Fehr/Russell brachten es mit ihren zusammenfassenden Worten auf den Punkt:
„Jeder weiß, was eine Emotion ist, bis er gebeten wird, eine Definition zu geben.“
Jeder hat Erfahrungen im Umgang mit ihnen gemacht, jeder kann einzelne
Emotionen voneinander unterscheiden, jeder sagt für sich selbst, welche
Emotionen er lieber wahrnehmen möchte als andere.
Doch kann auch gesagt werden: Jeder hat lediglich eine Ahnung von einer
Emotion, weil diese sich nicht unbedingt immer zu selben Gegebenheiten äußern
oder sich gar auf dieselbe Art darstellen muss. Jeder hat Erfahrungen mit ihnen
gemacht, aber jede Erfahrung, selbst wenn sie bei mehreren Menschen die
gleiche ist, wirkt sich anders auf jedes einzelne Individuum aus. Jeder sagt sich
zwar vielleicht, welche Emotionen er lieber zulässt als andere, aber es ist nicht
gesagt, ob diesem stets die Emotion bewusst ist, ferner sie vorhanden ist.
„Jeder weiß, was eine Emotion ist, bis er gebeten wird, eine Definition zu geben.“
Hier stellen sich zunächst zwei Problematiken ein: Zum einen hat die befragte
Person tatsächlich Schwierigkeiten, eine Definition von Emotionen zu geben,
oder aber es werden zum anderen mehrere Individuen gefragt, und es ergeben
sich unterschiedlichste Antworten, die sich vielleicht ähneln oder teilweise
übereinstimmen, jedoch nicht deckungsgleich sind.
Fragt man eine Frau „Was ist Liebe?“, könnte sie antworten, dass Liebe eine
Zuneigung zu einem anderen Menschen ist, die auf Vertrauen, gegenseitiger
Rücksichtnahme und Herzklopfen basiert. Ein Mann könnte antworten, Liebe sei das Gefühl, wenn die geliebte Person, sobald sie erblickt wird, und sei es noch so
dunkel, im hellsten Licht erstrahlt. Es wird keiner abstreiten können, dass beide
Antworten nicht nur klar sind, sondern auch richtig. Wenn wir als
„Außenstehende“ beide Antworten als richtig oder wahr betrachten, liegt doch
die Vermutung nahe, dass zum Beispiel die befragte Frau auch den Hinweis des
„Erstrahlens“ hätte geben müssen. Wieso hat sie es nicht erwähnt: Hat sie es
vergessen? Sieht diese Frau es nicht so wie wir? Empfindet die Frau etwa anders
oder gar falsch?
Diese Fragen entziehen sich jedoch jeglicher Berechtigung, da zunächst einmal
schon folgende Frage an sich selbst gestellt werden muss: Sehe ich es tatsächlich
kumulativ wie die befragten Personen? Also, stimmen wirklich beide Aussagen
mit meinen Gefühlen überein? [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Präambel
- Zum methodischen Vorgehen
- Zur Struktur der Arbeit
- Theoretische Probleme in der Praxis
- Der unerfahrene Berater
- Der erfahrene Berater
- Was sind Emotionen?
- Zum Begriff der Emotion
- Ataraxie versus Emotionen
- Moderne Ansichten und Begriffsbestimmungen
- Gefühle in der realistischen Phänomenologie
- Eine Physiologie der Emotionen
- Bedeutung körperlicher Erregung
- Mimisches Verhalten und kardiovaskuläre Reaktion
- Emotion als verbal kommunizierte Erfahrung
- Gedanken-Exkurs: Emotion als Prozess
- „Emotion" in dieser Arbeit
- Wenn Sie wütend sind.„
- Online-Befragung
- Straßen-Erhebung
- Analyse der Erhebungen
- Zur Online-Befragung
- Zur Straßen-Erhebung
- Experten-Aussagen und Straßen-Erhebung
- Praktische Probleme in der Praxis
- Konfrontiert-sein mit Emotionen
- Zum Umgang mit Emotionen in einer Beratung
- Beratungskontext
- Was ist eine Beratung?
- Coaching
- Therapie
- Pädagogische Beratung
- Schlussbemerkung zu Beratung
- Experten-Interviews
- Was ist ein Experte?
