Migration und Integration in der Kronen Zeitung und in der Zeit im Bild. Eine quantitative und diskursanalytische Studie


Mémoire (de fin d'études), 2013

211 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Teil I - Theoretische Grundlagen
1. Einleitung
1.1. Eigenes Interesse am Thema
2. Geschichte der Migration und Integration in Österreich
2.1. Die Zeit ab 1945
2.2. Die Zeit ab 1955
2.3. Die Zeit ab 1970
2.4. Die Zeit ab 1990
2.5. Die Zeit ab 2000
3. Migration und Integration: eine Diskussion
3.1. Integration - ein aktueller oder doch veralteter Wortgebrauch?
3.2. Die Notwendigkeit von Migration und Integration in Österreich
3.3. Der wechselseitige Prozess wird einseitig: Leistung und Sprachkenntnisse als Integrationsvoraussetzung
3.4. Die Schwierigkeit der politischen Trennung von MigrantInnen und AsylantInnen
3.5. Von der (Re-)Produzierung stereotypischer Bilder und den nicht zielführenden Diskursen
4. Vorurteil und Kategorisierung
5. Fremdenfeindlichkeit
5.1. Keine Dialogbereitschaft
5.2. Abwehr von Empathiegefühlen
5.3. Festgefahrene und negative Vorurteile
5.4. Absprechen von „Menschlichkeit“
5.5. Zwanghafte Benötigung für ein notdürftiges inneres Gleichgewicht
5.6. Verleugnung der Verbundenheit mit dem Feindbild

Teil II - Medienanalyse
1. Forschungsfrage
1.1. Hypothesen
2. Untersuchungsgegenstand
2.1. Kronen Zeitung
2.2. Zeit im Bild (ZIB)
3. Beschreibung der Methode
3.1. Analyseprozess und -zeitraum des Printmediums „Kronen Zeitung“
3.2. Analyseprozess und -zeitraum der Informationssendung „Zeit im Bild“
3.3. Beweggründe meiner Auswahl
3.3.1. Kronen Zeitung
3.3.2. Zeit im Bild
4. Analyse: Kronen Zeitung
4.1. Der kriminelle Migrant
4.2. Der kriminelle Asylant
4.3. Statistiken als Panikmache
4.3.1. Kriminalstatistiken
4.3.2. Statistiken über Anstieg der Anzahl von Asylanten
4.4. Die Migrantin
4.4.1. Intensität
4.4.2. Identifikation
4.4.3. Relevanz
4.4.4. Handlungsniveau
4.4.5. Die visuelle Darstellung
4.4.6. Herkunftsländer
4.4.7. Themenfelder/Typologien der medialen Darstellung
4.4.7.1. Die Unerwünschte
4.4.7.2. Die Prominente
4.4.7.3. Das Opfer
4.4.7.4. Die migrantische Frau in der Politik
4.5. Jugendliche mit Migrationshintergrund als Problemfall
4.6. Von aggressiven und fremdenfeindlichen Leserbriefen
4.6.1. Mögliche rechtliche Maßnahmen
4.7. Sonstige Darstellungen von Migration, Integration und MigrantInnen
4.7.1. MigrantInnen und ihre Heldentaten
4.7.2. Politik zum Thema Migration und Integration
4.7.3. Die erfolgreich Integrierten
4.8. Untersuchungsergebnisse der Kronen Zeitung und Überprüfung der Hypothesen
5. Analyse: Zeit im Bild
5.1. Migration und Integration
5.1.1. ZIB vom 14.01.2012: Informationen für Zuwanderer
5.1.2. ZIB vom 14.02.2012: Kurzmeldung über Einbürgerungszahlen
5.2. MigrantInnen am österreichischen Arbeitsmarkt
5.2.1. ZIB vom 11.01.2012: Öffnung des Arbeitsmarktes für osteuropäische EU- Länder
5.2.2. ZIB vom 24.01.2012: MigrantInnen arbeiten unter ihrer Qualifikation und werden unter ihrem Wert bezahlt
5.2.3. ZIB vom 20.02.2012: Jeder fünfte Migrant ohne Ausbildung
5.3. Asylanten und -politik
5.3.1. ZIB vom 03.01.2012: Zahl der Asylanträge und das Taschengeld der Asylanten
5.4. ZIB über die Politikführung der FPÖ
5.4.1. ZIB vom 21.01.2012: Neujahrstreffen der freiheitlichen Partei
5.5. Untersuchungsergebnisse der ZIB und Überprüfung der Hypothesen
6. Aussicht

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Grafikverzeichnis

ZIB-Transkription der relevanten Zeit im Bild-Sendungen

DANKSAGUNG

Eine Abschlussarbeit schreibt sich nicht allein, weshalb ich mich ganz herzlich auf dieser Seite bei den Unterschtützern und Helfern bedanken möchte. Diese Diplomarbeit soll deshalb jenen Menschen gewidmet sein, die mir im Entstehungszeitraum einen starken emotionalen Rückhalt gegeben haben: Meinem Mann Thomas, meiner Mama Elli und ihrem Mann Walter.

Aus meinem Freundeskreis danke ich besonders Nuri und Marty für die vielen anregenden Diskussionen und aufmunternden Worte.

Bedanken möchte ich mich auch bei Ao. Univ.-Prof.in Dr. Brigitte Hipfl für die sehr gute Betreuung und die präzise Durchsicht meiner Arbeit.

Nicht zuletzt danke ich auch meinem Chef, Dr. Karl-Peter Hasch, der während meines gesamten Studiums Rücksicht auf meinen Uni-Stundenplan genommen hat.

1. Einleitung

Mit Stichtag 1.1.2013 lebten in Österreich insgesamt 8.451.860 Menschen. Davon waren 1.004.268 mit Migrationshintergrund. Dies entspricht 11,9 % der in Österreich gesamt lebenden Bevölkerung. Im Jahr 2012 wanderten insgesamt 140.400 Personen nach Österreich ein, während im selben Jahr 96.600 das Land verließen.1

Durch Globalisierungsprozesse der Ökonomie und der weltweit massenhaft entstandenen Konfliktherde ist in den letzten Jahren in Österreich das Thema der Migration und Integration als gesamtgesellschaftlicher Bereich verstärkt in den politischen und medialen Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Das beweist zum Beispiel die Gründung eines eigenen Staatssekretariats, dessen im Jänner 2010 eingeführter Nationaler Aktionsplan (NAP), Expertenrat, Integrationsbeirat und die Ernennung des Staatssekretärs Sebastian Kurz im April 2011. All diese Maßnahmen waren wichtige und notwendige erste Schritte und Versuche für eine weniger emotional und mehr sachlich geführte Integrationspolitik. Vor allem aber übernehmen Medien beim (Re-)Präsentieren dieses Themas eine zentrale Rolle, denn sie sind keinesfalls nur „´neutrale Berichterstatter´, sondern können“ durch Verwendung bestimmter Bilder und Symbole „an gesellschaftlichen Bemühungen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund mitwirken, aber auch desintegrative Tendenzen in einer Gesellschaft verstärken.“ (Dorer/Marschick 2006: 24)

Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, wie, in welchem Zusammenhang und wie oft österreichische Mainstreammedien die Thematik der Migration und Integration (re-)präsentieren.

Um die gegenwärtigen Migrationsprozesse in Österreich besser verstehen zu können, bietet das zweite Kapitel dieser Arbeit - hauptsächlich Rainer Bauböck, Gabriele Stieber und August Gächter folgend - einen Überblick über die Einwanderungsgeschichte ab dem Jahr 1945.

Die Frage der Migration und Integration wird nach wie vor sehr emotional diskutiert. Beide Begriffe beinhalten unendlich viele Themengebiete und deshalb wird im dritten Kapitel dieser wissenschaftlichen Arbeit versucht, diese anhand unterschiedlicher Sichtweisen zu beleuchten, um begreiflich zu machen, wovon die Rede ist, wenn über Migration und Integration debattiert wird.

Was die negative Einstellung gegenüber MigrantInnen betrifft, ist Österreich im Ranking trauriger Spitzenreiter, so die im Jahr 2012 veröffentlichte European Value Study der Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger und des Statistikers Gilg Seeber.2 Für diese Studie wurden über 67.000 Personen aus insgesamt 45 Ländern befragt. Dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nach wie vor das Land dominieren, beweist ebenfalls der Anfang 2013 veröffentlichte „ZARA Rassismus Report 2012“.3

Aus diesen aktuellen Anlässen komme ich nicht umhin mich, im vierten Kapitel mit den Begriffen „Vorurteil“ und „Kategorisierung“, überwiegend Gordon Allport folgend, auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls der Begriff der Fremdenfeindlichkeit zentral, dem ich mich, anhand der Literatur von Josef Berghold, im fünften Kapitel widmen werde.

Die Rolle der Medien und deren Repräsentationsart spielen, wie bereits erwähnt, eine beträchtliche Rolle im (Re-)Produzieren und (Re-)Konstruieren bestimmter (Feind-)Bilder, die im Zusammenhang mit MigrantInnen stehen. Unter diesem Gesichtspunkt sollen im Rahmen des empirischen Teils dieser Arbeit mediale Texte, innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten, sowohl qualitativ als auch quantitativ analysiert werden.

