Stadtentstehung im Mittelalter


Dossier / Travail, 2004

12 Pages, Note: 1,3


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Was ist eine Stadt? - Zur Definition des „Stadt“-Begriffes

3. Ursachen der Städtebildung im Mittelalter

4. Stadtentstehung im Mittelalter
4.1 Anknüpfung an römische Siedlungen
4.2 Handelsemporien
4.3 Stadtbildung an Herrschaftssitzen
4.4 Stadtbildung an Märkten
4.5 Stadtgründungen

5. Resümee

6. Literatur

1. Einleitung

Städte sind heute Mittelpunkte des gesellschaftlichen Lebens. Sie besitzen - in hierarchischer Abstufung - zentralörtliche Funktion, tragen zur Versorgung der jeweiligen ländlichen Umgebung bei, bieten Arbeitsplätze und kulturelle Vielfalt. Hier werden wichtige politische und ökonomische Entscheidungen getroffen. Von den rund 85 Millionen Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland lebt der überwiegende Teil in Städten und Agglomerationsräumen. Doch seit wann existieren diese Städte? Auf welche Weise sind sie entstanden? Welche Faktoren bestimmten ihre Herausbildung? Die Beantwortung jener Fragen führt zurück ins Mittelalter. In dieser Zeit wurden die Grundlagen für die modernen deutschen Städte gelegt, vollzog sich der Wandel von einer agrarisch geprägten zu einer städtisch orientierten Gesellschaft (die Bedeutung der antiken Siedlungen hinsichtlich der Stadtentwicklung soll an dieser Stelle nicht außer Acht gelassen werden, sie bedarf jedoch - wie sich im Folgenden noch erweisen wird - einer differenzierten und modifizierten Betrachtungsweise).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Stadtgenese im Mittelalter entsprechend dem heutigen Stand der Forschung nachzuzeichnen. Es sollen die Ursachen und die Ansatzpunkte der Urbanisierung herausgearbeitet werden. Hierbei bleibt der Blick bewußt auf den mitteleuropäischen - insbesondere den deutschen - Raum beschränkt, eine zusätzliche Behandlung weiterer Beispielsräume kann aus Platzgründen nicht erfolgen.

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Zu Beginn wird im zweiten Kapitel der Begriff „Stadt“ einer näheren Betrachtung und Klärung unterzogen. In diesem Zusammenhang soll aufgezeigt werden, dass eine exakte Identifizierung der Stadt und ihre präzise Abgrenzung von nicht-städtischen Siedlungen Probleme aufwirft. Im dritten Kapitel werden in einem kurzen Überblick die wesentlichen Ursachen und Voraussetzungen der mittelalterlichen Stadtbildungsprozesse genannt, bevor der folgende vierte Abschnitt die verschiedenen Arten und Anknüpfungspunkte der Urbanisierung im Mittelalter vorstellt. An dieser Stelle werden jeweils in Einzeldarstellungen die bedeutendsten Wurzeln der mittelalterlichen Stadt beschrieben. Es soll erarbeitet werden, welche Phänomene und Interessen die Bildung von Städten bestimmten und auf welche Weise diese Entwicklung verlief. Abschließend folgt im fünften Kapitel ein Resümee, das die herausgearbeiteten Ergebnisse zusammenfasst und beurteilt.

2. Was ist eine Stadt? - Zur Definition des „Stadt“-Begriffes

Wann kann man eine Siedlung als Stadt bezeichnen? Die Antwort auf diese Frage ist in der Forschung umstritten. So wird als ein Kennzeichen der Stadt häufig die Ummauerung, also ihr Festungscharakter, angesehen. Die Ansässigkeit von Handel und Gewerbe sowie das Vorhandensein eines Marktes gelten zudem als städtische Merkmale. Jedoch ist festzustellen, dass es im Mittelalter sowohl ummauerte Dörfer als auch ungesicherte Marktorte gab.[1] Die zentralörtliche Funktion, d. h. der Bedeutungsüberschuss der Stadt gegenüber den Orten der Umgebung, wird in diesem Zusammenhang als ein weiteres Charakteristikum genannt. Doch auch isoliert liegende Herrensitze und Klöster verfügten über eine gewisse Zentralität.[2]

Des weiteren wird die Stadt als besonderer Rechtsbezirk identifiziert, der gekennzeichnet war durch ein eigenes Recht und eine eigene Verfassung, durch den Stadtfrieden und die Stadtfreiheit. In diesem Sinne bildete sich die Stadt erst durch die Privilegierungen der Könige und Stadtherren ab dem beginnenden 12. Jahrhundert heraus. Bereits zu früheren Zeiten existierten jedoch Siedlungen mit Stadtcharakter.[3]

