Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit Goethes Drama
„Clavigo“, dem Nachfolger des „Götz von Berlichingen“,
welches der Autor selbst als „kleinere faßliche Produktion“1
bezeichnete. Als Vorlage dienten Goethe hierbei die Memoiren
eines Zeitgenossen, des französischen Kaufmanns und
Schriftstellers Pierre Beaumarchais, die ihn zur Verarbeitung
dieses Gegenwartsstoffes inspirierten.
Die Dramenhandlung beruht demzufolge auf einer wahren
Begebenheit, die sich nach den dichterischen Eingriffen des
Verfassers folgendermaßen darstellt:
Clavigo, mittlerweile Archivar am Hof des Königs und
erfolgreicher Herausgeber, unterhielt in dem Zeitraum, als er
- noch mittellos und unbekannt - versuchte, sich in Spanien
einen Namen zu machen, eine Beziehung zu Marie Beaumarchais.
Während dieser Liaison verspricht er Marie, einer mit ihrer
Schwester Sophie, inzwischen verheiratete Guilbert,
zugezogene Französin, sie nach Verbesserung seiner
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage zu heiraten. Als
er dieser Vereinbarung trotz seines sozialen Aufstiegs nicht
nachkommt, erwartet ihn der zu Hilfe gerufene Bruder Maries,
dessen Sinn nach Rache und Rehabilitation der Schwester
steht. Clavigo willigt ein, eine von Beaumarchais aufgesetzte
Schulderklärung zu unterzeichnen, einigt sich allerdings mit
ihm darauf, den Versuch zu machen, Marie zurückzugewinnen.
Nachdem dieses tatsächlich glückt, gelingt es jedoch Clavigos
Freund und Vertrautem Carlos, Clavigo erneut umzustimmen und
ihn zur Intrige gegen Beaumarchais anzustiften. Marie stirbt,
nachdem sie davon erfährt. Im Schlußakt trifft Clavigo auf
den Leichenzug; am Grab Maries versetzt ihm Beaumarchais den
Todesstoß – und dennoch steht der Ausgang des Dramas im Zeichen der Versöhnung, wie die folgende Analyse des Stoffes
zeigen wird.
Der Titel der Arbeit weist darauf hin – Gegenstand der Arbeit
ist die tragische Substanz des Stückes. Die Vorgehensweise
wird dabei wie folgt verlaufen: [...]
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Der Begriff der Tragik im Spiegel der Sekundärliteratur anhand von ausgewählten Beispielen
II. Zu Goethes Verständnis des Tragischen
III. Die Gestaltung der Figuren im Hinblick auf die Tragik im „Clavigo“
III. 1. Clavigo
III. 2. Carlos
IV. Aspekte der Handlung unter dem Gesichtspunkt der Tragik - mit besonderer Berücksichtigung des Schlusses – Nachwort
Literaturverzeichnis
Quellen
Literatur
Vorwort
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit Goethes Drama „Clavigo“, dem Nachfolger des „Götz von Berlichingen“, welches der Autor selbst als „kleinere faßliche Produktion“[1] bezeichnete. Als Vorlage dienten Goethe hierbei die Memoiren eines Zeitgenossen, des französischen Kaufmanns und Schriftstellers Pierre Beaumarchais, die ihn zur Verarbeitung dieses Gegenwartsstoffes inspirierten.
