Das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika

Stellung, Kompetenzen und Interdependenzen im präsidentiellen System


Seminararbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Politische System der USA – Eine Kurzeinführung
1.1 Ideengeschichtliche Verortung und Genese des Politischen Systems
1.2 Die Institutionenordnung der Vereinigten Staaten

2. Die Kompetenzen des Präsidenten im US-System
2.1 Kompetenzen nach Verfassungsnormativität
2.2 Kompetenzen in der Verfassungsrealität
2.3 Formelle und informelle Ressourcen des Präsidenten

3. Präsidentschaftswahlen und die Rolle der Parteien
3.1 Die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten
3.2 Die Rolle der Parteien
3.3 Exkurs: Die Wahlen zum Kongress

4. Das Verhältnis zwischen Präsident und Kongress
4.1 Interdependenzen zwischen Legislative und Exekutive
4.2 Präsident und Vetospieler-Ansatz

Schluss

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

„Der mächtigste Mann der Welt“ – Mit dieser Umschreibung, die nicht nur in Deutschland im Allgemeingebrauch ist, wird niemand anderes bezeichnet als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Kein anderes Staatsoberhaupt oder Regierungschef, vielleicht mit Ausnahme desjenigen aus dem eigenem Nationalstaat, ist so oft präsent in den Medien oder im politischen Diskurs. Bezeichnend ist auch die Aufmerksamkeit, die die Medien in Deutschland den Vorwahlen zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien in der ersten Jahreshälfte 2008 gewidmet haben. Zu bedenken ist, dass es sich hierbei erst einmal nur um den Rekrutierungsprozess und noch nicht um die Hauptwahl selbst handelt. Im Vergleich dazu erscheinen die kurzen Wahlergebnisverkündungen in den Abendnachrichten über Parlaments- oder Staatspräsidentenwahlen in anderen Ländern, die zum Teil sogar unsere direkten Nachbarn sind, gerade zu fast unbedeutend.

Was ist also das Besondere an dem Präsidenten der USA. Zugegeben, er ist der Vorsitzende der ökonomisch und militärisch stärksten Nation der Welt. Aber reicht dies schon aus, um die Bezeichnung „mächtigster Mann der Welt“ dafür zu titulieren oder sind es nicht auch die Stellung im politischen System, die Kompetenzen und Funktionen für die Beurteilung, ob der Titel verdient ist oder nicht, entscheidend.

Dieser Frage will sich die folgende Arbeit widmen. Dazu soll am Anfang die generelle Funktionslogik des amerikanischen Systems aufgezeigt werden, was mit einem historischen Abriss über die Gründe für die Genese und der Skizzierung der Verfassungsordnung bewerkstelligt wird. Fortfolgend wird das Amt des Präsidenten en Detail betrachtet werden. Die Kompetenzen wie sie die Verfassung von 1787 vorgesehen, wie der Präsident diesen Rahmen nach dem eigenen Ermessens in der Verfassungspraxis interpretiert hat und über welche Machtressourcen er verfügt, sollen dabei als analytische Marksteine dienen. Die Kompetenzanalyse wird den inhaltlichen wie platzspezifischen Schwerpunkt dieser Arbeit bilden.

Im dritten Teil soll uns das Wahlverfahren interessieren, wie der Präsident eigentlich zum Präsidenten wird. Auf die Rolle der Parteien für die Rekrutierung und ihre Rolle in der US-Politik wird ebenso eingegangen wie auf die Wahl des Kongresses, die als Gegenpart in der dualen Legitimation von Exekutive und Legislative exkursorisch vorzustellen sei.

Den Abschluss wird eine Erarbeitung des Verhältnisses zwischen Präsident und Kongress bilden. Das Vetospieler-Konzept von George Tsebelis wird einen alternativen Analyseansatz die vorliegende Betrachtung ausklingen lassen.

1. Das Politische System der USA – Eine Kurzeinführung

Mit der 1787 verabschiedeten und zwei Jahre später in Kraft getretenen Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika wurde die älteste, in dieser Form heute noch gültige Konstitution einer präsidentiellen Demokratie ins Leben gerufen. Zum besseren Verständnis des Systems soll nachfolgend zuerst auf den ideengeschichtlichen Entstehungshintergrund und die darauf aufbauende Institutionenordnung eingegangen werden.

