Möglichkeiten des dokumentarischen Porträts am Beispiel des Films „Die Frau mit den fünf Elefanten“


Dossier / Travail, 2013

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das dokumentarische Porträt

3. „Die Frau mit den fünf Elefanten“
3.1 Inhalt und Methode des Films
3.2 Filmische Mittel und Motive
3.3 Historischer Bezug.

4. Schlussbetrachtung und Ausblick

5. Literatur- und Quellenverzeichnis
5.1 Wissenschaftliche Literatur
5.2 Journalistische Quellen

Anhang

Angaben zur Produktion

1. Einleitung

„ ,Die Frau mit den fünf Elefanten’ ist, simpel gesagt,

auf der Höhe seiner Protagonistin: ein meisterliches Werk.“

(Hess 2009, 108)

Diese Rezension und weitere Pressezitate zu dem 2009 erschienenen Dokumentarfilm über Swetlana Geier zeugen von einem sehr einfühlsamen, filmisch gelungenem Bild der Prota-gonistin. Die NZZ (2009) schrieb: „Vadim Jendreyko zeichnet ein differenziertes Porträt der bescheidenen Grande Dame der Übersetzung. Aber vor allem ist ihm auf bewunderns-wert subtile Weise gelungen, den Prozess des Übersetzens von einer Sprache in eine ande-re – ein abstrakter Vorgang, der kaum visuelle Momente bietet – filmisch so umzusetzen, dass mit Bildern, Szenen, Klängen eines anderen Mediums die Übersetzungsbewegung weitergeschrieben wird.“

Wie Jendreyko, einer der renommiertesten Regisseure der Schweiz (Dockhorn 2010), in seinem Film visuelle, akustische und filmische Mittel einsetzt, um ein solches differen-ziertes Porträt Swetlana Geiers und ihres Werkes zu kreieren und die Verschränkung von Literatur und Leben aufzuzeigen, will vorliegende Arbeit analysieren.

Der Film Die Frau mit den fünf Elefanten entstand 2005 – 2009, nachdem Jendreyko Swetlana Geier in Freiburg kennengelernt und sofort eine Faszination für sie entwickelt hatte. Sie gilt als die größte Übersetzerin russischer Literatur ins Deutsche. Ihre Neuüber-setzungen von Dostojewskijs fünf großen Romanen, genannt die "fünf Elefanten", sind ihr Lebenswerk und literarische Meilensteine.

Dieses dokumentarische Porträt stellt sie als eine Frau, die Mutter, (Ur-)Großmutter, Haus-frau und Intellektuelle zugleich ist, in den Mittelpunkt. Gleichzeitig ist Swetlana Geier, die 1923 bei Kiew als Swetlana Michailowna Iwanowa geboren wurde, ein Beispiel für jeman-den, der versucht, zwischen zwei Kulturen zu vermitteln, und außerdem eine außerge-wöhnliche Zeitzeugin zweier totalitärer Herrschaftssysteme und eines Krieges (Geier 2008, 8).

Die Frage nach Heimat und Identität wie auch die Beschäftigung mit der Zeit des 2. Welt-krieges sind keineswegs neu, gleichzeitig verlieren diese Themen aber auch heutzutage nicht an Aktualität. Zeitzeugen des Krieges wie Swetlana Geier werden immer seltener. Deshalb ist es m.E. wichtig, die Menschen, die sich dazu äußern können und möchten, zu Wort kommen zu lassen, solange es ihnen möglich ist.

Jendreykos dokumentarischer Ansatz könnte als eine Mischung aus Direct Cinema und Cinema Vérité bezeichnet werden. Er selber sagt: „Ich bevorzuge Filme, in denen man die Zuschauer die Bilder lesen lässt und ihm die Menschen und ihre Geschichten in ihrer Ambivalenz darstellt. Er muss sich selber auf den Weg machen und zu seinen eigenen Schlüssen finden.“ (Dockhorn 2010).

Seine Dokumentarfilme handeln häufig von Menschen, die ihre Heimat verloren haben, von Menschen zwischen den Kulturen, auf der Suche nach der eigenen Identität. Es ist die Frage der Identität, auch bei Dostojewskij ein zentrales Thema, die Die Frau mit den fünf Elefanten mit Jendreykos anderen Arbeiten verbindet (Dockhorn 2010).

Die Frau mit den fünf Elefanten ist in der Filmwissenschaft noch nicht analysiert worden und soll daher in vorliegender Arbeit als ein Beispiel eines dokumentarischen Porträts genauer in Form einer hermeneutischen Interpretation (nach Hickethier 2007, 32) unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden.

