifikant profitabler und halten höhere Cash Holdings.[28]

Für Analysen im Bereich Corporate Governance wird oft die Übernahmewahrscheinlichkeit verwendet.[29] Diese ist je nach Gesetz von Land zu Land unterschiedlich. Eine hohe Übernahmewahrscheinlichkeit kann als eine externe Kontrolle über das Management interpretiert werden, denn bei einer Übernahme wird in der Regel das Management ausgewechselt. Manager haben also einen Anreiz, dass ihr Unternehmen nicht übernommen wird. Eine Unternehmensübernahme ist dann attraktiv, wenn sich der Unternehmenswert relativ leicht durch das Auswechseln eines eigennützig agierenden Managements erhöhen lässt. Je wahrscheinlicher die Übernahme, desto weniger Cash kann das eigennützig handelnde Management akkumulieren. Zum einen sind zu hohe Cash Holdings ein Indiz für Ineffizienz des Managements. Zum anderen können die Cash Holdings nach der Übernahme zur Finanzierung dieser Übernahme verwendet werden. Hohe Cash Holdings bieten also eine Übernahmeanreiz.[30] Je größer ein Unternehmen ist und je strenger das Übernahmerecht, desto schwieriger die Übernahme. Die Unternehmensgröße hat einen Einfluss auf die Übernahmewahrscheinlichkeit, da große Unternehmen die Politik besser zur Abwehr nutzen können als kleinere. Ebenfalls müssen zum Kauf großer Unternehmen mehr Ressourcen aufgebracht werden.

2.4. Finanzielle Angespanntheit

Finanziell angespannte Unternehmen sind solche, welche Schwierigkeiten bei der ex- und internen Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte haben.[31] Theoretisch ist über einen effizienten Kapitalmarkt immer die Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte möglich.[32] Kapitalmarktfriktionen können es für ein Unternehmen zu teuer oder unmöglich machen, zur gewünschten Zeit Kredite für wertsteigernde Projekte vom Kapitalmarkt zu erhalten.[33] Die Kosten dieser Friktion für das Unternehmen ist der entgangene Opportunitätsgewinn bei Realisierung der Projekte. Ein Grund, warum Unternehmen Cash halten, ist also um die Kosten von Kapitalmarktfriktionen zu minimieren. Die Möglichkeit, sich intern durch Cash Flow oder Cash Holdings zu finanzieren, erlaubt es dem Unternehmen, beim Auftreten einer Kapitalmarktfriktion weiter kapitalwertpositive Projekte zu realisieren. Somit stellt die Akkumulation von Cash für finanziell angespannte Unternehmen eine unternehmenswertsteigernde Aktion dar.[34] Empirische Studien belegen, dass Cash Holdings verstärkt von Unternehmen akkumuliert werden, welche sich weniger aus Cash Flow finanzieren können.[35] Auch Unternehmen mit größeren Schwierigkeiten, externes Kapital aufzunehmen, akkumulieren mehr Cash.[36] Empirisch gibt es eine positive Korrelation zwischen Cash Holdings und Nettoinvestitionen in finanziell angespannten Unternehmen.[37]

Angenommen, kleinere Unternehmen sind jünger und relativ unbekannter. Weniger häufige Analystenbewertungen dieser Gruppe von Unternehmen führt zu steigernder Informationsasymmetrie zwischen Management und Kapitalgebern. Kleine Unternehmen sind dadurch anfälliger für Kapitalmarktfriktionen.[38]

Cash Holdings besitzen für finanziell angespannte Unternehmen einen höheren Wert.[39] Sie stellen die Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte in der Zukunft sicher.[40] Diese Projekte sind in der Regel marginal rentabler als bei finanziell nicht angespannten Unternehmen. Das sind solche, welche sich im Verhältnis leicht extern über den Kapitalmarkt oder intern über ihren Cash Flow finanzieren können.[41] Denn Unternehmen werden so viel investieren wollen, bis die erwartete marginale Rentabilität der Projekte den marginalen Zinskosten zu dessen Finanzierung entspricht. Finanziell angespannte Unternehmen zahlen höhere Zinsen, weshalb ihre marginalen realisierbaren Projekte ceteris paribus höhere Netto-Rentabilität vorweisen. Die Finanzierung über Cash Holding ermöglicht es finanziell angespannten Unternehmen, diese höhere Rentabilität abzuschöpfen.[42]

Trotz der oben genannten Vorteile halten nicht alle finanziell angespannte Unternehmen Cash zur ausreichenden Finanzierung kapitalwertpositiver Projekte. Die empirische Studie zeigt, dass diese Unternehmen den zu geringen Cash Flow vollständig zur laufenden Finanzierung nutzten. Deshalb können sie kein Cash akkumulieren. Durchschnittlich verringern sich die Cash Holdings im Betrachtungszeitraum. Diese Unternehmen sind meist insolvenzgefährdet. Auch wenn sie externes Kapital aufnehmen, reicht dies nicht aus, um alle kapitalwertpositiven Projekte zu realisieren.[43]

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass finanzielle Angespanntheit nicht in direkter Verbindung mit dem Verschuldungsgrad steht.[44] Der Verschuldungsgrad wird in der Literatur als eine Proxy-Variable für die Möglichkeit verwendet, externes Kapital aufzunehmen.[45]

2.5. Steuern

Dieser Ansatz versucht über steuerliche Anreize die Höhe von Cash Holdings zu erklären. Im Folgenden wird untersucht, ob das amerikanische Steuerrecht Einfluss auf die Cash Holdings amerikanischer international agierender Unternehmen hat. Die Hypothese ist, dass durch die Anreize, Gewinne im Ausland zu belassen, die Cash Holdings in der Muttergesellschaft sinken. Wenn ausländische Cash Holdings für amerikanische Unternehmen Substitut für inländische Cash Holdings sind, muss letztere in ihrer Höhe sinken.

