Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung
2. Geschichtliche Randbedingungen
3. Science Fiction als Genre
4.Geschichtliche Entwicklung
5. Andrej Tarkowskij
6.Schlus
7.Quellen
8. Filmografie
1.Einleitung
Die Filmkultur der Sowjetunion hat eine lange Geschichte voller politischer Unterdrückung und Repressionen vorzuweisen. Die Spezifik der sowjetischen Filmproduktion besteht in seiner ideologisch-propagandistischen Funktion. Von Lenin über Stalin bis hin zum Tauwetter und Perestrojka haben die politischen Ereignisse die Entwicklung des sowjetischen Films maßgebend geprägt. Aus diesem Grund beleuchtet diese Arbeit zunächst die für die Filmkunst relevanten politischen Rahmenbedingungen der von 1917 bis 1991 bestehenden UdSSR.
Den zentralen Aspekt dieser Arbeit bildet die geschichtliche Entwicklung des sowjetischen Science Fiction-Films. Die von Karl Marx formulierte Aussage, Religion sei das Opium des Volkes, die zu einer der zentralen Parolen sowjetischer Kulturpolitik wurde, führte dazu, dass alles Mystische und Übernatürliche in der Kunst unterdrückt und verboten worden ist. Science-Fiction ist das einzige der phantastischen Genres, das es geschafft hat, sich in der Sowjetunion durchzusetzen und musste damit das gesamte Bedürfnis des Publikums nach Phantastik befriedigen.
Eine besondere Bedeutung wird dem Regisseur Andrej Tarkowskij und seinen weltbekannten Meisterwerken Stalker[1] (1979) und Solaris[2] (1972) zugewiesen, die den sowjetischen Film auch außerhalb der ehemaligen Sowjetunion vertreten. Tarkowskij repräsentiert den sowjetischen Autorenfilm und die jungen Regisseure der Tauwetterperiode. Seine Besinnung auf Ästhetik und ständige Suche nach Innovationen standen im Wiederspruch zum sozialistischen Prinzip der Massentauglichkeit, weshalb sein Leben einen besonders tragischen Lauf nahm. Tarkowskij hatte nicht den Anspruch, die übernatürlichen Gegebenheiten in seinen Filmen zu erklären. Seine Filme lösen sich daher vom typischen Verständnis der sowjetischen Sci-Fi, der es nur deswegen geschafft hatte sich durchzusetzen, da er auf einer wissenschaftlich fundiert, also erklärbaren Perspektive aufbaute.
2. Geschichtliche Rahmenbedingungen
Lenin sagte bereits, dass von allen Künsten die Filmkunst die wichtigste sei. Das Kino war als Ausdruck und Idealbild des Staates gedacht und hatte einen hohen Stellenwert im gesellschaftlichen Konzept staatssozialistisch verfasster Systeme. Aus diesem Grund wurden die filmrelevanten Fragen von der Parteiführung entschieden.[3] Die historischen Direktiven von Lenin bildeten die Grundlage der gesamten Entwicklung des Films. Der Auftakt zum umfassenden Aufbau der kommunistischen Gesellschaft bestimmte die Entwicklung des Landes auf viele Jahre im voraus und regte neue Werke in Literatur und Kunst an.[4] «Das Wesen des Neuerertums der ersten sowjetischen Filme wurde vor allem durch die Größe der revolutionären Ideen und Taten, durch die Prinzipien des neuen, revolutionären Humanismus geprägt.»[5] Daraus entstand das sogenannte Prinzip des sozialistischen Realismus, dessen besondere Merkmale feste Verbundenheit mit dem Volk und kommunistische Parteilichkeit, revolutionärer Humanismus und Staatsbewußstsein, Wahrheitstreue und gründliches Eindringen in die Realität, sowie Unversöhnlichkeit gegenüber der bürgerlichen Ideologie und Moral sind.[6] Ein weiteres Prinzip des sozialistischen Realismus war eine konfliklose Glätte, die sich als Theorie der Konfliktlosigkeit[7] fest im sowjetischen Kino verankert hatte. Für die Kunst bedeutete dies eine Periode der Stagnation, die sich bis in die 50er Jahre erstreckte.
«Die Vertreter einer solchen Haltung machten einen ernsthaften Fehler. Sie vergaßen, daß sich die Entwicklung unserer Gesellschaft im Kampf vollzieht, im Zusammenstoß zwischen Neuem und Altem, Überlebtem, und daß die Filmkunst das Leben nur dann allseitig und wahrheitsgetreu abbilden kann, wenn sie den lebendigen Prozeß dieses Kampfes in künstlerischen Gestalten erfaßt.»[8]
Das Jahr 1956 hatte eine besondere Bedeutung für die sowjetische Geschichte. Erst drei Jahre nach Stalins Tod äußerte sich der damalige erste Sekretär der KPdSU[9] Nikita Chruschtschow in einer Geheimrede gegen den Stalinismus. Die darauffolgende Tauwetter-Periode bedeutete eine langsame Liberalisierung. Diese Wende in der sowjetischen Politik gab vielen Künstlern Hoffnung. Die Aufbruchstimmung des Tauwetters ermutigte die Kunstschaffenden zu einer ästhetischen und inhaltlich neuen Aufrichtigkeit.[10]
Doch diese Hoffnungen wurden von einer dogmatischen Bürokratisierung vernichtet. Goskino – das Stattskomitee für Kinematografie beim Ministerrat der UdSSR, griff willkürlich in alle ästhetischen Fragen ein und hinderte zunehmend die kreativen Prozesse.