Ziel dieser Medienanalyse ist es aufzuzeigen, wie, in welchem Zusammenhang und wie oft gegenwärtig das Thema der „Migration und Integration“ diskutiert und (re-)präsentiert wird.

Untersuchungsgegenstand bildet

- zum einen das meistgelesene Printmedium Österreichs, die „Neue Kronen Zeitung“, und
- zum anderen die Hauptnachrichtensendung „Zeit im Bild“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ORF 2.

Insgesamt werden 60 Ausgaben der Kronen Zeitung und 60 Nachrichtensendungen analysiert. Einerseits wird dabei quantitativ untersucht werden, welchen Stellenwert das Thema der Migration und Integration hat, also wie oft darüber etwas berichtet wird. Andererseits erfolgt eine qualitative Diskursanalyse. Hierbei werden die Bilder und Inhalte der Zeitungsartikel und die der Sendungen, in denen das Thema vorkommt, unter Bezug auf bereits gelesene Literatur analysiert und diskutiert.

Da es noch sehr wenige Studien bezüglich der Darstellung der weiblichen Migrantin in den Medien gibt, widme ich diesem Thema verstärkt meine Aufmerksamkeit. In der Kronen Zeitung-Analyse lehne ich mich hierbei an die empirische Methode von Margreth Lünenborg, Katharina Fritsche und Annika Bach vom Jahr 2011 an.

Die detaillierte Beschreibung der beiden Untersuchungsgegenstände sowie der von mir gewählten Forschungsmethode findet sich am Anfang des zweiten Teils dieser Arbeit, der Medienanalyse.

Die Untersuchungsergebnisse sowie die Überprüfung der Hypothesen werden im Anschluss der jeweiligen Medienforschung, also der Kronen Zeitung-Analyse und der ZIB-Analyse, präsentiert.

1.1. Eigenes Interesse am Thema

Während des gesamten Studiums befasste ich mich mit Medien- und Kommunikationswissenschaften, die alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Politik, Kultur und Wirtschaft berühren. Vor allem lenkten aber die Seminare „Medien und Identität“ und „Migration in Film und TV“ bei Univ.-Prof.in Dr. Brigitte Hipfl verstärkt meine Aufmerksamkeit auf den Umgang der Medien mit dem Thema der Migration und Integration und wie MigrantInnen in diesen repräsentiert werden. Im Diplomkurs kristallisierte sich dann heraus, dass ich mich vor allem der Untersuchung der meistgelesenen Zeitung und der meistrezipierten Nachrichtensendung Österreichs widmen werde.

Da ich selbst in zwei Welten aufwuchs und den Migrationsprozess in Österreich miterleben konnte, zähle ich die dadurch gewonnenen multiperspektivischen Sichtweisen als Kompetenz, die es mir ermöglicht die hier vorliegende Thematik von beiden Seiten zu betrachten.

Da es mir mein Beruf eine Zeitlang ermöglichte, viel in der Welt herumzukommen, bekam ich einen weiteren Zugang zur Vielfältigkeit anderer Kulturen und deren Alltagswelten. Durch viele wunderbare Erlebnisse war es mir möglich, auch mich selbst aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten.

Mein Akzent verriet mich immer wieder und die Frage nach meiner Herkunft wurde mir in Österreich und auf meinen Reisen bis dato unzählige Male gestellt. Ein netter Taxifahrer aus Kuala Lumpur (Malaysia) z. B. fragte mich einmal, woher ich komme. Ich hatte damals einen Jetlag und wollte nicht erst mein Geburtsland nennen, dann lang und breit erklären wohin ich später immigriert und aufgewachsen bin, deswegen antwortete ich der Einfachheit halber: „I´m from Austria“. Er meinte daraufhin: „Aaaa, Australia.“ Ich: „No, Austria. This is a small country in Central Europe.“ Taxifahrer daraufhin: „Never heard about this country.” Das brachte mich zum Schmunzeln, denn ich dachte mir, aha, Österreich ist also doch nicht ein so wichtiges Land, das die ganze Welt kennen muss.

In Australien wurde ich ebenfalls oft nach meiner Herkunft gefragt und dort kannten die meisten auch nicht dieses Land namens „Austria“ oder das Land in dem ich geboren wurde. Als ich allerdings immer erklärend hinzufügte, dass „Austria“ in der Nähe von „Italy“ oder „Germany“ liegt, kam meistens die Reaktion: „Oh yes! You have beautiful fashion there and a lot of snow!“ Wo wir wieder bei den “typischen Merkmalen” wären, die einem Land oder den darin lebenden Menschen „automatisch“ zugeschrieben werden.

Im Prinzip war es egal, welches meiner zwei Herkunftsländer ich gegenüber den AsiatInnen, AustralierInnen oder AmerikanerInnen erwähnte. Für sie war es einfach irgendein Land aus dem einheitlichen „Europe“. Sie machten da keinen allzu großen Unterschied. Wenn sie bloß wüssten, wie die EuropäerInnen selbst zu diesem Thema stehen…

2. Geschichte der Migration und Integration in Österreich

Die Migrationspolitik in Österreich, ab der Zeit der Habsburger Monarchie bis zum Jahr 1996, beschreibt der Migrationsexperte Rainer Bauböck in seiner politikwissenschaftlichen Arbeit „Nach Rasse und Sprache verschieden“ prägnant und übersichtlich.

Er spricht von den ausschlaggebenden Veränderungen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, von den Besonderheiten unterschiedlicher Flüchtlingsströme und deren Auslöser, vom Phänomen der Gastarbeit und von den - nicht nur damals - diskriminierenden und beschränkenden Rechtsgrundlagen des Staates Österreich (vgl. hierzu auch Volf/Bauböck 2001: 21, 24f.). So wurde beispielsweise 1925 die sogenannte Arbeitsbewilligung betreffend AusländerInnen, die einer Arbeit in Österreich nachgehen wollten, vom österreichischen Staat eingeführt. Dies sollte eigentlich eine temporäre Aktion für die damalige Situation sein, doch hat sich diese Staatsentscheidung bis heute gehalten (außer für EWR-Angehörige).4

2.1. Die Zeit ab 1945

Das folgende Kapitel konzentriert sich hauptsächlich auf die Rolle des Staates Österreich in Bezug auf die Behandlung von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Idee der Integration begann mit der Nachkriegszeit, als versucht wurde, eine gesellschaftliche Verteilungsgerechtigkeit zu ermöglichen.

„Mit dem Begriff Integration wurde damals ein nicht zu rechtfertigender sozialer Abstand thematisiert, so etwas wie eine ´Unterentwicklung´, und die galt es durch geeignete Hilfs- und Ausgleichsmaßnahmen zu überwinden.“ (Terkessidis 2010: 52)

Im Vergleich zum Ersten Weltkrieg war der Flüchtlingsstrom im Zweiten Weltkrieg größer. Eine essentielle Besonderheit war zu dieser Zeit, dass vorerst nicht die österreichische Staatsmacht für all die Kriegsflüchtlinge zuständig war, sondern die alliierten Besatzungsmächte und sonstige Organisationen auf internationaler Ebene (vgl. Stieber 1995: 144ff.). Das Finanzielle jedoch musste der Staat Österreich übernehmen. Nach und nach stiegen damit Verantwortlichkeit und das eigene Interesse des Staates (z. B. wurden „Flüchtlinge als potentielle Wähler“ [Stieber 1995: 149] betrachtet) und die damit einhergehende politische Einflussnahme (vgl. Bauböck 1996: 6f). Die vom Innenministerium Anfang 1946 gegründete Abteilung 12U Umsiedlung hatte einerseits nur die Zuständigkeit für das Auswahlverfahren der Ausländer, die in Österreich willkommen waren, und andererseits für den „Abtransport aller anderen“ (Stieber 1995: 147f.). Erst nach 1950 war diese Abteilung bereit, für alle Themenbereiche in Sachen Flüchtlinge Verantwortung zu übernehmen.

Was die Flüchtlingsbewegung im Jahre 1945 betrifft, ist es schwierig und nicht unbedingt zielführend, Personenzahlen anzugeben, da sich besonders in diesem Jahr vieles in Sachen Ab- und Zuwanderung getan hat (vgl. Stieber 1995: 144). Damit sich die LeserInnen jedoch ein ungefähres Bild der Gesamtsituation machen können, seien ein paar Zahlen ab dem Jahr 1946 in der folgenden Tabelle erwähnt:

Tabelle 1: Anzahl der Flüchtlinge nach Österreich in der Zeit von 1946 bis 1952

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Österreichisches Staatsarchiv, Statistiken der Abteilung 12U

Diese Tabelle macht deutlich, dass 1946 der Höhepunkt der Flüchtlingswelle (nach Kriegsende) mit insgesamt 482.596 Flüchtlingen erreicht war. Sechs Jahre später, im Jahr 1952, waren bereits mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge wieder ausgewandert. Diese Menschen wurden hauptsächlich in zwei Kategorien eingeteilt:

Zum Ersten in sogenannte Displaced Persons (DPs) und zum Zweiten in die aus „Ost- und Zentraleuropa vertriebenen deutschen Minderheiten“ (Bauböck 1996: 7; vgl. auch Reuter 2004: 451). DPs waren hauptsächlich fremdsprachige Personen aus Ländern, gegen die Hitler kämpfte. Der Großteil dieser Menschen wanderte jedoch nach kurzer Zeit wieder aus, womit unter anderem unterstrichen wird, dass Österreich nicht nur ein Zuwanderungs-, sondern ebenso ein Durchwanderungsland war.