Die Einschränkungen und Widersprüche lassen erkennen, dass eine verbindliche und allgemein gültige Definition der „Stadt“ anhand eines feststehenden Rasters nicht möglich ist. Vielmehr kann man dieses Phänomen nur mit Hilfe eines Bündels von Merkmalen beschreiben, deren jeweils wechselnde Anzahl, Kombination und Gewichtung in Raum und Zeit die spezifische Entwicklung und individuelle Gestalt einer Stadt ausmachen. Hierzu zählen die bereits genannten Kriterien, zudem die dichte und geschlossene Bebauung, eine innerräumliche Differenzierung (also der unterschiedliche Bau- und Funktionscharakter einzelner Siedlungsteile), die hiermit in Zusammenhang stehende Sozialgliederung der Einwohnerschaft wie auch die Ausprägung von „städtischen“ Lebensformen und Einrichtungen.[4]

Als Bezeichnung für die mittelalterliche Stadt war lange Zeit der Ausdruck burg üblich. Ihm entsprach das in lateinischen Quellen gebräuchliche civitas, das darüber hinaus den Bischofssitz charakterisierte. Der Terminus stat für die städtische Siedlung setzte sich schließlich mit dem bereits angesprochenen Wandel zur Rechtsstadt im 12. Jahrhundert durch und verdrängte burg, das nunmehr auf die Bedeutung des befestigten Herrschaftssitzes eingegrenzt wurde. Die von burg abgeleitete Bezeichnung burgaere, Bürger, für den Stadtbewohner blieb hingegen bis heute erhalten.[5]

3. Ursachen der Städtebildung im Mittelalter

Bevor im folgenden Kapitel auf die verschiedenen Arten und Anknüpfungspunkte der mittelalterlichen Städtebildung eingegangen wird, sollen an dieser Stelle die ursächlichen Voraussetzungen für den Urbanisierungsprozeß erläutert werden. Die Stadtgeschichtsforschung nennt in diesem Zusammenhang vor allem demographische, ökonomische und politische Faktoren. So war es dank technischer und organisatorischer Verbesserungen in der Landwirtschaft möglich, die agrarische Produktion im Frühmittelalter zu steigern.[6] Zudem war ab dem 7. Jahrhundert ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum zu verzeichnen.[7] Dies schuf die Voraussetzungen dafür, dass eine gewisse Anzahl von Menschen sich nun primär der Herstellung gewerblicher Erzeugnisse bzw. dem Handel zuwenden konnte. Die Spezialisierung führte zu einer Konzentration gewerblich tätiger Menschen in nicht-agrarischen Siedlungen, in denen sich Absatz- wie auch Konsummöglichkeiten für sie boten.[8]

Hinzu traten besondere politische Ausprägungen und Interessenslagen. Den Machtzentren - Königs- und Fürstenhöfe, Bischofssitze und Klöster - fiel eine entscheidende Rolle bei der mittelalterlichen Stadtbildung zu. Zum einen dienten sie als geschützte siedlungsmäßige Anknüpfungspunkte, zum anderen waren sie Konsumzentren und somit Absatzorte. Darüber hinaus lag es im Interesse der Herren, durch die Ansiedlung von Gewerbetreibenden den eigenen Bedarf an Produkten zu decken. Ebenso setzten sie Stadtgründungen als Instrument zum Ausbau ihrer territorialen Herrschaft wie auch zur finanziellen Bereicherung ein.[9]

4. Stadtentstehung im Mittelalter

4.1 Anknüpfung an römische Siedlungen

Die Römerstädte bilden, im Gegensatz zu den keltischen Siedlungen und den germanischen Volksburgen, die kaum Stadtqualität besaßen und somit nur als Vorläufer des Städtewesens anzusehen sind, die früheste Stadtentstehungsschicht in Mitteleuropa.[10] Mit den Römern verbreitete sich in diesem Raum der Hausbau mit festen Materialien, ebenso die hiermit verbundenen termini technici wie Dach (von tectum) oder Mauer (von murus).[11] Auch einige Städtenamen gehen auf die Bezeichnungen von römischen Siedlungen zurück: Köln von Colonia Claudia Ara Agrippinensium, Bonn von Bonna, Trier von Augusta Treverorum, Mainz von Mogontiacum.[12] Mit dem Untergang des Römischen Reiches in der Spätantike verloren die Kolonialstädte jedoch an Bedeutung. Eine Stadtflucht setzte ein, die Römerstädte wurden von einem Großteil der Bewohner verlassen. Nicht jede dieser Städte überdauerte die Völkerwanderungszeit.[13]

