Kindesmisshandlung ist nicht erst in unserer Zeit ein Problem geworden. Man erinnere sich nur an dem im 19. Jahrhundert verfassten Roman von Charles Dickens (1837) „Oliver Twist“ (Hervorhebung d.V.)‚ die das Schicksal verwahrloster und vernachlässigter Kinder im englischen Frühkapitalismus beschreiben. Während aber das historische Gedächtnis in unserer Gesellschaft eher kurz ist‚ wurde die letzte Dekade Zeugin einer wahren Explosion an den verschiedenen Formen von Gewalt‚ die zwischen Familienmitgliedern stattfinden können und stattfinden. Es vergeht kaum ein Tag ohne dass man in Zeitungen‚ im Fernsehen oder im Radio auf einen Betrag stößt‚ der sich entweder direkt oder indirekt auf solche Themen wie die Misshandlung von Kindern und Frauen‚ das Verprügeln oder die Gewalttätigkeit und Kriminalität von Teenagern bezieht. Zudem ist in den letzten Jahren das Forschungsinteresse an und die Gewinnung von Wissen über die verschiedenen Aspekte der familiären Gewalt expotentiell gewachsen. Wie viele Kinder jedoch in Deutschland von Kindesmisshandlung betroffen sind‚ lässt sich nur schwer ermitteln. Nach den Zahlen des Bundeskriminalamts in Wiesbaden wurden in Deutschland im Jahr 2006 12.765 Fälle wegen Kindesmisshandlungen registriert. Die Dunkelziffer dieser Vorkommnisse liegt nach Experten wesentlich höher (vgl. BMFSFJ 2008‚ S.4).
Um die Problematik der Kindesmisshandlung besser begreifen zu können‚ ist es notwendig‚ die Hindergründe genau zu erforschen. Hierbei ist es zu wenig‚ lediglich die Lebensgeschichte der Täter zu ergründen‚ um damit mögliche Rückschlüsse auf die Tat ziehen zu können. Vielmehr müssen gesellschaftliche Bedingungen‚ Lebensbelastungen wie Armut und Arbeitslosigkeit mit einbezogen werden und somit der Zusammenhang zwischen persönlicher und gesellschaftlicher Gewalt deutlich gemacht werden (vgl. Wolff 1982‚ S.70f). Ferner ist es wichtig‚ sich den Ursachen und den misshandlungsbegünstigten Faktoren bewusst zu werden‚ um geeignete präventive Maßnahmen einleiten zu können.
Kindesmisshandlung ist ein sehr komplexer Bereich und ein differenziertes Thema. Von daher habe ich mich in dieser Arbeit nur auf bestimmte Felder beschränkt‚ welche ich nachfolgend nennen werde.
In der vorliegenden Arbeit definiere ich zuerst den Begriff der Kindesmisshandlung‚ um eine Vertiefung der Thematik zu schaffen. Im nächsten Schritt gehe ich auf die verschiedenen Misshandlungsformen familiärer Gewalt gegen Kinder ein. Um die Ursachen für familiäre ...