Die zweite Gruppe bestand vorwiegend aus polnischen, ungarischen und rumänischen Judenflüchtlingen, die hauptsächlich in der Zeit zwischen 1945 und 1947 nach Österreich einreisten und zum „Paradefeindbild“ (Bauböck 1996: 7) wurden. Direkt nach dem Krieg war die Abwehrhaltung gegenüber AusländerInnen/Flüchtlingen am ausdrucksvollsten. Damalige Medien bezeichneten sie nicht selten als „Landplagen“ (ebd.: 7; vgl. auch Stieber 1995: 151ff.).

Bauböck stellt in seiner Arbeit mit der Gegenüberstellung zwischen den DPs und den Volksdeutschen eindeutig klar, dass schlussendlich „der deutschsprachige Charakter des Staates das entscheidende Kriterium für die Auswahl der integrierbaren Vertriebenen“ (Bauböck 1996: 8) war. Die damaligen Politiker ließen sich von der Gleichheit der Sprache beeinflussen, was auch ein zeitloses psychologisches Phänomen darstellt. Je vertrauter einem Menschen ein anderer vorkommt und je weniger Unterschiede in der Kultur und der Sprache existieren, desto mehr Akzeptanz findet er für den Anderen, weil das Gesamtlebensbild dem eigenen Ich mehr ähnelt.

Weiters wurden 1945 ca. eine Million Deutsche ins Land gelassen, die zwar wesentlich beliebter als die DPs waren, aber dennoch nicht unbedingt freundlich empfangen wurden, da zum Beispiel die Lebensmittelressourcen immer knapper wurden (vgl. Stieber 1995: 151). Die Meinung der Inländer gegenüber den Volksdeutschen änderte sich erst mit dem Beginn des Wiederaufbaus.

Von den von sämtlichen Historikern unterschiedlich geschätzten 450.000 bis eine Million Juden blieben lediglich 3500 im Lande. Davon erhielten bis zum Jahr 1952 tatsächlich nur 23 die österreichische Staatsbürgerschaft (vgl. Albrich 1995: 136). Wären mehr Juden aufgenommen worden, hätten antisemitische Politiker gefürchtet, dass dies auf ein „Schuldbekenntnis“ (Bauböck 1996: 7) deuten könnte.

Zusammenfassend kann für die Jahre 1951 bis 1954 gesagt werden, dass es immer wieder ein Auf und Ab gegeben hat: Einerseits traten nach den ersten Integrationsprogrammen, die 1951 starteten, sichtliche Besserungen in Sachen Wohnungssituation (vgl. Stieber 1995: 150), „arbeitsrechtliche Gleichstellung“ (ebd.: 149f.) sowie „Einbürgerung durch Optionserklärung“ (Bauböck 1996: 8) ein, andererseits mussten sich viele Flüchtlinge für ein von der Kirche ermöglichtes Heim lange Zeit verpflichten, ihre Arbeitskraft weiterhin im selben geographischen Raum zur Verfügung zu stellen. Weiters konnten sich viele Menschen aufgrund der z. B. zu hohen Kosten die Einbürgerung überhaupt nicht leisten (vgl. Stieber 1995: 149f.). Wenn es um diese ging, verlangte der Staat bis zum Jahr 1953 sogar eine Erklärung, in der die AusländerInnen aufgefordert wurden, „auf Gehalts-, Pensions-, Renten- und Unterstützungsansprüche“ (ebd.: 149) zu verzichten.

2.2. Die Zeit ab 1955

Ab dem Jahr 1955 bis 1965 verbesserte sich die Wohnsituation für die Benachteiligten. Dies mit Hilfe des Staates und nicht zuletzt auch durch enorme freiwillige Bemühungen seitens der UN und sämtlicher Hilfsorganisationen (vgl. Stieber 1995: 151).

Wie allgemein bekannt ist, wurde im Kalten Krieg die Unabhängigkeit Österreichs wieder errichtet. Das neutrale Land empfing zu dieser Zeit hunderttausende Flüchtlinge aus der Sowjetunion, jedoch sah es sich selber - wie so oft - nur als eine Art „Transitstation“ (Bauböck 1996: 9) als einen endgültigen Niederlassungsort für diese Geflohenen. Interessant war es auch, dass das Asylrecht „in seinem historischen Kern ja nicht das Recht des Flüchtlings auf Schutz, sondern ein Recht des schutzbietenden gegenüber dem Verfolgerstaat“

(ebd.: 9) gebildet hat.

„Vier große Gruppen von Ostflüchtlingen kamen zwischen 1955 und 1989 über Österreich in den Westen: Ungarn, Tschechoslowaken, Polen und Juden aus der Sowjetunion.“ (Bauböck 1996: 9) Zu dieser Zeit fand die Revolution in Ungarn statt und ebenso die nochmalige Besetzung dieses Landes durch die Sowjetunion.

Fazit war, dass eine enorm große Menschenmenge innerhalb kürzester Zeit zu Fuß über die Grenzschranken nach Österreich lief. In diesem Augenblick wurden Österreichs Schritte weltweit ganz genau beobachtet. Durch diese Tatsache schien die einheimische Bevölkerung motiviert zu sein, die Ankömmlinge freundlich und entgegenkommend zu empfangen.

Viele Gestrandete in Österreich verfolgten mit Spannung die politische Lage und deren Entwicklung in ihren Heimatländern. Nachdem die Unruhen verblassten oder gänzlich aufhörten, kehrten viele - vor allem Tschechen und Slowaken - in ihre Heimat zurück.

Die Geschichte der Arbeitsmigration fand ihren Ursprung im Jahr 1962 mit dem Abkommen zwischen Österreich und Spanien. Im Jahr 1964 wurde ein „Anwerbeabkommen mit der Türkei“ (Gächter 2004: 35) abgeschlossen und zwei Jahre später, also 1966, ein solches mit dem ehemaligen Jugoslawien.

2.3. Die Zeit ab 1970

Im Jahr 1973 gab M. Nikolinakos - vom wirtschaftlichen Standpunkt am damalig vorherrschenden Integrationsplan in Deutschland aus gesehen - zu bedenken, dass den gesuchten und beschäftigten Gastarbeitern nur unterqualifizierte Jobstellen angeboten wurden, um die sich sonst kein Inländer beworben hätte. Für die Gastarbeiter war somit der Arbeitsmarkt für höher qualifizierte Jobs geschlossen. Nikolinakos wollte damit auf die Ausgrenzung und die Entstehung einer Unterschicht hinweisen. Seine Überlegungen bewahrheiteten sich. Diese Sichtweise dominiert nach wie vor das Denken vieler Einheimischer. Sie wurde sozusagen „´vererbt´“ (Yildiz 2010: 53).

Da sich im Jahre 1974 eine Wirtschaftskrise anbahnte, wurden die Arbeitergesetze der Migranten, vor allem was ihr Wiederkommen betrifft, deutlich verschärft, mit dem Ziel, der im Inland vorherrschenden Erwerbslosigkeit entgegenzusteuern.

1976 hat Österreich das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) aufgelöst. Ausländische Arbeitskräfte wurden dann „nur so lange […] wie sie unbedingt gebraucht“ (Gächter 2004: 37) wurden, geduldet.

In den späten 1970er-/frühen 1980er-Jahren herrschte in Polen wieder Kriegszustand. Dieser vertrieb die dort ansässige Bevölkerung aus ihrem Land und führte erneut zu einer großen Flüchtlingswelle.

Diese und die weiter anhaltende Flüchtlingswelle fanden später nicht mehr nur aufgrund von Verfolgung oder weiteren Tragödien statt, sondern waren eher von persönlichen „Emigrationsentscheidungen“ (Bauböck 1996: 9) gelenkt.

Das Bild des „vom Stalinismus unterdrückten“ (Bauböck 1996: 10) typischen Flüchtlings oder Kriegsverfolgten schwand somit und mit diesem ebenso die vorherrschende Aufnahmebereitschaft der österreichischen Bevölkerung (vgl. Matouschek/Wodak/Januschek 1995: 140f.; Zuser 1996).

2.4. Die Zeit ab 1990

Anfang der Neunziger wurde eine „offene Ablehnung“ (Bauböck 1996: 10) gegenüber der rumänischen Bevölkerung kundgetan, zumal auch in dieser Zeit die Einwanderung in Österreich Höchstwerte erreichte.

