Persuasive Kommunikation in der Gesundheitsförderung


Seminararbeit, 2011

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Persuasive Kommunikation – Eine Begriffsbestimmung

3 Das Konstrukt Einstellung
3.1 Komponenten und Funktionen
3.2 Einstellung und Verhalten – Die Theorie des geplantenVerhaltens

4 Kommunikationsmodelle und Persuasion

5 Theorien der persuasiven Kommunikation
5.1 Communication-Persuasion Matrix (CPM)
5.2 Das Elaboration-Likelihood Modell (ELM)

6 Prinzipien der persuasiven Kommunikation
6.1 Prinzipien – Einige Kritikpunkte
6.2 Prinzipien der Persuasion im Gesundheitskontext
6.2.1 Ranking der Prinzipien

7 Zum Schluss: Eine kritische Reflexion

Literatur

1 Einleitung

Friedrich Nietzsche erkannte einst: „Es ist nicht genug, eine Sache zu beweisen, man muss die Menschen zu ihr auch noch verführen.“[1] Es liegt wohl in der Natur des Gesundheitsförderers, ja des Menschen überhaupt, dass er seine Erfahrungen und Erkenntnisse überzeugend darzustellen vermag. Jahrelange empirische Forschungsarbeit und theoretische Fundierung nützen dem praktischen Gesundheitskontext wenig, wenn die Menschen davon nicht überzeugt werden können. Ohne jeden Zweifel muss die Dissemination geplant, systematisiert, fundiert und schließlich evaluiert werden, aber sie muss auch persuasiv konzipiert sein.

Die Gründe für die wissenschaftliche Anwendung der persuasiven Kommunikation liegen in der individualisierten Gesellschaft auf der Hand. Durch das ständige Hinterfragen der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens, das permanente Hinterherhecheln immer neuerer gesundheitlicher Trends – Healthismus als eine Perversion der Gesundheit sei an dieser Stelle zu erwähnen – ist den Scheinexperten und Scharlatanen Tür und Tor geöffnet.[2] Kurzum die Flut an falschen Informationen zum Thema Gesundheit stimmt äußerst bedenklich. So gesehen wäre es auch utopisch anzunehmen, die Menschen würden aus der Kraft der eigenen Vernunft sämtliche gesundheitsbezogene Informationen rational verarbeiten und selegieren, um ein optimales Gesundheitsverhalten zu ermöglichen (vgl. Cialdini, Maner & Gerend, 2007, S. 267). Vielmehr orientieren sich die meisten Menschen am Charisma des Kommunikators, an den Versprechungen, die er vermittelt und an den Hoffnungen, die damit verbunden sind.

Diese kritische Situation auf dem Gesundheitsmarkt verlangt von einem Gesundheitsförderer ein hohes Maß an persuasiver Kompetenz, um sein evidenzbasiertes Wissen verkaufen zu können. Folgende Forschungsfragen sind hierbei zu beantworten: Wie lassen sich die Prinzipien der Persuasion im Feld der Gesundheitsförderung anwenden und wie gelingt es jene Prinzipen in die Kommunikationswissenschaft bzw. in die Sozialpsychologie theoretisch einzuordnen?

Aus dem gesagten folgt erstens, dass Gesundheit als ein Produkt betrachtet wird, das es zu verkaufen gilt und zweitens Persuasion ist keine Manipulation. Vor allem die letztgenannte Prämisse steht am Ende dieser Arbeit in der kritischen Reflexion zur Diskussion.

2 Persuasive Kommunikation – Eine Begriffsbestimmung

Eine angemessene Definition des Terminus Persuasion zu finden, erscheint als mühevolles Unterfangen, wenn man bedenkt, welche eher negativen Konnotationen mit dieser Begrifflichkeit in der Alltagswelt verbunden sind. Zudem muss diese Definition dazu geeignet sein, zur besseren Strukturierung und Systematisierung der persuasiven Kommunikation beizutragen.

In diesem Sinne ist zunächst die definitorische Bestimmung von Schlicht und Strauß (2003, S. 31) zu betrachten. Die Autoren verstehen unter persuasiver Kommunikation das Bemühen, „argumentativ auf andere Personen einzuwirken und sie so zu überzeugen, eine erwünschte Einstellung zu übernehmen.“ Obwohl dieser Definitionsversuch zu kurz gegriffen ist, da hier nur eine einseitige Betrachtung von Argumenten vorgenommen wird, erhält er doch ein sehr bekanntes psychologisches Konstrukt, welches für die Verhaltensmodifikation von entscheidender Bedeutung ist.[3] Eine andere Möglichkeit den Begriff Persuasion näher zu fassen, bietet Miller (2002, S. 6):

„situations where behavior has been modified by symbolic transactions (messages) that are sometimes, but not always, linked with coercive force (indirectly coercive) and that appeal to the reason and emotions of the person(s) being persuaded.”

