Der erfolgreiche Angriff der deutschen Truppen auf Maubeuge im August 1914 hatte zur Folge, dass mehr als 40.000 Kriegsgefangene gemacht werden konnten. Am Ende des Jahres stieg die Zahl der französischen Kriegsgefangenen auf über 215.000 an. Mit derart enormen Zahlen gehörten die Kriegsgefangenen in nahezu jedem militärischen Konflikt zum Alltag. Viele Jahrhunderte hindurch hatten sie jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wurden die Gefangenen in der Antike aufgrund des fehlenden Rechtsstatus noch versklavt oder getötet, so kam es in den folgenden Jahrhunderten zu einem Wandel in der Behandlung von Kriegsgefangenen. Mit der „levé en masse“ militärischer Truppen nach der französischen Revolution stieg die Zahl der Kriegsgefangenen sprunghaft an und der jeweilige Staat, welcher die feindlichen Kriegsangehörigen in seiner „Obhut“ hatte, sah sich mit unbekannten Versorgungsproblemen konfrontiert. Es bedurfte neuer humanitärer Kriterien, um die Massen der Kriegsgefangenen zu verwalten. Dabei stand eine menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen im Vordergrund. Mit der Kodifizierung eines neuen Völkerrechts vor dem Großen Krieg sollte die militärische Ausübung sinnloser Gewalt gegen Kriegsgefangene eingedämmt werden. Aber konnte die Haager Landkriegsordnung diese Vorstellungen eines nach Regeln geführten Krieges auch umsetzen?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kriegsgefangenenbehandlung im Wandel nach 1871
2.1. Rezeption
3. Strafpraxis, Disziplin, Vergeltung
3.1. Militärische Strafen: HLKO Art.
3.2. Repressalien: Kriegsgefangene als Druckmittel
4. Arbeitsressource: Kriegsgefangene
4.1. Arbeit als Beschäftigungstherapie
a) Planung der „anstrengenden Arbeit“
b) Vorwürfe der Entente-Mächte
4.2. Landwirtschaft: Der Feind am Esstisch
a) Die „Auslese“ der Kriegsgefangenen
b) Die Lebens- und Arbeitsbedingungen
c) Vorwürfe der Entente-Mächte
4.3. Industrie und Bergwerke: Humane Zwangsarbeit?
a) Die bürokratisierte Menschenverwaltung
b) Lebens- und Arbeitsbedingungen
c) Vorwürfe der Entente-Mächte
4.4. Fronteinsatz – eine Parallelwelt?
a) Planung und Aufstellung von Kriegsgefangenen-Arbeitsbataillonen
b) Lebens- und Arbeitsbedingungen
5. Fazit
6. Bibliographie
Verwendete Quellen
1. Einleitung
Der erfolgreiche Angriff der deutschen Truppen auf Maubeuge im August 1914 hatte zur Folge, dass mehr als 40.000 Kriegsgefangene gemacht werden konnten.[1] Am Ende des Jahres stieg die Zahl der französischen Kriegsgefangenen auf über 215.000 an. Mit derart enormen Zahlen gehörten die Kriegsgefangenen in nahezu jedem militärischen Konflikt zum Alltag. Viele Jahrhunderte hindurch hatten sie jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Wurden die Gefangenen in der Antike aufgrund des fehlenden Rechtsstatus noch versklavt oder getötet, so kam es in den folgenden Jahrhunderten zu einem Wandel in der Behandlung von Kriegsgefangenen. Mit der „levé en masse“ militärischer Truppen nach der französischen Revolution stieg die Zahl der Kriegsgefangenen sprunghaft an und der jeweilige Staat, welcher die feindlichen Kriegsangehörigen in seiner „Obhut“ hatte, sah sich mit unbekannten Versorgungsproblemen konfrontiert. Es bedurfte neuer humanitärer Kriterien, um die Massen der Kriegsgefangenen zu verwalten. Dabei stand eine menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen im Vordergrund. Mit der Kodifizierung eines neuen Völkerrechts vor dem Großen Krieg sollte die militärische Ausübung sinnloser Gewalt gegen Kriegsgefangene eingedämmt werden. Aber konnte die Haager Landkriegsordnung diese Vorstellungen eines nach Regeln geführten Krieges auch umsetzen?
Die vorliegende Untersuchung wird sich anhand der Situation von gefangenen Soldaten während des Ersten Weltkrieges im deutschen Kaiserreich mit den völkerrechtlichen Leitlinien für die Behandlung von Kriegsgefangenen auseinandersetzen. Es gilt die Fragenstellung zu beantworten, inwiefern die Kriegsgefangenen eine barbarische Behandlung erfuhren oder aber eine humanitäre, die im Einklang mit der Haager Landkriegsordnung stand. Um die Rahmenbedingungen der Untersuchung weiter einzugrenzen, wird sich der Hauptschwerpunkt der Arbeit auf die Behandlung von Kriegsgefangenen anhand ihrer Arbeitsbeschäftigung fokussieren.
Der erste Teil der Untersuchung enthält zunächst einen knappen Abriss der Entwicklung der Kriegsgefangenenbehandlung nach dem deutsch-französischen Krieg. Dem schließt sich weiterführend eine ausführliche Darstellung der Haager Landkriegsordnung sowie der Umsetzung der völkerrechtlichen Bestimmungen im deutschen Kaiserreich im Vergleich zu Frankreich an.