Die FPÖ begann zur selben Zeit vermehrt mit ihrer hetzerischen und ausländerfeindlichen Politik zu werben (vgl. Matouschek/Wodak/Januschek 1995: 25ff.). Gekünstelt setzte sich die Partei verstärkt für ein Nationalgefühl ein und schüttete damit immer wieder Öl ins Feuer. „´Integration vor Neuzuzug´“ (Appelt 2008: 93) oder „´Österreich ist kein Einwanderungsland´“ (Cinar 2004: 47) hießen einige der Slogans, die um diese Zeit die Regierung und deren Gesetzgebung hauptsächlich beeinflusste.

Dem Beispiel Australiens, Kanadas und der USA folgend, beschloss in dieser Zeit auch Österreich, eine bestimmte Quote an Einwanderern jährlich aufzunehmen (vgl. Cinar 2004: 49; Gächter 2004: 41). Auch wenn Österreich ab diesem Zeitpunkt als ein Einwanderungsland galt, sieht Cinar es dennoch als kein Einwanderungsland, da sich Österreich nach wie vor „nicht als solches“ (Cinar 2004: 49) verhielt, was zum Beispiel die folgenden Maßnahmen in Österreich untermalen: Als 1991 der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, wurde im darauffolgenden Jahr ein neues Asylgesetz eingeführt, das „die Möglichkeit zur Stellung eines Asylantrags“ (Gächter 2004: 41) sichtlich erschwerte. Jede Jugoslawin und jeder Jugoslawe brauchte ab diesem Zeitpunkt ein Visum.

1998 trat ein neues Fremdengesetz in Kraft, das unter anderem bestimmte, dass Kinder von MigrantInnen zwar nach wie vor nach Österreich kommen durften, aber nur, wenn sie noch nicht das 14. Lebensjahr erreicht hatten (vgl. Gächter 2004: 42). Weitere Nachteile für MigrantInnen stellte im gleichen Jahr ebenso die „Ungleichbehandlung bei der Arbeitslosenversicherung“ (ebd.: 42) dar, die glücklicherweise durch eine Demo im Jahr 1999 wieder abgeschafft wurde.

Positives geschah weiters im selben Jahr. In der Hauptstadt fand die erste Wiener Integrations-Konferenz statt und ebenso wurde der Verein ANAR (Austrian Network Against Racism) ins Leben gerufen.

2.5. Die Zeit ab 2000

Ab der Jahrtausendwende herrschte in Österreich weiterhin ein optimistischerer Ton. Im Jahr 2001 existierten bei einer Einwohnerzahl von 8.033.000 insgesamt 711.000 MigrantInnen. Die EU begann sich für Gleichberechtigung in vielen Lebensbereichen der MigrantInnen einzusetzen und forderte die Durchsetzung der vorgegebenen Bestimmungen bis zum Jahr 2003. MigrantInnen begannen weiters aus Eigeninitiative auf sich selbst aufmerksam zu machen, um mit der vorherrschenden Unsichtbarkeit zu brechen. So wurden in manchen Printmedien Berichte in Serbokroatisch und Türkisch gedruckt. Weiters trat ein ausländerfreundlicheres Fremdengesetz in Kraft und 2004 wurde sogar den Islamisten in Österreich erlaubt, einen Friedhof nach ihrem Glauben zu errichten (vgl. Gächter 2004: 43ff.).

Wie wichtig der Stellenwert der Migration heutzutage tatsächlich geworden ist, zeigen folgende Statistikzahlen, die seit dem Jahr 1961 geführt werden:

Grafik 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistik Austria. Migration und Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2012, S. 25

Die heutigen Beweggründe der MigrantInnen haben sich dem Wandel der Zeit und den globalen Prozessen, mit der sich immer ändernden internationalen Politik, angepasst. Es sind nun nicht nur die AsylantInnen, die durch Krieg, Hungersnot oder sonstige Bedrohung gezwungen werden ihren Heimatort zu verlassen, sondern ebenso Menschen, die einfach den „Wunsch nach sozialem Aufstieg“

(Appelt 2008: 93) hegen und ihre „Sehnsucht nach einem besseren Leben“ (Holert/Terkessidis 2006: 239; vgl. auch Adam 2004: 407) stillen möchten. Eine Sehnsucht, die ihnen nicht zuletzt durch die Medienwelt vermittelt wird.

3. Migration und Integration: eine Diskussion

„Die Geschichte der Migration kann (wie jede andere Geschichte auch) auf mehr als eine Art erzählt werden; wie dies getan wird, hängt wesentlich von unserem Blick ab.“ (Yildiz 2011: 89)

Für den Begriff Integration existiert keine einzige bzw. auch keine einheitliche Definition (vgl. Terkessidis 2010: 45).5 Das Wort selbst birgt sehr viele Bedeutungen in sich und wird oft als ein „Containerbegriff“ definiert, da die Thematiken, die es impliziert, sehr breitgefächert sind (vgl. Perchinig 2010: 18). In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen, anhand unterschiedlicher wissenschaftlicher Studien, den Begriff von Migration und Integration zu diskutieren.

Migration ist ein zentraler Punkt von Integration. Vereinfacht gesagt bedeutet Migration, dass Menschen Grenzen freiwillig oder unfreiwillig durchschreiten und sich für einige Zeit oder aber auch für ihr Leben lang in einem anderen Land niederlassen, um dort eine Existenz aufzubauen (vgl. Treibel 1999: 19). Migration beinhaltet nicht nur die Einreise in ein fremdes Land, sondern gleichzeitig auch die Ausreise vom eigenen Zuhause:

„Den eigenen Kulturkreis verlassen und in einem anderen Fuß fassen zu müssen, bedeutet sowohl den Verlust eines konkreten als auch eines abstrakt gedachten ´Zuhause´. Konkret ist dieses Zuhause insofern, als es die gewohnte Sprache, das vertraute soziale Umfeld und alltägliche Rituale umfasst. Abstrakt ist es im Sinne eines kollektiven Gedächtnisses, einer geteilten Tradition von Mythen und Werten (deren Gültigkeit das Individuum natürlich teilen oder in Frage stellen kann).“ (Mitterer 2009: 21)

Es kann nur eine ungefähre Grenze definiert und erklärt werden, wo Integration überhaupt beginnt, wo sie aufhört und welchen Aufgaben sich dieser durchaus dynamische Prozess immer wieder neu stellen muss. Viele Lebensbereiche sind rund um beide Begrifflichkeiten Migration und Integration ineinander verstrickt (vgl. Janda 2012: 28; Treibel 1999: 17ff., Perchinig 2010: 15). Die Sichtweise oder Perspektive für diese Thematik hängt auch sehr von der jeweiligen

Wissenschaftsdisziplin ab. Die Bedeutung dieser Worte sollte deshalb unbedingt als ein transdisziplinäres Feld betrachtet werden, in dessen Mittelpunkt aber immer der „Wechsel“ oder die „Bewegung“ (Treibel 1999: 19) steht.

Dem Thema der Integration und Migration in Österreich wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Bereits seit 2002, als das erste Integrationsleitbild beschlossen wurde, gewann dieses - vor allem im politischen Leben - immer mehr an Bedeutung. Es wurde endlich klar, dass kein Lebensbereich davon ausgeschlossen bleibt. Alexander Janda, der Geschäftsführer des österreichischen Integrationsfonds, dass eine hartnäckige „Realitätsverweigerung“ (Janda 2012: 11) - nicht nur im Bereich des politischen Lebens - nach wie vor existent ist bzw. das Thema weiterhin „ignoriert“ oder „skandalisiert“ (Yildiz 2011: 90) wird. Fakt ist, dass es - im Vergleich zu den 80er-Jahren zum Beispiel - viel öfters diskutiert wird und dass es im politischen Leben wie auch in den Medien verstärkt präsent ist.

Daher stellt sich für die vorliegende Arbeit nicht mehr die Frage, ob der Staat Österreich sich diesem Themenbereich nun intensiv widmet, sondern wie er sich dem stellt und diese Thematik der bunt gemischten Bevölkerung Österreichs präsentiert.

Ebenso stellt Oliver Gruber mit Hilfe empirischer Befunde dar, dass das Thema der Migration/Integration längst in den Mittelpunkt der politischen Parteien in Österreich gerückt ist. Jede Partei äußert sich diesbezüglich gegenüber dementsprechenden Meldungen in den Medien, um deren Standpunkte unmissverständlich aufzuzeigen. Das Ganze führt zu einer Art „symbolischer Politik“ (Gruber 2012: 127). Diese wird vor allem im Teil meiner qualitativen Medienanalyse sichtbar gemacht werden.

Migration und Integration sollen aber nicht nur in der Politikwelt Fuß fassen, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Leben die Menschen bewegen (vgl. Bauböck 2001: 11) - und zwar vorwärts. Die Realität sieht jedoch dahingehend noch etwas düster aus, nicht zuletzt, weil die Debatte um Menschen mit Migrationshintergrund überaus emotional behandelt wird (vgl. dazu Bachinger/Schenk 2012: 9ff.; Hametner 2012: 39; Gruber 2012: 127; Yildiz 2011: 89; Yildiz 2012: 232).

