Die Rolle der Begegnung von Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa in Chiavenna wird gemeinhin als der Wendepunkt in den Beziehungen zwischen den beiden angesehen. Das Bild, das die Quellen aus der Rückschau über die Vorgänge in Chiavenna zeichnen, ist angetan, den Herzog als überheblich, undankbar, als Rechtsbrecher und Erpresser erscheinen zu lassen. So hat die Forschung ihn denn auch oftmals gesehen. Die Rollen sind klar verteilt: Der Kaiser als der um Hilfe bittende, der dem Herzog in seiner Verzweiflung und um des Reiches willens sogar zu Füßen fällt und andererseits der sture und hartherzige Sachsenherzog, der sich verweigert und seinen Vetter im Stich lässt.
Doch hat es sich so zugetragen? In der älteren Forschung ging man von einer Machtprobe zweier Vertreter einander entgegengesetzter Dynastien aus: einer vermeintlichen Erbfeindschaft zwischen Welfen und Staufern. Diese habe dann letztlich auch zur Entmachtung des Löwen geführt.
In dieser Arbeit soll zunächst gezeigt werden, dass im Gegenteil Heinrich der Löwe und Friedrich Barbarossa ein geradezu symbiotisches Verhältnis pflegten, ja dass Heinrich die „zuverlässigste Stütze Barbarossas“ war und wohl auch eine entscheidende Rolle bei der Königswahl Friedrichs gespielt hat, wie jüngst hervorgehoben wurde . Die Verbindungen der Vettern waren also – dies eine These, die hier aufgestellt werden soll – auch nicht durch einseitige Begünstigung, sondern durch ein Verhältnis nach dem Grundsatz des do ut des charakterisiert. Das rückt auch Heinrichs Rolle in Chiavenna in ein anderes Licht. Leistung verlangte offenbar nach adäquater Gegenleistung: ist der Kaiser von diesem Grundsatz abgerückt, indem er die Belehnung mit Goslar als Kompensation für militärische Hilfe verweigerte und erklärt sich daraus Heinrichs abschlägiges Verhalten?
Und wieso hat Heinrich Goslar zur Bedingung seiner persönlichen Heerfolge gemacht? Während die Handlungsspielräume Barbarossas zur Genüge von der Forschung ausgeleuchtet sind, wurde dies für Heinrich den Löwen eher vernachlässigt. Was aber waren dessen Handlungsspielräume? Inwiefern konnte bzw. wollte er der Aufforderung nach militärischem Zuzug Folge leisten und war er überhaupt rechtlich dazu verpflichtet?
Für die nachfolgende Argumentation kommt dabei der Chronik Arnolds von Lübeck eine besondere Bedeutung zu. Es wird sich zeigen, dass Arnolds Bericht als Quelle für uns durchaus einigen Wert besitzt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Heinrich der Löwe als wichtigster Verbündeter des Kaisers
- 2. Abkühlung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Herzog?
- 3. Chiavenna und der Fußfall - "inversive Implantate"?
- 3.1 Chiavenna......
- 3.2 Der Fußfall des Kaisers.
- 3.2 Zum Stellenwert Chiavennas
- 3.2.1 Die rechtliche Verpflichtung zur Heerfolge Heinrichs des Löwen ......
- 3.2.2 Die Glaubwürdigkeit des Berichts Arnolds von Lübeck
- 3.2.3 Handlungsspielräume Heinrichs des Löwen und Friedrichs I.
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Beziehung zwischen Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa, insbesondere im Kontext der Begegnung in Chiavenna. Sie hinterfragt die gängige Interpretation der Ereignisse als Wendepunkt in ihren Beziehungen und untersucht, ob Heinrichs Verhalten als überheblich und undankbar zu werten ist. Die Arbeit geht davon aus, dass die beiden Vettern ein symbiotisches Verhältnis pflegten und Heinrichs Rolle als wichtiger Verbündeter Friedrichs in der Forschung zu wenig gewürdigt wird.
- Die symbiotische Beziehung zwischen Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa
- Die Rolle Heinrichs des Löwen bei der Königswahl Friedrichs I.
- Die Handlungsspielräume von Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa
- Die Debatte um den Fußfall Friedrichs Barbarossas in Chiavenna
- Die Bewertung der Quellenlage, insbesondere des Berichts Arnolds von Lübeck
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die traditionelle Interpretation der Begegnung von Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa in Chiavenna als Wendepunkt in ihren Beziehungen in Frage. Die Arbeit argumentiert, dass die Forschung Heinrichs Rolle als wichtigen Verbündeten Friedrichs zu wenig berücksichtigt hat.
Kapitel 1 beleuchtet die enge Zusammenarbeit zwischen Heinrich und Friedrich vor den Ereignissen in Chiavenna. Es zeigt, dass Heinrichs Unterstützung für Friedrichs Königswahl eine entscheidende Rolle spielte und dass die beiden Vettern aus machtpolitischen Erwägungen ein symbiotisches Verhältnis pflegten.
Kapitel 2 analysiert die Handlungsspielräume von Heinrich dem Löwen und Friedrich Barbarossa im Kontext der Ereignisse von Chiavenna. Es beleuchtet die rechtliche Verpflichtung Heinrichs zur Heerfolge und untersucht die Glaubwürdigkeit des Berichts Arnolds von Lübeck.
Kapitel 3 befasst sich mit der Debatte um den Fußfall Friedrichs Barbarossas in Chiavenna und dessen Bedeutung für die Beziehungen zwischen den beiden Vettern. Es hinterfragt die gängige Interpretation des Ereignisses als Beweis für Heinrichs Überheblichkeit und stellt alternative Sichtweisen in den Vordergrund.
Schlüsselwörter
Heinrich der Löwe, Friedrich Barbarossa, Chiavenna, Fußfall, Symbiose, Heerfolge, Handlungsspielräume, Quellenkritik, Arnold von Lübeck, Staufer, Welfen, Machtpolitik.
- Citation du texte
- Christoph Heckl (Auteur), 2011, Der Fußfall Barbarossas und die Forderung Heinrichs des Löwen nach Goslar in Chiavenna, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269055