Das Foundation Phase Framework: Der neue Bildungsplan für Kinder in Wales

Hintergründe, Entstehung und Struktur


Diploma Thesis, 2013

111 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hintergründe und Rahmenbedingungen des Landes Wales
2.1 Begriffsbestimmung: Dezentralisierung (engl. devolution)
2.2 Politischer Hintergrund
2.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
2.3.1 Das Land Wales
2.3.2 Bilingualismus

3 Der Bildungsplan zur Foundation Phase
3.1 Begriffsklärung
3.2 Entstehungsgeschichte
3.3 Der Aufbau und die zentralen Inhalte des FP-Bildungsplans
3.4 Die sieben Lernbereiche (AOLs) der Foundation Phase
3.4.1 Der erste Lernbereich: Personal and social development, well-being and cultural diversity
3.4.2 Der zweite Lernbereich: Language, Literacy and Communication Skills
3.4.3 Der dritte Lernbereich: Mathematical Development
3.4.4 Der vierte Lernbereich: Welsh language development
3.4.5 Der fünfte Lernbereich: Knowledge and Understanding of the world
3.4.6 Der sechste Lernbereich: Physical development
3.4.7 Der siebte Lernbereich: Creative development
3.5 Die Rolle und Aufgabenbereiche der FP-Erzieherinnen
3.6 The Developing Child.

4 Studien zum FP-Bildungsplan
4.1 Die MEEIFP-Pilot-Studien zum Implementierungsprozess der FP
4.1.1 Die vier Beobachtungsinstrumente der MEEIFP-Pilot-Studien
4.1.2 Die zentralen Ergebnisse des MEEIFP-Pilot-Projekts
4.2 Expertenbefragung.

5 Fazit.

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beispiel für ein bilinguales Straßenschild

Abb. 2: Beispiel für ein bilinguales Straßenschild

Abb. 3: Proportion of people able to speak Welsh by age group, 1991-2011

Abb. 4: Die Foundation Phase ersetzt Early Years und KS1

Abb. 5: Das walisische Bildungssystem

Abb. 6: Zentrale Inhalte des FP-Basishefts

Abb. 7: Die sieben Lernbereiche des FP-Bildungsplans

Abb. 8: Beispiele für eine bilinguale Beschilderung

Abb. 9: Zentrale Fähigkeiten und Kompetenzen des fünften Lernbereichs

Abb. 10: Beispiel für Verhaltensmuster im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung

Abb. 11: Die sieben Entwicklungsschritte mit den entsprechenden Altersstufen

Abb. 12: Die Forschungsfragen der MEEIFP-Pilotstudien

Abb. 13: Distribution and type of pilot settings

Abb. 14: Response rate to questionnaires and interviews

Abb. 15: Vergleich der Ergebnisse aus den Jahren 2005 und 2006 in Bezug auf die Qualität in den Einrichtungen für drei- bis fünfjährige Kinder (ECERS-R)

Abb. 16: Vergleich der Ergebnisse aus den Jahren 2005 und 2006 in Bezug auf die Qualität in den Einrichtungen für drei- bis fünfjährige Kinder (ECERS-E)

Abb. 17: Vergleich der Ergebnisse aus den Jahren 2005 und 2006 in Bezug auf die Qualität in den Einrichtungen für drei- bis fünfjährige Kinder (CIS

Abb. 18: Mean subscale scores in the ECERS-EP 2006

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Children’s Commissioners

Tabelle 2: Die wichtigsten Publikationen zur Entstehung des FP-Bildungsplans

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Am 4. Dezember 2001[1] wurden die Ergebnisse der ersten PISA-Studie[2] (Programme for International Student Assessment) veröffentlicht und erschütterte die Nationen, deren 15-jährige Schüler unterdurchschnittlich abschnitten, beispielsweise Deutschland (OECD 2001a, S.60). Seit diesem sogenannten „PISA-Schock“ stellten sich viele der teilgenommenen Länder die Frage, wie bessere Ergebnisse im internationalen Vergleich erzielt werden können und entwickelten Früherziehungsangebote, um schon im Kindergartenalter oder sogar früher, den Grundstein zur Verbesserung der Bildungsleistung zu legen.

„Early childhood education is associated with better performance later on in school. Fifteen-year-old pupils who attended pre-primary education perform better on PISA than those who did not, even after accounting for their socio-economic backgrounds” (OECD 2012a, S.338).

Die Leistungen der Schüler des Vereinigten Königreichs lagen bei PISA 2000 statistisch signifikant über dem OECD-Durchschnitt (OECD 2001a, S.60). Die UK-Nation Wales nahm bei PISA 2006 zum ersten Mal als unabhängige Nation teil (vgl. OECD 2007, S.160f.). Bei der PISA-Studie im Jahr 2009 zeigt ein Vergleich der Ergebnisse zwischen den UK-Nationen, dass die Schüler von Wales am schlechtesten abgeschnitten haben. Bereits im Jahr 2001 gab die Ministerin für den Bereich Education and Lifelong Learning, Jane Davidson, im Vorwort zu der Publikation The Learning Country (NAfW, 2001) ein Statement zu dem steigenden Bedarf an Reformen im Bildungssystem ab:

„We face complex technological change and huge shifts in competitive pressures from within Europe and beyond. (NAfW 2001a, S.1) . (…) We share strategic goals with our colleagues in England – but we often need to take a different route to achieve them. We shall take our own policy direction where necessary, to get the best for Wales” (ebd. S.2).

Neben Reformen im Früherziehungsbereich für Kinder unter drei Jahren, wurde in Wales ein neuer Bildungsplan für Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren entwickelt. Es handelt sich hierbei um das Foundation Phase Framework, im weiteren Verlauf FP-Bildungsplan genannt, auf welchem der Fokus dieser Arbeit liegt.

