Globalisierung in der wilhelminischen Epoche 1890-1914. Internationale Trends


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2013

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Vernetzung der Welt im 19. Jahrhunder
2.1 Technologie
2.2 Wirtschaft
2.3 Institutione

3. Das Beispiel China: Im Fokus der Großmächt
3.1 Die Augen auf China gerichtet
3.2 Ziele und Methoden der Großmächte in Chin

4. Zusammenfassun

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unter dem Begriff Globalisierung wird heute in erster Linie eine Epoche verstanden, die mit der Nachkriegszeit ihren Anfang nahm und, insbesondere nach dem Ende des Kalten Kriegs, durch zunehmende weltweite Vernetzung gekennzeichnet ist. Dieser Prozess der „Intensivierung und Beschleunigung grenzüberschreitender Transaktionen bei deren gleichzeitiger räumlicher Ausdehnung“[1] wird nicht nur als ökonomisches Phänomen betrachtet, sondern umfasst auch kulturelle und politische Konvergenztendenzen auf internationaler Ebene. Gerade der Aufstieg Chinas – ein Land, das in dieser Arbeit als Beispiel angeführt wird – wird oftmals mit dem transformativen Potential der Globalisierung in Beziehung gesetzt. Globalisierung, verstanden als ein Prozess reversibler internationaler Vernetzung, reicht freilich viel weiter zurück. Wie in dieser Arbeit gezeigt werden soll, bietet das „lange“ 19. Jahrhundert, im speziellen die wilhelminische (Vorkriegs-)Zeit, die Möglichkeit, das Phänomen Globalisierung aus seinem heutigen Kontext herausgehoben zu untersuchen und zu verstehen.

In der Forschung herrscht Uneinigkeit darüber, wann der Beginn eines genuinen Globalisierungsprozesses zu datieren ist. Andreas Exenberger etwa spricht von einer ersten Globalisierungswelle ab circa 1870, während Peter Fäßler eine erste Phase der Globalisierung ab 1840 ansetzt und dieser eine Epoche der „Protoglobalisierung“ ab 1500 n. Ch. voranstellt.[2] Überwiegende Einigkeit dagegen herrscht darüber, dass der Prozess der Globalisierung nicht linear verläuft, sondern Brüche aufweist und gewissermaßen zyklisch abläuft.[3] So wird allgemein darauf hingewiesen, dass mit dem Beginn des ersten Weltkriegs Trends zur Internationalisierung aus naheliegenden Gründen angehalten oder sogar umgekehrt wurden. Abschottung in Kriegszeiten ist allerdings nicht die einzige Quelle von Deglobalisierungsimpulsen, so hat es beispielsweise immer wieder den Störfaktor Protektionismus gegeben, der Unternehmen das staatsübergreifende Operieren erschwert.[4]

Der Fokus der vorliegenden Arbeit soll auf der zunehmenden Vernetzung der Welt in den Jahrzehnten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs liegen. Hierbei sind insbesondere internationale Trends ins Auge zu fassen, also solche, die nicht auf ein oder wenige Länder begrenzt sind. „International“ ist in diesem Zeitraum freilich als auf die (westlichen) Industrieländer beschränkt zu verstehen, zu denen sich schließlich auch Japan gesellte, nachdem das Land ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Umkehr seiner isolationistischen Politik einleitete. In der Tat lässt sich Globalisierung auch heute noch als eine Art „Westernisierung“ betrachten, da sie in involvierten Ländern politische, ökonomische und kulturelle Institutionen bedingt, die oftmals mit dem Westen assoziiert werden. Hierzu zählen beispielsweise Freihandel, der Fortschrittsgedanke, kulturelle Offenheit und dergleichen mehr.

