Geschlechtsspezifische kommunikative Verhaltensweisen


Term Paper (Advanced seminar), 2002

22 Pages, Grade: ohne Benotung - bestanden


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsbericht

3. Begriffsbestimmung und Schwierigkeit der Untersuchung

4. Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Sprechverhalten
4.1. Existieren faktische Unterschiede oder sind Unterschiede nur in der Wahrnehmung als Konsequenz aus vorhandenen Geschlechtsstereotypen vorhanden?
4.2. In Untersuchungen beobachtete geschlechtsspezifische Unterschiede im Sprechverhalten
4.3. Mögliche Gründe für geschlechtsspezifisches Sprachverhalten
4.4. Auswertung der Studie „Geschlechtsspezifische Aspekte bei Selbsteinschätzung und Sprechverhalten von Lehramtsstudierenden“ und Vergleich mit darauf basierender Befragung der Seminarteilnehmer

5. Schlussbemerkung

6. Bibliographie

Anhang

1. Einleitung

„Typisch Frau“ – „Typisch Mann“. Diese beiden im Alltag oft gehörten Ausdrücke werden in der Regel mit der Absicht verwendet, an einem gewissen Verhalten einer Frau oder eines Mannes Kritik zu üben und dabei zu unterstellen, dass die betreffende Handlung aufgrund der Zugehörigkeit zum jeweiligen Geschlecht in etwa so erwartet werden konnte. Nachdem aber allgemein davon gesprochen wird, dass an jedem Klischee auch ein Stückchen Wahrheit haftet, wird es sicherlich nicht überraschen, dass Sozialwissenschaften wie Soziologie, Pädagogik und auch die Sprachwissenschaft auf dem Gebiet des geschlechtsbedingten Verhaltens Forschung betrieben haben und gewisse Unterschiede festgestellt haben. Mit Bezug auf die Sprachwissenschaft kann gesagt werden, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in verschiedenen Kulturen zwar schon seit Jahrhunderten, im Einzelfall sogar schon früher, beobachtet wurden, dass die eigentliche wissenschaftliche Auseinandersetzung damit aber erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit der gesellschaftlichen Emanzipation der Frau begonnen hat. Im folgenden gilt es zu untersuchen, wie sich Frauen und Männer beim Sprechen verhalten. Dabei stellt sich vor allem die Frage, welche Unterschiede feststellbar sind. Weiterhin begegnen wir dann den Fragen, wie diese Unterschiede erklärbar sind und schließlich auch wie man mit ihnen umgehen sollte, das heißt ob sie wünschenswert oder bedauernswert sind, und wie sie eventuell verringert werden können.

2. Forschungsbericht

Wie bereits angeklungen ist, wurden bereits seit langer Zeit geschlechtsspezifische Sprachunterschiede festgestellt. Johannes Kramer liefert in seinem Aufsatz „Ältere Zeugnisse zu geschlechtsspezifischen Sprachunterschieden“ eine kurzen Überblick, der Beobachtungen aus mehr als 2000 Jahren Sprachgeschichte umfasst. Dabei wird geschlechtsspezifisches Sprachverhalten allerdings nur am Rande behandelt, und zwar nur insoweit, so weit es um allgemeine Handlungsmaßstäbe geht, die auf festgefahrenen gesellschaftlichen Konventionen beruhen (im alten Rom: die Frau hat zu schweigen)[1].