Weiters darf keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass die Integrations- und Migrationsforschung - sowie alle andere Forschungen - nicht auf einer machtfreien Bühne stattfindet (vgl. dazu Hametner 2012: 39). Aus diesem Grund kommt es immer wieder zu Interessenskonflikten.

Bei den zu analysierenden Sendungen fehlt intensiv auf, dass der Gegenstand der Integration und der Migration immer noch hauptsächlich als ein Problem diskutiert und als ein solches immer wieder (re-)produziert wird. Die Herangehensweise vieler PolitikerInnen, die Methoden mancher WissenschaftlerInnen aus den unterschiedlichsten Studienbereichen und sonstiger AkteurenInnen, die sich diesem Thema widmen, ist problematisch, zumal sie nicht wirklich den nötigen Weitblick und damit den gewünschten Fortschritt mit sich bringen (vgl. Terkessidis 2010), sondern mit ihren Arbeiten vorgefestigte Meinungen nur noch mehr unterstreichen (vgl. Hametner 2011: 37ff.; Bachinger/Schenk 2012: 9). „Die Aufteilung in Kulturen drängt sich überall in die Gesellschaftsanalyse ein und unterdrückt andere, ergiebigere Betrachtungsweisen.“ (Sen 2010: 56) Immer mehr Stimmen rufen jedoch nach einem Umdenkprozess, dieses Thema nicht länger als ein „pädagogisches Problem“ (Yildiz.: 94), als ein „Identitätsdefekt“ (ebd.: 95) oder als „eine Art Störung der Harmonie“ (Terkessidis 2010: 10) zu betrachten, sondern vielmehr als eine (Alltags-)Normalität, als geschenkte Diversität und als ein „dynamisches Gebilde“ (Yildiz 2011: 98); dies besonders im Hinblick des ständigen Globalisierungsprozesses (ebd.: 99).

Terkessidis betont in seinen Arbeiten den Begriff Diversity, ebenso wie Yildiz (2011, 2012), Struppe (2008), Sen (2010) und Perchinig (2010). Das Anerkennen und das Achten der Einwanderer, deren Kultur, Sprache, Religion, besondere Berufskenntnisse etc. können, in einem Zeitalter der weltweiten Ein- und Auswanderung, endlich als ein großer Vorteil gesehen werden (vgl. dazu z. B. Perchinig 2010: 27). Diese Idee allein reicht jedoch nicht aus. Vielmehr geht es gleichzeitig auf beiden Seiten ebenso „um Knüpfen neuer Beziehungen“ (Terkessidis 2010: 10).

Weiters ist die Wahrnehmbarkeit der Hybridität von Einwanderern besonders wichtig. Die Sichtweise sollte von einem „Entweder-Oder“ zu einem „Sowohl- als-Auch“ (Yildiz 2011: 99) verändert werden (vgl. auch Yildiz 2010: 324). Dem schließt sich ebenso die Sprachwissenschaftlerin Birken-Silverman an:

„Die Identitätskonstruktion […] zeichnet sich weder durch uneingeschränkte Orientierung an der Herkunftsgesellschaft noch durch uneingeschränkte Orientierung an der Aufnahmegesellschaft aus, sondern vielmehr durch Positionierung in einem multiethnischen, entnationalisierten Raum mit Kreation einer globalen, kosmopolitischen Identität.“ (BirkenSilverman 2002: 7, zitiert nach Holzwarth 2008: 37)

Yildiz setzt ebenso auf den Begriff kosmopolitisch und zeigt auf, dass dabei eine Doppelmoral existiert. Einerseits wird bei den Einheimischen eine Eigenschaft wie die der Ortsunabhängigkeit hochgeschätzt und gleichzeitig wird eben dieser kosmopolitische Charakter als Manko der Einwanderer betrachtet. Ihre Lebensentwürfe werden in der Öffentlichkeit als Problem wahrgenommen (vgl. Yildiz 2011: 91; Yildiz 2010: 327f.) und als solche in den Medien reproduziert (vgl. Jäger/Cleve/Ruth/Jäger 1998: 12). Yildiz setzt sich stark mit dem Begriff der PostmigrantInnen auseinander. Diese sind Menschen, die bereits in der zweiten oder dritten Generation in Österreich leben. D. h., sie sind hier geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen etc. Wenn das also auf eine Person zutrifft, ist - wie ebenso Volf und Bauböck bestätigen - diejenige „kein Immigrant“ (Volf/Bauböck 2001: 18). Am Rande sei erwähnt, dass diese Unterscheidung deshalb zentral ist, „weil der Ort der Geburt und frühen Kindheit in allen sesshaften Kulturen ´Heimat´ bedeutet.“ (Volf/Bauböck 2001: 18)

Jedenfalls sehen sich PostmigrantInnen selbst nicht als MigrantInnen, werden aber von der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen und immer wieder als derartige kategorisiert. PostmigrantInnen selbst haben nie den Prozess der Einwanderung durchlebt, setzen sich aber teilweise dennoch in ihrem Alltag mit der Migrationsgeschichte ihrer Eltern auseinander. Sie leben sowohl von ihrer Geschichte als auch von der Gegenwart. So entstehen „neue reflexive Traditionsbildungen, die transnationale Züge tragen“ (Yildiz 2011: 100) und einen multiperspektivischen Blick (er)öffnen. Er äußert in einer seiner Arbeiten, dass es an der Zeit wird, sich vom Gedanken des „Lebens zwischen zwei Kulturen“ (Yildiz 2011: 99) loszulösen und die sich neu eröffnenden „Verortungspraxen“ (ebd.: 100) willkommen zu heißen.

MigrantInnen empfinden ihre eigene Identität als einen Mix aus zahlreichen Facetten (vgl. Bachinger/Schenk 2012). Vieles hat sie in ihrer Heimat und ebenso im anderen Land/in den anderen Ländern, das/die sie bewohnt haben und gerade hier und jetzt bewohnen, geprägt. Das Leben hat ihre Identität durch zahlreiche Erfahrungen zu dem geformt, was sie gerade sind - sowie alle anderen Menschen auch. Das sollte als Stärke anerkannt werden. Die Identität der MigrantInnen wird sich auch in Zukunft ver- und weiterformen, denn das Wesen des Menschen bleibt nie gleich und sollte unbedingt als ein lebenslanger Prozess betrachten werden (vgl. Hall 2004: 169). Die Identität der MigrantInnen kann nicht an deren Herkunftsland festgenagelt werden, ebenso wenig an dem Land, in dem sie aktuell wohnen. Sie ist „fragmentiert, eingebunden in hegemoniale Strukturen, die sich in historischen und sozialen Situationen herausgebildet“ (Dorer 2002: 69) haben. Der Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler Amartya Kumar Sen warnt in einem seiner schriftlichen Werke davor, die Identität eines Menschen auf nur eine einzige reduzieren zu wollen bzw. nur auf die ethnisch-nationale Verschiedenheit zu fixieren (vgl. Yildiz 2011: 95). Sen appelliert, die Pluralität einer Identität anzuerkennen, und unterstreicht, dass fast alle Konflikte dieser Welt hauptsächlich dieser Vereinfachung der Identität zuzuschreiben sind:

„Die Welt wird […] zunehmend als ein Verbund von Religionen oder Zivilisationen verstanden, wobei man sich über alle anderen Blickwinkel, unter denen die Menschen sich selbst sehen, hinwegsetzt.“ (Sen 2010: 8)

Die Pluralität einer Identität ist von größter Bedeutung. So kann also eine Muslima nicht nur eine Muslima, sondern ebenso eine erfolgreiche Architektin, eine liebende Mutter, vielleicht eine Vegetarierin mit pinken Haaren, die gerne in ihrer Freizeit Sport treibt und ihren Glauben auf ihre ganz persönliche Art und Weise auslebt, sein. Yildiz würde sagen, dass ihre Existenz und Handlungsweisen somit „dekonstruktiv auf die hegemonialen Vorstellungen“ (Yildiz 2011: 101) wirken.

Auch Roger Bromley spricht von „Archäologie der Identitäten“. Er sagt ebenso wie Hall, dass Identität zeitabhängig und vielseitig im Bezug auf ihre Herkunft und Kultur ist. MigrantInnen können ein Individuum darstellen und auch danach handeln, sie können aber gleichzeitig „gemeinschaftsorientiert“ (Bromley 2002: 795) sein. Ihr Dasein, ihre Erfahrungswelt ist vielseitig und wird von der Vergangenheit und ebenso der Gegenwart bestimmt und geformt. Der Begriff Diaspora als ein Ort, „der sich zwischen Territorien und Identitäten erstreckt“ (ebd.: 796), wird in der Diskussion um die Hybridität der Identität zentral. Diaspora bringt zum Ausdruck, dass ein Individuum frei ist und nicht unbedingt nur an einen einzigen Lebensraum oder an einer einzigen Identität gebunden sein muss.