Die Dramenhandlung beruht demzufolge auf einer wahren Begebenheit, die sich nach den dichterischen Eingriffen des Verfassers folgendermaßen darstellt:
Clavigo, mittlerweile Archivar am Hof des Königs und erfolgreicher Herausgeber, unterhielt in dem Zeitraum, als er - noch mittellos und unbekannt - versuchte, sich in Spanien einen Namen zu machen, eine Beziehung zu Marie Beaumarchais. Während dieser Liaison verspricht er Marie, einer mit ihrer Schwester Sophie, inzwischen verheiratete Guilbert, zugezogene Französin, sie nach Verbesserung seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage zu heiraten. Als er dieser Vereinbarung trotz seines sozialen Aufstiegs nicht nachkommt, erwartet ihn der zu Hilfe gerufene Bruder Maries, dessen Sinn nach Rache und Rehabilitation der Schwester steht. Clavigo willigt ein, eine von Beaumarchais aufgesetzte Schulderklärung zu unterzeichnen, einigt sich allerdings mit ihm darauf, den Versuch zu machen, Marie zurückzugewinnen. Nachdem dieses tatsächlich glückt, gelingt es jedoch Clavigos Freund und Vertrautem Carlos, Clavigo erneut umzustimmen und ihn zur Intrige gegen Beaumarchais anzustiften. Marie stirbt, nachdem sie davon erfährt. Im Schlußakt trifft Clavigo auf den Leichenzug; am Grab Maries versetzt ihm Beaumarchais den Todesstoß – und dennoch steht der Ausgang des Dramas im Zeichen der Versöhnung, wie die folgende Analyse des Stoffes zeigen wird.
Der Titel der Arbeit weist darauf hin – Gegenstand der Arbeit ist die tragische Substanz des Stückes. Die Vorgehensweise wird dabei wie folgt verlaufen:
Zunächst werden einige einschlägige theoretische Darstellungen zur Begriffsbestimmung des Terminus „Tragik“ dargelegt werden, gefolgt von einem knappen Umriß der Tragikauffassung Goethes. Der zweite Komplex widmet sich schließlich dem Stück selbst anhand von einer Entwicklung des tragischen Gehalts in der Figuren- sowie Handlungskonzeption. Natürlich ist es bei einer solch komprimierten Form nicht möglich, in jedem Bereich in die Tiefe zu gehen, es soll aber dennoch versucht werden, wenigstens die wesentlichen Aspekte aufzugreifen.
Zum Ende schließlich soll der Versuch unternommen werden, beide Teile der Arbeit miteinander zu vergleichen und, basierend auf den gewonnen Erkenntnissen, der Frage auf den Grund zu gehen, ob bzw. wie sich die theoretischen Überlegungen mit der praktischen Umsetzung im Stück vereinbaren und welche Konsequenzen sich wiederum daraus ergeben.
Die Textgrundlage der Arbeit bildet die Reclam-Ausgabe des „Clavigo“; Textstellen werden aufgrund der Ermangelung einer fortlaufenden Zeilenzählung in Akt und Seitenzahl angegeben.
I. Der Begriff der Tragik im Spiegel der Sekundärliteratur anhand von ausgewählten Beispielen
Der erste hier vorzustellende Ansatz zur Begriffsbestimmung des Tragischen stammt von Emil Staiger. Für ihn kann definitorisch von Tragik die Rede sein, wenn der menschlichen Existenz mit all ihren Grundlagen die Basis entzogen wird, so daß einem Individuum oder auch einer größeren Personeneinheit die bisher bestehende „Weltordnung“ genommen wird.[2]
Er wendet sich sowohl gegen das Tragikverständnis der antiken Griechen, als auch gegen Determinationsversuche namhafter neuzeitlicher Dichter wie Goethe, Schelling, Hegel und Hebbel, deren Auffassung von Tragik als die Unvereinbarkeit des menschlichen Bedürfnisses nach freier Entfaltung mit dessen Fremdbestimmtheit er nicht als vollständigen Inhalt des Tragischen akzeptieren kann.[3] Für ihn bedeutet Tragik mehr als eine krisenhafte Situation, nämlich „[...] ein unwiderrufliches Scheitern [...], eine tödliche Verzweiflung, die nicht mehr weiß, wo aus und ein.“[4] Formal ordnet er den Begriff der Metaphysik und nicht der Dramaturgie zu, da er in seiner ganzen Dimension Lebenslagen des Menschen kennzeichne, die jeglicher Sinngebung entbehrten.[5]
