Es ist ein merkwürdiger Kontrast: Das Reichskammergericht (RKG) gehörte, 1495 in Frankfurt am Main gegründet, zu den treibenden Kräften der „Verrechtlichung” der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Die Richter, obzwar in Strafsachen ohne Zuständigkeit, wachten gewissenhaft über die Einhaltung der formellen Grundsätze der „Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.” (Constitutio Criminalis Carolina, CCC) von 1532. Ihr Wirken legte den Grundstein für die Vereinheitlichung des Rechts im späteren Deutschland. Ihre Aufgabe war keine geringere als die Verwirklichung des Ewigen Landfriedens Kaiser Maximilians I., der den Angehörigen des Reichs den Rechtsweg befahl. Das RKG trat mit dem Landfrieden in die Welt - und gemeinsam traten alle in die Neuzeit.
Mit von der Partie war aber auch die Hexenverfolgung. Sie erreichte ihre Höhepunkte sogar erst, als die neue Zeit schon rund 100 Jahre währte. Eifrige Hexenrichter ließen 100.000 Menschen verbrennen oder zu Tode foltern. Das viel gescholtene, „finstere” Mittelalter war da schon lange vorbei.
Wie standen die Richter des RKG als Vorreiter der Verrechtlichung zu dem vermeintlich archaischen Wesen, das in der Tätigkeit der Hexenjäger zu Tage trat? Welche Hilfe konnten die Verfolgten in den Dörfern und Städten des Alten Reiches von dem neuen Gremium erwarten? Auf diese Fragen, die der skizzierte Kontrast aufwirft, soll folgend eingegangen werden. Vorangestellt ist ein kurzer allgemeiner Abriss von Hexenverfolgung und Hexenprozess.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Begriff der „Hexerei”
- Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte
- Die Hexenverfolgung der frühen Neuzeit
- Der territoriale Hexenprozess
- Aufkommen des Verdachtes und Verhaftung
- Das geheime Hauptverfahren
- Der öffentliche Gerichtstag
- Hexenprozesse vor dem Reichskammergericht
- Streitigkeiten über die Hochgerichtsbarkeit
- Zivilrechtliche Appellationen
- Verbalinjurien
- Realinjurien
- Nichtigkeitsprozesse
- Mandatsprozesse
- Die Haltung des Reichskammergerichts zum Hexenprozess
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Rolle des Reichskammergerichts (RKG) in der Hexenverfolgung der frühen Neuzeit. Der Fokus liegt darauf, wie das RKG, als eine treibende Kraft der „Verrechtlichung“ des späten Mittelalters, mit der Hexenverfolgung umging. Die Arbeit untersucht, welche Hilfe die Verfolgten vom RKG erwarten konnten und wie die Richter des RKG die Hexenverfolgung aus ihrer rechtlichen Perspektive beurteilten.
- Der Begriff der „Hexerei“ und seine Entwicklung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit
- Die Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte in Hexenprozessen
- Die Hexenverfolgung der frühen Neuzeit mit ihren Phasen und Opferzahlen
- Der territoriale Hexenprozess mit seinen verschiedenen Phasen
- Die Haltung des Reichskammergerichts zum Hexenprozess und seine Rolle in der Verfolgung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt den Kontrast zwischen der Verrechtlichung der Gesellschaft durch das RKG und der gleichzeitig stattfindenden Hexenverfolgung dar. Sie wirft Fragen nach der Rolle des RKG in der Hexenverfolgung auf, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt werden.
- Zum Begriff der „Hexerei“: Dieses Kapitel erörtert die Entstehung des Begriffs „Hexerei“ und die verschiedenen Vorstellungen, die sich im 15. und 16. Jahrhundert dazu entwickelten. Es werden drei Kernaspekte des Begriffs hervorgehoben: Schadenszauber, Teufelsbuhlschaft und der Teufelspakt.
- Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte: Dieses Kapitel beleuchtet die Zuständigkeit verschiedener Gerichte in Hexenprozessen. Es zeigt, dass sowohl weltliche als auch geistliche Gerichte zuständig waren, aber die Reformation die Rolle der kirchlichen Gerichte schwächte.
- Die Hexenverfolgung der frühen Neuzeit: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, die drei Phasen besonders intensiver Verfolgung und die Schätzungen der Opferzahlen. Es beleuchtet auch die Gründe für die übertriebenen Schätzungen und die Schwierigkeiten, die bei der wissenschaftlichen Untersuchung von Hexenprozessen auftreten.
- Der territoriale Hexenprozess: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Phasen des territorialen Hexenprozesses, beginnend mit dem Aufkommen des Verdachtes und der Verhaftung bis hin zum öffentlichen Gerichtstag. Es beschreibt die einzelnen Schritte des Prozesses.
- Hexenprozesse vor dem Reichskammergericht: Dieses Kapitel untersucht die unterschiedlichen Arten von Rechtsstreitigkeiten, die vor dem RKG in Bezug auf Hexenprozesse geführt wurden. Es beleuchtet Streitigkeiten über die Hochgerichtsbarkeit, zivilrechtliche Appellationen, Verbal- und Realinjurien sowie Nichtigkeits- und Mandatsprozesse.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Reichskammergericht, der Hexenverfolgung, der frühen Neuzeit, dem Hexenprozess, dem Begriff der „Hexerei“, der Zuständigkeit geistlicher und weltlicher Gerichte, der Verrechtlichung, den territorialen Hexenprozessen und den verschiedenen Arten von Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Reichskammergericht in Hexenprozessen geführt wurden.
- Quote paper
- Hans-Joachim Frölich (Author), 2000, Hexenprozesse vor dem Reichskammergericht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26919