J. S. Mill "Utilitarismus". Ist die Präimplantationsdiagnostik utilitaristisch vertretbar?


Trabajo Escrito, 2010

21 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Präimplantationsdiagnostik
2.1. Aktuelle Situation in Deutschland und ethische Problematik
2.1.1. Selektion und eine Zukunft nach dem Vorbild „Gattaca“
2.1.2. Positive Eugenik
2.2. Utilitarismus
2.2.1. Glück
2.2.2. Anwendung auf PID

3. Wann ist ein Mensch ein Mensch?

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was in den USA schon längst gang und gebe ist, steht spätestens nach dem sogenannten „Lübecker Fall“ auch in Deutschland erneut zur Diskussion: die Legalität der Untersuchungen des Erbgutes von im Reagenzglas gezeugten Embryonen. 1995 hatte ein Lübecker Ehepaar einen Antrag auf die Durchführung einer PID (Präimplantationsdiagnostik) gestellt, da beide Ehepartner Träger eines Gens der Mukoviszidosemutation ΔF508 sind. Das Risiko, diese Genmutation auf Nachkommen zu übertragen, lag hierbei, da beide Elternteile betroffen waren, bei 25%. Einem bereits geborenen Kind des Paares war diese Krankheit, welche ein stark erschwertes Leben und eine niedrige Lebenserwartung bedeutet, schon vererbt worden, bei zwei weiteren Schwangerschaften führte eine pränatale Diagnostik zu Abtreibungen, da bei beiden Föten das mutierte Gen entdeckt wurde. Die zwei Professoren Diedrich und Schwinger der Universitätsklinik zu Lübeck baten daraufhin die Ethikkommission der Universität zu Lübeck „um ein Votum zur Frage der Präimplantationsdiagnostik (PID) bei einer Frau bzw. bei einem Ehepaar“. [Oehmichen, S.16] Diskussionen um die Frage einer „neuen Eugenik“ wurden hierdurch ebenso entfacht wie auch die Frage nach dem Sinn einer erneuten „Schwangerschaft auf Probe“ [Bundesärztekammer, S. 29/30]. Des Weiteren verstoße nach Meinung vieler Kritiker die Forschung an Embryonen klar gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990. Zudem wird die Gefahr der Entstehung einer Welt ähnlich der in dem Film „Gattaca“ prognostiziert, in der Menschen natürlichen Ursprungs keine Chancen mehr in Beruf und Gesellschaft haben. Auch von der Erschaffung von „Designer-Babys“ ist die Rede, denn in den USA beispielsweise ist es bereits möglich, sich das Geschlecht des Kindes schon im Vorwege auszusuchen. Zusätzlich befürchten die PID-Gegner eine Abwertung und sinkende Toleranz bezüglich Behinderter. Andererseits haben Studien aus Ländern, in denen die PID bereits erlaubt ist, belegt, dass jegliche befürchteten Folgen der Einführung und Legalisierung der PID völlig unbegründet sind. Es stellt sich daher grundsätzlich die Frage, ob die Menschheit wirklich alles tun darf und tun sollte, was sie könnte. Was wäre, wenn der Mensch zwecks Erhaltung der Art irgendwann sogar dazu gezwungen würde, eben dies zu tun, wie es nach den Reaktorunfällen in Japan nunmehr der Fall sein könnte, um ein absolutes Gen-Chaos zu vermeiden? Was wäre, wenn die fortschreitende Medizin es immer mehr Menschen mit eigentlicher Zeugungsunfähigkeit oder Träger tödlicher Krankheiten möglich macht, sich fortzupflanzen, um allen Paaren eine Chance auf einen gesunden Nachwuchs zu ermöglichen? Müssten die Wissenschaftler und Ärzte dann vielleicht früher oder später anfangen, gegen die noch heute in der Bundesrepublik Deutschland gültige Moral zu handeln und zu tun, was sie können und was in anderen Ländern schon längst getan wird?