[...]


[1] Vgl. Hesseldahl, (2010).

[2] Vgl. Bilton, (2011).

[3] Vgl. Ovide, (2011).

[4] Vgl. Bates, et al., (2009), S. 1985.

[5] Vgl. ebenda, 1986.

[6] Vgl. Ferreira, et al., (2004), S. 298 ff.

[7] Vgl. Myers, et al., (1984).

[8] Vgl. Jensen, (1986).

[9] Vgl. Ferreira, et al., (2004), S. 298 f.

[10] Tabelle 1 stellt die Theorien und die Auswirkung verschiedener Variablen auf die Cash Holdings dar.

[11] Vgl. hier und im Folgenden Opler, et al., (1997) S. 4 f.

[12] Projekte werden in der Arbeit im weitesten Sinne aufgefasst und können die Form von Unternehmenskäufen, Investitionen in Forschung und Entwicklung, effizienzsteigernde Umstrukturierungen usw. annehmen.

[13] Vgl. Modigliani, et al., (1958), S. 288 ff.

[14] Vgl. Kraus, et al., (1973).

[15] Vgl. hier und im Folgenden Opler, et al., (1997) S. 6 f.

[16] Vgl. Jensen, (1986), S.324.

[17] Vgl. Opler, et al., (1997), S. 18 ff. und Ferreira, et al., (2004).

[18] Vgl. Opler, et al., (1997), S. 20 und Ferreira, et al., (2004), S. 301 f.

[19] Vgl. Myers, et al., (1984) und Opler, et al., (1997), S. 9.

[20] Vgl. Jensen, (1986), S. 324 und Opler, et al., (1997), S. 9 ff.

[21] Vgl. hier und im Folgenden Opler, et al., (1997), S.11 ff.

[22] Als Beispiel für eigennütziges Managerverhalten kann die Anschaffung eines Firmenjets oder einer Firmenjacht verstanden werden. Auch Unternehmenskäufe aus Prestige oder gehaltssteigernden Gründen (sogenanntes Empire Building) sind eigennütziges Managerverhalten.

[23] Vgl. Jensen, (1986).

[24] Vgl. Stulz, (1990).

[25] Vgl. Stulz, (1990).

[26] Vgl. hier und im Folgenden Harford, et al., (2008), S. 543 f.

[27] Vgl. ebenda.

[28] Vgl. ebenda.

[29] Vgl. hier und im Folgenden Opler, et al., (1997), S.11 ff.

[30] Ein Artikel von Kaiser (2010) dient als gutes Beispiel: Die Übernahme des weitgehend schuldenfreien Unternehmens Hochtief durch das spanische, mit dem 4,5 fachen des Jahresumsatzes relativ stark verschuldeten Unternehmens ACS. Hochtief wurde in den Medien oft dargestellt als solides Unternehmen, welches zur Bilanzsanierung von ACS gekauft wird. ACS hat zwar hohe Schulden, die erklären sich aber durch ein starkes profitables Wachstum. Die Eigenkapitalrentabilität liegt bei ACS bei rund 45%, bei Hochtief sind es nur 8%. So sieht sich ACS als ein Unternehmen, welche besonders viel Wert für seine Aktionäre geschaffen hat. Das Geschäftsmodell vom starken, teils schuldenfinanzierten und profitablem Wachstum auf Hochtief zu übertragen würde für ACS den Wert beider Unternehmen steigern. Die Übernahme wird durch die Abwesenheit von Ankeraktionären vereinfacht.

[31] Vgl. hier und im Folgenden Denis, et al., (2009).

[32] Vgl. Modigliani, et al., (1958), S. 288 ff. und Opler, et al., (1997), S. 4 f.

[33] Vgl. Denis, et al., (2009), S. 255 f.

[34] Vgl. ebenda, S. 255.

[35] Vgl. Almeida, et al., (2004), Acharya, et al., (2007) und Denis, et al., (2009), S. 253 ff.

[36] Vgl. Almeida, et al., (2004) und Denis, et al., (2009).

[37] Vgl. Denis, et al., (2009), S.253 ff.

[38] Vgl. ebenda, S. 251 f.

[39] Vgl. Faulkender, et al., (2006) und Acharya, et al., (2007).

[40] Vgl. hier und im Folgenden Denis, et al., (2009), S .253 ff.

[41] Vgl. ebenda.

[42] Vgl. ebenda.

[43] Vgl. ebenda, S. 249 und S. 261 ff.

[44] Vgl. ebenda, et al., (2009), S. 251 ff.

[45] Vgl. Ferreira, et al., (2004), S. 299.

Fin de l'extrait de 53 pages

Résumé des informations

Titre
Warum halten Unternehmen Kasse?
Sous-titre
Eine Analyse der Einflussfaktoren auf die Liquidität
Université
University of Trier  (Lehrstuhl für Unternehmensfinanzierung und Kapitalmärkte)
Note
2,0
Auteur
Année
2011
Pages
53
N° de catalogue
V264267
ISBN (ebook)
9783656558835
ISBN (Livre)
9783656558804
Taille d'un fichier
1696 KB
Langue
allemand
Mots clés
warum, unternehmen, kasse, cash, management, liquiditätsmanagement, einfluss, transaktionskosten, informationsasymmetrie, corporate, governance, angespanntheit, steuern, kreditlinien
Citation du texte
Simon Knieps (Auteur), 2011, Warum halten Unternehmen Kasse?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264267

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