Die Motivation zum Thema dieser Arbeit entstand bei einem Auslandsaufenthalt in Wales im Jahr 2010/11. Während des Auslandssemesters wurde deutlich, dass Wales einen neuen Bildungsplan erstellt hatte, von dem auf dem Kontinent nur wenig bekannt war. Das Besondere an diesem Plan ist die reformistische Herangehensweise und die Abkehr vom bisherigen formalen Unterricht, der im Vereinten Königreich und Wales zuvor angewandt wurde. Durch die Dezentralisierungspolitik und die Bestrebungen der Walisischen Regierungen, den formalen Unterricht durch kindzentrierte und auf Spiel basierende Pädagogik zu ersetzen, wurde deutlich, dass Wales (und England) erst in jüngster Vergangenheit die Reformen in der Früherziehung im Gesetz verankerten. Hier wird deutlich, dass sich ein interessantes Forschungsfeld eröffnete, da noch keine weiterführenden Studien zu den Auswirkungen des Bildungsplanes erstellt wurden. Daher sollte es das Ziel dieser Arbeit sein, den FP-Bildungsplan zunächst zu studieren.

Daraus entwickelte sich das Vorhaben, den Foundation Phase Bildungsplan für Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren, welcher seit dem Jahr 2011 in Wales landesweit implementiert ist, darzustellen und seinen Entstehungsprozess aufzuzeigen. Im Rahmen einer Expertenbefragung sollen Einrichtungsleitungen danach befragt werden, ob und wie der FP-Bildungsplan in der Praxis umgesetzt wird. Hier sei allerdings angemerkt, dass trotz mehrmaliger Anfrage bei den Einrichtungen keine positive Rückmeldung erzielt werden konnte, sodass im Rahmen dieser Arbeit leider keine Ergebnisse zur Umsetzung des Bildungsplans vorgestellt werden können.

Im Anschluss an diese Einleitung werden im zweiten Kapitel die Hintergründe und Rahmenbedingungen des Landes Wales, die zur Entstehung und Entwicklung des neuen Bildungsplans führten, beschrieben. Hierzu wird zunächst der Begriff „Dezentralisierung“ definiert, da dieser für den politischen Hintergrund relevant ist. Das Kapitel informiert außerdem über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Situation des Bilingualismus, informiert.

Kapitel 3 dieser Arbeit befasst sich mit dem FP-Bildungsplan und seinen Inhalten. Zunächst wird auf die Bedeutung des Begriffs Foundation Phase (FP) eingegangen. Anschließend wird die Entstehungsgeschichte des Bildungsplans anhand der zentralen Publikationen der walisischen Regierung (WAG) aufgezeigt. Der Aufbau des Basisheftes und dessen Inhalte, sowie die sieben Lernbereiche (Areas of Learning), welche im Zentrum des FP-Bildungsplans stehen, werden beschrieben und im Einzelnen erläutert. Abschließend beleuchtet das dritte Kapitel die Rolle der FP-Erzieherinnen[3], ihre Aufgabenbereiche und geht auf die Entwicklung des Kindes ein (The Developing Child).

Das vierte Kapitel dieser Arbeit beinhaltet neben der Methodik und zentralen Ergebnisse der Pilot-Studien, welche den Implementierungsprozess der FP begleitet haben einen Abschnitt über eine Expertenbefragung.

Im Rahmen des Fazits werden die Inhalte des FP-Bildungsplans, insbesondere ihre lernzielorientierte Darstellung, kritisch reflektiert.

Schlussendlich muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Vorstellung des FP-Bildungsplans in Kapitel 3 zu großen Teilen um eine Übersetzung der Verfasserin handelt. Um die Problematik der Sprachdifferenzen zwischen dem Englischen und Deutschen nicht übermäßig zu strapazieren, ist die Übersetzung in Formulierung und Satzbau dem englischen Original so nah wie irgend möglich und ist daher eventuell nicht so präzise bzw. fachwissenschaftlich formuliert, wie es normalerweise zu erwarten wäre. Dies liegt aber an der Formulierung des vorliegenden englischen Dokuments. Diese Problematik wird auch in der abschließenden Kritik in Kapitel 5 aufgegriffen.

2 Hintergründe und Rahmenbedingungen des Landes Wales

Zu Beginn dieses Kapitels werden die politischen Hintergründe beleuchtet, welche für die Entwicklung des aktuellen walisischen Bildungsplans von Bedeutung sind. Im Mittelpunkt stehen dabei die politischen Entwicklungen im Bereich der frühen Bildung und Erziehung ab dem Zeitpunkt nach der Dezentralisierung im Jahr 1999. Der Begriff Dezentralisierung wird vorab definiert. Anschließend folgt ein kurzer Einblick in die traditionelle Betreuungssituation vor der Dezentralisierung, um die heutige Situation im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung des Landes Wales einordnen zu können. Außerdem werden zentrale Daten, die für die Entstehung der aktuellen Situation von Bedeutung sind, aufgezeigt. Im Zuge dessen soll auf die Bedeutung der UN-Kinderrechte für die Politikgestaltung des Landes eingegangen werden. Abschließend werden die Umstände dargestellt, die einen neuen Bildungsplan für Kinder von drei bis sieben Jahren in Wales erforderlich machen.

Clark und Tucker (2010, S.171) sehen die Früherziehungspolitik als soziales Konstrukt:

„Early years policy can be described as a social construct, because its nature and content are dependent on the social and cultural context within which it is framed and implemented; this will vary widely from country to country and over the years” (ebd.).

Aus diesem Grund werden ab Abschnitt 2.3 dieser Arbeit einige Einblicke in die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes Wales gegeben.