Eine klare Entscheidung und eine dazu passende plausible Erklärung sollte gefunden werden. Doch wie? Um die Debatte um die PID zu lösen, könnte es hilfreich sein, jegliche Normen und religiös fundierten Moralvorstellungen abzulegen und sich einmal darauf zu konzentrieren, was der Menschheit wirklich einen Nutzen bringt. Wem wird mit der PID geholfen, wem schadet sie? Wie sieht das Verhältnis zwischen Schaden und Nutzen aus? Oder besser noch: Könnte es vielleicht sogar sein, dass niemand einen wirklichen Schaden davon trüge, jedoch aber viele einen Nutzen und das einzige Hindernis die herrschende Moral ist? In diesem Fall müsse die PID nach utilitaristischem Kalkül sofort zugelassen werden. Doch jene Fragen gilt es zuerst zu klären, bevor eine endgültige Antwort auf sie gegeben werden kann.

„Das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl“ unter Einbezug der „gesamten Menschheit bzw. sogar (…) (des) ‚fühlenden Lebens‘“ [Mill]: Diese Art des Denkens, welche besonders in angelsächsischen Länder eine weitaus größere Anerkennung genießt als in Deutschland, welches vorranging durch Kant und die christliche Ethik geprägt ist, gilt es zu betrachten. Der Kernpunkt in der gegenwärtig kontrovers geführten Diskussion ist das sogenannte „fühlende Leben“. Doch wo beginnt es tatsächlich?

Die vorliegende Hausarbeit wird sich mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen und prüfen, ob nach utilitaristischem Kalkül, speziell festgemacht an den Ansichten von Bentham und Mill, die Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik befürwortet werden kann oder nicht.

2. Präimplantationsdiagnostik

Der Begriff „ Präimplantationsdiagnostik“ (PID) bezeichnet Verfahren, die eine Diagnose an in-vitro gezeugten Embryonen ermöglichen und wurde 1990 erstmals erfolgreich durchgeführt. Sie dient dem Zweck, bei Paaren, deren Erbgut ein hohes Risiko für die Übertragung genetisch bedingte Krankheiten auf ihre Nachkommen birgt, dies frühzeitig zu erkennen und vorbelastete Embryonen nicht in die Gebärmutter zu transferieren. Dem sich entwickelnden Embryo werden hierzu relativ früh nach Zusammenführung von Spermium und Eizelle Zellen entnommen, welche zum Beispiel auf Genmutationen überprüft werden können. Diese Zellen können zum Zeitpunkt der Entnahme entweder totipotent sein, was bedeutet, dass sich aus ihnen unter bestimmten Bedingungen ein eigenständiger Embryo entwickelt, oder plutipotent, was bedeutet, dass sich diese Zellen nicht mehr zu einem eigenständigen Embryo entwickelt können, jedoch zu unterschiedlichen Organen.

Das Berliner Landgericht hatte im Mai 2009 entschieden, dass diese Form der PID, wenn sie mit dem Ziel der Herbeiführung einer Schwangerschaft und zum Ausschluss drohender Erbkrankheiten durchgeführt wird, nicht gegen die Strafnormen des Embryoschutzgesetzes verstoße. [Rose 2010]

Der Bundesgerichtshof bekräftigte dieses Urteil im Juli 2010. Bei dieser Verfahrensweise bestehe jedoch eine größere Gefahr, bei der Entnahme der Zellen den Embryo zu beschädigen. Des Weiteren gelte die Zerstörung totipotenter Zellen rechtlich und ethisch als problematisch, da diese Zellen sich zu einem Embryonen entwickeln können und die Entnahme bzw. sofortige oder spätere Zerstörung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Artikel 1 und 2). In den USA ist die PID uneingeschränkt erlaubt und in Ländern wie Dänemark, Belgien, Frankreich und Großbritannien ist die Durchführung der PID erlaubt und gesetzlich geregelt. [Zeit online 2011, Ethikrat]

2.1. Aktuelle Situation in Deutschland und ethische Problematik

Am 14. April 2011 wurde im Deutschen Bundestag über die Gesetzesvorschläge zur PID abgestimmt. Folgende Vorschläge standen zur Wahl:

„Der erste Vorschlag (…) besagt, dass die PID nur dann zulässig sei, wenn ein Elternteil eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit hat oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt gerechnet wird. Schließlich solle den Eltern mit erheblicher erblicher Vorbelastung die freie Entscheidung für ein gesundes Kind erleichtert werden. Der zweite Vorschlag will diese Regelung noch verschärfen (…) (und fordert), dass die PID nur dann erlaubt ist, wenn bei einem Elternteil eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit vorliegt, „die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Fehl- oder Totgeburten oder zum Tod des Kindes im ersten Lebensjahr führen kann“. Der dritte Gesetzesvorschlag kommt von den strikten Gegnern der Methode. Sie wollen die Präimplantationsdiagnostik ohne Ausnahmen verhindern.“ [Frühnachrichten]

Eine einheitliche Mehrheit für einen der Entwürfe zeichnete sich nicht ab. Im Juni soll eine neue Abstimmung erfolgen.

2.1.1. Selektion und eine Zukunft nach dem Vorbild „Gattaca“ Tabelle Ethikrat!!!

Schaut man sich den Film Gattaca an, so werden die Ängste der PID-Gegner deutlich:

Kinder werden wie ein Massenprodukt über einen Bildschirm bestellt, Haarfarbe, Fähigkeiten, Augenfarbe, Geschlecht- alles ist bereits vorbestimmt. Sobald das Kind auf der Welt ist, wird seine Lebenserwartung bestimmt und die prozentuale Wahrscheinlichkeit verschiedenster Krankheiten, wobei „Krankheiten“ wie Fettleibigkeit und Kurzsichtigkeit im Auswahlverfahren bereits aussortiert wurden. Ungefähr die Hälfte aller Menschen, die heute existieren, würden demnach als behindert gelten. Damit erschließt sich auch sofort das erste Argument der Kritiker: die Veränderung der Begriffe behindert und krank. Je größer die Möglichkeit wird, unterschiedliche ‚Anomalien‘ auszuschließen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies auch getan wird. „Kinder der Liebe“ würden dann nicht mehr akzeptiert werden, eine neue Form der Unterschicht könnte sich entwickeln, nicht hervorgerufen durch Hautfarbe oder Geld, sonder einzig und allein dadurch, dass ein Mensch auf natürliche Art und Weise geboren wurde. Dieser als „Genoismus“ in Gattaca bezeichnete Zustand würde zum Beispiel Prüfungsergebnisse und Bewerbungsgespräche im Berufsleben uninteressant machen, da nur noch der Gencode entscheidend wäre; dies beträfe schließlich auch die Partnerwahl. 1972 wurde in St. Gallen, Schweiz, ein 18-jähriges Mädchen zur Abtreibung gezwungen und zwangsterilisiert. Das ZDF berichtete hierüber unter dem Titel „Wie weit darf der Mensch gehen zur Optimierung?“. Der Grund waren angeblich unreine Gene und eine sogenannte Triebhaftigkeit. Wie auch bereits im Dritten Reich geschah all dies zur „Verhütung erbkranken Nachwuchs“. Diese Art der Selektion war und ist eine Form der Eugenik und ihr haftet der Geruch der barbarischen Methoden im Dritten Reich an. Diese Vergangenheit überschattet eine sachliche Diskussion um die PID, deren Zweck eben gerade die „Verhütung erbkranken Nachwuchs“ ist, sie selektiert gesundes Erbgut von krankem Erbgut, welches anschließend vernichtet wird.

