Die Logik kollektiven Handelns nach Mancur Olson: Ein plausibles Erklärungsmodell zur Existenz und Effektivität politischer Organisationen in der BRD?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2003

13 Pages, Note: 1,3


Extrait


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Begriffliche Grundlagen

3. Traditionelle Gruppentheorien und Olsons Kritik daran

4. Die Logik des kollektiven Handelns nach Mancur Olson
4.1. Die Systematik der Gruppen
4.2. Das Trittbrettfahrer-Dilemma
4.3. Selektive Anreize
4.4. Die Theorie vom Nebenprodukt

5. James Wilsons Kritik an Olsons Theorie

6. Fazit

1. Einleitung

Die Bundesrepublik Deutschland ist, wie andere moderne westliche Industriegesellschaften auch, gekennzeichnet durch eine pluralistische Gesellschaft, in der es naturgemäß divergierende Interessen gibt. In organisierter Form konkurrieren die unterschiedlichen Interessen um Macht und Einfluss auf den politischen Prozess.[1]

Wie organisieren sich Interessen? Wie agieren Organisationen? Wann sind Organisationen besonders schlagkräftig? Dies sind Fragen, die nur auf Grundlage einer Theorie der Organisationen und ihres kollektiven Handelns beantwortet werden können.[2] Einen zentralen Beitrag dazu leistet der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson[3] mit seiner 1965 erschienenen Studie Die Logik des kollektiven Handelns, die als Basis der vorliegenden Arbeit dient.

Ziel dieser Arbeit ist es zu überprüfen, inwieweit seine in diesem Werk aufgestellten Thesen geeignet sind, die Existenz und Effektivität politischer Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland zu erklären. Dies ist vor allem auch im Hinblick darauf interessant, dass die empirischen Untersuchungen und Beispiele, die Olson zur Untermauerung seiner Thesen anführt, ganz überwiegend auf US-amerikanischen Verhältnissen beruhen und deshalb nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen werden können. Dazu wird zunächst kurz auf traditionelle Erklärungsansätze im Bereich der Gruppentheorien eingegangen. Da Olsons Theorie zu diesem Bereich zählt und auf der Kritik an diesen früheren Ansätzen basiert, ist dies für das bessere Verständnis seiner Logik des kollektiven Handelns wichtig. Anschließend werden ausgehend von dieser Kritik, Olsons Hauptthesen zur Erklärung der Existenz und Effektivität politischer Organisationen vorgestellt, um sie anhand von Beispielen zu veranschaulichen und zu überprüfen. Zum Schluss beschäftigt sich die Arbeit noch mit der Kritik an Olsons Theorie, bevor dann ein Fazit gezogen wird.

Zu Beginn müssen jedoch noch einige zentrale Begriffe dieser Arbeit eindeutig definiert bzw. erläutert werden. Dies ist notwendig um mögliche Missverständnisse bei der Verwendung dieser Begriffe zu vermeiden und die Intersubjektivität zu gewährleisten. Dies wird nun im folgenden Abschnitt vorgenommen.

2. Begriffliche Grundlagen

Zentrale Begriffe, die einer Erläuterung bedürfen, sind einerseits, die schon im Titel der vorliegenden Arbeit vorkommenden Begriffe des kollektiven Handelns und der politischen Organisationen, andererseits die für das Verständnis der Argumentation Olsons wichtigen Begriffe Gruppe und kollektive Güter.

Kollektives Handeln beinhaltet die gemeinsame Verfolgung eines gemeinsamen Interesses mehrerer Individuen, während politische Organisationen synonym für Interessensgruppen verwendet wird.

Der Begriff der Gruppe wird in den verschiedenen Disziplinen der Gesellschaftswissenschaften mehrdeutig benutzt. Für Olson ist eine Gruppe "eine Anzahl von Personen mit einem gemeinsamen Interesse."[4] Er lehnt sich also eng an die wirtschaftswissenschaftliche Interpretation des Begriffes an, die besagt, dass eine Gruppe eine Versammlung von Individuen ist, die ein gemeinsames Ziel, das so genannte kollektive Gut, anstreben und dafür rational handeln.[5]

Kollektivgüter definiert Olson als "jedes Gut, das den anderen Personen in einer Gruppe praktisch nicht vorenthalten werden kann, wenn irgendeine Person in der Gruppe es konsumiert."[6] Kollektive Güter unterliegen also dem Prinzip der Nicht ausschließbarkeit.