3.1. Integration - ein aktueller oder doch veralteter Wortgebrauch?

Nicht nur Terkessidis, sondern einige weitere WissenschaftlerInnen, wie zum Beispiel Marika Gruber, Barbara John und Erol Yldiz, verdeutlichen, dass der Begriff der Integration zwar wieder in Mode zu sein scheint, jedoch gleichzeitig schon längst unzeitgemäß ist, hauptsächlich weil er negativ konnotiert ist (vgl. Terkessidis 2010: 7; Gruber 2011: 168; John 2009: 105; Mitterer 2009: 20).

„Der Begriff Integration, der seit 2000 wieder die Debatte beherrscht, transportiert also bereits bestimmte historische Wahrnehmungen und macht damit bestimmte Handlungsoptionen möglich bzw. unmöglich.“ (Terkessidis 2010: 46)

Anstelle der Integration sollte ein anderer Begriff neu erfunden werden, wie zum Beispiel Diversitätspolitik (vgl. dazu Struppe 2008: 105; Yildiz 2011: 94ff.). Dieser Begriff sieht die gegebene Vielfältigkeit als selbstverständlich und positiv an, benötigt gleichzeitig aber, richtigerweise erkannt, sowohl für die Einwanderer als auch für die aufnehmende Gesellschaft ein „´Management´ […], um den Nutzen zu maximieren und die Risken [sic!] zu minimieren.“ (Struppe 2008: 105)

Terkessidis spielt mit dem Begriff „Interkultur“. Dieser war bisher ein „Ersatzbegriff für Multikulturalismus“ (Terkessidis 2010: 8). Der Begriff „Kultur“ in diesem Wort verliert die „primär ethnische Bedeutung“ (ebd.: 10) und achtet die Verschiedenheit. Der Wortsinn Integration sei bereits zu sehr negativ behaftet, zumal der Ursprung dessen „immer die Gesellschaft, wie sie sein soll, und nicht die Gesellschaft, wie sie ist.“ (ebd.: 9) markiert. Der Autor führt in seinem Werk aus, dass die aufnehmende Gesellschaft MigrantInnen nicht einfach „in die bestehenden Strukturen“ hineinpressen kann, sondern dass der Staat seine Aufgaben diesbezüglich kreativ erweitern muss, um der derzeitigen und zukünftigen „Vielfalt gerecht zu werden.“ (Ebd.: 8) Der Staat und dessen Gesetze versuchen oftmals in allen Lebensbereichen die Hinzugekommenen zu feilen, damit sie so werden, wie die aufnehmende Gesellschaft sie gerne hätte. Es ist jedoch fraglich, ob alle Bemühungen seitens der MigrantInnen überhaupt jemals ausreichen werden, um irgendwann diesen Status der „echten Österreicherin“/des „echten Österreichers“ zu erreichen. Nebenbei erwähnt Viktor Frankl - der österreichische Neurologe und Psychologe -, dass die Bemühung oder Bestrebung eben nach dieser Einheit eines der größten Probleme unseres Daseins ist. Terkessidis sagt aus, dass die aufnehmende Gesellschaft andauernd Schwächen und Makel bei den Ankömmlingen findet und deshalb versucht, sie an deren eigene Lebensart anzupassen (vgl. Terkessidis 2010: 12).

Cinar macht darauf aufmerksam, dass die Begriffe „MigrantIn“ und „Zuwanderer“ zwar politisch korrekt sind, aber sich dahinter nach wie vor die Vorstellung von einem „Kommen und Gehen und weniger das integrationspolitisch bedeutsame Bleiben“ (Cinar 2004: 49) verbirgt.

Das Wort MigrantIn wirkt ebenfalls wie eine Fremdzuschreibung. „[…] durch das ständige Hinterfragen, woher sie kommen, werden sie diskursiv auch an diesen ihren ursprünglichen Ort verdrängt.“ (Bratic 2004: 61) Der Begriff MigrantIn klingt nach einer fremden Person, die sich eben den vorgegebenen und einheitlichen Strukturen am jeweiligen Ort anpassen muss.

Yildiz ruft hingegen nach einem Perspektivenwechsel auf und verwendet anstatt des Begriffs MigrantIn die Bezeichnung kosmopolitane Bürger, die ihre eigenen „´Grenzbiografien´“ schreiben und „sich zwischen Mobilität und Sesshaftigkeit bewegen“ (Yildiz 2011: 101). „Es sind ´postmigrantische´ Rekonstruktionen und Strategien, in denen Zwischenräume, Überschneidungen und simulante Zugehörigkeiten“ zu einer Art „Dynamik der Enträumlichung“ (Yildiz 2010: 318) führen. Diese Art von Enträumlichung wird, im Hinblick auf den Prozess der Globalisierung, wie bereits erwähnt unerlässlich.

3.2. Die Notwendigkeit von Migration und Integration in Österreich

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist es aufgrund der Globalisierung und der nationalen und internationalen Spannungen unumgänglich, über Migration und Integration in Österreich zu sprechen. Während der Entstehung dieser wissenschaftlichen Arbeit ist mir eine ZIB 2 Sendung vom 09.10.2012 aufgefallen, die zwar außerhalb des Untersuchungszeitraums liegt, jedoch zum Ersten den status quo verdeutlicht, nämlich wie aktuell dieses Thema in Österreich ist, und zum Zweiten, wie die Bevölkerungsentwicklung mit dem Älterwerden, dem Pensionssystem, dem Thema der Frauen am Arbeitsmarkt und den Geburtenraten im Zusammenhang steht.

So werden in dieser Sendung aktuelle und sehr übersichtliche Statistiken der Bevölkerungsentwicklung gezeigt. Die Menschen in Österreich werden - laut Statistik Austria - immer älter.

2030 wird es in Österreich voraussichtlich neun Millionen Einwohner geben. Der Großteil davon, nämlich zwei Millionen Menschen, werden in Wien wohnhaft sein. Das Anwachsen der Bevölkerung ist vor allem durch Zuwanderung zu erwarten.

Grafik 2 zeigt die Bevölkerungsentwicklung im Jahr 2011 und die prognostizierte Bevölkerungszahl für das Jahr 2060. Grafik 3 gibt die Bevölkerungssteigerung

(BS) bis zum Jahr 2060 in Prozent an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 2: Prognose der Bevölkerungsentwicklung

Quelle: ZIB vom 09.10.2012

Grafik 3: Prognose der BS in Prozent

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ZIB vom 09.10.2012 Quelle: ZIB vom 09.10.2012

In Grafik 4 wird das Bundesland Kärnten im Vergleich zu Wien gestellt. Also das Bundesland, welches den größten Bevölkerungszuwachs erwartet gegenüber dem Land, das mit dem geringsten Bevölkerungszuwachs rechnen kann. Der Großstadtbereich wirkt attraktiver als z. B. das Land Kärnten. Zu erwarten ist daher, dass dort die Einwohnerzahl weiterhin schrumpfen wird und mit ihr ebenfalls die Anzahl junger Menschen, also die der Erwerbstätigen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 4: Vergleich der Bevölkerungsentwicklung der Bundesländer Wien und Kärnten

Quelle: ZIB vom 09.10.2012

Wie es sich weiters mit dem Älterwerden im Jahr 2011 bis 2060 verhält, verraten folgende Übersichten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 5: Bevölkerungsentwicklung im Jahr 2011

Quelle: ZIB vom 09.10.2012

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 6: Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2060

Quelle: ZIB vom 09.10.2012

Die Altersverteilung verschiebt sich sichtlich nach oben: In den nächsten 50 Jahren wird 1/3 der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein. Der Anteil der über 65- Jährigen beläuft sich momentan auf 18 %, also ein Fünftel, im Jahre 2030 werden es 25 % und im Jahre 2060 sogar 30 % sein.

In derselben ZIB 2-Sendung war der Generaldirektor der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, als Studiogast anwesend. Dieser bemerkte, dass die Politik auf diese Wandlung bedacht sein und die diesbezüglichen Schritte setzen sollte. Weiters äußerte er, dass es aus medizinischer Sicht etwas Positives ist, wenn Menschen älter werden. Durch diese Verschiebungen der Altersstrukturen entstehen aber eben auch Probleme und Herausforderungen im Bereich des Pensions- und Gesundheitssystems und ebenso im Bereich der Pflege. Der Moderator Wolf stellt klar, dass es hierzulande die höchsten Familienförderungen, gleichzeitig aber eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt gibt, und stellt am Ende dieser ausgesprochenen Tatsache die Frage: „Warum?“

Pesendorfer beantwortet Wolfs Frage, indem er erklärt, dass es statistisch gesehen momentan 1,4 Kinder pro Mutter gibt. Dies hänge auch sehr mit dem Alter der Frau zum Zeitpunkt der Geburt zusammen. Ende der Sechziger haben Frauen ihr erstes Kind mit 26 Jahren bekommen, der heutige Durchschnitt läge bei 30 Jahren. Im Jahr 2060 werden die Frauen 33 Jahre alt sein, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Hier spielen viele, zum Großteil sehr begrüßenswerte und positive Veränderungen in unserer Gesellschaft eine Rolle. Zum Beispiel, dass Frauen verstärkt im Berufs- und Bildungssystem vertreten sind etc.