Der gleiche Autor verweist allerdings auf die fehlende Spezifizierung bezüglich der verschiedenen Arten der Verhaltensmodifikation, die aufgrund der persuasiven Kommunikation entstehen.

In der Konsequenz erscheint die folgende Definition am ehesten für diese Arbeit operabel: „any message that is intended to shape, reinforce, or change the responses of another, or others“ (Stiff & Mongeau, 2003, S. 10). Unter responses sollen hier Einstellungen verstanden werden, die entweder zuerst geformt, verstärkt, oder geändert werden. Ob es schließlich zu einer Verhaltensänderung kommt, ist damit aber noch nicht gesagt. Diesem Problem widmet sich die Theorie des geplanten Verhaltens, die ebenfalls im nächsten Kapitel im Detail vorgestellt wird.

Um die oben erwähnten drei Prozesse näher zu erläutern, sind Beispiele aus der Gesundheitsförderung hilfreich. Nehmen wir einmal an ein Forschungsteam von Gesundheitswissenschaftlern möchte ihr Konzept zur Etablierung körperlicher Aktivität im Betrieb der betreffenden Unternehmungsleitung nahe bringen. Da sich das Unternehmen bisher keine Gedanken über die betriebliche Gesundheitsförderung gemacht hat, ist es nun die Aufgabe der Gesundheitswissenschaftler, durch Vorträge oder Diskussionsrunden im Plenum, ein positives Image über die BGF zu erzeugen und über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Gesundheitschancen der körperlichen Aktivität zu berichten. Dies wäre ein Beispiel für den Response-Shaping Prozess. Kommunikation in Selbsthilfegruppen, dessen Teilnehmer bereits eine positive Einstellung zu einem Gesundheitsverhalten übernommen haben, kann als Beispiel für den Response-Reinforcing Prozess verstanden werden. Für ehemalige Alkoholiker berichtet Stiff und Mongeau (2003, S. 6): „Self-help groups provide social support and reinforce an individual’s decision to remain sober.” Ist eine negative Einstellung schon vorhanden, etwa wenn eine Person über sich sagt: “Sport empfinde ich als anstrengend und gefährlich und spielt deshalb in meinem Leben keine Rolle.“ In diesem Fall muss versucht werden die Einstellung der Person zu verändern (Response-Changing Prozess). So wäre darauf hinzuweisen, dass bereits moderate körperliche Aktivität das Risiko für einen Herzinfarkt beträchtlich reduziert.

3 Das Konstrukt Einstellung

Einstellungen können als kognitives Schema interpretiert werden, „das evaluatives Wissen einer Person über ein Einstellungsobjekt repräsentiert“ (Wänke & Bohrer, 2006, S. 404). Es handelt sich demnach um allgegenwärtige Bewertungsvorgänge, die in affektive, kognitive und konnative bzw. verhaltensbezogene Komponenten zerlegt werden, und relevante Funktionen für das Individuum erfüllen (Wänke & Bohrer, 2006, S. 413; Schlicht & Strauß, 2003, S. 23). Gelingt es nun durch persuasive Kommunikation eine Einstellungsänderung zu evozieren, erhöht dies auch die Wahrscheinlichkeit ein entsprechendes Verhalten zu zeigen.[4] Wie es um den genauen Zusammenhang von Verhalten und Einstellung bestimmt ist, und welche anderen Variablen von Bedeutung sind, erklärt die Theorie des geplanten Verhaltens. Sowohl die Komponenten und Funktionen der Einstellung, als auch die Theorie des geplanten Verhaltens, werden in den nächsten Abschnitten dieses Kapitels näher erfasst.