Noch viele Jahre danach erinnerten sich die sowjetischen Künstler an diese enttäuschten Erwartungen des Jahres 1956. Auf dem Schriftstellerkongress 1986 sagte der Bühnen- und Drehbuchautor Michail Schatrow:
«Ich erinnere mich an den Frühling des Jahres 1956, […], an den gigantischen Aufbruch eines Landes, das sich von antileninschen Fesseln freimachte. Aber ich erinnere mich auch daran, wie wir allmählich, Schritt für Schritt, wichtige Positionen aufgaben.[…] Die Geschichte gibt uns nunmehr zum zweitenmal eine Chance. Und unser aller Aufgabe, die Aufgabe der Schriftsteller, der Kunst- und Kulturschaffenden ist es, diese Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen»[11]
Diese Chance nutzten die sowjetischen Filmemacher auf ihrem Verbandskongress 1986 und lösten die damalige passive Leitung ab. Der neue erste Sekretär wurde Elem Klimow, dessen Filme Idi i smotri[12] (1985) und Proschtschanie[13] (1982) mit jahrelangen Produktions-, Vorführ- und Exportverboten belegt worden waren. So wurde sicher gestellt, dass der erste Sekretär die Verhinderungen und Verbote von Filmen aus seiner eigenen Erfahrung kannte. Schon zwei Tage nach dem Abschluss des Verbandskongresses etablierte die neue Leitung eine «Konfliktkomission», die die Rechte der Filmschaffenden gegen ministerielle Bürokratenwillkür durchsetzten sollte.
3. Science Fiction als Genre
Neben Fantasy und dem Horrorfilm lässt sich Science Fiction zu den phantastischen Genres zählen. Die Übersetzung aus dem Englischen, die Wissenschaftsfiktion, sagt das wesentliche aus. Bei den Science Fiction-Filmen handelt es sich um die wissenschaftliche und technologische Weiterentwicklung, die ein bestimmtes Zukunftsbild etabliert. Die Zukunft kann dabei sowohl nah, als auch unendlich fern sein. Die Besonderheiten des Science Fiction-Films bilden die phantastische Ausstattung, Trick und vor allem die Spezialeffekte. Im Vergleich zu dem Fantasy-Genre ,welches das märchenhaft-Romantische betont und dem Horrorfilm, der vor allem mit der Angst der Zuschauer spielt, versucht der Science-Fiction-Film das Publikum auf gesellschaftliche Problematiken aufmerksam zu machen. Er zeigt die gesellschaftlichen Konsequenzen des oft unkontrollierten technologischen Progresses, was oft in pessimistischen Dystopien thematisiert wird. Dennoch sind die Grenzen zwischen diesen drei phantastischen Genres sehr fließend und kaum eindeutig festzulegen. Des Weiteren kann zwischen harter und weicher Science Fiction unterschieden werden. Während harte Sci-Fi wissenschaftlich-technische Genauigkeit fordert, rücken bei weicher Science Fiction eher soziologische, kulturelle und philosophische Probleme in den Vordergrund. Typische Themen für Science-Fiction sind vor allem Begegnungen mit Außerirdischen, Katastrophen, die durch technische Defekte verursacht werden, Verselbstständigung durch den Menschen erzeugter Lebewesen, aber auch dystopische Gesellschafts- und Herrschaftsformen.[14]
[...]
[1] STALKER [dt.: STALKER]; R: Andrej Tarkowskij, Sowjetunion, 1979.
[2] SOLARIS [dt.: SOLARIS]; R: Andrej Tarkowskij, Sowjetunion 1972.
[3] Vgl. Lars Karl, Einleitung in Leinwand zwischen Tauwetter und Frost. Der osteuropäische Spiel- und Dokumentarfilm im Kalten Krieg, Berlin 2007, S. 2.
[4] Vgl. Groschew/Ginsburg/Dolinski/Lebedew/Smirnowa/Tumanowa: Der sowjetische Film, Band 2, herausgegeben vom Staatlichen Filminstitut der UdSSR (WGIK), Lehrstuhl Filmwissenschaft, Moskau, Berlin 1974, S.123.
[5] Ebd. S.203.
[6] Vgl. 50 Jahre große Sozialistische Oktoberrevolution, Thesen des Zentralkomitees der KPdSU, Berlin 1967, S. 44.
[7] Vgl. Der sowjetische Film, 1974, S. 9.
[8] Ebd. S. 10.
[9] Kommunistische Partei der Sowjetunion.
[10] Vgl. Hans-Joachim Schlegel, Der antiavantgardistische Avangardist. In: Andrej Tarkowskij; Reihe Film 39. Hrsg: W. Jansen und Wolfram Schütte. München, Wien 1987, S.27.
[11] zit. nach Schlegel, 1987, S. 30.
[12] IDI I SMOTRI, [dt.: Komm und sieh!]; R: Elem Klimow, Sowjetunion, 1985.
[13] PROSCHTSCHANIE, [dt.: Abschied von Matjora]; R: Elem Klimow, Sowjetunion, 1982.
[14] Quelle: Lexikon der Filmbegriffe:
http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5716.