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Was heißt Gewalt gegen Kinder? - Definition des Begriffes Kindesmisshandlung
- 3. Entstehung aggressiver Verhaltensweisen unter Betrachtung der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura
- 3.1 Phasen des Modellernens
- 3.1.1 Aneignungsphase
- 3.1.2 Ausführungsphase
- 3.2 Lerneffekte
- 3.2.1 Modellierender Effekt
- 3.2.2 Enthemmender/ hemmender Effekt
- 3.2.3 Auslösender Effekt
- 3.3 Faktoren der Festigung aggressiven Verhaltens
- 3.3.1 Externe Verstärkung
- 3.3.2 Stellvertretende Verstärkung
- 3.4 Weitere diverse Prozesse beim Erlernen aggressiver Verhaltensmuster
- 3.4.1 Lernen durch kognitive Verarbeitung eigener Erfahrungen
- 3.4.2 Lernen aggressiver Verhaltensweisen in der Familie
- 3.4.3 Subkulturelle Vermittlung aggressiver Verhaltensweisen
- 3.4.4 Massenmedien
- 3.5 Kognitive Prozesse bei der aktuellen Steuerung von Aggressionen
- 3.5.1 Stimulus- und Reaktions – kontigente Erfahrungen
- 3.6 Aversive Ereignisse als Auslösebedingungen von Aggressionen
- 3.7 Auslösung aggressiven Verhaltens durch Instruktionen
- 3.8 Zusammenfassung der Theorie von Albert Bandura und dessen Bedeutung in der Erziehung
- 3.1 Phasen des Modellernens
- 4. Misshandlungsfolgen und deren Auswirkungen
- 4.1 Körperliche Symptome
- 4.2 Psychische und emotionale Misshandlung
- 4.3 Soziale Auswirkungen
- 4.4 Schlussfolgerung in sozial-soziologischer Perspektive
- 5. Früherkennung und Prävention
- 5.1 Primäre Prävention
- 5.3 Tertiäre Prävention
- 5.4 Aktuelle Maßnahmen zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung durch das BMFSFJ
- 6. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Kindesmisshandlung unter Berücksichtigung der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura. Ziel ist es, die Entstehung aggressiven Verhaltens zu erklären und die Folgen von Kindesmisshandlung aufzuzeigen. Die Arbeit beleuchtet präventive Maßnahmen und aktuelle Strategien der Bekämpfung.
- Definition und verschiedene Formen von Kindesmisshandlung
- Sozial-kognitive Lerntheorie von Albert Bandura und deren Anwendung auf aggressives Verhalten
- Folgen von Kindesmisshandlung auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene
- Früherkennung und Prävention von Kindesmisshandlung
- Aktuelle Maßnahmen zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema Kindesmisshandlung ein und verortet es historisch und gesellschaftlich. Sie betont die wachsende Forschungsaktivität und die Notwendigkeit, Ursachen und Hintergründe zu erforschen, um präventive Maßnahmen zu entwickeln. Die Arbeit beschränkt sich auf definitorische Klärung, verschiedene Misshandlungsformen, Banduras sozial-kognitive Lerntheorie, Folgen von Misshandlung und präventive Maßnahmen.
2. Was heißt Gewalt gegen Kinder? – Definition des Begriffes Kindesmisshandlung: Dieses Kapitel analysiert verschiedene Definitionen von Kindesmisshandlung, von eng gefassten, die sich auf körperliche Schäden konzentrieren, bis hin zu umfassenderen Definitionen, die psychische und soziale Aspekte einbeziehen und den Einfluss gesellschaftlicher Bedingungen berücksichtigen. Es wird deutlich, wie sich der Begriff im Laufe der Zeit und durch den Einfluss der Kinderschutzbewegung erweitert hat, um die Komplexität des Problems widerzuspiegeln.
3. Entstehung aggressiver Verhaltensweisen unter Betrachtung der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura: Dieses Kapitel beschreibt Banduras sozial-kognitive Lerntheorie der Aggression, einschließlich der Phasen des Modelllernens (Aneignung und Ausführung), der Lerneffekte (modellierend, enthemmend/hemmend, auslösend), und Faktoren zur Festigung aggressiven Verhaltens (externe und stellvertretende Verstärkung). Es beleuchtet auch weitere Lernprozesse wie kognitive Verarbeitung eigener Erfahrungen, familiäre und subkulturelle Einflüsse sowie die Rolle der Massenmedien. Der Fokus liegt auf der Erklärung, wie aggressives Verhalten erlernt und aufrechterhalten wird.
4. Misshandlungsfolgen und deren Auswirkungen: Dieses Kapitel befasst sich mit den Folgen von Kindesmisshandlung. Es werden körperliche Symptome, psychische und emotionale Beeinträchtigungen und soziale Auswirkungen detailliert dargestellt. Die Zusammenfassung synthetisiert die Auswirkungen der Misshandlung, um das gesamte Ausmaß des Schadens für das Kind aufzuzeigen.
