Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Demographische Entwicklung in Deutschland: Veränderung der Altersstruktur und Bevölkerungsrückgang
2.2 Die Gesetzliche Krankenversicherung
3 Konsequenzen des Bevölkerungswandels für Finanzierung der GKV
3.1 Einfluss des demographischen Wandels auf die GKV-Ausgaben
3.2 Einfluss des demographischen Wandels auf die GKV-Einnahmen
4. Reformoptionen auf der GKV-Einnahmenseite
4.1 Bürgerversicherung
4.2 Kopfpauschalen
4.3 Bewertung der Lösungsansätze
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Bevölkerung in Deutschland nimmt ab und wird immer älter. Dieser Strukturwandel ist unstrittig und wird künftig zu gravierenden Problemen bei den umlagefinanzierten Sozialversicherungssystemen führen. Neben der Rentenversicherung steht die Gesetzliche Krankenversicherung (im Folgenden kurz: GKV) vor großen Herausforderungen aufgrund des demographischen Wandels.
Das Finanzvolumen der GKV verringert sich und gleichzeitig nimmt der Leistungsbedarf der Versicherten zu. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit gegensteuernder gesundheitspolitischer Maßnahmen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Folgen des demographischen Wandels für die GKV anhand der Betrachtung der Ausgaben- und Einnahmeentwicklung, darzustellen. Zudem soll untersucht werden, ob die dadurch entstehenden Probleme durch die Reformvorschläge der politischen Parteien gelöst werden können.
Untergliedert ist die vorliegende Arbeit in drei Hauptteile.
Im Punkt 2. werden die Grundlagen für die Bearbeitung der Fragestellung erarbeitet. Zunächst werden die wichtigsten Fakten des demographischen Wandels und seine Einflussgrößen in Deutschland dargestellt und darauf die Grundlagen der GKV skizziert.
Im Folgenden beschäftigt sich Kapitel 3 mit der Frage, wie der demographische Wandel sich auf die Finanzierung der GKV auswirkt. Zunächst wird auf die Ausgabenseite eingegangen und danach wird die Einnahmenseite betrachtet.
Darauf aufbauend werden in Kapitel 4 zwei Möglichkeiten zur Verbesserung des Status Quo aufgezeigt. Bei der ersten Reformoption handelt es sich um eine von der SPD favorisierte Bürgerversicherung. Die CDU auf der anderen Seite sieht in der Einführung der Kopfpauschale die Lösung der GKV-Problematik.
Nach einer Bewertung der Lösungsansätze wird abschließend in Kapitel 5 ein Fazit aus den erarbeiteten Ergebnissen gezogen.
2. Grundlagen
2.1 Demographische Entwicklung in Deutschland: Veränderung der Altersstruktur und Bevölkerungsrückgang
Deutschlands Bevölkerung nimmt seit 2003 ab. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird sie auch bis 2060 um 12 bis 17 Millionen weiter sinken (Abbildung 1).
Neben dem Bevölkerungsrückgang ist die Alterung der Gesellschaft eine weitere bedeutende Auswirkung des demographischen Wandels.
Bei der Betrachtung des Altersaufbaus der Bevölkerung in Deutschland 2008 und 2060 (Abbildung 2) kann man deutlich erkennen, dass der Hochbetagtenanteil signifikant zunehmen wird und die Zahl der jüngeren Altersklassen kontinuierlich sinken wird.
Die zwei wesentlichen Faktoren für diese Veränderung der Bevölkerungsstruktur sind:
- Rückgang der Fertilität[1]
- zunehmende Lebenserwartung im Lebensalter (Breyer/Buchholz 2009)
Der wohl wichtigste Faktor für den demographischen Wandel ist die niedrige Fertilitätsrate, die in Deutschland im Jahr 2008 bei 1,38 Kindern pro Frau lag (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2011). Damit die Bevölkerung konstant bleibt, wäre jedoch eine Quote von mindestens 2,1 Kindern je Frau erforderlich (Micheel 2000).
Das bedeutet, dass die Geburtenhäufigkeit weit unter dem Bestanderhaltungsniveau liegt.
Auf der anderen Seite ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich zu früher deutlich gestiegen. Dass dieser Trend sich auch in Zukunft fortsetzen wird, illustriert Abbildung 3. Die Lebenserwartung bei Geburt im Jahre 2060 wird bei der Betrachtung der Basisannahme L1 bei den Männern bei 85 und bei den Frauen bei 89,2 Jahren liegen.
Diese beiden Faktoren, also die Verknüpfung aus einem starken Geburtenrückgang und einer kontinuierlich ansteigenden Lebenserwartung, führen zu einem sogenannten doppelten Alterungsprozess (Löbbert 2006: 5f.).
Ein geeigneter Indikator für dieses Phänomen ist der Altenquotient, welcher das Verhältnis der Altersgruppe 20 bis 64 Jahre bis zur Altersgruppe 65 Jahre und darüber angibt.
Abschließend lässt sich feststellen, dass der Altenquotient zwar durch Faktoren wie Zuwanderung oder Heraufsetzung des Rentnereintrittsalters gesenkt werden kann, aber ein enormer Anstieg in naher Zukunft dennoch nicht verhindert werden kann.
2.2 Die Gesetzliche Krankenversicherung
Die GKV, in der gegenwärtig etwa 90% der Bevölkerung versichert sind, wurde im Rahmen der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung 1883 eingeführt und ist ein Zweig der Sozialversicherung (Poullain 2011).
