Träges Wissen und Problemlösen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Die Bausteine des Wissens
2.1 Begriffsbestimmung „Wissen“
2.2 Die Struktur des menschlichen Wissens
2.3 Drei Wissensarten nach Chi
2.3.1 Bereichsbezogenes Wissen
2.3.2 Strategisches Wissen
2.3.3 Metakognitives Wissen

3 Problem als Forschungsgegenstand
3.1 Problem: Begriffsbestimmung
3.2 Klassifikation von Problemen

4 Problemlösen als Forschungsgegenstand
4.2 Problemlösen: Begriffsbestimmung
4.3 Klassifikation von Problemlösungswissen
4.4 Problemlösen von Experten und Novizen

5 Die Entstehung von „trägeM Wissen“

6 „Träges Wissen“ und Problemlösen: eine Versuchsreihe
6.1 Theoretischer Hintergund
6.2 Hypothesen
6.3 Durchführung des Versuchs
6.5 Diskussion der Ergebnisse

7 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Leben besteht zu einem großen Teil aus Aufgaben, Anforderungen und Problemen. Um diese Dinge zu bewältigen, benutzt der Mensch sein wichtigstes Hilfsmittel, den Verstand. Normalerweise findet ein problemloser Zugriff auf bereits bekanntes Wissen statt. Routinierte Verhaltensweisen sind zum Teil so stark automatisiert, dass der Rückgriff auf die jeweils notwendigen Lösungsstrategien kaum wahrgenommen werden kann. Z.B. der korrekte Gebrauch von Messer und Gabel ist ein alltägliches „Problem“, welches in unserem Kulturkreis jeden Tag zu Mahlzeiten unbewusst gelöst, d.h. ausgeführt wird. Zu einem größeren Problem entpuppt sich die Mahlzeit, wenn das Wissen, wie diese mit asiatischen Essstäbchen zu sich genommen werden soll, fehlt. Die motorischen Abläufe sind hierzu nicht weit genug entwickelt, stehen im wissenschaftlichen Interesse auch nur an sekundärer Stelle.

Primär richtet sich der Fokus auf die Akkumulation von Wissen und die Möglichkeit des Rückgriffs auf dieses Wissen. Häufig passieren Situationen, in denen eine Fragestellung oder Aufgabe hinlänglich bekannt erscheint, dass notwendige Wissen dazu jedoch nicht abrufbereit ist. Dieses „eigentlich“ vorhandene, aber eben manchmal blockierte Wissen wird „träges Wissen“ genannt.

Das Ziel der Hausarbeit ist es, herauszufinden, wie weit das „träge Wissen“ die Problemlösefähigkeit der Menschen beeinflusst. In Kapitel 2, 3 und 4 möchte ich zunächst die Begriffe „Wissen“, „Problem“ und „Problemlösefähigkeit“ eingehend definieren, um der Hausarbeit klare Abgrenzung der Begriffe zugrunde zu legen. In Kapitel 5 beschreibe ich die Entstehung von „trägem Wissen“. In Kapitel 6 wird die Ausgangsfragestellung nach dem Zusammenhang von „trägem Wissen“ und Problemlösen“ mithilfe einer Versuchsreihe von Lind & Friege (2003) verifiziert.

2 Die Bausteine des Wissens

2.1 Begriffsbestimmung „Wissen“

Jeder Prozeß, den der Mensch innerhalb seiner Umwelt ausführt, ist dadurch gekennzeichnet, dass Informationen aufgenommen werden. Diese werden anschließend verarbeitet und daraus werden Handlungsentscheidungen abgeleitet, die in eine Reihe von Handlungen umgesetzt werden. Wird die Wirkungsweise des Menschen beim Prozeß der Interaktion mit der Umwelt betrachtet, so können also drei Teilprozesse unterschieden werden[1]:

1) Informationsaufnahme bedeutet das Wahrnehmen und Entdecken sowie das Identifizieren und Erkennen der Umwelt.
2) Informationsverarbeitung erfordert eine Entscheidung, die durch Antriebe und Motivationen beeinflußt wird.
3) Informationsausgabe drückt sich in Reaktionen in Form von Handlungen und Bewegungen aus.

