Der Stellenwert Chinas in der Weltgeschichte August Ludwig Schlözers


Term Paper, 2003

13 Pages, Grade: Sehr gut (1,0)


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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. „HauptVölker” und „NebenVölker” -
Die Konzeption der „WeltGeschichte”

III. China in der „WeltGeschichte”
1. Umfang und Inhalt der Darstellung
2. Urteile

IV. Schluss

Quellen und Literatur

I. Einleitung

Der vor allem als Professor in Göttingen bekannt gewordene Historiker August Ludwig Schlözer veröffentlichte erstmals 1772 seine „Vorstellung einer Universalhistorie”. Der bescheidene Titel wirkte prophetisch, denn abschließend umsetzen konnte er seine „Vorstellung” nie. Dennoch trugen dieses und andere Werke zu seinem Ruf als dem „scharfsinnigsten Systematiker unter den europäischen Historikern der Aufklärung” (Jürgen Osterhammel) bei.

Eine gezielte Auswertung der „Universalhistorie” im Hinblick auf die Stellung Chinas darin steht meines Wissens noch aus. Daher soll hier ein erster Versuch in dieser Richtung gemacht werden. Im Zentrum stehen zwei Fragen: Zum einen, welchen Stellenwert Schlözer China, das er „Sina” nannte, im Vergleich mit anderen Ländern der Erde, für die Weltgeschichte beimaß. Und zum anderen, welche Urteile über die Kultur und politische Verfasstheit des Landes er fällte.

Grundlage der Untersuchung bildet die veränderte dritte Ausgabe des zweiteiligen Werkes, die 1785-1789 unter dem ebenfalls geänderten Titel „WeltGeschichte nach ihren HauptTheilen im Auszug und Zusammenhange” in Göttingen erschien.1 Auch die zweite Auflage von 1775 wird gelegentlich herangezogen.

II. „HauptVölker” und „NebenVölker” -

Die Konzeption der „WeltGeschichte”

In der „WeltGeschichte” räumt Schlözer China einen bedeutenden Platz ein. Damit ist noch nichts über sein inhaltliches Urteil gesagt. Aber dass den „Sinesern” überhaupt eigene Unterkapitel gewidmet sind, bleibt bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie stark Schlözer seinen Stoff selektierte.

Ein gutes Dutzend Völker sind es nur, auf die er in seinem Werk ausführlicher eingeht. Solch strenge Auswahl erscheint verständlich, wenn man bedenkt, welch ehrgeiziges Projekt Schlözer auf nur wenigen hundert Seiten zumindest zu begin- nen gedachte:

„Wir wollen die Revolutionen des Erdbodens, den wir bewonen, und des Menschen geschlechts, dem wir angehören, im Ganzen übersehen, um den heutigen Zustand von beiden aus Gründen zu erkennen.”2

Schlözer beginnt seine Übersicht bei Adam, in der „UrWelt”, ja, einen ersten Abschnitt widmet er gar dem „Anfang der Erde”3. Zu diesem und zu theoreti- schen Überlegungen äußert er sich auf den ersten mehr als 100 Seiten, während die folgenden, „synthetischen” Darstellungen, die die Geschichte einzelner Völ- ker getrennt behandeln, ausführlich nur bis etwa 500 n.Chr. reichen, zum Ende der „Alten Welt” also. Die synthetischen Teile zu Mittelalter und Neuer Geschichte fallen knapp, die geplante „synchronistische” Betrachtung der gesam- ten Weltgeschichte, die die Einflüsse der Völker aufeinander behandeln sollte, sogar ganz aus.4

Schlözer selbst war sich der Unvollständigkeit seiner Weltgeschichte bewußt, zumal er die vollständige Form ja in den erwähnten theoretischen Überlegungen bereits skizziert hatte. 14 Jahre, schreibt er 1789 in der Vorrede zur dritten Ausgabe der „WeltGeschichte”, seien seit Inangriffnahme des Projekts vergangen, und noch immer habe er keine Zeit gefunden, es zu vollenden. Dennoch optimistisch verkündet Schlözer, er werde das „Mittelalter und die jetzige Welt” in einem „dritten und letzten Teilchen” behandeln.5

Zu diesem Zweck hatte der praktisch veranlagte Historiker, wie erwähnt, seinem Thema Grenzen gezogen. Insgesamt rund 200 Völker sollte die endgültige, nie zustande gekommene Version seiner Weltgeschichte beschreiben, sie vor allem den jungen Studenten und interessierten historischen Laien näher bringen. Schließlich war das Werk recht unmittelbar aus seiner einsemestrigen Vorlesung zur Weltgeschichte hervorgegangen, die er in Göttingen bis zu Beginn der 1790er Jahre regelmäßig hielt.6 Schlözer stellte auch umfangreiche pädagogische Überle- gungen an und erdachte beispielsweise verschiedene Kniffe, die das Auswendiglernen weniger, unumgänglicher Jahreszahlen erleichtern sollten.7