2.1 Begriffsbestimmung: Dezentralisierung (engl. devolution)

Devolution ist als gesellschaftlicher Prozess zu verstehen, der spezifisch für England ist. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Begriff Übertragung oder auch Dezentralisierung. Gemeint ist damit die Abgabe von Staatsgewalt über landespolitische Entscheidungen an regionale oder lokale Träger (vgl. Brockhaus 2006, S.739), „um (…) die politischen Entscheidungsprozesse dort anzusiedeln, wo die zu lösenden Probleme auftreten“ (Schubert & Klein 2011, S.78). In Folge dessen kann explizit auf unterschiedliche kulturelle und regionale Bedürfnisse eingegangen werden. In Großbritannien erfolgte eine Devolution im Jahr 1998 nach einer Volksabstimmungen durch die Schaffung von regionalen Versammlungen für Schottland (Scottish Parliament), Wales (National Assembly for Wales) und Nordirland (Northern Ireland Assembly) (vgl. Brockhaus 2006, S.739).

2.2 Politischer Hintergrund

Um die Entwicklungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung in Wales nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf die politischen Gegebenheiten der letzten Jahre des Landes und dessen Verbindung zur britischen Regierung in Westminster von Nöten. Ohne die politischen Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Dezentralisierung stehen, wäre es Wales nicht möglich gewesen einen eigenen Bildungsplan für die Bildung und Erziehung von Kindern im Alter von drei bis sieben Jahren zu entwickeln.

Clark und Tucker (2010, S. 172) weisen darauf hin, dass sich die größten Unterschiede in „policy and practice in education and care“ zwischen den einzelnen Nationen des Vereinigten Königreichs erst durch die Dezentralisierung im Jahre 1999 ereignet haben. Zudem sagen sie ein weiteres Voranschreiten dieses Prozesses voraus (ebd.).

„The United Kingdom is a unitary state, where power is centralised in a sovereign parliament at Westminster. During 1998 and 1999, the UK Parliament devolved certain powers and responsibilities to other elected bodies in Northern Ireland, Scotland and Wales” (NAfW, 2012a) .

Die Dezentralisierung führte zu weit reichenden Veränderungen innerhalb der Politik des Landes Wales, insbesondere im Bildungssektor.

„At the turn of the 21st century, Wales entered a new political era.” (Jones & Martin-Jones, 2004, S.52).

Insbesondere der Bereich der Kinderbetreuung war vor dem Dezentralisierungsprozess nicht sehr gut ausgebaut (vgl. Baldock et. al 2005, 2009, S.94). Siencyn und Thomas (2007, S.142) verdeutlichen, dass die Erziehung und Betreuung von Kindern außerhalb der Familie ein relativ neues Feld für Wales darstellt:

„In 1986, for example, Wales had only one known setting registered for full daycare. (…) sessional care was more common (…)” (ebd.).

Kinder, deren Eltern außer Haus berufstätig waren, wurden während der Arbeitszeit von Familienmitgliedern betreut. Allerdings war es üblicher, dass Mütter traditionsgemäß ihre Arbeit zugunsten der Kinderbetreuung aufgaben (vgl. ebd.).

Ebenfalls mitverantwortlich für diese Situation war, dass Wales vor der Dezentralisierung keine landesspezifischen Entscheidungen für den Bildungs- und Erziehungsbereich treffen konnte. Einen ersten Schritt in Richtung einer Mitbestimmung an den Richtlinien für den Bildungsbereich im eigenen Land gab es erst im Jahr 1907 mit der Schaffung einer eigenen Abteilung für Wales im Department for Education in Westminster (Baldock et al., 2005, 2009 S.93).

„However, legislation continued for some time to be written for “England and Wales” rather than for each country separately“ (ebd.).

Besonders hervorzuheben ist, dass die von Baldock et al. (2005, 2009, S.93) beschriebene Situation sogar (noch) in der aktuellen (Forschungs-)Literatur zur frühkindlichen Bildung und Erziehung zu finden ist. In dieser wird selten explizit zwischen England und Wales unterschieden, stattdessen wird meist allgemein über das Vereinigte Königreich berichtet.

„The United Kingdom consists of England, Northern Ireland, Scotland and Wales. (…) The problem is also exacerbated by a tendency for publications, even statistical analyses, to use the terms ‘United Kingdom’ or ‘Britain’ for information that does not apply to the whole of the UK” (Clark & Waller 2007, S.2).

Clark und Waller (2007, S.5) verdeutlichen diese Nichtdifferenzierung anhand der OECD-Studien Starting Strong (OECD, 2001) und Starting Strong II (OECD, 2006). Bei diesen Studien ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob die Ergebnisse alle vier Nationen des Vereinigten Königreichs oder explizit nur England betreffen. Zum Beispiel trägt der Anhang der Publikation Starting Strong II (OECD, 2006) die Überschrift United Kingdom, allerdings ist darunter vermerkt: „most of the following profile applies to England only“ (ebd.).

„(…) Starting Strong (2001) could have left readers assuming there is a general policy for early education and care in the UK, or that only minor differences existed” (ebd.).

Auch in der Folgestudie der OECD Starting Strong III (OECD, 2012) findet sich unter der Überschrift United Kingdom keine explizite Unterscheidung zwischen den einzelnen Nationen des Vereinigten Königreichs. Obwohl die Überschrift United Kingdom anderes vermuten lässt, umfasst die OECD-Studien überwiegend die Ergebnisse von England [4].

Erst seit dem Jahr 1999 besitzt das Land Wales ein eigenes Parlament die National Assembly for Wales mit Regierungssitz in Cardiff. Seitdem ist Wales, unter anderem im Bereich Bildung und Erziehung, von der britischen Regierung in Westminster unabhängig (vgl. Clark & Waller 2007, S.4).

„Since 1999 the Welsh Assembly Government (WAG) has devolved law-making powers in a number of key areas of children’s lives, including education and training, social welfare and health services” (Palaiologou et al 2010, S.26).