Wie das Ganze nun mit Migration und Integration zusammenhängt, stellt die folgende kurze Transkription aus dem Dialog zwischen Wolf und Pesendorfer dar:

Wolf: „Trotzdem kommen wir in den nächsten 60 Jahren nicht über 1,6 Kindern/Frau. Das heißt der gesamte Bevölkerungszuwachs den Sie prognostizieren, kommt durch Zuwanderung. Muss man angesichts dieser Zahl nicht einmal ganz klipp und klar sagen, Österreich ist ein Einwanderungsland?“

Pesendorfer: „Ich denke, Migration ist ein ganz, ganz wesentlicher Faktor in unserer Bevölkerungsentwicklung, aber auch im Zusammenhang unserer Bevölkerungsstruktur. Warum? Wir haben heute ein Durchschnittsalter von 42 Jahren in Österreich - bei der Bevölkerung, die in Österreich lebt und der durchschnittliche Zuwanderer ist 23 Jahre. Das heißt, das sind Menschen, die in den Arbeitsmarkt einsteigen, die auch beitragen zu unseren Sozialsystemen und die nachhaltig auch unsere Bevölkerungsstruktur mitbestimmten. Wir sind daher eine Gesellschaft, die sich mit dem Phänomen Migration/Integration intensiv auseinander setzen muss. Aber man kann ja auch Integration und Migration als eine Bereicherung empfinden. Und insofern, glaub ich, kann man sagen, ja, Österreich ist auch ein Einwanderungsland.“

Mit dieser Aussage Pessendorfers ist das Ganze auf den Punkt gebracht. Österreich braucht definitiv - wie auch jeder andere entwickelte Industriestaat - Einwanderer (vgl. dazu auch Cinar 2004: 47ff.; Volf/Bauböck 2001).

3.3. Der wechselseitige Prozess wird einseitig: Leistung und Sprachkenntnisse als Integrationsvoraussetzung

Bauböck und Volf weisen in deren Werk „Wege zur Integration“, welches sie im Jahr 2001 veröffentlichten, auf die Wichtigkeit des zwei- bzw. wechselseitigen Prozesses hin (ebd.: 14f.). Weitere WissenschaftlerInnen, die sich mit den Arbeiten Bauböcks und Volfs auseinandersetzten, fassten deren Gedanken treffend zusammen:

„Von den Zugewanderten werde erwartet, sich mit den gesellschaftlichen und politischen Regeln des Aufnahmelandes vertraut zu machen, die Sprache zu erlernen und sich ins soziale Gefüge einzugliedern. Demgegenüber sei jedoch die Aufnahmegesellschaft dazu verpflichtet, Strukturen zu schaffen, die diese Eingliederung ermöglichen - ohne dass damit ein Zwang zur Assimilation verbunden ist. Der `Wille zur Integration` sowie der `Erfolg der Integration` von Seiten der Zugewanderten und die Haltung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber diesem Politikfeld stehen also in einem Wechselwirkungs- und Abhängigkeitsverhältnis.“

(Bischof/Halbmayr/Lercher/Liegl 2007: 167)

Es sollte also nicht nur die Pflicht der MigrantInnen existent sein, sich an die neue Umgebung oder an die Gesellschaft anzupassen, sondern es sollte auch die aufnehmende Bevölkerung die Bereitschaft zeigen, „aus Fremden gleichberechtigte Bürger“ (Volf/Bauböck 2001: 14) zu machen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Zuordnung der notwendigen Aufgabengebiete der Aufnahmegesellschaft vernachlässigt wird (vgl. Gärtner 2009: 118). Thomas Schmidinger führt weiters aus, dass die Integrationsbereitschaft nicht nur zwischen MigrantInnen und ÖsterreicherInnen stattfinden muss, „sondern zwischen unterschiedlichsten Sektoren einer Gesellschaft“ (Schmidinger 2010: 38).

Wie bereits erwähnt ist die Identität der Menschen mit Migrationshintergrund weder ganz vom Herkunftsland noch von ihrer jetzigen Bleibe durchdrungen. Sie fühlen sich an „Diaspora-Gesellschaften“ (Volf/Bauböck 2001: 17) gebunden bzw. entwickeln ihr „Ich“ in diesen weiter.

„Die Forderung nach Integration setzt Leute unter Druck, sich einer ´Gesellschaft´ anzupassen, von der andererseits immer wieder bezweifelt wird, ob sie überhaupt existiert.“ (Holert/Terkessidis 2006: 263)

Im Medienanalyseteil dieser wissenschaftlichen Arbeit wird ersichtlich werden, dass die Integrationsdebatte in den Medien hauptsächlich mit Leistung, Sprache und Anpassung - vorherrschend seitens der Eingewanderten - in Zusammenhang gebracht wird. Diese Tatsache konnte im gesamten Entstehungszeitraum dieser wissenschaftlichen Arbeit festgestellt bzw. beobachtet werden.

In den deutschsprachigen Ländern wird das Bild eines Bürgers nach wie vor in Beziehung „mit Organisationstalent, Ordnung, Fleiß, Zuverlässigkeit“ (Terkessidis 2010: 7) gebracht. Hitzige TV-Debatten belegen, dass der Gedanke, dass das österreichische Volk Regeln liebt, diese diszipliniert befolgt, Ehrgeiz und Eifer im Berufsleben zeigt und vor Zuverlässigkeit strotzt, nach wie vor existent ist und sich hartnäckig hält.

Wie Terkessidis richtigerweise erkannt hat, wird in der Politikwelt gerne darüber gesprochen, dass der Integrationsprozess eine wechselseitige Arbeit und Akzeptanz erfordert. In der Praxis wird jedoch ersichtlich, dass „die Leistungen […] in erster Linie die Einwanderer“ (Terkessidis 2010: 51; vgl. dazu auch Cinar 2004: 52) zu bringen haben. Diese Beobachtung kann auch mit folgender Aussage des aktuellen Staatssekretärs für Integration, Sebastian Kurz, untermalt werden:

„Jetzt geht es darum politische Maßnahmen zu erarbeiten - nach dem Grundsatz: Integration durch Leistung. Wer sich engagiert, im Beruf, in Vereinen, wer etwas aufbaut für sich, seine Familie und die Gesellschaft, der wird anerkannt […].“6

Wer nicht genügend Leistung erbringt, „der muss eben Ausländer bleiben“ (Terkessidis 2010: 9), weil der erfolgreiche Integrationsversuch dem Anschein nach gescheitert ist.

Stoff zur Fremdenfeindlichkeit im Leistungskontext geben zum Beispiel weitere Ergebnisse der Statistik Austria:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Hiermit wird - wie ebenso in weiteren wissenschaftlichen Arbeiten (vgl. z. B. Janda 2012) - eine oder mehrere ethnische Gruppe/n hervorgehoben und somit in ein schlechtes Licht gerückt. In diesem Fall erbringen die ausländischen Mütter, besonders türkischer Herkunft, nicht die gewünschte Leistung im Vergleich zu den österreichischen Müttern.

MigrantInnen werden in Österreich sowohl in der politischen Landschaft als auch in den Medien und der Gesellschaft immerzu als „Untergeordnete“, „Hilfsbedürftige“ und als die „zu Integrierenden“ fixiert. Dadurch wird eine „Differenz zur ´Aufnahmegesellschaft´“ (Hametner 2012: 39) immer wieder reproduziert, was unweigerlich und gleichzeitig die Frage nach dem gesellschaftlichen Status beinhaltet. Wenn MigrantInnen wenig verdienen und/oder deren Jobs in der Gesellschaft als minderwertig gelten, werden sie „[…] fremder als jemand aus derselben Herkunftskultur mit gehobenem Lebensstil. So verstärkt sich Be-Fremdung.“ (Bachinger/Schenk 2012: 10; vgl. Fassmann/Matuscheck/Menasse 1999: 11)

Bachinger und Schenk greifen in ihrer aktuellen Arbeit „Die Integrationslüge“ nahegehende Lebensbeispiele von MigrantInnen aus den deutschsprachigen Ländern Schweiz, Deutschland und Österreich auf. Somit hauchen sie der Frage der Integration etwas Persönliches ein und machen diese für die Öffentlichkeit sichtbar und zugänglich. Beide Wissenschaftler zeigen, dass Einwanderern trotz ihrer unermüdlichen Leistung, ihrer höheren Ausbildung in ihrer Heimat, trotz des offensichtlichen Gebrauchtwerdens und ihrer guten sprachlichen Kenntnisse, im Aufnahmeland wenig bis gar keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt - vor allem ihrem Ausbildungsniveau entsprechend - gegeben werden und daher die Möglichkeit eines gleichberechtigten Lebens nicht gesichert werden kann (vgl. Bachinger/Schenk 2012).