Deshalb war er auch darauf bedacht, den unmittelbaren Nutzen seines Buches nicht schon durch zu großen Umfang zu schmälern, was sich letzten Endes in großer Nüchternheit, ja Trockenheit des Stils auswirkte:

„Ich rechne auf jedes Volk, im Durchschnitt, etwa einen halben Bogen: vorausge- setzt, 1. daß in der Beschreibung blos Facta, keine Raisonnemens, stehen, und alles Unware oder doch höchst Ungewisse, alles Kritische, alles Unerhebliche, weggelassen sei; 2. daß die übergebliebenen Facta äußerst concentrirt seien (...); 3. daß alles in fortlau- fenden §phen und zusammenhängend geschrieben, und dadurch die Wiederholung, z.Ex. (...) der sinischen <Geschichte> in der mongolischen etc., ersparet werde; und 4. daß, wenn einige Völkergeschichten so reichhaltig sind, daß sie notwendig merere Bogen füllen, die meisten andern dagegen, durch die historische ScheideKunst, auf wenige Seiten gebracht werden können.”8

Bei seine Auswahl, die er ausführlich begründet, wirkt Schlözer sehr zielsicher:

„Jeder Stat, er mag groß oder klein, mäßig oder schwach, von langer oder kurzer Dauer, gewesen seyn, ist an sich, wenigstens was seine Entstehung und Verwesung betrifft, ein Gegenstand der WeltGeschichte. Aber die meisten Staten sind unerheblich: entweder haben sie nie beträchtlichen Einfluß in die übrige Welt gehabt; oder die JarBü- cher haben wenigstens solchen nicht aufgezeichnet: vorsätzlich bleiben sie also sämtlich aus dem System der WeltGeschichte weg (...). Aber auch der erheblichen ist noch eine solche Menge, daß die Methode sie notwendig auf wenigere reduciren muß. Aus den erheblichen hebt sie daher die allererheblichsten, oder die HauptVölker, heraus.”9

Diese schematische Einteilung führte in Kombination mit Schlözers pädagogischem Anspruch zu dem erwähnten trockenen Stil, und veranlasste Herder, anspielend auf die 1735 erschienene biologische Systematik des Schweden Carl von Linné, zu der Bemerkung, das Schlözersche Ordnungssystem sei eine unhistorische „Linnésche Nachäffung”.10

[...]


1 Wegen Unregelmäßigkeiten der Paginierung wird das Werk, wo es nötig ist, getrennt nach 1. und 2. Teil zitiert.

2 August Ludwig Schlözer, Vorstellung der Universalhistorie, 2., veränd. Aufl. Göttingen 1775, 219.

3 August Ludwig Schlözer, WeltGeschichte nach ihren HauptTheilen im Auszug und Zusammenhange, Göttingen 1785-1789, 13 ff.

4 Zu Schlözers Konzept, in zwei Schritten die Geschichte zunächst im Längsschnitt (synthetisch), dann im anspruchsvolleren Querschnitt (synchronistisch) zu präsentieren, vgl. ebd., 89-91.

5 Vorrede, in: WeltGeschichte, 2. Teil, Göttingen 1789, fol.3 r. f.

6 Vgl. Ursula A. J. Becher, August Ludwig v. Schlözer, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Deutsche Historiker Bd.7, Göttingen 1980, 7-23, 12; Art. „August Ludwig Schlözer”, in: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB ) Bd.31, Berlin 21970 (Nachdruck der Ausgabe 1890), 567-600, 572.

7 WeltGeschichte, 87 ff.

8 Vorrede, in: WeltGeschichte, 2. Teil, fol.5 r.

9 WeltGeschichte, 116.

10 Zit. nach Becher, in: Deutsche Historiker Bd.7, 18.

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Details

Title
Der Stellenwert Chinas in der Weltgeschichte August Ludwig Schlözers
College
Free University of Berlin  (Ostasiatisches Seminar)
Grade
Sehr gut (1,0)
Author
Year
2003
Pages
13
Catalog Number
V26921
ISBN (eBook)
9783638291125
ISBN (Book)
9783638809870
File size
496 KB
Language
German
Keywords
Stellenwert, Chinas, Weltgeschichte, August, Ludwig, Schlözers
Quote paper
Hans-Joachim Frölich (Author), 2003, Der Stellenwert Chinas in der Weltgeschichte August Ludwig Schlözers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26921

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