Eingehend befasst mit den geschlechtsspezifischen kommunikativen Verhaltensweisen hat sich dann die feministische Linguistik ab den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Für den deutschen Sprachraum sind dabei in erster Linie die Veröffentlichungen von Senta Trömel-Plötz und Helga Kotthoff zu nennen. Insgesamt geht die überwiegende Mehrheit der zu diesem Thema durchgeführten Studien und verfassten Arbeiten auf Vertreterinnen der feministischen Linguistik zurück. Da diese Wissenschaftsrichtung, wie der Name „feministische Linguistik“ schon nahe legt, zumindest teilweise gesellschaftspolitisch motiviert ist, steht sie logischerweise unter dem Verdacht, einseitige Forschung zur Verifizierung bereits zuvor geäußerter Thesen zu betreiben. Die Ergebnisse, zu denen die Vertreterinnen der feministischen Linguistik gelangen, dürfen also durchaus mit kritischer Distanz betrachtet werden, da eine ideologische Beeinflussung, die auf Kosten der wissenschaftlichen Objektivität geht, nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Zu kritisieren wäre in diesem Zusammenhang auch die Konzeption der mir bekannten Studien, die nie großflächig angelegt sind, sondern sich immer nur auf relativ wenige beobachtete Personen beschränken und dazu meist unter sehr speziellen Bedingungen stattfinden (z.B. Fernsehtalkshows), die Verallgemeinerungen problematisch erscheinen lassen. Allerdings ist es zugegebenermaßen sehr schwierig und enorm aufwendig, technisch sogar fast unmöglich, auf diesem Gebiet Studien durchzuführen, die dem Anspruch repräsentativ zu sein voll gerecht werden, und dabei auch noch alle Faktoren auszuschließen, die eine bedingungslose Verallgemeinerung bedenklich erscheinen lassen. Zugute halten muss man der feministischen Linguistik auch, dass ihre Thesen wissenschaftlich nicht widerlegt worden sind, weshalb mit den erwähnten Einschränkungen von ihrer Gültigkeit ausgegangen werden darf.

Was den romanischen Sprachraum betrifft, ist García Meseguers Werk „Lenguaje y discriminación sexual“ zu nennen. Darin tritt der Autor für eine „Entmaskulinisierung“ des Spanischen ein, und fordert die spanisch sprechenden Frauen dazu auf, insbesondere den sprachlichen Sexismus kritisierend, sich gegen sexuelle Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Die geschlechtsspezifischen kommunikativen Verhaltensweisen in der spanischsprachigen Kultur werden von García Meseguer allerdings nur peripher behandelt. Wesentlich mehr Auskunft darüber erhält man von Pilar García Mouton. Sich teilweise auf die Ergebnisse internationaler Sprachwissenschaftlerinnen stützend, teilweise eigene Beobachtungen für Spanien hinzufügend, liefert sie in ihrem Werk „Cómo hablan las mujeres“ einen gelungenen Überblick über Auftreten und mögliche Ursachen von geschlechtsspezifischen kommunikativen Verhaltensweisen in Spanien.

3. Begriffsbestimmung und Schwierigkeit der Untersuchung

Zunächst gilt es den Begriff der „geschlechtspezifischen kommunikativen Verhaltensweisen“ zu erläutern und einzugrenzen. Unter „kommunikativer Verhaltensweise“ versteht man das Verhalten der beteiligten Personen in Gesprächsituationen. Dabei kann in sprachliche und außersprachliche Faktoren des Gesprächsverhaltens unterschieden werden. Zu den sprachlichen Faktoren zählen die Wortwahl, nicht im streng lexikalischen Sinne, sondern was den Gebrauch von Wortregistern betrifft, die bestimmte Einstellungen (z.B. Höflichkeit oder Unsicherheit) wiedergeben. Auch die Betonung des Gesagten könnte man hier nennen, sofern mit ihr ein gewisses Verhalten signalisiert wird. Zu den außersprachlichen Faktoren gehören unter anderem das Auftreten und die Körpersprache der Sprechenden, sowie die eventuelle (Nicht-)Beachtung von Regeln und Konventionen bzw. das Anwenden von Gesprächsstrategien.

Das Attribut „geschlechtsspezifisch“ schließlich signalisiert, dass es sich um ein Merkmal handelt, welches jeweils nur einem der beiden Geschlechter eigentümlich ist, anhand dessen die Geschlechter also eindeutig unterschieden werden können. Da es in der Praxis strittig ist, ob überhaupt kommunikative Verhaltensweisen existieren, die ausschließlich von einem der beiden Geschlechter verwendet werden, spricht man auch von „geschlechtstypisch“, um ein Merkmal zu charakterisieren, das vermehrt nur bei einem der beiden Geschlechter auftritt.