Bevor nun mit der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Olsons Logik des kollektiven Handelns begonnen wird, soll zunächst aus dem in der Einleitung genannten Grund noch ein Überblick über frühere Erklärungsversuche des Gruppenverhaltens gegeben werden, wofür das folgende Kapitel reserviert ist.

3. Traditionelle Gruppentheorien und Olsons Kritik daran

Zwar haben verschiedene Vertreter der traditionellen Gruppentheorie unterschiedliche Ansichten entwickelt, dennoch ist es nach Olson zulässig, von einer einzigen traditionellen Theorie zu sprechen, auch wenn dies etwas ungenau sei.[7]

Kernthese der traditionellen Gruppentheoretiker ist die Auffassung, dass die Teilnahme an freiwilligen Verbänden universell ist und dass die Tendenz Mitglieder anzuziehen, unabhängig von der Größe einer Gruppe ist.[8]

Daraus schließt Olson, dass bei Richtigkeit dieser Annahmen, der große Verband der modernen Gesellschaft äquivalent zur kleinen Gruppe (Familie bzw. Sippe) in der "primitiven" Gesellschaft sein müsse und beide durch dieselbe Ursache erklärt werden können müssten.[9] Dies ist ein Ansatzpunkt der Kritik Olsons an den traditionellen Theorien zum Gruppenverhalten. Sie soll im Folgenden kurz präzisiert werden.

Olson kritisiert vor allem, dass die Traditionalisten keine befriedigende Antwort auf die Frage nach den Ursachen der Existenz von Gruppen liefern. Er stellt desweiteren heraus, dass zwar durchaus zwischen großen und kleinen Gruppen unterschieden werde, allerdings nur hinsichtlich des Umfangs ihrer Funktionen, aber nicht im Hinblick auf den Erfolg bzw. die Fähigkeit, Mitglieder zu gewinnen. Diese eindimensionale Unterscheidung der traditionellen Theorie von kleinen und großen Gruppen nach ihrem Grade, nicht aber nach ihrem Wesen, bildet den Ausgangspunkt der Argumentation von Olson, der gerade im Wesen von Gruppen deutliche Unterschiede zwischen größeren und kleineren Gruppen sieht.[10]

Im folgenden Kapitel wird seine Theorie des Gruppenverhaltens, seine "Logik des kollektiven Handelns" anhand ihrer Hauptthesen vorgestellt und anhand von Beispielen wird untersucht, ob dies ein plausibles Erklärungsmodell für die Existenz und Effektivität von politischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland ist.

4. Die Logik des kollektiven Handelns nach Mancur Olson

Mancur Olson beginnt seine Analyse mit der Frage nach dem Zweck von Organisationen. Dieser besteht für ihn in der Hilfe zur Durchsetzung der Interessen der Mitglieder. Ist eine Organisation dabei erfolgreich, bedeutet das, dass es ihr gelungen ist, ein Kollektivgut bereitzustellen. Olson schließt daraus, dass Organisationen nur dann entstehen, wenn sie zur Erstellung solcher Kollektivgüter notwendig sind, weil der Einzelne dazu nicht in der Lage ist.[12][11]