3.1 Komponenten und Funktionen

Eine Aussage wie ausreichend Bewegung empfinde ich als angenehm oder Sport ist schlecht für mich, spiegelt die affektive Komponente wieder. Handelt es sich aber um eine Aussage wie Ich bin der Meinung, dass körperliche Aktivität Stress reduziert, so entspricht dies der kognitiven Komponente. Die konnative Komponente verleitet schließlich zu einem bestimmten Verhalten, zum Beispiel sich einer Laufgruppe anzuschließen. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die Äußerung von Schlicht und Strauß (2003, S. 23), dass die oben genannten Meinungen nicht zwingend zutreffend sein müssen; „entscheidend ist, in welchem Ausmaß eine Person von ihrer subjektiven Zuschreibung überzeugt ist.“ Dieser letzte Satz impliziert die Notwendigkeit für den Einsatz der persuasiven Kommunikation, um eine stabile und änderungsresistente Einstellung zu realisieren. In diesem Sinne spricht man auch von der Einstellungsstärke (vgl. Wänke & Bohrer, 2006, S. 405). Ergänzend muss noch hinzugefügt werden, dass das Konstrukt Einstellung nicht alle drei Komponenten enthalten muss (Felser, 2007, S. 318). Beispielsweise kann eine Person ihren esoterischen Lebensstil noch immer als Wohltat empfinden (affektive Komponente), obwohl die wissenschaftliche Empirie die positive Wirkung auf die Gesundheit als unwahr deklarieren muss (Kognitive Komponente).

Wänke und Bohrer (2006, S. 406) stellen fest, dass persuasive Kommunikation erfolgreicher ist, „wenn sie auf die zu Grunde liegende Einstellungsfunktion abgestimmt ist.“ Es erscheint daher sinnvoll einige Funktionen der Einstellung zu beschreiben. Stiff und Mongeau (2003, S. 20; zit. nach Katz, 1960) nennen eine instrumentelle, adjustive oder utilitarian Funktion, eine ego-defensive Funktion, eine knowledge Funktion, und eine value-expressive Funktion. Die erste Funktion äußert sich zum Beispiel in der positiven Einstellung gegenüber dem Feierabendbier, und der eher negativen Einstellung nach der Arbeit noch in das Fitnessstudie gehen zu müssen. Belohnende Erfahrungen werden demnach maximiert, anstrengende Erfahrungen dagegen minimiert (Stiff & Mongeau, 2003, S. 20). Kommt es zu einer Abwertung der Fremdgruppe, die möglicherweise das Selbstbild bedrohen, und dementsprechend zu einer Aufwertung der Eigengruppe, so kann dieses Beispiel als ego-defensive Funktion angesehen werden. Hingegen dienen Einstellungen als kognitive Schemata der Erleichterung bei der Verarbeitung neuer Informationen (Wänke und Bohrer, 2006, S. 405f). Die letzte Funktion beschreiben Stiff und Mongeau (2003, S. 21) als ein Mittel „for establishing and maintaining norms of social appropriatness.“

3.2 Einstellung und Verhalten – Die Theorie des geplanten Verhaltens

Die Strategie der persuasiven Kommunikation verfolgt nicht nur den Zweck eine Einstellungsänderung bzw. eine erwünschte Einstellung zu ermöglichen, sondern zielt ebenfalls darauf ab ein dauerhaftes Gesundheitsverhalten zu initiieren. Zu diesem Zweck eignet sich die Theorie des geplanten Verhaltens, die die Frage klärt, inwiefern Einstellungen auf das Verhalten einwirken (für einen umfassenden Überblick über das Gesamtmodell bieten Wänke & Bohrer, 2006; Schlicht & Strauß, 2003; Luszczynska & Sutton, 2007; Montano & Kasprzyk, 2008; Bartholomew, Parcel, Kok, Gottlieb & Fernandez, 2011).

[...]


[1] Zitat entnommen aus Braun, 2007, S.

[2] Der überaus sarkastische Beitrag von Ernst, 2005, S.33-34, ist hier sehr zu empfehlen.

[3] Gemeint ist die Einstellung, die im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben wird.

[4] Nicht immer spielen Einstellungen ex ante eine Rolle für die Verhaltensmodifikation. Felser (2007, S. 320f) nennt drei Möglichkeiten, wie ein Verhalten ohne Beachtung der Einstellung beeinflusst werden kann. Diese sind Belohnung/Bestrafung, Freundschaft/Sympathie und Autorität/Gehorsam.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Persuasive Kommunikation in der Gesundheitsförderung
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V265613
ISBN (eBook)
9783656552468
ISBN (Buch)
9783656552697
Dateigröße
643 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
persuasive, kommunikation, gesundheitsförderung
Arbeit zitieren
Master of Arts Sascha Schmid (Autor:in), 2011, Persuasive Kommunikation in der Gesundheitsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265613

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