Das Ausmaß des Tragischen kann sich seiner Ansicht nach nur voll entfalten, wenn die davon betroffene Person ein Mensch mit einer stabilen Weltanschauung ist, der zudem unverrückbar von dieser überzeugt ist.[6]
Aufgrund dieser Überlegungen hält er die Dramatik für die einzig adäquate Disziplin zur effektiven Ausgestaltung des Tragischen.[7]
In der angesprochenen Fixiertheit des tragischen Helden auf sein Weltbild, sein Ziel sieht Staiger weiterhin die Ursache für das unerwartete Aufeinandertreffen des Protagonisten mit der Tragik, welches durch Übersehen von Vorzeichen oder schlicht „blindes“ Handeln zustande käme.[8] In diesem Zusammenhang ist nach Staiger auch die Beurteilung der Schuld des tragischen Menschen zu sehen, der sich zwar in seiner Schuldhaftigkeit nicht von der übrigen Menschheit unterscheide, wohl aber in seinem Schuldbekenntnis. So habe der tragische Mensch „den Mut zur Schuld“, sie werde „durch verantwortungsbewußtes entschlossenes Handeln bloß evident“.[9]
Nur dem so charakterisierten Menschentypus kann laut Staiger das Tragische widerfahren, jedoch ist sein anfangs beschriebener Untergang unabwendbar.[10]
Staiger sieht zwar die Möglichkeit der „Versöhnung“, welche nach seiner Vorstellung auf einer vom Dichter ersonnenen höheren Ebene innerhalb des Dramas stattfinde; er zieht aber dennoch in Betracht, daß diese Ebene denselben Prüfungen unterliegen könnte wie die bisherige Erzählebene.
Zum zweiten sind Wolfgang Kaysers Überlegungen zum Tragikbegriff heranzuziehen. Auch er lokalisiert die Tragödie bzw. das Tragische im Gattungsgefüge der Dramatik, genauer im Bereich des „Handlungsdramas“, welches er aufgrund seiner Beschaffenheit mit der Tragödie gleichsetzt.[11]
Kayser sieht das wesentliche Merkmal der tragischen Dichtung darin, selbst einer scheinbar sinnlosen Untergangssituation eine sinngebende Komponente zu verleihen. Der Gang der Handlung arbeite dabei auf das unumgängliche tragische Ende hin; nach Kayser ein Zeichen dafür, daß der Geschehensablauf nicht vom Menschen, sondern von ihm übergeordneten Mächten gelenkt werde.[12] Je nachdem, ob es sich um eine Handlungs- oder eine Figurentragödie handele, zwischen denen Kayser außerdem differenziert, befänden sich besagte Mächte außerhalb oder innerhalb der Person des Helden.[13] Als weitere Kategorie nennt er das „Lösungsdrama“, welches statt der Katastrophe mit einem versöhnlichen Schluß versehen sei, der wiederum ebenfalls durch die Intervention einer höheren Gewalt ausgelöst werde.[14]
II. Zu Goethes Verständnis des Tragischen
Wie Goethe selbst den Begriff der Tragik definierte oder ihm generell gegenüberstand, soll hier einleitend durch ein Zitat seinerseits illustriert werden. So lies er 1831 diesbezüglich verlauten:
„Was die Tragödie betrifft, ist es ein kitzlicher Punkt. Ich bin nicht zum tragischen Dichter geboren, da meine Natur konziliant ist; daher kann der rein tragische Fall mich nicht interessieren, welcher eigentlich von Haus aus unversöhnlich sein muß, und in dieser übrigens so platten Welt kommt mir das Unversöhnliche ganz absurd vor.“[15]
Es wird deutlich, daß Goethe sich aufgrund seines Wesens für unvermögend hielt und es auch nicht als adäquat erachtete, Tragik in diesem unversöhnlichen Sinn dichterisch zu verarbeiten. Dementsprechend deutet er Aristoteles‘ Katharsis-Begriff nach seinen Maßstäben neu – für ihn meint Aristoteles damit „‘diese aussöhnende Abrundung, welche eigentlich von allem Drama, ja sogar von allen poetischen Werken gefordert wird.‘“[16]
Kurt Ermanns Abhandlung über Goethes Shakespeare-Bild enthält einige weitere Anmerkungen zu seiner Auffassung von Tragik, welche im Folgenden knapp dargestellt werden sollen.