Generell sollte darauf hingewiesen werden, dass es sich durchaus schwierig gestaltet, bei der Untersuchung von kommunikativen Verhaltensweisen festzustellen, ob es sich um geschlechtsspezifisches Verhalten handelt, da andere Einflussfaktoren, die das Sprechverhalten[2] prägen, in Studien nur äußerst schwer isoliert werden können. So müssten z. B. immer die Einflüsse, die von der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung, vom individuellen Typ des Sprechenden, und von der Situation, in der das Gespräch stattfindet, in angemessener Weise berücksichtigt werden. Wichtig ist in diesem Kontext auch, das Sprechverhalten und Kommunikationssituation immer im Zusammenhang gesehen werden müssen, um nicht auf voreilige Schlüsse „typisch weiblich“ oder „typisch männlich“ zu kommen. So wäre es beispielsweise ein Fehler die dominante Verhaltensweise eines Chefs im Gespräch mit seiner Sekretärin als Beleg dafür zu werten, dass Männer einen dominanteren Gesprächsstil besitzen.

4. Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Sprechverhalten

4.1. Existieren faktische Unterschiede oder sind Unterschiede nur in der Wahrnehmung als Konsequenz aus vorhandenen Geschlechtsstereotypen vorhanden?

Die Sprachwissenschaft bietet zwei Ansätze um geschlechtsspezifische Unterschiede im Sprechverhalten zu begründen:

Die sogenannte „sex-dialect-hypothesis“ (auch als genderlect- oder female register-hypothesis bezeichnet)[3] geht davon aus, dass real existierende Unterschiede für die Einteilung in männliches und weibliches Sprechverhalten kausal sind. Die häufige Verwendung von sogenannten „tag-questions“, von Abschwächungen (softeners) und von Heckenausdrücken (hedges) würde demnach beispielsweise als typisch weibliches Sprechverhalten eingeordnet werden.

Andererseits besagt die „sex-stereotype-hypothesis“, dass bei einer Einteilung in weibliches bzw. männliches Sprechverhalten Unterschiede aufgrund von stereotypgebundenen Erwartungen, die im Sinne einer „self-fulfilling-prophecy“ wirken, erst entstehen. Dieser Ansatz bestreitet also tatsächliche Unterschiede im Sprechverhalten und geht davon aus, dass lediglich in der Wahrnehmung Unterschiede existieren, die beim Betrachter von bereits vorhandenen Geschlechtsstereotypen erzeugt werden.

Thimm stellt hierzu fest, dass beide Hypothesen in zahlreichen Untersuchungen überprüft worden sind, was allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt hat.[4]

Eine dieser Untersuchungen sei als Beispiel angeführt: Sprachwissenschaftler ließen 1985 Studenten in mehreren Experimenten von Frauen und von Männern verfasste Bildbeschreibungen charakterisieren. Wurde das reale Geschlecht des Autors nicht angegeben, so wurden die von Frauen verfassten Texte als höherwertiger, was den sozio-intellektuellen Status und die Ästhetik betrifft, eingestuft, die Männertexte dagegen als dynamischer. Bis zu diesem Punkt scheint die Untersuchung also die „sex-dialect-hypothesis“ zu bestätigen. Wurde das reale Geschlecht angegeben, so waren diese Effekte noch deutlicher erkennbar, allerdings gab es keine Unterschiede bei der Kategorie „sozio-intellektueller Status“ mehr. Wurden die Bildbeschreibungen dagegen mit dem falschen Geschlecht etikettiert, so wurden die Frauentexte mit männlicher Etikettierung als besonders hochwertig bezüglich des sozio-intellektuellen Status eingestuft, die Unterschiede in der Kategorie „Dynamik“ fielen dagegen gänzlich weg. Die letzten beiden Versuchsteile sprechen also eindeutig für die Bejahung der „sex-stereotype-hypothesis“, da zunächst den Frauentexten der höhere „sozio-intellektuelle Status“ abgesprochen wird, dann aber übermäßig zugesprochen wird, wenn die beurteilenden Studenten davon ausgehen, dass es sich um Männertexte handelt. Ebenso wird den ursprünglich als dynamisch bezeichneten Männertexten die Dynamik abgesprochen, sobald geglaubt wird, sie seien von Frauen verfasst worden[5].