Bereits im ersten Government of Wales Act aus dem Jahr 1998 wurde festgelegt, dass Wales ab diesem Zeitpunkt „executive powers including those for education“ besitzt, wodurch der Weg zu einer eigenständigen Bildungspolitik eröffnet wurde, die auf die Bedürfnisse des Landes abgestimmt werden konnte (NAfW 2001a, S.5).

„The Welsh Assembly’s Department for Training and Education is ultimately responsible for education in Wales. This includes: Providing and funding state education, training teachers, maintaining educational standards and overseeing the curriculum and examinations. Education in Wales is therefore now significantly different from England in terms of curriculum and assessment and in the public scrutiny of schools” (Siencyn & Thomas 2007, S.148).

Das walisische Bildungssystem spiegelt in vielerlei Hinsicht die für England geltenden politischen Richtlinien [5] für den Erziehungs- und Bildungsbereich wider (vgl. Clark & Waller 2007, S.5). Allerdings war dies nur bis zum Inkrafttreten des Government of Wales Act im Jahre 1999 und der damit verbundenen Gründung der Walisischen Nationalversammlung der Fall. Seitdem wurde die Bildungspolitik Englands zunehmend abgelehnt. Ein Indiz hierfür ist die Einführung des für Wales zuständigen Children’s Commissioner, Peter Clarke im Jahr 2001 (vgl. ebd.). Wie in der folgenden Tabelle zu sehen ist, war er der erste Children’s Commissioner innerhalb des Vereinigten Königreichs. Dies stellt eine weitere, politisch bedeutende Veränderung für den Erziehungsbereich des Landes dar.

Tabelle 1: Children’s Commissioners

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Birell 2009, S.36

Die Ziele der jeweiligen Children’s Commissioner sind zum Teil sehr ähnlich. Sie setzen sich alle für den Schutz und die Förderung der Rechte von Kindern ein und überprüfen bildungspolitische Entscheidungen sowie Dienstleistungen für Kinder auf ihre Angemessenheit (vgl. Birell 2009, S.36).

„He has powers to review the effect of policies on, and the delivery of services to, children and young people. He can consider anything affecting them, based on their views” (WAG 2004a, S. 2).

Ohne die Dezentralisierung würde es wahrscheinlich keine Children’s Commissioner geben beziehungsweise nicht mit solch weitreichenden Befugnissen oder dieser Autonomie (ebd.). Baldock et al (2005, S.94) erklären ihre Einführung dieses Amtes als:

„(…) first piece of legislation in the UK to make specific reference to the United Nations Convention on the Rights of the Child” (ebd.).

Bereits im Jahr 1991 hat das Vereinigte Königreich die Richtlinien der UN-Kinderrechtskonvention (UNCRC) offiziell anerkannt, welche schließlich im Januar 1992 in Kraft traten (vgl. WAG Rights in Action 2007, S.V).

Die walisische Regierung ging noch einen Schritt weiter und entwickelte im Jahr 2002 aus den UN-Kinderrechten sieben Kernziele (core aims), welche als Basis für die Gestaltung der Bildungspolitik für Kinder und junge Erwachsene (0-25 Jahre) in Wales gelten (vgl. WAG 2010c, S.3). „The Rights to Action (WAG, 2002b) document outlines these aims (…)” (Palaiologou et al. 2010, S.28) und lassen sich in folgender Kurzform in fast jeder Publikation des WAG, in der es um die Bildung und Erziehung von Kindern und jungen Erwachsenen geht, finden:

Aim 1: have a flying start in life;

Aim 2: have a comprehensive range of education and learning opportunities;

Aim 3: enjoy the best possible health and are free from abuse, victimisation and exploitation;

Aim 4: have access to play, leisure, sporting and cultural activities;

Aim 5: are listened to, treated with respect, and have their race and cultural identity recognised;

Aim 6: have a safe home and a community which supports physical and emotional wellbeing;

Aim 7: are not disadvantaged by poverty“

(vgl. WAG 2002a Rights to Action, S.1)

Den Informationen auf der Homepage der walisischen Regierung [6] zufolge, erkannte Wales die UN-Kinderrechtskonvention (UNCRC) im Jahr 2004 [7] offiziell an. Zuvor wurde dies nur stellvertretend für die Nationen des UK durch Westminster getan.

Daneben entschied das WAG Folgendes:

(…) whenever it developed policies for children and young people (0 to 25), it would do so with the aim of achieving for them the rights which are set out in the UNCRC” (WAG 2010c, S.3).

Die Anerkennung der UN-Kinderrechte zeigt sich besonders darin, dass die Kinder im Rahmen des FP-Bildungsplans darin bestärkt werden sollen, sich bei der Planung ihrer eigenen Lernaktivitäten aktiv zu beteiligen. Zudem sollen sie bei der Übernahme von Verantwortung sowie bei der Entwicklung von Fähigkeiten unterstützt werden, die dem selbstständigen Lernen dienen.

Encouraging children to be active partners in planning their learning activities, in their capacity to undertake responsibilities and develop the skills required for independent learning, shows respect for children’s rights as identified in the United Nations Convention on the Rights of the Child (1989)” (WAG 2008a, S.24).

Nach Palaiologou et al. (2010, S.28) zählt zu Aim 2 besonders das Recht auf ein umfassendes Erziehungs- und Bildungsangebot (ebd.).

„Indeed by 2003, Wales was advancing its own radical proposals for an Early Years curriculum, a play-centred approach to promote the learning of children up to seven years of age” (Siencyn & Thomas 2007, S.137).

