Am 28. November 2013 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, die den Schutz von vertraulichem Know-how und vertraulicher Geschäftsinformationen verbessern soll. Der vorliegende Aufsatz setzt sich mit den Definitionen des Schutzobjekts und der rechtswidrigen Tathandlungen im Vergleich zum deutschen Recht auseinander.
Das Schutzobjekt und die rechtswidrigen Tathandlungen im Entwurf der EU-Richtlinie für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Am 28. November 2013 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, die den Schutz von vertraulichem Know-how und vertraulicher Geschäftsinformationen verbessern soll[1]. Das Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist die Anhebung von Innovationsbemühungen in Europa durch die Verbesserung des Schutzes von vertraulichen Informationen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung. Derzeit ist das Schutzniveau in den Mitgliedstaaten für vertrauliche Informationen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Europäische Kommission hatte vor der Veröffentlichung des Richtlinienvorschlages Untersuchungen durchführen lassen, die nicht nur die verschiedenen Ansätze zum Schutz von Know-how in den einzelnen Mitgliedstaaten aufzeigten, sondern sich auch mit der Notwendigkeit eines umfassenderen und besseren Schutzes beschäftigten. So stellte sich unter anderem heraus, dass in der vergangenen Dekade mindestens eines von fünf Unternehmen einen Angriff auf das eigene Know-how zu verzeichnen hatte. Außerdem ist die Anzahl der Unternehmen, die einen Informationsdiebstahl vermeldeten, von 18 % im Jahr 2012 auf 25 % im Jahr 2013 gestiegen[2].
Es lässt sich den Erhebungen der Kommission auch entnehmen, dass die Wettbewerbsfähigkeit in immer stärkerem Umfang auf Innovation und dem damit verbundenen Know-how beruht. 75 % der befragten Unternehmen gaben an, dass sie den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsanstrengungen ansehen.[3] Ein umfassender und durchsetzungsstarker Schutz von Know-how ist daher im Interesse dieser Unternehmen.
Während in einigen Mitgliedstaaten der EU bereits ein differenziertes Schutzsystem vorhanden ist, verfügen andere Mitgliedstaaten über keine Rechtsvorschriften, die sich konkret auf den Bereich des Schutzes von Know-how beziehen[4]. Dies macht es für Unternehmen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr schwierig zu verstehen, ob ihre Geschäftsgeheimnisse auch im Nachbarland geschützt sind und welche Möglichkeiten sie haben, gegen eventuelle Verletzungen vorzugehen. So sind viele Unternehmen zurückhaltend, wenn es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen im Bereich der Forschung geht, die die Preisgabe von vertraulichem Know-how notwendig machen würde. Es ist ihnen kaum möglich, die Kosten und die Risiken einzuschätzen, die mit einem Schutz ihrer wertvollen Informationen und dessen gerichtlicher Durchsetzung verbunden sind. Diese Defizite sollen durch die Harmonisierung des Schutzes für schützenswerte Unternehmensinformationen ausgeräumt werden.
Der Schutz von vertraulichem Know-how ist in Deutschland recht stark ausgebildet[5]. Fraglich ist, ob die Regelungen geeignet sind, die Vorgaben im Richtlinienentwurf ohne weiteres umzusetzen. Im Folgenden sollen daher die markanten Punkte der Regelung im Richtlinienvorschlag zum Schutzobjekt und den rechtswidrigen Tathandlungen dargestellt und in Bezug zur jeweiligen deutschen Regelung gesetzt werden[6].
1. Schutzobjekt
Der Richtlinienentwurf spricht in seiner Überschrift von einem Schutz für „vertrauliches Know-how und vertrauliche(n) Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnis)“. In den einzelnen Bestimmungen werden sodann ausschließlich „Geschäftsgeheimnisse“ genannt bzw. „Informationen“, wenn zuvor auf Geschäftsgeheimnisse Bezug genommen wurde. In Artikel 2 Ziffer 1 RL-Entwurf wird eine Definition für „Geschäftsgeheimnisse“ aufgeführt. Ein liegt vor, wenn (a) die entsprechende Information geheim ist, (b) die Information einen kommerziellen Wert besitzt, weil sie geheim ist und (c) der Inhaber der Information den Umständen entsprechende angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen hat[7]. Geheim sollen diese Informationen sein, wenn „sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personenkreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind“.
Diese Definition unterscheidet sich von der Defintion eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, die von der deutschen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Danach gilt als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll[8].
Nach beiden Definitionen ist es nicht notwendig, dass die Information absolut geheim ist. Hat ein eng begrenzter Personenkreis Kenntnis von der Information, verliert sie dadurch nicht ihren geheimen Status.
Soweit die Definition in dem Richtlinienvorschlag fordert, dass die Information einen kommerziellen Wert besitzen muss, weil sie geheim ist, so stellt äquivalent dazu die deutsche Definition darauf ab, dass der Betriebsinhaber ein berechtigtes kommerzielles Interesse daran haben muss, dass die Information geheim bleibt[9]. Der kommerzielle Wert beruht auf dem wirtschaftlichen Interesse des Geheimnisinhabers.
Die deutsche Definition verlangt jedoch nicht, dass der Inhaber der Information den Umständen entsprechende angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen hat. Stattdessen muss der Geschäftsinhaber für einen Schutz von Geschäftsgeheimnissen im deutschen Recht ein Geheimhaltungsinteresse und einen entsprechenden Willen aufweisen. Beides kann allerdings aus den ergriffenen Geheimhaltungsmaßnahmen herausgelesen werden[10]. Damit umfasst der deutsche Begriff der schützenswerten Information mehr als die Vorgabe im Richtlinienentwurf. Da dieser Entwurf jedoch keine Mindestharmonisierung darstellt, sondern detaillierte Vorgaben zum Schutzobjekt macht, muss im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung eine Anpassung der deutschen Definition erfolgen[11].
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[1] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (COM(2013) 813 final).
[2] Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market (MARKT/2011/128/).
[3] Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market (MARKT/2011/128/), Seite 123.
[4] Unter anderen: Belgien, Frankreich, Irland, Luxemburg, Malta, Niederlande, Großbritannien und Zypern.
[5] Hakim, “Europe Moves to Keep Its Corporate Trade Data Secret”, New York Times, 14 November 2013.
[6] Die rechtmäßigen Handlungen in Art. 4 des Richtlinienentwurfes sowie die Vorschriften zur Durchsetzung sind nicht Gegenstand des Aufsatzes.
[7] Vgl. dazu auch Art. 39 Abs. 2 TRIPS.
[8] BVerfG MMR 2006, 375, 376; BGH GRUR 1955, 424, 425 – Möbelwachspaste; BGH GRUR 1961, 40, 43 – Wurftaubenpresse; BGH NJW 1995, 2301; BGH GRUR 2003, 356, 358 – Präzisionsmessgeräte; BGH GRUR 2006, 1044 – Kundendatenprogramm.
[9] Müller: Der Schutz von Know-how nach dem TRIPS-Übereinkommen, S. 169.
[10] Krasser, Rudolf in: Beier/Schricker, From GATT to TRIPS, S. 224.
[11] Vgl. zum Verhältnis zu Art. 39 TRIPS: Krasser, Rudolf in: Beier/Schricker, From GATT to TRIPS, S. 224.
- Arbeit zitieren
- Heiner Heldt (Autor:in), 2014, Das Schutzobjekt und die rechtswidrigen Tathandlungen im Entwurf der EU-Richtlinie für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269645