Das Erkenntnisinteresse der folgenden Untersuchung liegt dabei in den Fragen, wie der Film Swetlana Geier als Zeitzeugin darstellt, die Themen von Heimat und Identität inte-griert werden und auf welche Weise das Werk die verschiedenen Facetten der Protagonis-tin präsentiert und mit ihrer Vergangenheit verbindet.

2. Das dokumentarische Porträt

Das Porträt in der Kunst ist die bildliche Darstellung einer Person, welche das Wesen bzw. die Persönlichkeit des Porträtierten zum Ausdruck bringen möchte (Döcker 2012, 58).

Das Porträt in der Literatur dagegen soll eine Person von öffentlichem Interesse, deren Schaffen man würdigen möchte (z.B. Prominente, „Helden des Alltags“), unverwechsel-bar und möglichst facettenreich charakterisieren. Porträts werden meist aus aktuellem An-lass verfasst. Sie verbinden normalerweise einen biografischen Teil (mit Angaben zur Person) mit Beschreibungen gegenwärtiger Begebenheiten. Dabei formt der Verfasser des Porträts ein dichtes Charakterbild, indem er u.a. Stärken und Schwächen, Meinungen, Vi-sionen, Freuden und Probleme der Person beschreibt. Gelungene Porträts verfolgen fort-während ein Ziel (z.B. Bekanntmachen einer Person) und erzeugen durch Originaltöne, Detailgenauigkeit, Präsens, inhaltliche Gegensätze oder Perspektivwechsel und andere Methoden Spannung und Nähe, indem beispielsweise Mimik und Gestik oder die vertraute Umgebung des porträtierten Menschen beschrieben werden. Dabei sollte der Stil insgesamt zum Porträtierten passen (Klemm 2013, 1f.).

Das Porträt im Film hat ähnliche Ziele wie in der Kunst und Literatur, lediglich andere Formen und Möglichkeiten der Umsetzung. Außerdem fügt das filmische Porträt dem malerischen die Chronologie, die Geschichte des porträtierten Menschen hinzu (Döcker 2012, 58f).

Dokumentarische Porträts zeigen meist eine Persönlichkeit, die entweder öffentlich bedeu-tend ist (z.B. Politiker, Künstler), noch nicht berühmt (z.B. ein unbekannter Erfinder) oder ein Zeitzeuge ist (z.B. ein Überlebender des Holocaust) (Aufderheide 2007, 95). Gegen-wärtig ist die Tendenz zu beobachten, dass Zeitzeugen als „emotionale Affektmenschen“ (Keilbach 2003, 172) dargestellt werden, die anstelle der geschichtlichen Fakten über persönliche Gefühle und Erfahrungen sprechen (Keilbach 2003, 172).

Filmische Porträts haben unterschiedliche Ziele. So kann die Absicht darin bestehen, Per-sonen entweder als gut oder böse darzustellen, ihren positiven oder negativen Ruf zu hin-terfragen oder aber ihre Bedeutung und ihr Erbe zu verdeutlichen. (Aufderheide 2007, 96). Die Aufgabe des Filmmachers besteht darin, den Charakter, den diese Geschichten bereits per Definition beinhalten, für den Zuschauer zu interpretieren (Aufderheide 2007, 95).

Dabei variieren die Filmtechniken, die dazu benutzt werden, um dem Publikum den Cha-rakter der Person näherzubringen. Das Narrative wird häufig über Interviews, Stimmen im Off und historische Fundstücke (wie Fotos oder Filmfootage aus privatem und öffentli-chem Bestand) vermittelt. Weiter ergibt sich eine zusätzliche Ebene, indem man den Prota-gonisten bei seiner Konfrontation mit diesen Fundtücken betrachtet (Döcker 2012, 58f). Auch können Autoritäten befragt werden, die die Handlung unterstützen, oder das Ende eines Films führt alle Themen zusammen, um dem Zuschauer die Signifikanz dieser für das Leben der Person deutlich zu machen. Daneben verweisen manche filmische Biogra-fien bewusst auf ihre Konstruiertheit, um die Erwartungen der Rezipienten zu hinterfragen. Errol Morris z.B. zeigt mit seinem Film Fog of War (2003) eine andere Herangehens-weise, einfache Verbindungen zwischen biografischer Wahrheit und Dokumentarfilm zu untergraben, indem er McNamara ohne Kommentar über dessen Leben und kontroversen politischen und persönlichen Entscheidungen zu den Zuschauern sprechen lässt, die sich darüber eine eigene Meinung bilden müssen (Aufderheide 2007, 96f.).