Das bedeutet, dass es eine Pflichtversicherung in erster Linie für alle Arbeiter und Angestellte ist, deren Verdienst eine bestimmte Einkommensgrenze, die sogenannte Versicherungspflichtgrenze, welche 2012 bei 4237,50 €pro Monat (BMG: Änderungen zum 1.Januar 2012) liegt, nicht überschreitet (§ 5 SGB V).
Ebenfalls zu den Versicherungspflichtigen zählen Rentner, welche 2009 25,9% (BMG: KM 6-Statistik) der Versicherten ausgemacht haben und im Hinblick auf die demographische Entwicklung von großer Bedeutung für die Einnahme- und Ausgabestruktur der GKV sind.
Zusätzlich zu dem versicherungspflichtigen gibt es den versichertenberechtigten Personenkreis, bei dem das Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt. Diese Personen können sich demnach freiwillig in der GKV versichern lassen.
Das Solidaritätsprinzip, welches ein wesentliches Strukturprinzip der GKV ist, besagt, dass der Leistungsanspruch nicht von der Höhe des Beitrags und den individuellen Risikoumständen, wie bei der Privaten Krankenversicherung, abhängt, sondern von dem Bedarf des Versicherten (Penske 2006: 23).
Aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips ist die Beitragshöhe vom persönlichen Einkommen abhängig.
Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz, welches am 01.01.2011 in Kraft getreten ist, wurde ein bundeseinheitlicher Beitragssatz von 15,5% erhoben, 7,3% für den Arbeitgeber und 8,2% für den Arbeitnehmer bzw. den Rentenversicherungsträger (Poullain 2011). Der Arbeitgebersatz wurde festgeschrieben. Künftige Kostensteigerungen werden also in vollem Umfang zu Lasten der Arbeitnehmer gehen, „wobei dies über den sogenannten Zusatzbeitrag geht, welchen jede gesetzliche Krankenkasse individuell festlegen kann“ (Poullain 2011: 10).
Ein weiteres wichtiges Merkmal der GKV ist die Finanzierung nach dem Umlageverfahren. Gemeint ist dabei, dass die jährlichen Ausgaben durch laufende Beiträge finanziert werden und keine Altersrückstellungen gebildet werden.
3 Konsequenzen des Bevölkerungswandels für Finanzierung der GKV
3.1 Einfluss des demographischen Wandels auf die GKV-Ausgaben
Bei der Analyse der Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Ausgaben der GKV wird zwischen dem direkten und indirekten demographischen Ausgabeneffekt differenziert.
Die Tatsachen, dass der Altenquotient stetig zunimmt und die Leistungsausgaben für die Rentnergeneration deutlich höher als für die Erwerbstätigen sind, führen zu dem direkten demographischen Ausgabeneffekt. Er ist also von der Veränderung der Bevölkerungsstruktur abhängig.
Der indirekte demographische Effekt hingegen ist Resultat der Konsequenzen einer Verlängerung der Lebenserwartung (Fetzer 2006).
Die Folgen der zunehmenden Lebenserwartung sind in der Literatur sehr umstritten. Im Wesentlichen konkurrieren aber zwei Theorien:
- Kompressionsthese
- Medikalisierungsthese (Penske 2006; Fetzer 2006)
Die Kompressionsthese, die auf den amerikanischen Wissenschaftler J. Fries (1980) zurückgeht, besagt, dass die Lebenserwartung zwar weiter steigt, aber dass die Menschen aufgrund des Fortschritts in der Medizintechnik auch länger gesund bleiben.
Das heißt, dass die in Krankheit verbrachten Lebensjahre immer weiter an das Lebensende verschoben werden und angesichts dessen die Gesundheitsausgaben erst kurz vor dem Tod ansteigen.
Insgesamt würde das für die GKV bedeuten, dass die Inanspruchnahme der Gesundheitsleistungen von der älteren Bevölkerung gleich bleibt oder sogar sinkt.
Dem steht die Medikalisierungsthese gegenüber, welche davon ausgeht, dass die Gesundheitsausgaben aufgrund der zunehmenden Morbidität[2]im Lebensalter überproportional steigen werden (Hof 2001: 45).
Die Abbildung 5 untermauert die Gültigkeit dieser These. Sie illustriert die Veränderung der Krankheitskosten in Abhängigkeit von Alter.
Am deutlichsten ist diese Korrelation an den Ausgaben für die Frauen in der höchsten Altersgruppe (85 Jahre und mehr) zu erkennen. Diese betragen 15870€, also fast das Fünffache von dem Durchschnittsbetrag je Frau, welcher bei 3440€ liegt.
Nocera (1996) hingegen stellt fest, dass die Kompressionsthese im ambulanten Sektor und die Medikalisierungsthese eher im stationären Bereich zutrifft.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass es zahlreiche Indizien gibt, welche immer wieder auf die beiden Thesen verweisen. Jedoch ist weder die eine noch die andere These aufgrund fehlender Möglichkeiten direkter Messung ausreichend empirisch belegt (Fetzer, Raffelhüschen 2005: 261; Poullain 2011: 27).
Angesichts dieser Tatsache, können Ausgabensteigerungen nicht konkret den unterschiedlichen Faktoren zugewiesen werden und hängen von der Bestätigung der jeweiligen Hypothesen ab.
Postler (2010) weist darauf hin, dass auch im „günstigen Fall der Kompressionsthese die zwingende Reformnotwendigkeit der GKV-Finanzierung bestehen bleibt“ (212) und sieht deshalb die Differenzierung der beiden Thesen als sekundär an.
[...]
[1]Geburtenverhalten
[2]Morbidität ist ein Indikator für die Häufigkeit einer Erkrankung innerhalb einer Bevölkerungsgruppe.