5. Früherkennung und Prävention: Das Kapitel beschreibt die verschiedenen Ebenen der Prävention (primär, sekundär, tertiär) und aktuelle Maßnahmen der deutschen Regierung zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung. Es erläutert Strategien zur Vermeidung von Misshandlung und Interventionen bei bereits bestehenden Problemen. Der Fokus liegt auf präventiven und interventiven Maßnahmen.
Schlüsselwörter
Kindesmisshandlung, Gewalt gegen Kinder, sozial-kognitive Lerntheorie, Albert Bandura, Aggression, Misshandlungsfolgen, Prävention, Früherkennung, psychische Gesundheit, soziale Auswirkungen, gesellschaftliche Bedingungen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Kindesmisshandlung und die sozial-kognitive Lerntheorie
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht Kindesmisshandlung unter Berücksichtigung der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura. Sie umfasst eine Definition von Kindesmisshandlung, die Erklärung der Entstehung aggressiven Verhaltens anhand von Banduras Theorie, die Darstellung der Folgen von Kindesmisshandlung und die Beschreibung präventiver Maßnahmen und aktueller Strategien zur Bekämpfung.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen im Detail: verschiedene Definitionen von Kindesmisshandlung, die Phasen des Modelllernens nach Bandura (Aneignung und Ausführung), Lerneffekte (modellierend, enthemmend/hemmend, auslösend), Faktoren zur Festigung aggressiven Verhaltens (externe und stellvertretende Verstärkung), weitere Lernprozesse (kognitive Verarbeitung, familiäre und subkulturelle Einflüsse, Medien), körperliche, psychische und soziale Folgen von Kindesmisshandlung, verschiedene Ebenen der Prävention (primär, sekundär, tertiär) und aktuelle Maßnahmen der deutschen Regierung.
Wie wird die Entstehung aggressiven Verhaltens erklärt?
Die Entstehung aggressiven Verhaltens wird anhand der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura erklärt. Der Fokus liegt auf dem Modelllernen, den verschiedenen Lerneffekten (modellierend, enthemmend/hemmend, auslösend), der Rolle von Verstärkung (extern und stellvertretend) und weiteren Einflussfaktoren wie kognitiver Verarbeitung, familiären und subkulturellen Einflüssen sowie den Massenmedien.
Welche Folgen von Kindesmisshandlung werden beschrieben?
Die Arbeit beschreibt detailliert die körperlichen Symptome, die psychischen und emotionalen Beeinträchtigungen sowie die sozialen Auswirkungen von Kindesmisshandlung. Es wird das gesamte Ausmaß des Schadens für das betroffene Kind aufgezeigt.
Welche Präventionsmaßnahmen werden vorgestellt?
Die Arbeit beschreibt verschiedene Ebenen der Prävention (primär, sekundär und tertiär) und erläutert Strategien zur Vermeidung von Kindesmisshandlung sowie Interventionen bei bereits bestehenden Problemen. Aktuelle Maßnahmen der deutschen Regierung zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung werden ebenfalls vorgestellt.
Welche Definition von Kindesmisshandlung wird verwendet?
Die Arbeit analysiert verschiedene Definitionen von Kindesmisshandlung, von eng gefassten (körperliche Schäden) bis hin zu umfassenden Definitionen, die psychische und soziale Aspekte sowie gesellschaftliche Bedingungen einbeziehen. Die Entwicklung des Begriffs im Laufe der Zeit wird ebenfalls berücksichtigt.
Welche Rolle spielen die Massenmedien?
Die Arbeit untersucht die Rolle der Massenmedien als einen der Faktoren, die zum Erlernen aggressiven Verhaltens beitragen können. Dies ist ein Teil der breiteren Betrachtung der Lernprozesse im Kontext der sozial-kognitiven Lerntheorie.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Kindesmisshandlung, Gewalt gegen Kinder, sozial-kognitive Lerntheorie, Albert Bandura, Aggression, Misshandlungsfolgen, Prävention, Früherkennung, psychische Gesundheit, soziale Auswirkungen, gesellschaftliche Bedingungen.
- Citation du texte
- Sabrina Werber (Auteur), 2009, Kindesmisshandlung im Kontext der Theorie von Albert Bandura, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264317