Reed und Morall (2010, S.52f.) berufen sich auf Clark und Waller (2007) und führen an, dass die walisische Regierung: „quietly established its own priorities in early education” (ebd). Zudem definieren sie die sukzessive Implementierung des Foundation Phase Curriculums (FP-Curriculum) als eine wesentliche Etappe dieses Prozesses (vgl. ebd.) .

Für den Bedarf eines neuen Bildungsplans für Wales werden folgende Gründe angeführt:

„(…) the Learning Country proposals in 2001 (which) suggested there is a need to:

- raise children’s standards of achievement;
- enhance children’s positive attitudes to learning;
- address children’s developing needs;
- enable children to benefit from educational opportunities later in their lives;
- help children become active citizens within their communities” (Reed & Morall 2010, S.53f.)

Diese Vorschläge wurden in dem darauffolgenden Dokument The Learning Country Policy Document berücksichtigt (vgl. Pritchard & Butt 2009, S.5).

„This document highlights the need for a learner-centred curriculum and describes a range of measures which aim at transforming the life chances of people in Wales for the better and states that ‘Our education system here in Wales is undergoing radical change” (ebd.).

Als ein weiterer Grund für den Bedarf eines neuen Bildungsplans für die Altersstufe von drei bis sieben Jahren wird das oft frühe Einschulungsalter der Kinder angeführt:

„Statutory education in Wales begins in the term after a child’s fifth birthday, although the vast majority of children start school earlier than this” (Reed & Moral 2010, S.143).

Den Autoren zufolge gibt es jedoch keine reliablen Daten über die Anzahl Dreijähriger, die staatliche oder private Bildungseinrichtungen besuchen, da es vorkommt, dass Kinder mehrere Betreuungsdienste in Teilzeit besuchen: „Children may be part-time users of two or more services“ (ebd.).

Als übergeordnetes Ziel der walisischen Nationalversammlung gilt:

„Our goal is for Wales to have one of the best education and lifelong learning systems in the world. We want Wales to be a learning country (…)” (NAfW 2001a, S.8).

Ein weiterer Schritt zur Unabhängigkeit des WAG von Westminster und zur Umsetzung dieses Ziels geht mit dem Government of Wales Act aus dem Jahr 2006 einher:

„The drive toward further devolution will be significantly further advanced by the Government of Wales Act 2006 (HMSO, 2006) that gives the Welsh Assembly primary jurisdiction over its own domestic affairs, including education and health services” (Siencyn & Thomas 2007, S.137f.).

Diese Verordnung brachte einige Änderungen der Regelungen mit sich, welche im Government of Wales Act 1998 nach der Dezentralisierung festgelegt wurden (vgl. Welsh Government, 2007).

Im Jahr 2007 traten diese neuen Regelungen in Kraft und die Nationalversammlung von Wales kann seitdem für bestimmte Bereiche (z.B. Education and Training) eigenständig Gesetze für Wales erlassen (vgl. NAfW 2012b). Je nach Fall war jedoch weiterhin die Zustimmung des britischen Parlaments nötig.

„Wales will continue to depend on Westminster and Whitehall in developing policies specific to Wales” (Jones & Balsom, 2000, S.276).

Dies änderte sich allerdings im März 2011 durch eine Volksabstimmung über die Gesetzgebungskraft der walisischen Nationalversammlung. 63,5 Prozent der Wähler stimmten dafür, dass die Nationalversammlung Gesetze in den Bereichen erlassen kann, für die sie und das WAG bereits zuständig sind, ohne eine weitere Erlaubnis des britischen Parlaments einzuholen (vgl. Welsh Government, 2011a).

Dieser Entscheid stellt eine bedeutende Entwicklung der Politikgestaltung des Landes Wales dar, besonders im Bereich der Bildung und Erziehung, da seitdem die walisische Nationalversammlung für die Bereiche Gesundheit, Bildung, Umwelt und Verkehr, eigenständig Gesetze erlassen kann (vgl. FCO, 2011). Ieuan Wyn Jones, Deputy First Minister von Wales, kommentiert dies folgendermaßen:

„This vote represents a historic day for Wales that will provide the Welsh people with full law-making powers for the first time” (Welsh Government, 2011b).

2.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Um die Hintergründe zur Foundation Phase (FP) aus gesellschaftlicher Perspektive zu beleuchten, wird im Folgenden zunächst auf das Land Wales und seine Bevölkerung eingegangen (siehe Abschnitt 2.3.1), um anschließend auf die Besonderheit einzugehen, dass Wales ein bilinguales Land ist (siehe Abschnitt 2.3.2).

2.3.1 Das Land Wales

Mit knapp 3,1 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 20,780km2ist Wales nach Nordirland die kleinste Nation des Vereinigten Königreichs, welches sich aus Großbritannien (England, Schottland und Wales) und Nordirland zusammensetzt (vgl. Welsh Government, 2012).

„England u. Wales werden oft in einem Atemzug genannt, tatsächlich ist Wales nicht in gleichem Maße wie Schottland ein Teil GBs. Aus staatsrechtlicher Sicht ist Wales seit seiner Eingliederung durch den Act of Union des Jahres 1536 ein Teil Englands“ (Fischer & Burwell 1995, S.267).

Die neuesten Daten über die Zusammensetzung der Bevölkerung von Wales wurden im Rahmen der Volkszählung im Jahr 2011 erhoben.

„On 16 July 2012, the 2011 Census population and household estimates for Wales were published. These showed that on 27 March 2011, the population in Wales was 3.1 million usual residents; 1.5 million men and 1.6 million women. The population grew by five per cent (153,000) since 2001, and migration accounted for 92 per cent (141,000) of the population increase in Wales in the 10 year period, both from within the UK and from abroad“ (ONS 2012b, S.4).