Nach einer Darstellung der technologischen, ökonomischen und institutionellen Wandlungen im 19. Jahrhundert soll hierbei am Beispiel Chinas erörtert werden, wie eine von den westlichen Großmächten betriebene Politik der gewaltsamen Öffnung des Landes ideologische und wirtschaftliche Motive widerspiegelt, an denen das internationale Denken der Zeit deutlich wird. Schließlich wird die Frage zu beantworten sein, inwiefern die voranschreitende Globalisierung in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg als generisches Phänomen zu betrachten ist, dessen Eigenschaften auch in der heutigen Phase der Globalisierung zur Geltung kommen.

2. Die Vernetzung der Welt im 19. Jahrhundert

2.1 Technologie

Ab dem Jahre 1820 kann man von einer einsetzenden Produktions-, Transport- und Kommunikationsrevolution sprechen.[5] Zwar könnte man im Hinblick auf das voranschreitende 19. Jahrhundert davon ausgehen, dass Nationalstaatsbildung und ein zunehmend nationalistisch aufgeladenes politisches Klima transnationale Verflechtungsimpulse gehemmt haben. Allerdings werden diese Faktoren von verschiedenen wirtschaftlichen, technologischen und geopolitischen Integrationsschüben deutlich überwogen.[6] Auf technologischer Seite sind hierbei insbesondere die Erfindung der Dampfmaschine und das Aufkommen von Eisenbahn, Dampfschifffahrt und Telekommunikation zu nennen. Auch Innovationen in der Industrieproduktion führten zu einer zunehmend internationalen Ausrichtung produzierender Unternehmen, die nun verstärkt im Ausland nach Absatzmärkten suchten. Die durch die immer stärker einsetzende Industrialisierung ermöglichte Massenproduktion wurde hierbei zu einem Impulsgeber für grenzüberschreitendes Handeln.[7] Zu den ersten aktiven Beobachtern (und Kommentatoren) dieser Entwicklung gehörten Karl Marx und Friedrich Engels, die in ihrem 1848 veröffentlichtem „Manifest der Kommunistischen Partei“ schrieben:

„Das Bedürfniß nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Ueberall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. [...] An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von einander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur. Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktions-Instrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Civilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waaren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt.“[8]

Zunächst sind natürlich die im 19. Jahrhundert immerzu neue Geschwindigkeitsrekorde setzende Eisenbahn, allerdings auch die hinzukommenden Telegraphennetze zu betrachten. Letztere halfen z.B. den europäischen Kolonialmächten dabei, eine effektive und zeitnahe Kommunikation zwischen der Metropole im Mutterland und den Kolonien herzustellen. Das erste funktionierende Telegraphenkabel durch den Ärmelkanal zwischen Dover und Calais wurde 1851 verlegt. Nach vielen Fehlversuchen gelang 1866 die erste transkontinentale Telegraphenverbindung zwischen Europa und Amerika. Es folgten dann Indien, China, Australien und Afrika. Hierbei nahm Großbritannien bis 1900 die technologische Führungsrolle ein, bevor die anderen Großmächte USA, Frankreich und das Deutsche Reich eigene globale Kabelnetzwerke aufbauten. Vor der transatlantischen Telegraphenverbindung dauerte die Übersendung eines Briefes von Europa in die USA per Postdampfer schnellstenfalls sieben Tage. Mithilfe des neuen Telegraphen gelang die Übersendung einer Nachricht in vier Minuten – eine echte Kommunikationsrevolution.[9]

Die Eisenbahn indes half dabei, in Europa effektive Verkehrsnetze zu spannen, aber auch entlegene Teile der Welt anzubinden und zu bevölkern. In Preußen zählte man 1850 bereits 9 Millionen Eisenbahnpassagiere – und nur noch 2 Millionen Postkutschenreisende.[10] In den Vereinigten Staaten ermöglichte die Eisenbahn den an der Atlantikküste neu ankommenden europäischen Immigranten die zügige Weiterfahrt gen Westen, wo die Kultivierung von unangetastetem – oder vermeintlich unangetastetem – Land von der amerikanischen Regierung seit dem Homestead Act von 1862 sogar subventioniert wurde. Der zunehmend globalisierende oder zumindest grenzüberschreitende Effekt der Eisenbahn wurde von manchen Zeitgenossen schon früh antizipiert. So schrieb Heinrich Heine, der 1843 die Eröffnung der ersten französischen Eisenbahnlinie bezeugte:

„Welche Veränderungen müssen jetzt eintreten in unserer Anschauungsweise und in unseren Vorstellungen! Sogar die Elementarbegriffe von Zeit und Raum sind schwankend geworden. Durch die Eisenbahnen wird der Raum getötet, und es bleibt uns nur noch die Zeit übrig. [...] Was wird das erst geben, wenn die Linien nach Belgien und Deutschland ausgeführt und mit den dortigen Bahnen verbunden sein werden! Mir ist, als kämen die Berge und Wälder aller Länder auf Paris angerückt. Ich rieche schon den Duft der deutschen Linden; vor meiner Tür brandet die Nordsee.“[11]

Die Zäsur, die im 19. Jahrhundert durch die zunehmende Verbreitung der Eisenbahn erfolgte, war so enorm, dass dieses Zeitalter oftmals als das „Jahrhundert der Eisenbahn“ bezeichnet wird.[12] Karl Marx erkannte in ihr die eigentliche revolutionäre Kraft des 19. Jahrhunderts.[13] Zusätzlich zu der Möglichkeit, Personen mit konstant hohen Geschwindigkeiten von A nach B zu bringen, bestand ihre wirtschaftliche Bedeutung darin, kostengünstige Warentransporte auch dort zu ermöglichen, wo weder schiffbare Flüsse noch Kanäle zur Verfügung standen. Zwar half auch das zahlreiche Anlegen von Kanälen dabei, ganze Regionen an den Weltmarkt anzubinden. Doch trug die Eisenbahn maßgeblich dazu bei, dass die Frachtkosten massiv sanken – von 17 Pfennige pro Tonnenkilometer im Jahre 1848 über 7 Pfennige in 1870 auf 3,5 Pfennige in 1913.[14]

Freilich handelte es sich bei der Geschichte der Eisenbahn im 19. Jahrhundert in erster Linie um ein europäisches (und amerikanisches) Phänomen, das Hand in Hand ging mit einer von Wolfgang Kaschuba beschriebenen „Fortschrittsvision, in der sich vom europäischen Zentrum aus 'stählerne Netze' um die Welt schlingen [...]. Netze, deren Maschen durch jene stählernen Fäden der Eisenbahnlinien, der telegrafischen Überseekabel, bald der Elektrizitätsleitungen, auch der architektonischen Stahlkonstruktionen [...] oder der weltweiten Routen der stählernen Dampfschiffe zu Wasser oder der Zeppeline am Himmel verbunden werden. Die zeitgenössischen Landkarten befördern diese Perspektive, wenn sie den Globus als Netzkarte abbilden oder immer neue Rekordtabellen von gebauten Eisenbahnstrecken oder verlegten Telegrafenkabeln veröffentlichen. Und diese Perspektive ist überaus Europa-lastig, weil diese Fäden vom europäischen Zentrum aus wie ein Spinnennetz um den 'Rest der Welt' gewoben werden, den globalen Raum organisierend und zugleich beherrschend.“[15]

Auch die Entwicklung von immer besseren Dampfschiffen erleichterte den Transport, im speziellen den interozeanischen, erheblich. Dabei waren Schiffsschraube, stählerne Schiffsrümpfe, Verbunddampfmaschine und Oberflächenkondensator entscheidende Innovationen, welche den Schiffsbau revolutionierten. Wenn man die britischen Dampfschiffe „Sirius“ (1838) und „Mauretania“ (1907) vergleicht, so hatte letzteres 46-mal mehr Brutto-Raumgehalt (gross tonnage), 219-mal mehr Pferdestärken, war dreimal so schnell, und überquerte den Atlantik in neuneinhalb Tagen anstelle von 16. Von 1870 bis 1910 sanken Frachtkosten für Ozeantransporte über ein Drittel. In Großbritannien kostete es acht Schilling, eine Tonne Baumwolle mit der Eisenbahn von Manchester in das 48 Kilometer entfernte Liverpool zu versenden, aber nur 30 Schilling um dieselbe Tonne Baumwolle weitere 11.700 Kilometer nach Bombay zu schicken. Die Kosten für den Transport von Textilien betrug nur ein Prozent des Warenwertes, und durch die Kanäle in Suez (1869) und Panama (1914) wurden die zu überwindenden Distanzen nochmals signifikant verringert.[16]

[...]