Gleichzeitig und erfreulicherweise berichten die beiden aber auch über positive Initiativen der österreichischen Bevölkerung gegenüber MigrantInnen bzw. AsylantInnen. So wird über ein paar Bankangestellte berichtet, die jeden Tag auf ihrem Weg zur Arbeit einer aus dem Herzen singende Augustin-Verkäuferin namens Marian begegneten. Diese Angestellten beschlossen eines Tages, Marian Oshoshor an ihrem Geburtstag einzuladen und sie mit einem Blumenstrauß und einem „Happy-Birthday-Song“ einfach so zu überraschen. Die Afrikanerin hatte sich sichtlich über so viel Menschlichkeit gefreut. Auch hatte sie weiters über ihre Vermieterin Positives zu berichten und ebenso über den Kindergarten, in dem sie als willkommene und geschätzte Arbeitskraft angesehen wird - aber nur inoffiziell, denn offiziell dürfte sie gar nicht dort arbeiten, da ihr Asylantrag noch nicht genehmigt wurde (ebd.: 117ff.). Mit diesem Beispiel kann Bauböck nur bestätigt werden.

„Das spezifisch österreichische Problem sind nicht die schlechten Lebensbedingungen der Einwanderer, sondern der blockierte Aufstieg. Das gilt […] auch im Übergang zur zweiten Generation.“ (Bauböck/Volf 2001: 27)

Ein weiteres aktuelles Beispiel, das Bachinger und Schenk noch aus Österreich bringen, betrifft eine Familie aus Afghanistan (ebd.: 124ff.). Said Haroun Sahebzada und seine Frau Farkhunda haben beide in ihrer Heimat Rechts- und Politikwissenschaften studiert. Farkhunda übte ihren Beruf als Richterin am Obersten Gerichtshof aus und ihr Mann, Said Haroun, arbeitete für das Außenministerium und war „für die diplomatischen Beziehungen mit arabischen Ländern“ (Bachinger/Schenk 2012: 127) zuständig. In den politisch halbwegs ruhigen Zeiten war die Familie Sahebzada in Kabul glücklich. Sie waren angesehene, im Beruf erfolgreiche Menschen. Wie allgemein bekannt ist Afghanistan jedoch ein politisch heißes Pflaster, ein Land, in dem es einen Konflikt nach dem anderen gab (vgl. dazu Freund 2010: 115ff.) und nach wie vor gibt.7 Die Taliban kamen an die Macht und mit ihnen auch das unmenschliche Regime. Bachinger und Schenk zitieren den Interviewten, Herrn Sahebzada:

„´Ein Arbeitskollege von mir kam ins Gefängnis, weil er was Falsches über die Taliban gesagt hat. […] Das sind Extremisten, die einen Islam leben, der nicht unser Islam ist. […] Die Frauen durften nicht mehr in die Schule und zur Arbeit gehen. Viele Frauen hatten aber durch den Krieg ihre Ehemänner verloren, sie mussten arbeiten, wegen der Kinder, aber sie durften nicht. […] Frauen durften auch nicht mehr alleine zum Arzt, […]. Die Taliban haben dann sogar kontrolliert, ob sie ihre Heiratsurkunde dabeihatten.´“ (Bachinger/Schenk 2012: 126f.)

Das waren genügend gute Gründe, um von der Heimat zu fliehen, wo sich die Familie Sahebzada nicht mehr sicher fühlte. Das Leben wurde sehr gefährlich und es entstand eine Lebenssituation, die nicht mehr ohne eine Flucht in ein fremdes Land zu bewältigen war. So erreichte Said Haroun am 4. Mai 2000 alleine Österreich, wo er erstmals über einen Monat lang in die Haftanstalt musste. Die zuständigen Behörden schafften es nicht einmal, seinen Nachnamen richtig zu schreiben. Sein Asylverfahren wurde nach einem halben Jahr glücklicherweise positiv erledigt. Mit Hilfe einiger Verwandten, die sich in Deutschland niedergelassen hatten, gelang es Said Haroun, auch seine Frau Farkhunda nach Österreich zu holen. Beide beschreiben ihren Beginn als auch ihre derzeitige Lebenssituation in Österreich in einem sehr weichen und positiven Ton, der von Anerkennung und Dankbarkeit (ebd.: 132) zeugt. Gleichzeitig sprechen sie aber auch ehrlich und offen über ihre Erlebnisse, über ihr Heimweh, über die Schwierigkeiten der „Integration“, über die Hürden der deutschen Sprache und vom Druck und den Strapazen, die - vor allem anfangs - auf ihnen lasteten.

Wehmütig schildern die beiden, dass sie alles, bis auf ein paar „Erinnerungsstücke und Dokumente“ (ebd.: 131), verloren haben. Herr Sahebzada erzählt und Bachinger und Schenk führen aus, in welcher Position und wo Herr Sahebzada noch so tätig war:

„´Das hier ist eine Einladung zum Lunch und das eine zum Bankett beim damaligen pakistanischen Präsidenten Nawaz Sharif in Islamabad. Und das, das können Sie nicht lesen, aber das ist eine Einladung in den Iran.´ Oft hat er [Herr Sahebzada] in den neunziger Jahren als Beamter des Außenministeriums den damaligen Präsidenten Burhanuddin Rabbani und Minister ins Ausland begleitet. Ein Foto zeigt ihn, im feinen Anzug samt Krawatte, im Flugzeug neben dem Präsidenten auf dem Weg nach Kairo zu einem Treffen mit Hosni Mubarak. Auf einem anderen Foto sitzt er neben dem heutigen afghanischen Oppositionsführer Abdullah Abdullah in einer Hotellobby in Dubai.“ (Bachinger/Schenk 2012: 131f.)

Said war bemüht und daran interessiert, sein Studium in Österreich anrechnen zu lassen, aber dieser Schritt hätte von ihm ein weiteres dreijähriges Studium erfordert. Die Schwierigkeit bestand damals darin, dass er gleichzeitig studieren und Vollzeit arbeiten hätte müssen, um seine und die Existenz seiner Familie sichern zu können. Hinzu kamen natürlich die vorerst schlechten Sprachkenntnisse. Das ganze Vorhaben hätte einfach zu viel Zeit in Anspruch genommen. Zeit, die Said Haroun aus dem zuvor genannten Grund nicht hatte. Ähnlich erging es auch Farkhunda. Auch sie musste sich gleich in die Arbeitswelt stürzen, um ihren Mann zu unterstützen. Zeit für das Erlernen der deutschen Sprache hatte sie ebenso wenig wie ihr Mann Said (ebd.: 134).

Sowohl Said Haroun als auch seine Frau Farkhunda empfinden, dass ihr angelerntes Wissen immer mehr schwindet. Shebzada, die in Afghanistan Richterin war, ist enttäuscht, dass es so kompliziert ist, sich ihr Studium hierzulande anrechnen zu lassen. In Österreich hat sie eine weitere Ausbildung als Kindergruppenbetreuerin absolviert, dennoch plagen sie Selbstzweifel (hauptsächlich wegen der deutschen Sprache), ob sie für diesen Job gut genug wäre - trotz ihrer Praxis als mittlerweile dreifache Mutter. Über ihre Deutschkurs- Erlebnisse beim Arbeitsmarktservice (AMS) berichtet sie enttäuscht:

„´Es ist so langweilig und der Trainer[…] kommt aus Vorarlberg und spricht einen starken Dialekt. Die türkischen Frauen verstehen ihn gar nicht.´“ (Bachinger/Schenk 2012: 133)

[...]


1 Migration und Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2013, Statistik Austria, S. 8 und 22

2 URL: http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/01/17/migrantinnen-in-osterreich- besonders-unerwunscht/ [02.05.2013].

3 URL: http://www.zara.or.at/_wp/wp- content/uploads/2013/03/ZARA_Rassismus_Report_2012_Web.pdf [02.05.2013].

4 URL: http://www.ams.at/sfu/14185_1274.html [02.05.2013].

5 URL: http://www.bka.gv.at/site/7216/default.aspx [02.05.2013].

6 Vgl. Vorwort der Statistik Austria. Daten. Zahlen. Indikatoren 2011.

7 URL: http://www.nzz.ch/aktuell/international/afghanistan_chronologie_2001- 2009_1.3359154.html [02.05.2013].

Fin de l'extrait de 211 pages

Résumé des informations

Titre
Migration und Integration in der Kronen Zeitung und in der Zeit im Bild. Eine quantitative und diskursanalytische Studie
Université
Klagenfurt University
Note
1
Auteur
Année
2013
Pages
211
N° de catalogue
V264309
ISBN (ebook)
9783656536970
ISBN (Livre)
9783656537465
Taille d'un fichier
11357 KB
Langue
allemand
Mots clés
migration, integration, kronen, zeitung, zeit, bild, eine, studie
Citation du texte
Veneta Buchegger (Auteur), 2013, Migration und Integration in der Kronen Zeitung und in der Zeit im Bild. Eine quantitative und diskursanalytische Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264309

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