Aus den Experimenten kann geschlossen werden, dass beide Ansätze teilweise ihre Berechtigung besitzen, da offensichtlich faktische Unterschiede vorhanden sind, andererseits Unterschiede in vielen Fällen aber erst psychologisch durch Geschlechtsstereotype erzeugt werden, bzw. vorhandene Unterschiede dadurch verstärkt werden.

4.2. In Untersuchungen beobachtete geschlechtsspezifische Unterschiede im Sprechverhalten

Sprachwissenschaftler haben in verschiedensten Untersuchungen und Experimenten Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Gesprächsverhalten festgestellt. Dabei hat sich allerdings auch gezeigt, dass bestimmte Eigenschaften und Verhaltensmuster im Einzelfall keinen eindeutigen Rückschluss auf das Geschlecht des Sprechenden zulassen. Deshalb tendiert die Sprachwissenschaft vermehrt dazu, von „geschlechtstypischen“ kommunikativen Verhaltenweisen zu sprechen, anstatt den sehr stark verallgemeinernden Begriff „geschlechtsspezifisch“[6] zu verwenden.

Grundsätzlich unterscheidet die Forschung das unsichere, defensive und kooperierende weibliche Sprachverhalten vom sicheren, aggressiven, wettbewerbsorientierten und dominanten männlichen Sprachverhalten. Diese Abgrenzung hat allerdings nur tendenziellen Charakter, zumal sie im wesentlichen auf nicht sehr zahl- und umfangreichen Beobachtungen und Experimenten einiger Forscher beruht.

[...]


[1] Vgl. Johannes Kramer, „Ältere Zeugnisse zu geschlechtsspezifischen Sprachunterschieden“ in Dahmen, Wolfgang u.a. (Hg.) Sprache und Geschlecht in der Romania – Romanistisches Kolloquium X, Tübingen 1997, S. 17.

[2] Da sich auch die einschlägige Literatur nicht darüber einig ist, welcher der beiden Begriffe (Sprachverhalten oder Sprechverhalten) vorzuziehen ist, werden sie in dieser Arbeit gleichberechtigt nebeneinander verwendet.

[3] Vgl. Caja Thimm, „Durchsetzungsstrategien von Frauen und Männern: Sprachliche Unterschiede oder stereotype Erwartungen?“, in Heilmann, Christa M. (Hg.), Frauensprechen, Männersprechen – Geschlechtsspezifisches Sprechverhalten, München 1995, S. 122.

[4] Vgl. Thimm, S. 123.

[5] Vgl. Thimm, S. 124.

[6] Wenn im weiteren Verlauf dieser Arbeit in Anlehnung an die jeweiligen Autoren von „geschlechtsspezifisch“ gesprochen wird, ist dies nach der vorliegenden Definition jeweils im Sinne von „geschlechtstypisch“ zu verstehen.

Excerpt out of 22 pages

Details

Title
Geschlechtsspezifische kommunikative Verhaltensweisen
College
University of Passau
Course
Hauptseminar: Sprache und Geschlecht
Grade
ohne Benotung - bestanden
Author
Year
2002
Pages
22
Catalog Number
V27044
ISBN (eBook)
9783638291903
ISBN (Book)
9783640473076
File size
568 KB
Language
German
Keywords
Geschlechtsspezifische, Verhaltensweisen, Sprache, Geschlecht, Genderforschung, Linguistik, Mann, Frau
Quote paper
Michael Vogler (Author), 2002, Geschlechtsspezifische kommunikative Verhaltensweisen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/27044

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