[1] Rolf Hammel-Kiesow, Der Januskopf der dudeschen hense: zwischen Globalisierung und Abschottung, in: Rolf Walter (Hrsg.), Globalisierung in der Geschichte. Erträge der 23. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 21. März 2009 in Kiel, Stuttgart 2011, S. 53-70, hier 53.

[2] Andreas Exenberger, Hunger und Globalisierung, in: Rolf Walter (wie Anm. 1), S. 147-173, hier 159; Peter E. Fäßler, Globalisierung, Köln 2007, S. 60ff.

[3] Exenberger 149f.

[4] Peter Borscheid, Systemwettbewerb, Institutionenexport und Homogenisierung. Der Internationalisierungsprozess der Versicherungswirtschaft im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 51. Jg., H. 1 (2006), S. 26-53, hier insb. 49ff.

[5] Fäßler, 47; eine erste Phase moderner Globalisierung setzt Fäßler in den Zeitraum 1840-1914, siehe S. 51.

[6]Ebd., 75.

[7]Ebd., 35.

[8] Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, London 1848, <https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Manifest_der_kommunistischen_Partei_(Marx)>, S. 6f.

[9]Alle Daten aus: Wolfgang Kaschuba, Die Überwindung der Distanz. Zeit und Raum in der europäischen Moderne, Frankfurt am Main 2004, 128.

[10]Ebd., 131.

[11] Heinrich Heine, Lutezia, 2. Teil, in: Heines Werke in fünfzehn Teilen, Bd. 13, Berlin o. J., S. 219.

[12]So etwa Ralph Roth, Das Jahrhundert der Eisenbahn. Die Herrschaft über Zeit und Raum 1800–1914, Ostfildern 2005.

[13] Michael Stürmer, Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918, aus Reihe: Neuere Deutsche Geschichte in sechs Bänden, Berlin 1983, S. 74.

[14]Ebd., 66f; zum Thema Kanäle auch S. 77.

[15] Kaschuba, 130.

[16]Sämtliche Daten zur Schifffahrt aus Niall Ferguson, Civilization. The West and the Rest, New York 2011, S. 218f.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Globalisierung in der wilhelminischen Epoche 1890-1914. Internationale Trends
Université
University of Frankfurt (Main)  (Historisches Seminar)
Cours
Durchbruch oder Krise der Moderne? Die wilhelminische Epoche 1890-1914
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
19
N° de catalogue
V265527
ISBN (ebook)
9783656552222
ISBN (Livre)
9783656552536
Taille d'un fichier
533 KB
Langue
allemand
Annotations
Korrigierte und verbesserte Version, November 2013
Mots clés
Globalisierung, Europa, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Deutsches Reich, USA, Amerika, Wirtschaft, Weltwirtschaft, Handel, Welthandel, Technologie, Eisenbahn, Dampfschiff, Telegraph, Freihandel, Protektionismus, Industriegüter, Institutionen, Goldstandard, China, Offene Tür, Open Door, Imperialismus, Manifest Destiny, Großmächte, Japan, Konkurrenz, Wilhelm, Liberalismus, Marx, Engels, Kommunistisches Manifest, Heinrich Heine, Vernetzung, Distanz, Zeit und Raum
Citation du texte
Moritz Mücke (Auteur), 2013, Globalisierung in der wilhelminischen Epoche 1890-1914. Internationale Trends, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265527

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