1.1 Ideengeschichtliche Verortung und Genese des Politischen Systems

Die aus „der Kolonialzeit gewohnte Kombination von Gouverneur – Assembly – Gerichte und die damit verbundene rigorose Gewaltenteilung und gegenseitige Gewaltenverschränkung“[1] war Initialbedingung für das Politische System der USA, so wie wir es heute kennen. Die Gouverneure wurden vom König ernannt, waren aber in der Regel selbst aristokratische Kolonisten. Ebenso verhielt es sich mit der Zusammensetzung der Gouverneursräten oder Senaten als Oberhaus der Legislative, während das Unterhaus – die Assembly von der wahlberechtigten Kolonialbevölkerung bestimmt wurde.[2] Mit der Zeit verschob sich das Machtgefüge immer mehr in Richtung der Legislative und trotzte dem Gouverneur, ursprünglich als einzige Regierungsgewalt mit den Assemblies als beratende Organe konzipiert, und seiner Verwaltung immer mehr Zuständigkeiten ab, vor allem in der Fiskalpolitik.[3]

Die Selbstverwaltungspraxis fand in dem cleavage zwischen Gouverneur und Legislative ihren Emergenzpunkt und ermöglichte den Siedlern, die für die spätere Phase zum Tragen kommenden, partizipativen Erfahrungen. Weiterhin setzte sich das englische common law, über das Streitigkeiten, auch hinsichtlich des Eingreifens der staatlichen Gewalt in die Sphäre der Bürger behandelt wurden, als gängige Rechtsordnung durch[4].

Die sich in der Kolonialzeit vollziehende Kompetenzverschiebung in der kolonialen Verwaltung war auch wesentlich durch die aufklärerischen Staatsideen der Zeit begründet. John Locke und Charles de Montesquieu vertraten „eine Teilung bei gleichzeitiger Verschränkung der Gewalten, um einen Machtmissbrauch zu verhindern“[5].

Locke postulierte einen Staat, der effektiv Leben, Freiheit und Eigentum des Menschen schützt. Auf Basis der englischen Realverfassung des 17. Jahrhunderts sollen Eingriffe des Staates – als Gesetzte bezeichnet – in diese Bereiche nur mit dem Einvernehmen der Betroffenen oder derer Repräsentanten möglich sein, die sich in einer periodisch neu zu besetzenden Legislative zusammenfinden sollen.[6] Eine strikte, generelle Trennung der Gewalten (insgesamt fünf) hatte Locke nicht im Sinn, die nach seiner Auffassung sowohl der Legislative (für staatliche Eingriffe) und dem Monarchen (für völkerrechtliche und sonstige exekutive / legislative Aufgaben) gemeinsam zustand.[7]

Dies forderte erst Montesquieu, der „eine strikte Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative als optimal“[8] betrachtete. In diesem Fall sollte die Exekutive also alle Regierungsgewalt inkludieren. Die Exekutive soll das von der Legislative beschlossenen Recht anwenden und die Judikative die Exekutive auf Verletzung ihrer Kompetenzen überwachen und wenn gegeben den Rechtsakt notfalls annullieren. Jede Gewalt muss sich auf ihren eigenen Kernbereich beschränken, wenn sie das System in toto nicht gefährden will. De facto insistiert Montesquieu auch die Gewaltenverschränkung, indem er der Exekutive Veto-Rechte zugesteht und der Judikative Nichtigkeitserklärungskompetenz einräumt.[9]

Die Philadelphia Convention, welche eine Verfassung für die Vereinigten Staaten erarbeiten sollte, knüpfte sowohl an die Selbstverwaltungspraxis, als auch an die Ideen von Locke und Montesquieu an, auch wenn beide eins zu eins nicht umzusetzen waren: Erstere wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung in den 13 ehemaligen Kolonien und letztere wegen dem Fehlen der Ständegesellschaft, auf der Montesquieus Ansichten ihre Basis hatten.[10]. Die folgenden Debatten um die institutionelle Frage kulminierten in zwei verschiedenen Plänen: Der Virginia-Plan sah eine periodisch zu wählende Zwei-Kammer Legislative und weitreichende Kompetenzen der Bundesebene gegenüber den Einzelstaaten vor, während der New-Jersey-Plan eine schwache aus Delegierten der Staaten konstituierte Einkammerlegislative und eingeschränkte Kompetenzen der Bundesebene präferierte.[11] Der Great Compromise regelte schließlich eine proportionale Vertretung der Staaten in der zu wählenden ersten Kammer (Repräsentantenhaus) und eine gleichstarke Verteilung in der zweiten Kammer (Senat), die mit Delegierten aus den Einzelstaaten besetzt werden sollte.[12]

Die Elaboration der Exekutive nahm sich weniger Vorbild an den Ideen von Locke oder Montesquieu, als an der Praxis der kolonialen Selbstverwaltung und den daraus abgeleiteten Einzelstaatsverfassungen, die einem präsidentiellen System den Vorzug gaben als einer Kopie des englischen Realparlamentarismus.[13] Der Präsident sollte ein „Wahlmonarch auf Zeit“[14] sein, die exekutiven Geschäfte sowohl des Staatsoberhauptes wie des Regierungschefs übernehmen (hier der Unterschied zum britischen Modell, das eine duale Exekutive besitzt) und nicht nur „herrschen“, sondern „regieren“, also „im Rahmen der Parlamentsrechte persönlich die poltischen Geschicke des Landes bestimm[en]“[15].