Das Office for National Statistics (ONS) veröffentlichte 2012 einen ersten statistischen Bericht über die Zensus-Daten. Obwohl für die Anzahl der Kinder unter fünf Jahren ein Anstieg um sechs Prozent zu verzeichnen ist – mit 178.000 Kinder im Jahr 2011 waren es 11.000 mehr als im Jahr 2001 – so hat dem Bericht zufolge, der Anteil der Altersklasse der Null bis 14-Jährigen an der Gesamtbevölkerung abgenommen (vgl. ONS 2012a, S.2). Genaue Daten hierzu werden nicht aufgeführt.

Ein weiteres Ergebnis betrifft die Bevölkerungsdichte. Diese liegt im Durchschnitt bei 148 Einwohnern pro Quadratkilometer, wobei diese innerhalb Wales großen Schwankungen unterliegt (vgl. ONS 2012a, S.15). Im Vergleich zu der Bevölkerungsdichte von England und Schottland liegt Wales im Mittelfeld der Nationen des Vereinigten Königreichs:

England was the most densely populated of the UK countries in mid-2007 with 392 people per square kilometre, while Scotland was the least with 66 people per square kilometre“ (WAG - Statistics for Wales 2010, S.9).

Nach Wyn Siencyn (2010, S.45) macht der Anteil an 7-19-Jährigen ungefähr 19 Prozent der Gesamtbevölkerung von Wales aus. Ferner sei die walisische Bevölkerung überwiegend um die städtischen Ballungsräume von Cardiff im Südosten und Wrexham im Nordosten des Landes angesiedelt. Weiterhin betont die Autorin, dass der demographische Wandel in Wales, wie auch in anderen Gebieten des Vereinigten Königreichs, wichtige Veränderungen mit sich gebracht hat. Dabei beruft sie sich auf die Daten des Office for National Statistics (ONS):

„The child population of Wales is falling: for example, the age group 0-4 years has seen a decline from almost 191,750 in 1991 to 163, 680 in 2007 whilst the age group 5-9 years has seen a similar decline of some 20,000 (www.statistics.gov.uk)” (ebd.).

Ebenso geht aus einem Bericht des WAG (2010), der Wales im internationalen Vergleich thematisiert, hervor, dass die Bevölkerung von Wales zwischen 2001 und 2009 um 3,1 Prozent gewachsen ist (vgl. WAG - Statistics for Wales 2010, S.8), die Geburtenrate (total fertility rate (TFR)) im Jahr 2008 bei 1.97 Kindern pro Frau lag und im Jahre 2009 der Anteil an unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung 17.1 Prozent betrug (vgl. ebd. S.10f.).

„When compared with other European countries in 2008, Wales' TFR was one of the highest, as was the UK as a whole at 1.96 children per woman” (ebd.).

Zwar sticht der Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung von Wales nicht signifikant heraus, jedoch kann die relativ hohe Geburtenrate als Indiz dafür gedeutet werden, dass die walisische Regierung diese Energie für den Bildungs- und Erziehungsbereich des Landes aufwendet sowie sich eigene Ziele für die Politikgestaltung für Kinder und junge Erwachsene zu setzen (siehe Abschnitt 2.2 dieser Arbeit).

Die Hauptstadt von Wales ist Cardiff, wo seit dem Jahr 1999 der Regierungssitz des walisischen Parlaments ansässig ist. Trotz der kleinen Fläche des Landes ist die Infrastruktur nur mäßig ausgebaut. Gerade im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs herrscht ein struktureller Mangel. Palailogou et al. (2010, S.27) beschreiben die Situation folgendermaßen:

„Wales is a small country yet its infrastructure means that it is not easy to travel within the country. A journey by train from North to South Wales can take over eight hours, while the journey to London rarely takes more than three hours from most parts of Wales. There is no major motorway linking the North to the South; in many respects the different parts of Wales are indeed very different” (ebd.).

Auch der tägliche Weg zur Arbeit beziehungsweise zu einer Bildungs- oder Betreuungsinstitution kann für die Bewohner der zahlreichen ländlichen Regionen von Wales zu einem organisatorischen Kunststück werden, wenn ihnen kein Auto zur Verfügung steht, da nicht in jeder Ortschaft eine Schule oder Früherziehungseinrichtung vorhanden ist. Symonds und Kelly (2005, S.26) merken ebenfalls an, dass „in rural areas, ‘travel to work or childcare’ distances may be long and difficult” (ebd.).

„The lack of public transport remains a key concern for children and young people in rural areas, with infrequent and costly bus services the sole option particularly for those without a family car” (Wyn Siencyn 2010, S 50).

Wyn Siencyn und Thomas (2007, S. 137) verdeutlichen diese Problematik anhand eines Fallbeispiels:

„The village is on a bus route but public transport only passes through the village Wednesday and Friday. Melanie [mother] and Lewis [born in may 2000] were able to attend the Wednesday session [at Cylch Ti a Fi [8] ] by catching the bus in the morning and being collected by a neighbouring farmer retourning from market in the early afternoon. Melanie and Lewis missed several sessions due to poor weather” (ebd.).

Wie sich aus diesem Fallbeispiel ableiten lässt, sind besonders Familien betroffen, die auf abgeschiedenen Höfen und kleinen Farmen einige Meilen von der nächsten Ortschaft entfernt leben. Für Kinder und junge Erwachsene bedeutet der Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln eine besondere Herausforderung, da sie in ihren „social and learning opportunities“ eingeschränkt werden (vgl. Wyn Siencyn 2010, S.50) (. Gerade für Kinder im (Vor-)Schulalter, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, um den Unterricht zu besuchen, ist es eine besondere Herausforderung, an „after school clubs and activities “ teilzunehmen oder Freundschaften zu pflegen (ebd.).

„Children may live some distance from each other, given the large catchment areas for many rural schools, and this makes it difficult to meet outside school hours” (Wyn Siencyn 2010, S 51).