Die Frage nach der Kontinuität der römisch-antiken Städte stellt ein intensiv diskutiertes Forschungsthema dar. Hierbei eröffnet sich ein breit gefächertes Spektrum an Antwortmöglichkeiten: während für Mainz eine kontinuierliche Besiedlung als sicher gilt, ist die römische Siedlung beim heutigen Xanten völlig untergegangen. Das mittelalterliche Köln besetzte nur einen Teil der römischen Stadt, in Bonn bildete sich hingegen ein zweiter, bestimmender Siedlungskern südlich des antiken Römerlagers um die heutige Münsterkirche heraus.[14] In den meisten Fällen kann nur von einer topographischen Kontinuität und weniger von einer funktionellen Fortdauer im Mittelalter die Rede sein. Die vollständige Bewohnungskontinuität am gleichen Ort war ausgesprochen selten. Vielmehr diente das Vorhandensein von Infrastruktur, Bauresten und Ruinen als Anknüpfungs- oder Lokalisierungspunkt der frühmittelalterlichen Besiedlung. Zumeist bildete sich der neue Siedlungskern abseits der antiken Stadt heraus bzw. bezog nur einen Teil der früheren Niederlassung mit ein. Die mittelalterliche Stadt stellte demnach (in der überwiegenden Zahl der Fälle) nicht die unmittelbare Fortführung einer römischen Siedlung dar.[15]

4.2 Handelsemporien

Eine weitere Stadtentstehungsschicht stellen die Handelsemporien an Nord- und Ostseeküste dar. Diese anfangs unbefestigten Siedlungen, oftmals auch Wike genannt (dieser Terminus hat sich in einigen Ortsnamen wie Schleswig oder Wyk auf Föhr erhalten), bildeten sich ab dem 8. Jahrhundert heraus. Sie verfügten über einen Hafen bzw. eine Anlegestelle, während ein Marktplatz zumeist fehlte. In ihnen war eine kaufmännisch tätige Bevölkerung ansässig, die Fernhandel betrieb. Die Einwohnerschaft stand unter dem Schutz des (karolingischen) Königs und war von diesem mit Privilegien bedacht. Bedeutende Handelsemporien waren Dorestad in Friesland, Haithabu nahe des heutigen Schleswig und das flandrische Quentowic.[16]

[...]


[1] vgl.: Isenmann 1988, S. 20 ff.; Goetz 19914, S. 203; Engel 1993, S. 17; Mitterauer 2002, S. 62 ff.

[2] vgl.: Goetz 19914, S. 203; Isenmann 1988, S. 25; Engel 1993, S. 18.

[3] vgl.: Isenmann 1988, S. 20 ff.; Goetz 19914, S. 202.

[4] vgl.: Goetz 19914, S. 202 f.; Engel 1993, S. 18; Ennen 1979³, S. 13 f.; Schöller 1967, S. 2 ff.

[5] vgl.: Stoob 1970, S. 22 ff.; Engel 1993, S. 20; Goetz 19914, S. 204.

[6] vgl.: Ennen 1979³, S. 77; Engel 1993, S. 20 f.

[7] vgl.: Ennen 1979³, S. 77; Engel 1993, S. 20.

[8] vgl.: Ennen 1979³, S. 78; Engel, S. 21.

[9] vgl.: Planitz 1954, S. 35 ff.; Ennen 1979³, S. 49 ff.; Engel, S. 21.

[10] vgl.: Hofmeister 19997, S. 30 f. Siehe auch: Ennen 1979³, S. 14 ff.

[11] vgl.: Hofmeister 19997, S. 31.

[12] vgl.: ebd., S. 31.

[13] vgl.: Goetz 19914, S. 205; Heineberg 2001², S. 195..

[14] vgl.: Ennen 19797, S. 41 ff.; Goetz 19914, S. 205; Engel 1993, S. 22 ff.

[15] vgl.: Ennen 19797, S. 41 ff.; Goetz 19914, S. 205; Engel 1993, S. 22 ff.; Verhulst 1996, S. 365 ff.

[16] vgl.: Verhulst 1996, S. 370 f.; Engel 1993, S. 24 f.; Goetz 19914, S. 209.

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Stadtentstehung im Mittelalter
Université
University of Bonn  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
12
N° de catalogue
V26600
ISBN (ebook)
9783638288866
Taille d'un fichier
463 KB
Langue
allemand
Mots clés
Stadtentstehung, Mittelalter
Citation du texte
Karsten Kramer (Auteur), 2004, Stadtentstehung im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26600

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