1.2 Die Institutionenordnung der Vereinigten Staaten

Unter der Berücksichtigung dieser differenten Einflussfaktoren entstand das Staatssystem der USA, dass als präsidiale Bundesrepublik charakterisiert werden kann. Es baut auf dem Präsidentialismus als Regierungsform auf, der sich über die individuelle elektorale Legitimation von Exekutive und Legislative auszeichnet und daher die Auflösung der Legislative durch die Exekutive bzw. die Abberufung der Exekutive durch die Legislative nicht gestattet.[16] Aus der Nichtverantwortlichkeit und dem Nichthervorgehen der Exekutive aus der Legislative (siehe parlamentarische Systeme) folgt eine organschaftliche Gewaltenteilung, bei der eine monistische Exekutive – die Funktionen des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs in einem Amt vereinigt – evident ist.[17]

Losgelöst von der Monarchie entstanden die USA als Republik mit einer dualen Legislative, welche die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hat. Der Präsident steht als geschlossene Exekutive mit seinem Vetorecht dafür, „dass der neue Kongress nicht übermächtig werden konnte.“[18] Die gleiche Rolle kommt dem Supreme Court als oberste Bundesgericht der Judikative zu, das neben einheitlicher Rechtsprechung auch die Wahrung der Verfassung durch die anderen Organe zur Aufgabe hat. Markant wird dieses System mit dem Begriff des checks and balances auf den Punkt gebracht – der gegenseitigen Kontrolle und Ausbalancieren der Staatsgewalten, die aber „sich nicht gegenseitig lähmen, sondern durch Konkurrenz und Ehrgeiz zu höheren Leistungen anspornen [sollten]“[19]

[...]


[1] Hübner, Emil: Das Politische System der USA. Eine Einführung, 6., aktual. Aufl., München 2007, S. 14.

[2] Vgl. Benz, Arthur / Lütz, Susanne / Simonis, Georg (Hrsg.): Westliche Regierungssysteme. Parlamentaris-mus, präsidentielles und semi-präsidentielles Regierungssystem, 2., aktual. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 99.

[3] Vgl. Heideking, Jürgen / Mach, Christof: Geschichte der USA, 4., überarb. und aktual. Aufl.,Tübingen und Basel 2006, S. 21f.

[4] Vgl., ebd.

[5] Lehner, Franz / Widmaier, Ulrich: Vergleichende Regierungslehre. Eine Einführung,

4., überarb. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 118.

[6] Vgl., a.a.O., Benz / Lütz / Simonis, S. 27f.

[7] Ebd.

[8] Hartmann, Jürgen / Kempf, Udo: Staatsoberhäupter in westlichen Demokratien.Strukturen, Funktionen und Probleme des „höchsten Amtes“, Opladen 1989, S. 10.

[9] Vgl., a.a.O., Benz / Lütz / Simonis, S. 30f.

[10] Vgl., Hübner, S. 13.

[11] Vgl., ebd., S. 13f.

[12] Vgl., a.a.O., Benz / Lütz / Simonis, S. 102.

[13] Vgl., a.a.O., Hübner, S. 14.

[14] Vgl., a.a.O., Benz / Lütz / Simonis, S. 103.

[15] Vgl., a.a.O., Hartmann, S. 201.

[16] Vgl. Croissant, Aurel: Regierungssystem und Demokratietypen, in: Vergleichende Regierungslehre.Eine Einführung, 2., durchgesehene Aufl., Wiesbaden 2006, S. 113-132, hier: S. 116f.

[17] Vgl., ebd.

[18] Heideking, Jürgen: Revolution, Verfassung und Nationalstaatsgründung, 1763-1815, in: Lösche, Peter / von Loeffelholz, Hans Dietrich (Hrsg.): Länderbericht USA. Geschichte – Politik – Wirtschaft – Gesellschaft – Kultur, 4., aktual. und neu bearb. Aufl., Bonn 2004, S. 17-41, hier: S. 31.

[19] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika
Untertitel
Stellung, Kompetenzen und Interdependenzen im präsidentiellen System
Hochschule
Universität Erfurt  (Staatswissenschaftliche Fakultät - Fachrichtung Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Staatsoberhäupter im Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V269465
ISBN (eBook)
9783656605744
ISBN (Buch)
9783656605706
Dateigröße
692 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
USA, Barack Obama, Präsidentialismus, US-Präsident
Arbeit zitieren
B.A. Erik Weihmann (Autor:in), 2008, Das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269465

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