Selbstverständlich werden durch die PID auch Kinder geboren, welche es aller Wahrscheinlichkeit sonst nicht geben würde; so ermöglicht die PID es auch Frauen über 40 und Paaren mit schwer vorbelastetem Erbgut, Kinder zu bekommen. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, ob dies denn wirklich möglich gemacht werden muss. Risikoeltern haben schließlich „kein Recht auf ein gesundes Kind“, ihnen „ist der Verzicht oder die Adoption zuzumuten“, so Prof. Dr. Friedhelm Hufen. Auch Erzbischof Zollitsch bezeichnet die neuen Möglichkeiten der PID als einfache „Vergötzung des Glücks“ und die Vorgänge als „brutal: möglichst gesund, möglichst so, dass ich möglichst viel möglichst genussvoll erleben kann“ [Spiegel online (2011) Politik]. Ist also das, was möglich ist, auch moralisch richtig? Befürworter der PID argumentieren, „dass missgebildeten Menschen“ durch die PID „ ein glückloses und leidvolles Leben erspart bliebe“, da sie im Reagenzglas schon aussortiert werden. Allerdings hat ein solcher Mensch keine eigene Entscheidungsmöglichkeit, da andere Menschen dies vor der Geburt bereits so entscheiden haben. „Wer entscheidet, welche Krankheit ein glückliches Leben verhindert?“ [Bischof Zollisch in Spiegel online (2011) Politik] Die klassische Eugenik erfolge aktiv durch den Staat und zeigte sich in Sterilisationen und Schwangerschaftsabbrüchen, die neue Eugenik dagegen erfolgt passiv durch die Gesellschaft mit Hilfe der PID und anderer vorgeburtlicher Diagnoseformen. „Die PID ist eine Selektion und bedeutet nur bedingte Annahme menschlichen Lebens“ [Prof. Dr. Hufen]. Der Schutz der Menschenwürde ist demnach ein zentrales Argument gegen die PID: Jedem Menschen kommt die gleiche Würde zu; dies ist klar im Grundgesetz und allen Menschenrechtserklärungen der Welt festgelegt, ganz gleich, ob ein Mensch psychisch oder physisch eingeschränkt ist.

Kritiker befürchten, dass diese Würde Behinderten mit der Zeit aberkannt werden würde, sollte die PID uneingeschränkt durchgeführt werden dürfen. Dies ist zwar noch nicht der Fall, könnte es aber werden, denn die Forschung schreitet voran und mit ihr die Möglichkeiten der Medizin. Zusätzlich wird auch befürchtet, dass der Druck auf die Eltern Behinderter (oder in Folge sogar gesund geborener Kinder) steigen könnte. Sie hätten die Leiden ihres Kindes schließlich verhindern können, hätten sie eine PID durchführen lassen. Außerdem könnte der Grat zwischen zumutbaren und unzumutbaren Krankheiten mit der Zeit immer schmaler werden und Eltern in Entscheidungsnot getrieben werden, was sie ihrem Kind zumuten wollen und was nicht und was sie auch selbst bereit sind, auf sich zu nehmen. Zweifelsfrei ließe so auch die Individualität der einzelnen Kinder nach, denn die „Designer-Babys“ würden zum größten Teil den gleichen Anforderungen entsprechen: groß, schlank, widerstandsfähig, gebildet. Vielleicht auch noch blond und blauäugig?

Zu guter Letzt würde sowohl das Recht als auch die Würde des Embryos verletzt werden. Geht man davon aus, dass menschliches Leben mit dem Verschmelzen von Samen und Eizelle entsteht, so kommt auch dem Embryo schon eine gewisse Menschenwürde zu, die Experimente mit und die Tötungen von Embryonen verbietet. Die ethischen Hauptargumente hierfür lassen sich als SKIP-Argumente zusammenfassen [Rose 2010]:

[...]

Final del extracto de 21 páginas

Detalles

Título
J. S. Mill "Utilitarismus". Ist die Präimplantationsdiagnostik utilitaristisch vertretbar?
Universidad
University of Kassel
Calificación
2,0
Autor
Año
2010
Páginas
21
No. de catálogo
V268369
ISBN (Ebook)
9783656587729
ISBN (Libro)
9783656587705
Tamaño de fichero
610 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
mill, utilitarismus, präimplantationsdiagnostik
Citar trabajo
Melissa Grönebaum (Autor), 2010, J. S. Mill "Utilitarismus". Ist die Präimplantationsdiagnostik utilitaristisch vertretbar?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268369

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