- Vorstellung der Beratungsstellen
- Halb-standardisiertes Interview
- Hintergrund der Experten-Interviews
- Zum Aufbau des Fragebogens
- Analyse der Experten-Interviews
- Zur Frage des Umgangs
- Zum Basis-Pool an Variablen
- Schlusswort: Praktische Probleme in der Theorie
- Anhang
- Literaturverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die schriftliche Hausarbeit befasst sich mit der Schwierigkeit des Umgangs mit Emotionen im Beratungskontext. Sie untersucht, welche Probleme im professionellen Rahmen durch das Aufkommen von Emotionen entstehen können, sowohl bei unerfahrenen als auch bei erfahrenen Beratern. Die Arbeit analysiert die verschiedenen Definitionen von Emotionen und untersucht, ob es einen gemeinsamen Basis-Pool an Variablen gibt, die intersubjektiv eine Emotion beschreiben.
- Die Schwierigkeit der Operationalisierung von Emotionen im Beratungskontext
- Die Bedeutung der Emotionen im Beratungsprozess
- Die Rolle des Beraters im Umgang mit Emotionen
- Die Herausforderungen der Empathie und Distanz im Beratungskontext
- Die Frage nach einem gemeinsamen Basis-Pool an Variablen für die Beschreibung von Emotionen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die grundlegenden Gedanken dar, die zu dieser Arbeit geführt haben. Sie beleuchtet die Schwierigkeit, Emotionen zu definieren und zu operationalisieren, und führt die zentralen Forschungsfragen der Arbeit ein.
Das erste Kapitel „Theoretische Probleme in der Praxis" behandelt die Problematik der Operationalisierung von Emotionen im Beratungskontext. Es wird zwischen unerfahrenen und erfahrenen Beratern unterschieden und deren jeweilige Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen beleuchtet.
Das zweite Kapitel „Was sind Emotionen?" widmet sich der Definition von Emotionen. Es wird ein kurzer historischer Überblick über die philosophischen Ansätze zur Definition von Emotionen gegeben, und verschiedene moderne Ansichten und Begriffsbestimmungen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachbereichen werden vorgestellt.
Das dritte Kapitel „Wenn Sie wütend sind.„ analysiert die Ergebnisse von drei Erhebungen zur Emotion „Wut": einer Online-Befragung, einer Straßen-Erhebung und Experten-Interviews. Die Ergebnisse zeigen, dass es keinen gemeinsamen Basis-Pool an Variablen gibt, der intersubjektiv die Emotion „Wut" beschreibt.
Das vierte Kapitel „Praktische Probleme in der Praxis" erörtert, wie Berater mit Emotionen im Beratungskontext umgehen können. Es werden vier verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Emotionen vorgestellt: Re-Aktion, passive Aktion, aktive Aktion und passiv-aktive Aktion.
Das fünfte Kapitel „Beratungskontext" definiert den Begriff „Beratung" und grenzt ihn von anderen Interaktionsformen wie Coaching, Therapie und pädagogischer Beratung ab.
Das sechste Kapitel „Experten-Interviews" stellt die Ergebnisse von Interviews mit Experten aus verschiedenen Beratungseinrichtungen vor. Die Interviews wurden mit einem halb-standardisierten Fragebogen durchgeführt und beleuchten die Frage, wie Experten mit Emotionen im Beratungskontext umgehen und ob es einen gemeinsamen Basis-Pool an Variablen für die Beschreibung von Emotionen gibt.
Das Schlusswort „Praktische Probleme in der Theorie" fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Auswirkungen auf die Praxis der Beratung. Es wird die Notwendigkeit einer genaueren Analyse der Inhalte von Emotionen im Beratungskontext hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Emotionen, Beratung, Operationalisierung, Empathie, Distanz, Basis-Pool an Variablen, Intersubjektivität, Beratungskontext, Experten-Interviews, Straßen-Erhebung, Online-Befragung, Wut, Trauer, Angst, Hilflosigkeit, Ohnmächtigkeit, Aggression, Frustration, Genervtheit, Druck, Anspannung, Körperliche Reaktion, Subjektive Erfahrung, Physiologische Prozesse.
- Arbeit zitieren
- Christoph Ehrlich (Autor:in), 2010, Über die Schwierigkeit des Umgangs mit Emotionen im Beratungskontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266455