Nach Wyn Siencyn (2010, S.51) kann langes tägliches Pendeln negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern haben. Jedoch führt sie dazu keine weiteren Belege an. Es besteht ebenfalls die Verbindung zwischen der schlechten Infrastruktur und der hohen (Kinder-)armut des Landes (Symonds und Kelly 2005, S.26).

„A lack of childcare in or near the workplace may mean that parents cannot easily access both work and childcare. Those who are attempting to move out of poverty the possession of a car, or the cost and timing of public transport may be prohibitive; therefore they cannot access facilities that might benefit both them and their children” (ebd.).

2.3.2 Bilingualismus

Die Autoren Siraj-Blatchford und Clark (2000, S.28) weisen darauf hin, dass Bilingualität ein weiter verbreitetes Phänomen ist, da:

„Over 70 per cent of the world’s population speaks more than one language (Siraj-Blatchford 1994a)” (ebd.).

Eine Besonderheit des Landes Wales sind die beiden Landessprachen Englisch und Walisisch, welche seit über sechs Jahrhunderten koexistieren (vgl. Lewis 2008, S.70). Die walisische Sprache gilt als die älteste gesprochene Sprache innerhalb Europas und ist „(…) still very much alive with its own vibrant culture“ (Wyn Siencyn & Thomas 2007, S.138).

„(…) Welsh has by far the oldest roots, going back at least 2,500 years and perhaps 4,000 years, compared with little more than 1,500 years in the cases of English and Scots Gaelic (Davies 1993:12)” (Lewis 2008, S.70).

Nach Fischer und Burwell (1995, S.268f.) ist die walisische Sprache eine der 35 europäischen Minderheitensprachen und gehört zur Gruppe der inselkeltischen Sprachen. Weiterhin führen die Autoren an, dass das Walisische seit dem Welsh Language Act aus dem Jahre 1967 offiziell als „gleichwertig“ mit der englischen Sprache behandelt wird. Daher sind heutzutage amtliche Dokumente sowie Wegweiser und Straßenschilder grundsätzlich zweisprachig, englisch und walisisch (vgl. ebd.).

Abb. 1: Beispiel für ein bilinguales Straßenschild

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Julia Brauch, 2011

Abb. 2: Beispiel für ein bilinguales Straßenschild

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Laura Kolowratnik, 2011

„Heute besteht eine ausgeprägte Bilingualismus- und Diglossie-Situation mit Tendenz zur engl. Einsprachigkeit“ (Fischer & Burwell 1995, S.268f.).

Dies kann daran liegen, dass es im 19. Jahrhundert ein konsequentes Bestreben der englischen Regierung gab, die walisische Sprache zu verdrängen. Im Zuge dessen wurden Kinder bestraft, die in der Schule, wenn auch nur auf dem Pausenhof, walisisch sprachen (Baldock et. al 2005, 2009, S. 93). Neue Möglichkeiten und Entwicklungen in der Sprachpolitik ergaben sich nach Jones und Martin (2004, S.52) durch die Einführung der walisischen Nationalversammlung im Jahre 1999. Hierzu zählen unter anderem die Weiterentwicklung und Finanzierung der „Welsh-medium education [9] und der Zweisprachigkeit (vgl. ebd.).

„Successive Welsh governments have been committed to supporting and promoting the Welsh language and to giving people the choice to live their lives through Welsh or English” (Birell 2009, S.48).

Der heute vorhandene gleichwertige Status beider Sprachen wird ebenfalls von Mackay (2010, S.32) betont. Ferner weist der Autor darauf hin, dass der Gebrauch der walisischen Sprache innerhalb des Landes von Region zu Region unterschiedlich ist:

„But because use of the Welsh language is not distributed evenly throughout Wales, the politics of the language and the implementation of language policies vary from area to area” (ebd.).

Für die walisische Regierung ist es daher ein erstrebenswertes Ziel, die Zweisprachigkeit innerhalb des gesamten Landes voranzutreiben (vgl. Palaiologou et al. 2010, S.29).

Im Zensus aus dem Jahr 2011 wurden zum ersten Mal Daten erhoben, die Aufschluss darüber geben, welche Sprache von der Bevölkerung bevorzugt verwendet wird. Es wurde nach den Fähigkeiten in der englischen sowie walisischen Sprache gefragt (vgl. ONS 2012b, S.12). Festgestellt wurde, dass in 97 Prozent (1,3 Millionen) aller Haushalte in Wales entweder Englisch oder Walisisch die Hauptsprache ist. Zudem gibt es ca. 3.000 Haushalte (weniger als 1 Prozent), in denen kein Erwachsener, aber mindestens ein Kind entweder Englisch oder Walisisch als Hauptsprache (main language) nutzt (vgl. ONS 2012b, S.13). Englisch ist trotzdem die am meisten verwendete Sprache.

„Thirty per cent (169,000) of usual residents of Wales aged three and over who could speak Welsh (562,000) in 2011 were aged between three and 15 years old” (ONS 2012b, S.1).

Anhand früherer Zensus-Daten aus dem Jahr 2001 zeigen Wyn Siencyn und Thomas (2007, S.138) auf, dass der Gebrauch der walisischen Sprache insgesamt zugenommen hat. Seit 1991 ist die Anzahl der Personen, die walisisch sprechen können, von 18,5 auf 20 Prozent gestiegen. Die Autoren interpretieren dies als einen signifikanten Anstieg und erklären diesen als eine der Auswirkungen des Education Reform Acts des Jahres 1988 (vgl. ebd.). Daneben spielte die Implementierung des National Curriculum, der bis zur Veröffentlichung des FP-Bildungsplans gültig war, eine entscheidende Rolle für die Förderung der Bilingualität innerhalb des Landes.

„Such policy changes resulted in the Welsh language being taught either as a first or second language to almost every pupil in Wales (…)” (Lewis 2008, S.73).