Biografische Dokumentarfilme erfreuen sich großer Beliebtheit (Aufderheide 2007, 95). Trotz zahlreicher Porträts im Dokumentarfilmgenre besteht jedoch auf Seiten der Film-wissenschaft noch ein Desiderat bezüglich einer „ganzheitlichen“ Beschäftigung mit dem Porträt als Film (Pilz 2011, 7).

3. „Die Frau mit den fünf Elefanten“

3.1 Inhalt und Methode des Films

Der Film Die Frau mit den fünf Elefanten, der zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat und sogar 2009 als bester Dokumentarfilm für den Europäischen Filmpreis nominiert war, handelt von Swetlana Geier, ihrem Alltag als Übersetzerin, Familienoberhaupt und Hausfrau sowie einem entscheidenden Teil ihrer Lebensgeschichte.

Das 93-minütige Video kann grob in drei Abschnitte geteilt werden: Die Einführung in ihren Alltag in Freiburg (etwa 30 min), die Reise nach Kiew (etwa 45 min) und erneut ihr Leben in Freiburg, v.a. nach dem Tod ihres Sohnes (etwa 17 Min). Zwischendrin werden regelmäßig biografische Hintergrunddetails mit eingebunden und Ansichten und Gedan-ken Swetlana Geiers offenbart.

Der schweizerische Filmemacher Vadim Jendreyko stellt diese ältere, (zu der Zeit) aber noch sehr lebhafte Matriarchin in ihrem gemütlichen Freiburger Haus vor, wo sie mit Hilfe zweier Freiwilliger lange Stunden damit verbringt, russische Literatur ins Deutsche zu übersetzen.

Die zweifache Mutter, die auch gelegentlich noch an der Universität lehrt, ist sehr dis-zipliniert und konzentriert und spricht trotz ihres Alters überaus artikuliert über die Kunst des Übersetzens und über Dostojewski. Ihrem Haushalt bringt sie dieselbe Konzentration und Hingabe entgegen wie ihrer literarischen Arbeit – der Film zeigt sie z.B. beim Bügeln, Einkaufen, Kochen und Essen mit ihrer großen Familie.

Als sich Jendreyko schließlich mit Swetlana Geier (und deren Enkelin Anna) auf ihre erste Reise zurück in die Ukraine seit 1944 begibt, enthüllt er mehr Details ihrer außergewöhn-lichen Lebensgeschichte, die mit zwei Kulturen verwoben ist (Smith 2011).

1923 als einziges Kind russischer Eltern bei Kiew (damalige Sowjetunion) geboren, lernte sie schon früh Deutsch. Sie musste miterleben, wie ihr Vater 1939 Opfer der politischen Säuberungsaktion Stalins wurde. Ab 1941 folgte dann mit den deutschen Besatzern der Fa-schismus, unter welchem ihre jüdische Freundin zusammen mit 30.000 anderen Juden ermordet wurde. Swetlanas Deutschkenntnisse verschafften ihr Arbeit als Dolmetscherin für den deutschen Offizier Graf Kerssenbrock, der ihr zu einem Stipendium in Freiburg verhalf, wo sie studierte, heiratete und bis zu ihrem Tod 2010 wohnte.

Der Dokumentarfilm porträtiert Swetlana Geier auf verschiedenen Ebenen. Einerseits zeigt er das Äußere seiner Protagonistin auf taktvolle Art und Weise, also ihr Gesicht, ihre Au-gen, ihr Lächeln, ihre Hände, ihr gebückter Körper. Weitere „Äußerlichkeiten“, die etwas über die Hauptperson aussagen, sind z.B. ihre Kleidung, ihr Haus, ihr Arbeitsumfeld, ihre Familie. Andererseits erhält der Zuschauer auch Einblicke in den Alltag Swetlana Geiers, ihre tägliche Arbeit, sowie ihre jeweiligen Gedanken dazu, ihre Gefühle und Ansichten. Ein weiterer Teil ist die Vergangenheit – die junge Swetlana und ihr Lebensweg, der mit der Geschichte Europas des 20. Jahrhunderts verbunden ist.

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Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Möglichkeiten des dokumentarischen Porträts am Beispiel des Films „Die Frau mit den fünf Elefanten“
Université
University of Bonn
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
20
N° de catalogue
V267003
ISBN (ebook)
9783656577485
ISBN (Livre)
9783656577454
Taille d'un fichier
583 KB
Langue
allemand
Mots clés
möglichkeiten, porträts, beispiel, films, frau, elefanten
Citation du texte
Sofia Gruca (Auteur), 2013, Möglichkeiten des dokumentarischen Porträts am Beispiel des Films „Die Frau mit den fünf Elefanten“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267003

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