Wie unendlich und vielseitig, wie unüberwindbar und unverständlich erscheint es uns, das Leid, welches uns immer wieder aufs Neue auf unserem Lebensweg begegnet oder ihn ungewollt in andere, als die geplanten Bahnen lenkt. Es scheint nahezu ein anthropologischer Faktor zu sein, eine für den Menschen typische Eigenschaft. Das Leid, welches uns in Formen von körperlichem und seelischem Schmerz, sowie am Leiden an der Liebe und auch am Leiden an Gott begegnen kann, wirft viele Fragen auf. Bei genauerer Betrachtung der Problemstellung hinsichtlich des Ursprungs des Leidens wird aber deutlich, dass, nach heutigen Erkenntnissen, keinesfalls nur die Menschen von unverständlichem Leid überwältigt werden, auch Galaxien und Sterne sind einem Kreislauf von Geburt, Entwicklung und Zerstörung geradezu kosmischen Ausmaßes unterworfen. Klimakatastrophen sind nicht nur apokalyptische Zukunftsvisionen, sondern stetiger Begleiter der erdgeschichtlichen Vergangenheit. „Nicht nur die heutzutage bemitleideten Dinosaurier sind ausgestorben. Die überwiegende Mehrheit der Arten, die je diesen Planeten bevölkert haben, erlitt das gleiche Schicksal. […] Im gesamten Tierreich gilt offenbar das Recht des Stärkeren.“ Doch zahlreiche Bedrohungen der Umwelt scheinen nicht auszureichen, denn hinzu kommt jenes unermessliche, aber vermeidbare Leid, welches sich Menschen gegenseitig zufügen. Das Zusammenleben von Völkern und Nationen ist während der gesamten Menschheitsgeschichte durch Krieg und Gewalt geprägt. Kaum ein militärischer Machthaber hat je die Möglichkeit des technologischen Fortschritts ausgelassen um das Zerstörungspotential zu steigern. Dieser Fortschritt hat mittlerweile Kräfte entfesselt, die es der Menschheit erstmals möglich machen, sich selbst restlos auszulöschen. Zwar kann die zunehmende öffentliche Empörung über kriegerische Auseinandersetzungen in aller Welt als Hoffnungsschimmer für einen tiefergehenden Wandel des moralischen Bewusstseins gedeutet werden, so stellt sich trotzdem die Frage, warum es erst soweit kommen musste. All diese negativen Aspekte können den Glauben an einen allmächtigen, gütigen und liebenden Gott in Zweifel ziehen...
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Klassische Antwortversuche
- Leiden soll zur Umkehr befähigen
- Das Leiden als Strafe
- Allein der Mensch ist für das Leid verantwortlich
- Antworten der Gegenwartstheologie
- Sölles Ausweg
- Eine Antwort ist der Atheismus
- Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Prozesstheorie
- Der Umgang mit dem Leid
- Schlussbetrachtungen – die Theodizee ein sinnloses Unterfangen?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, wie man das Leid in der Welt theologisch erklären kann. Sie geht dabei auf die Thesen der evangelischen Theologin Dorothee Sölle ein und betrachtet die Theodizee, die sich mit der Rechtfertigung Gottes angesichts von Leid auseinandersetzt. Die Arbeit will die verschiedenen Standpunkte zur Theodizee kritisch beleuchten und gegeneinander abwägen.
- Die Theodizee als ein philosophisches Problem
- Die Rolle von Leiden in der Bibel und deren Deutung
- Klassische und moderne Ansätze zur Erklärung des Leidens
- Dorothee Sölles Theologie des Leidens und ihre Kritik an traditionellen Deutungen
- Der Umgang mit dem Leid in der heutigen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Einführung
Das Kapitel beleuchtet die vielfältigen und komplexen Aspekte des Leidens, das in unterschiedlichen Formen auftritt. Es stellt die Frage nach dem Ursprung des Leidens und betrachtet die Auswirkungen von menschlichem Leid sowie von Naturkatastrophen. Die These wird aufgestellt, dass die zunehmende Empörung über kriegerische Auseinandersetzungen ein Hoffnungsschimmer für einen Wandel im moralischen Bewusstsein darstellt. Der Glaube an einen allmächtigen und gütigen Gott wird in Frage gestellt, und es wird erörtert, wie Religionen mit dem Problem des Leidens umgehen.
Klassische Antwortversuche
Dieses Kapitel betrachtet traditionelle Ansätze zur Erklärung des Leidens aus der Sicht des christlichen Glaubens. Es wird argumentiert, dass Leid weder sinnlos noch wahllos geschieht, sondern eine Bedeutung im Kontext von Gottes Plan hat. Die Rolle von Leiden als Läuterung, Prüfung und Strafe wird erläutert. Die klassische Sichtweise betont die Anerkennung Gottes und seine Ordnung in der Welt.
Leiden soll zur Umkehr befähigen
Dieses Kapitel diskutiert die These, dass Leiden eine Störung des von Gott gewollten Friedens darstellt. Die Bibel wird als Quelle für die Deutung von Leiden herangezogen. Es wird argumentiert, dass Leiden eine Chance zur Umkehr bietet und den Menschen auf wahre Zusammenhänge aufmerksam machen kann.
Das Leiden als Strafe
Dieses Kapitel behandelt die Vorstellung, dass Leiden eine Folge von bösen Taten ist. Es wird auf das Bedürfnis nach Gerechtigkeit eingegangen und diskutiert, ob Leid eine gerechte Bestrafung für Vergehen darstellt. Die Frage nach der kollektiven Strafe und ihrer Gültigkeit wird kritisch betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Leid, Theodizee, Gott, Religion, Glaube, Atheismus, Dorothee Sölle, Bibel, Theologie, Geschichte, Philosophie, Krieg, Gewalt, Naturkatastrophen, Moral, Verantwortung.
- Arbeit zitieren
- M.A. Ninette Schmidt (Autor:in), 2008, Dorothee Sölles ‚Leiden‘. Das Problem der Theodizee, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269767