Das kognitive System unseres Gedächtnisses besitzt zwei verschiedene Speichermodi, um die von der Umwelt aufgenommen Einflüsse zu verarbeiten und als Wissen für spätere Anwendungen bereitzuhalten, das Kurzzeit- und das Langzeitgedächtnis[2]. Das Erkennen eines Problems erfolgt im Kurzzeitspeicher. Der in diesem Prozess gewonnene Input wird im Sinne einer Aufgabenerfüllung weiterverarbeitet. Es ist ein problemlösungsorientierter Prozeß, bei dem zwischen mehreren Optionen gewählt werden kann und die Informationen jeweils als nützlich oder sekundär selektiert werden, um die Lösung des Problems zu fokussieren[3]. Bei der letztendlichen Informationsausgabe, die sich in einer Reaktion, der Handlung äußert, spielen individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten eine maßgebliche Rolle, da diese den Speicher von Entscheidungsmöglichkeiten prägen, auf den während des abschließenden Lösungsschrittes zurückgegriffen werden kann.

2.2 Die Struktur des menschlichen Wissens

Die Lösung eines Problems wird primär durch die „geistige Ausstattung“[4] des Problemlösenden bedingt. Unter „geistiger Ausstattung“ soll dabei zunächst die Gesamtheit des Wissens eines Menschen verstanden werden. Hier wird bereits deutlich das der Begriff „Wissen“ eine viel größere Komplexität und Spannweite beinhaltet, die in der alltäglichen Verwendung dieses Wortes nicht so ohne weiteres abzusehen ist. Wissen geht über das bloße Faktenwissen hinaus. Die Frage, wie man welches Wissen wann anwenden kann, gibt einen ersten Aufschluss über das Ausmaß des Potentials, dass ein „Problemlösender“ bei seiner Aufgabe beachten muß.

Es gibt bisher keine allgemeingültige, wissenschaftlich anerkannte Definition von „Wissen“. Die Wissenschaftler der Kognitionspsychologie sind sich jedoch in zweierlei Hinsicht einig: Erstens existiert eine Differenzierung über die „Arten“ des Wissens, zweitens gibt es verschiedene „Formate“, in denen sich das Wissen im menschlichen Gedächtnis darstellen läßt.[5] Jede Wissensart für sich ist nicht zwangsläufig an ein festgelegtes Format gebunden, jedoch besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen ihnen. Grundsätzlich sind beide Perspektiven erst einmal separat voneinander zu betrachten. Der Wissenschaftler Chi hat sich als einer der ersten dieser Thematik gewidmet und eine Klassifikation der verschiedenen Wissensarten vorgenommen. Er unterscheidet zwischen drei Wissensstrukturen: Bereichsbezogenes Wissen, strategisches Wissen, metakognitives Wissen.

2.3 Drei Wissensarten nach Chi

2.3.1 Bereichsbezogenes Wissen

Bereichsbezogenes Wissen umfasst das Wissen einer Person über einen bestimmten, abgegrenzten Bereich z.B. Mathematik, Politik, Physik oder Religion. Im weiteren Sinne umschließt diese Definition aber auch das individuelle Wissen „über die Welt“ z.B. in Form von soziologischem Verständnis für das eigene Lebens- und Wohnumfeld oder den Aufbau der Gesellschaft. Das bereichsbezogene Wissen teilt sich nochmals in drei Formen auf, das deklarative, das prozedurale und das strukturelle Wissen.

Deklaration ist im Lateinischen eine Erklärung, die etwas Grundlegendes enthält.[6] Diese Wissensform beschreibt sämtliche sprachlichen, begrifflichen und faktischen Kenntnisse einer Person, die sich in einer Art „Netzwerk“ miteinander verbinden. Kurzgesagt bedeutet deklaratives Wissen: „Wissen, dass...“[7] Wenn eine Person weiß, dass das Mischen von gelb und blau im Resultat grün ergibt, so verfügt sie über deklaratives Wissen im künstlerischen Bereich. Weiß diese Person ebenfalls, dass Anke und Jörn Zwillinge sind und eine ältere Schwester haben, die Betriebspädagogik in Aachen studiert, besitzt sie ebenfalls deklaratives Wissen, aber in einem ganz andern Bereich. Zusätzlich weißt deklaratives Wissen einen propositionalen[8] Charakter auf, indem Aussagen, die dieses Wissen widerspiegeln, immer auf ihren Wahrheitswert geprüft werden können. Wenn gelb und blau grün ergeben sollen, kann jeder Maler mit Hilfe einer einfachen Farbkombination diese Annahme verifizieren.