Die Erstellung solcher Güter sowie der Aufbau der Organisation lassen Kosten entstehen. Wie beteiligen sich nun die einzelnen Mitglieder an diesen Kosten? Die traditionellen Theoretiker gehen davon aus, dass alle Gruppenmitglieder in ihrem Eigeninteresse den gleichen Beitrag zur Zielerreichung leisten.[13] Olson weist jedoch in empirischen Untersuchungen nach, dass Mitglieder von Organisationen entweder keinen oder nur einen geringen Beitrag zum Organisationsziel leisten. Dieses Verhalten begründet Olson damit, dass das Individuum grundsätzlich danach strebt, seine Interessen mit möglichst geringen Kosten durchzusetzen. Seiner Argumentation liegt die Prämisse des Menschen als homo oeconomicus zugrunde, also des wirtschaftlich und rational denkenden und handelnden Menschen, dessen Verhaltensmaxime darin besteht, Nutzen zu maximieren und Kosten[14] zu minimieren. Die zentrale Problematik von Organisationen, die logisch aus diesem Menschenbild folgt, besteht darin, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass rationale Mitglieder so handeln, dass das Organisationsziel erreicht wird. Setzt man die schon kurz angesprochene Geltung des Nicht ausschluss-Prinzipes bei kollektiven Gütern voraus, wirkt sich der Beitrag eines Mitgliedes zu den Kosten der Beschaffung des Gutes nicht auf die Verteilung des Gutes aus, sondern lediglich auf seine mengenmäßige Beschaffung. Je mehr Mitglieder eine Organisation also hat, desto geringer ist der relative Kostenanteil des einzelnen Mitgliedes. Verweigert ein Mitglied seinen Anteil, wirkt sich das auf die beschaffbare Menge des Gutes kaum aus. Aus der Sicht des entsprechenden Mitglieds bleibt der Nutzen aus dem kollektiven Gut unverändert, während seine Kosten sinken.[15]

[...]


[1] Vgl. Druwe, Ulrich: Politische Theorie. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Neuried 1995. S. 312

[2] ebd.

[3] Mancur Olson arbeitete wie kaum ein anderer Wirtschaftswissenschaftler seiner Generation

interdisziplinär und sein Werk wird gleichermaßen in der Ökonomie, Soziologie und vor allem auch

in der Politikwissenschaft gewürdigt. Seine Arbeit hat eine hevorragende Bedeutung bei der

Anwendung wirtschaftswissenschaftlicher Methoden auf die Probleme der Politik und der politischen

Soziologie.

[4] Olson jr., Mancur: Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen.

Tübingen 1968. S. 7

[5] Vgl. ebd. S. 6f

[6] ebd. S. 13

[7] Olson betont, dass dies allerdings nur unter der Voraussetzung gelte, dass man zwischen zwei Arten

unterscheide, der undifferenzierten Form auf der einen und der formellen Form auf der anderen Seite.

Aufgrund der gebotenen Kürze dieser Arbeit und im Hinblick darauf, dass diese Unterscheidung für

den weiteren Verlauf der Argumentation nicht essentiell ist, wird auf eine entsprechende Aufteilung

und Darstellung verzichtet.

[8] Vgl. Olson. S. 16ff

[9] Vgl. ebd. S. 18

[10] Vgl. ebd. S. 19

[11] Dabei soll die "Theorie der Sonderinteressen" nicht behandelt werden, da sie für das direkte

Verständnis der Theorie Olsons sowie für die Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit nicht

sehr relevant ist und den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde

[12] Vgl. Druwe S. 314

[13] Vgl. Olson S. 1f

[14] Kosten im weitesten Sinne, also finanzielle Kosten, Anstrengung, Zeitaufwand, etc.)

[15] Vgl. Lehner, Franz: Einführung in die Neue Politische Ökonomie. Königstein/Taunus 1981. S. 79

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Die Logik kollektiven Handelns nach Mancur Olson: Ein plausibles Erklärungsmodell zur Existenz und Effektivität politischer Organisationen in der BRD?
Université
Johannes Gutenberg University Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Wirtschaft und Gesellschaft
Note
1,3
Auteur
Année
2003
Pages
13
N° de catalogue
V26511
ISBN (ebook)
9783638288194
Taille d'un fichier
534 KB
Langue
allemand
Mots clés
Logik, Handelns, Mancur, Olson, Erklärungsmodell, Existenz, Effektivität, Organisationen, Wirtschaft, Gesellschaft
Citation du texte
Urban Kaiser (Auteur), 2003, Die Logik kollektiven Handelns nach Mancur Olson: Ein plausibles Erklärungsmodell zur Existenz und Effektivität politischer Organisationen in der BRD?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26511

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