Rund um das Thema "Das Zeitalter der Wunder" steht im Mittelpunkt dieses Essays die Entzauberung der Wunder durch die Entstehung und Erweiterung der Wissenschaften.
Die Entzauberung von Wundern durch die Wissenschaften
Von Susanne Hahn
„Wunder gibt es immer wieder“[1], heißt es in einem Lied aus den 70er Jahren. Doch auch wenn der Text vermutlich nicht den Sinn darin sucht, dass Wunder seit Menschengedenken immer wieder auftreten, ist es dennoch so. Nicht nur in unserer Zeit finden sich kleine Wunder- dass ein krebskrankes Kind wieder gesund ist, dass der Bus die Frau zwar überfahren, aber diese überlebt hat- sondern seit tausenden von Jahren finden sich immer wieder in Schriften und Überlieferungen das Erleben oder Selbstauslösen von Wundern.
Herakles erreichte im Antiken Griechenland etwas schier Unmögliches, indem er die ihm auferlegten zwölf Aufgaben, die sowohl übermenschliches als auch undenkbares erforderten, löste- ein Wunder, das bis heute noch in diversen Büchern übermittelt wird.[2] Ebenso wie Jesus von Nazareth, der durch ein Wunder Menschen heilen und über Wasser laufen konnte, ebenso wie das Wunder, dass er nach seinem Tod auferstand.[3]
Wunder verzauberten die Menschen auch noch in den darauffolgenden Jahrtausenden bis heute. Wir sprechen von einem Wunder, wenn eine Person eine Straße entlang geht und doch nicht vom herabfallenden Klavier erwischt wird. Es ist ein Wunder, wenn ein verschollenes Kind doch noch nach Tagen gefunden wird. Wundersam ist es auch, wenn eine kranke Person plötzlich wieder gesund ist. Doch was ist eigentlich ein Wunder und wodurch wird etwas zu einem Wunder? Im Duden heißt es, ein Wunder sei etwas „außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.“[4]
Demnach wird etwas zu einem Wunder, wenn es nicht wissenschaftlich erklärbar ist und wird daher einer höheren Macht zugeordnet. Wie haben Herakles und die anderen es geschafft, all diese Dinge zu tun? Es war schlichtweg ein Wunder, das von einer höheren Instanz ermöglicht wurde und all jene, die davon hören, in Erstaunen versetzt und den jeweiligen Glauben an etwas Göttliches verstärkt.
Insbesondere in der Frühen Neuzeit kursierten eine Vielzahl Geschichten über wundersame Begegnungen und erfahrene Wunder. Die Frühe Neuzeit erstreckte sich etwa vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert.[5] Sie war vor allem geprägt durch Humanisten, Absolutismus, durch den Dreißigjährigen Krieg, Buchdruck und der Entdeckung neuer Welten.[6] Zwischen dem vierzehnten und siebzehnten Jahrhundert bereisten die Menschen die Meere, um nicht nur neue Welten zu entdecken, sondern vor allem Gewürze, Rohstoffe sowie neue gläubige Anhänger zu finden.[7] Es kursierten Reiseberichte, Flugblätter und diverse andere Schriften, in denen von Wundern gesprochen wurden. Scheintote, unheimliche Wesen, Himmelszeichen, Geister, Naturphänomene und etliche andere wundersame Dinge wurden in der Frühen Neuzeit verbreitet berichtet und verankerten sich in den Köpfen der Menschen in jener Epoche. Doch egal, welches Wunder beschrieben wird, jedes von ihnen wird den Mächten Gottes zugeordnet[8].
„Gott verbringt das Wunder für eine Zuschauerschaft“[9] und setzt mit jedem wundersamen Ereignis ein Zeichen, das von den Menschen interpretiert werden musste, wie beispielsweise „[…]die ägyptische Feigenbaumart, deren Holz im Wasser versinkt, statt an der Oberfläche zu schwimmen; der Selenitstein aus Persien, dessen Glanz mit dem Mond ab- und zunimmt […].“[10] All die wundersamen Geschehnisse in der Natur werden auf Gott zurückgeführt, da Gott es war, der die Natur erschuf. Durch diese Überzeugung wurde der Gottesglaube insbesondere der des Christentums enorm verstärkt. Da nicht erklärt werden konnte, wieso die Feigenbaumart nicht schwimmen kann, wurde diese einer höheren Instanz zugeordnet.
Das kam den Anhängern des Christentums zugute, da mit jedem einzelnem Wunder der Glaube an die Bibel und an die Existenz Gottes gestärkt wurde. Es existieren jedoch auch Berichte über Wunder, die nicht verwunderten sondern erschütterten: Der Florentiner Luca Landucci schrieb beispielsweise im Jahre 1512 in seinem Tagebuch: „Wir hörten, dass in Ravenna ein Monstrum zur Welt gekommen war, […] es hatte ein Horn auf dem Kopf, das war steil aufgerichtet wie ein Schwert, und statt Armen hatte es zwei Flügel wie eine Fledermaus, […] und am rechten Knie hatte es ein Auge, und sein linker Fuß war wie eine Adlerkralle.“[11] Ein paar Tage nach der Geburt dieses missgebildeten Kindes wurde die Stadt Ravenna von Frankreich besetzt- Gott schien dieses wundersame Kind geschaffen zu haben, um das Volk zu warnen, da war sich Landucci sicher.
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[1] Das Lied heißt „Wunder gibt es immer wieder“ von Katja Ebstein aus dem Jahr 1970.
[2] Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Wunder (13.03.2012).
[3] Vgl: http://christuszeugnis.de/leben-aus-kraft-gottes.html (13.03.2012).
[4] http://www.duden.de/rechtschreibung/Wunder (13.03.2012).
[5] Vgl: http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/einleitung/einfuehrung_epoche/unterpunkte/epochenbewusstsein.htm (13.03.2012).
[6] Vgl: http://blog.zeit.de/schueler/2010/08/31/thema-fruhe-neuzeit/ (13.03.2012).
[7] Vgl: http://www.zeit.de/zeit-geschichte/2011/01/Zeitalter-der-Entdecker (13.3.2012).
[8] Vgl: Schwegler, Michaela: Entzauberung himmlischer Zeichen. 2002.
[9] Daston, Lorraine: Wunder,Beweise und Tatsachen, S.34.
[10] Ebenda.
[11] Landucci, Luca: Diariofiorentinodal 1450 al 1516, S. 314.
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- Susanne Hahn (Autor), 2012, Die Entzauberung von Wundern durch die Wissenschaften, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268325