Innerhalb des deklarativen Wissens spielt der Begriff des Schemas eine zentrale Rolle. Schemata sind Teilnetze, die Wissenseinheiten höherer Ordnung darstellen. Vorhandenes Wissen ist gespeichert und bildet somit die Basis des Netzwerkes, in das neues Wissen integriert werden kann. Wie auf einer Schaltfläche gibt es Verknüpfungs- und Anschlusspunkte, von denen aus direkt auf bestimmtes Wissen zurückgegriffen werden kann. Schemaartig werden Oberbegriffe bereitgestellt, die mit immer verzweigteren und genaueren Informationen vernetzt sind.[9]

Eine zweite Kategorie des bereichsbezogenen Wissens ist das prozedurale Wissen. Dieses Wissen wird mit bestimmten Situationen und Anwendungskontexten verbunden und dementsprechend aktiviert. Aus dem lateinischen Ursprung des Wortes – die Prozedur als Verfahren – lässt sich die Kurzformel des prozeduralen Wissens: „Wissen, wie...“, ableiten. Hier steht das Handlungswissen, das „Know-how“, im Vordergrund.[10] Ein Chemiker, der weiß, dass Kalium und Wasser zusammengeschüttet werden müssen, um eine Reaktion zu erreichen, verfügt über prozedurales Wissen. Ein Bäcker, der weiß, wie aus Mehl, Hefe und Wasser Brötchen hergestellt werden, verfügt in einem vollkommen anderen Bereich über prozedurales Wissen.

Prozedurales Wissen wird in der Regel mit einem Set von Produktionen dargestellt.[11] Es werden Regeln oder Wenn-dann-Beziehungen produziert, die Bedingungen enthalten, die zum erfolgreichen Ausführen einer Handlung erfüllt werden müssen. Wenn eine Person eine Haustür aufschließen möchte, um in die Wohnung zu gelangen, werden viele winzig kleine Gedankenschritte im Gehirn vollzogen. Beginnend bei der Aktion, den Schlüssel in die Hand zu nehmen, über den richtigen Schlüssel gerade ins Schloss zu stecken, bis hin zum aufschließen etc.

[...]


[1] Vgl. Luczak, H.: Arbeitstechnologie und Ergonomie. Arbeitswissenschaft 2. Umdruck zur Vorlesung, 2002: Lehrstuhl und Institut der Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen, S.77.

[2] Im Rahmen der Hausarbeit können die zwei Speichermodi nicht eingehender bearbeitet werden. Ich gehe davon aus, dass diese bekannt sind.

[3] Vgl. Luczak, 2000: S.88.

[4] Vgl Arbinger, R.: Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, S.17.

[5] Vgl. Arbinger, 1997: S.17.

[6] Duden: Fremdwörterduden, 7. Auflage, Mannheim: Dudenverlag, 2001, S.202.

[7] Vgl. Arbinger, 1997: S.19.

[8] Eine Proposition ist eine Aussage, die einen Informationsanteil enthält, über den ein Urteil bezüglich deren Wahrheit oder Falschheit fällen lässt, vgl. Duden, 2001: S.814.

[9] Vgl. Lind, G./ Friege, G.: Wissen und Problemlösen- Eine Untersuchung zur Frage des „trägen Wissens“, In: Empirisches Pädagogik. Zeitschrift zu Theorie und Praxis erziehungswissenschaftlicher Forschung, 2003, 17 Jg. Heft1, S.57-86, S.60.

[10] Vgl. Arbinger, 1997: S.20.

[11] Vgl. Arbinger, 1997: S.21.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Träges Wissen und Problemlösen
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Problemlösen und Problemlöseverhalten
Note
2.0
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V27025
ISBN (eBook)
9783638291736
ISBN (Buch)
9783638771917
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Träges, Wissen, Problemlösen, Problemlöseverhalten
Arbeit zitieren
Svenja Schäfer (Autor:in), 2004, Träges Wissen und Problemlösen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27025

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