Den Autoren Wyn Siencyn und Thomas (2007, S.139) zufolge ist die walisische Sprache seit 1990 für alle Schüler staatlicher Schulen, entweder als Muttersprache in Welsh-medium oder als Zweitsprache in English-medium Schulen, im Lehrplan vorgeschrieben.

„With the creation of the National Curriculum in the Education Act of 1984, Welsh had become a compulsory subject for all children up to the age of fourteen and for most until sixteen years of age. (…) More importantly, a Wales was being created where the place of language was defined in law (…)” (Jones & Balsom 2000, S.12).

Aus dieser Entwicklung heraus lässt sich schließen, dass das Bildungssystem:

„(…) as in many other minority language situations – has become the basis of reversing language shift with respect to the Welsh language in Wales” (Lewis 2008, S.73).

Obgleich die walisische Sprache als Unterrichtsfach immer mehr an Bedeutung gewinnt, sind nach Palaiologou et al. (2010, S.29) nur 15 Prozent der Bevölkerung in Wales des Walisischen fähig (vgl. ebd.). Die Personen, welche die walisische Sprache beherrschen, sind zumeist auch bilingual: „(…) the exceptions being some very young children and some older people (Clark & Waller 2007, S.138). Die nachfolgende Abbildung 3 zeigt die Anzahl der Personen in Wales, klassifiziert nach Alter, die bei der Zensus-Datenerhebung im Jahr 2011 angaben, walisisch sprechen zu können, also welsh-speaker zu sein.

Abb. 3: Proportion of people able to speak Welsh by age group, 1991-2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Office for National Statistics 2012c, S.2

Aus einem Vergleich der Zensus-Daten aus den Jahren 2001 und 2011 ergibt sich, dass die Anzahl der Personen, welche drei Jahre und älter sind und walisisch sprechen können, von 582.000 (20,8 Prozent) im Jahr 2001 auf 562.000 (19 Prozent) im Jahr 2011, gesunken ist (vgl. Office for National Statistics 2012c, S.2). Bei den Personen, die angegeben haben, walisisch sprechen, lesen und schreiben zu können, ist die Anzahl ebenfalls zurückgegangen.

„The percentage of residents of Wales aged three and over who could speak, read and write Welsh decreased one percentage point from 16 per cent (458,000) in 2001 to 15 per cent (431,000) in 2011“ (Office for National Statistics 2012b, S.4).

Dieser Rückgang wird in derselben Veröffentlichung folgendermaßen erklärt:

„The decrease was due to demographic changes in the population (including fewer children, more older adults and the loss of older cohorts with higher levels of Welsh speakers), migration and changes to people’s skills between Censuses” (Office for National Statistics 2012c, S.1).

Allerdings lässt sich in Abb.3 auch ablesen, dass die Anzahl der drei- bis vierjährigen Kinder, die walisisch sprechen können, von 18,8 Prozent (2001) auf 23,3 Prozent (2011) angestiegen ist:

[...]


[1] Quelle: http://www.zeit.de/2011/49/C-Pisa-Rueckblick (Stand: 04.05.2013)

[2] Internationale Schulleistungsstudie der OECD

[3] Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich die weibliche Form für die Erzieherinnen und Erzieher der Foundation Phase verwendet

[4] Unterschiede zwischen den Ländern des Vereinigten Königreichs sind nicht Gegenstand dieser Arbeit

[5] Auf die politischen Richtlinien von England wird hier nicht weiter eingegangen, da die Reformen der walisischen Bildungspolitik, insbesondere die Foundation Phase, im Zentrum dieser Arbeit steht

[6] URL: http://wales.gov.uk/topics/childrenyoungpeople/rights/?lang=en (Stand: 20.09.2012)

[7] Davor hatte Wales die UNCRC nur als Mitglied des Vereinigten Königreichs anerkannt

[8]A Cylch Ti a Fi is the same as a Parent and Toddler group but in the medium of Welsh” (siehe URL: http://www.cypswansea.co.uk/index.cfm?articleid=49075 (Stand: 27.09.2012).

[9] Eine Definition der Welsh-medium schools findet sich nach Tollefson und Tsui (2004, S.69) im Education Reform Act aus dem Jahr 1988. Es sind Schulen bei denen mehr als die Hälfte der folgenden Unterrichtsfächer ganz oder auch nur teilweise auf Walisisch unterrichtet werden: „(…) ’(a) Religious Education; (b) the subjects other than English or Welsh which are Foundation Subjects in relation to the pupils at the school.’ In Welsh-medium schools, Welsh is a Core Subject along with English, Maths, and Science, and every pupil between ages of 5 and 16 years of age receives Welsh lessons. In schools that are not classified as ‘Welsh-medium’, Welsh is taught as a Foundation Subject. From September, 1999, onward, this applied to all pupils between the ages of 5 and 16 years of age” (ebd.).

Excerpt out of 111 pages

Details

Title
Das Foundation Phase Framework: Der neue Bildungsplan für Kinder in Wales
Subtitle
Hintergründe, Entstehung und Struktur
College
University of Bamberg  (Erziehungswissenschaft)
Course
Elementar- und Familienpädagogik
Grade
2,0
Author
Year
2013
Pages
111
Catalog Number
V265327
ISBN (eBook)
9783656549628
ISBN (Book)
9783656548843
File size
3316 KB
Language
German
Keywords
foundation, phase, framework, hintergründe, entstehung, struktur, kinder, alter, jahren, wales, Früherziehung, Bildungsplan, Pädagogik, Elementar, Erziehung, Kindergarten, Vereinigtes Königreich, Devolution
Quote paper
Julia Brauch (Author), 2013, Das Foundation Phase Framework: Der neue Bildungsplan für Kinder in Wales, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265327

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