Danach wird mit der Thematisierung des Ersten Weltkrieges die Behandlung der Kriegsgefangenen in Deutschland beleuchtet, wobei zunächst die legitimen Gewaltanwendungen im Fokus der Betrachtung stehen. Im sich anschließenden Hauptteil der Arbeit wird untersucht, inwiefern zur Durchsetzung der Arbeit von Kriegsgefangenen Gewaltmittel angewandt wurden und ob es im Laufe des Krieges zu einer Radikalisierung oder gar einer exzessiven Ausnutzung des Arbeitszwanges kam.
Um die Entwicklung der Beschäftigung von Kriegsgefangenen zu untersuchen, wird eine Aufteilung in vier verschiedene Arbeitssektoren vorgenommen. Der erste Teil jedes Hauptkapitels behandelt die allgemeine Situation der Beschäftigung der Kriegsgefangenen und erläutert die Vorgehensweise der verantwortlichen Militäradministrationen.
Im zweiten Teil der Untersuchung wird die Umsetzung der militärfachlichen Forderungen auf die lokale Praxis untersucht. Hierbei wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich die radikalisierenden Maßnahmen der Militärbehörden auf die untere Befehlskette auswirkten.
Im dritten Teil rücken dann die Vorwürfe der Ententemächte in den Blick, wobei besonders mithilfe der vorliegenden französischen Quellen auf die Hauptanklagen der französischen Regierungen eingegangen wird.[2]
Diese Anklagen werden dann kurz im Zusammenhang mit der Haager Landkriegsordnung im Hinblick auf die Situation der Kriegsgefangenen in Deutschland überprüft. Parallel wird zu erklären sein, mit welchem Ziel dieser Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen durchgeführt wurde. Inwiefern gab es eine organisierte Planung der deutschen Regierung oder der Obersten Heeresleitung?
Quellen
In den Hauptkapiteln der Arbeit erfolgt durchgehend eine Untersuchung der Quellen von Auszügen aus Tagebüchern französischer Kriegsgefangener und verschiedener zeitgenössischer Literatur zur Kriegsgefangenschaft. Die wichtigsten Hinweise zur Arbeitsbeschäftigung der kriegsgefangenen Soldaten finden sich in den Materialien des „Untersuchungsausschusses der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919-1928“. Der Ausschuss behandelte den Schwerpunkt des Völkerrechts im Weltkrieg. Hierbei wurden die Vorwürfe der Entente-Mächte in Bezug auf die völkerrechtlichen Vergehen der Deutschen untersucht. Als weitere wichtige Quelle wird das Buch „Kriegsgefangene Völker“, im Jahr 1921 herausgegeben von Wilhelm Doegen, herangezogen. Zur Gegenüberstellung der Behandlung von Kriegsgefangenen werden die Anklageschriften der Entente-Mächte herangezogen, die während des Krieges erschienen waren. Zur Schließung erheblicher Lücken im Quellenmaterial, besonders für verschiedene Phasen der Planung der Militärbehörden werden Auswertungen aus der Sekundärliteratur verwendet.
Forschungsstand
Nachdem das Schicksal der Kriegsgefangenen in den 30er-Jahren in Vergessenheit geraten war, befasste sich die französische Forschung seit dem Ende der 90er-Jahre mit dem Thema der Gefangenschaft. Vor allem Odon Abbal und Annette Becker setzten sich mit der Behandlung von französischen Kriegsgefangenen auseinander.[3] Innerhalb der deutschen Forschung legte Uta Hinz 2006 ihre beeindruckenden Untersuchungen vor. Ihre Studie „Gefangen im Großen Krieg. Kriegsgefangenschaft in Deutschland 1914-1921“ bildet ein umfassendes Werk, das die Behandlung der Kriegsgefangenen von einer quellenkritischen Analyse des Kriegsrechts bis hin zu einer Darstellung des Lagersystems detailliert behandelt.[4] Zeitgleich erschien ein Sammelwerk von Jochen Oltmer, in dem sich erstmals detailliert mit den Arbeitskommandos auseinandergesetzt wird. Des Weiteren erschien noch eine exemplarische Untersuchung über das Kriegsgefangenenlager Ingolstadt von Mitze.
Im Jahre 2011 wurde dann noch ein weiteres wesentliches Werk von der Historikerin Heather Jones veröffentlicht, das sich mit dem noch gänzlich unbekannten Forschungsfeld des Arbeitseinsatzes von Kriegsgefangenen an der Westfront beschäftigt.[5] Die vorliegende Arbeit wird an diesem neuen Aspekt des Arbeitseinsatzes anknüpfen und versuchen die zwei sich herausstellenden verschiedenen Forschungsergebnisse gegenüberzustellen.
[...]
[1] Jones, Heather: Violence against Prisoners of War in the First World War. Britain, France and Germany, 1914-1920, Cambridge 2011, S.40.
[2] De Christmas, John: Le traitement des prisonniers de guerre français en Allemagne d'après l'interrogatoire des prisonniers ramenés d'Allemagne en Suisse pours raison de santé, 4. Auflage, Paris 1917 sowie Renault, Louis: Le régime des prisonniers de guerre en France et en Allemagne au regard des Conventions Internationales, 1914-1916, Paris 1916.
[3] Abbal, Odon: Soldats oubliés. Les prisonniers de guerre francais, Bez-et-Esparon 2001. und Becker, Annette: Oubliés de la Grande Guerre. Humanitaire et culture de guerre, 1914-1918, populations occupées, déportés civils, prisonniers de guerre, Paris 1998.
[4] Hinz, Uta: Gefangen im Großen Krieg. Kriegsgefangenschaft in Deutschland 1914-1921, Essen 2006
[5] Jones, Heather: Violence against Prisoners of War in the First World War. Britain, France and Germany, 1914-1920, Cambridge 2011.
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