Eine zentrale Funktion nimmt hierbei u.a. der Begriff des Schicksals ein, welchen Goethe oftmals mit der Bezeichnung des Dämons oder des Dämonischen gleichsetzt.[17] Goethe zufolge nimmt das Schicksal innerhalb des Dramas eine den Helden dominierende Funktion ein, welche dessen ratio außer Kraft setzt, ja setzen muß. Konkretisierend spricht er vom Dämonischen als „eine der moralischen Weltordnung, wo nicht entgegengesetzte, doch sie durchkreuzende Macht“, was die Bedeutung des Schicksals für die Entwicklung des Tragischen plausibilisiert: Das Schicksal als Auslöser für den „tragischen Zusammenstoß“.[18] Laut Ermann widerruft Goethe in gewissem Sinne die Vorstellung von der Einflußnahme des Schicksals durch den versöhnlichen Ausgang des Dramas, auf den er aus o.g. Gründen hinarbeitete.[19]
Einen weiteren Ansatz Goethes zur Charakterisierung des Tragischen sieht Ermann in seiner Theorie vom Sollen und Wollen. In seinem Aufsatz Shakespeare und kein Ende stelle er den Konflikt zwischen dem dem Menschen aufoktroyierten Sollen und dem freien Wollen als eines der elementarsten Probleme des Menschen überhaupt dar. Dennoch sehe er im Sollen die Bestimmung, dem „Wohl des Ganzen“ zu dienen.[20] Ebenso korreliere für Goethe das menschliche Wollen mit dem „notwendigen Gang des Ganzen“, was wiederum die Fremdbestimmtheit des Menschen durch ein Sollen andeutet.[21] Auch an dieser Stelle bemühe sich Goethe, seinen Überlegungen eine versöhnliche Wendung zu geben, indem er versuche, die an sich divergierenden Momente des Sollens und Wollens zueinander zu führen. Er komme somit zu dem Ergebnis, daß keine der beiden Kräfte sich der anderen verschließen könne, so daß eine Art “Kompromißlösung“ entstehe, ohne daß jedoch die Tragik dabei verloren gehe.[22]
III. Die Gestaltung der Figuren im Hinblick auf die Tragik im „Clavigo“
III. 1. Clavigo
Clavigo selbst wird von Goethe als „unbestimmter, halb groß, halb kleiner Mensch“[23] charakterisiert – ein Ausspruch, der schon so manches über das Wesen des Titelhelden erahnen läßt.
Um die Intentionen Goethes bei der Ausarbeitung der Charaktere zu erhellen, sollte zunächst darauf eingegangen werden, welche Veränderungen er gegenüber seiner Vorlage, den Memoiren des Pierre Beaumarchais, vornahm.
[...]
[1] s. Dieter Borchmeyer: Kommentar in : Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Frankfurt 1985 („Frankfurter Ausgabe“) I. Abt., Bd.4, S.908-938.S. 911
[2] vgl. Emil Staiger: Grundbegriffe der Poetik. Zürich 1946. S. 183
[3] vgl. Staiger S.183/184
[4] s. Staiger S. 184
[5] vgl. Staiger S. 185
[6] vgl. Staiger S. 186
[7] vgl. Staiger S. 186/187
[8] vgl. Staiger S. 187
[9] s. Staiger S. 188/189
[10] vgl. Staiger S. 190
[11] vgl. Wolfgang Kayser: Das Sprachliche Kunstwerk. Eine Einführung in die Literaturwissenschaft. Bern, München 1961. S. 371
[12] vgl. Kayser Kunstwerk S. 371/372
[13] vgl. Kayser Kunstwerk S. 372
[14] vgl. Kayser Kunstwerk S. 373
[15] s. Kurt Ermann: Goethes Shakespeare-Bild. Tübingen 1983. S. 183/184.
[16] s. Ermann S. 184
[17] vgl. Ermann S. 185
[18] s. Ermann S. 187
[19] vgl. Ermann S. 188
[20] vgl. Ermann S. 192
[21] vgl. Ermann S. 193
[22] vgl. Ermann S. 193/194
[23] s. Wolfgang Kayser: Kommentar in : Goethes Werke. München 1981. („Hamburger Ausgabe“) Bd. IV, Dramatische Dichtungen II, S.565-572. S. 565
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